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Thanos versetzt das Universum in Schrecken. Und das nicht nur in Comics und Filmen, sondern auch am heimischen Spieltisch. Denn gemeinsam mit deinen Freunden kannst du versuchen, seine Pläne durch gezielte Würfelwürfe zu vereiteln. Kann das Spiel zum Film Avengers: Infinity War genauso überzeugen wie der Film selbst?

Mit einem Fingerschnippen veränderte Thanos, der irre Titan, diesen Sommer das Marvel Cinematic Universe Welche der Änderungen von Dauer sein werden, wird sich noch zeigen müssen, aber der Film war nicht nur kommerziell eines der Highlights des Kinojahres 2018. Was liegt also näher, als ein solches Ereignis nicht nur auf der Leinwand, sondern auch auf dem heimischen Spieltisch zu zelebrieren.

Und genau das versucht der Verlag USAoploy mit Thanos Rising: Avengers Infinity War (in Folge nur noch Thanos Rising genannt). Das Spiel kam in den USA fast zeitgleich mit dem Film auf den Markt, und dank der Spiel 2018 im vergangenen Monat hat es nun auch seinen Weg in unsere Hände gefunden. Also haben wir prompt ein paar tapfere Freunde versammelt und uns Thanos gestellt.

Spielablauf

Thanos Rising ist ein vollständig kooperatives Würfelspiel für 2-4 Spieler. Jeder Spieler übernimmt dabei die Rolle eines Superheldenteams. Zur Verfügung stehen die Avengers, Wakanda, die Guardians of the Galaxy sowie die Zauberwirker rund um Doctor Strange. Das Team gibt die Art und Anzahl der Würfel vor, die man zu Beginn zur Verfügung hat. Außerdem ist der Anführer festgelegt und eine Spezialfähigkeit gibt es auch noch. Diese kommt jedoch nur in seltenen Fällen überhaupt zur Anwendung.

Es stehen vier verschiedene Teams für die Spieler zur Verfügung
Es stehen vier verschiedene Teams für die Spieler zur Verfügung

In der Tischmitte werden die beiden Spielfelder platziert. Auf dem einen befindet sich Thanos, dargestellt durch eine massive und ziemlich ansehnliche Figur, sowie drei Zonen, in denen sich jeweils drei Karten befinden. Die andere Zone stellt den Infinity Gauntlet dar und wird genutzt, um Thanos‘ Fortschritt beim Erlangen der Infinity-Steine zu markieren.

Thanos überschattet durch seine schiere Größe bereits den Rest des Spielfelds
Thanos überschattet durch seine schiere Größe bereits den Rest des Spielfelds

Gespielt wird immer reihum, wobei die nicht aktiven Spieler lediglich über Bonusmarker den aktuellen Zug spieltechnisch beeinflussen können. Der jeweils aktive Spieler wählt eine der drei Zonen, platziert den Marker seines Teams dort und beginnt dann mit der Würfelei. Zuerst werden die beiden Machtwürfel von Thanos geworfen. Einer davon gibt die Farbe des Infinity-Steins an, auf dem Thanos in diesem Zug Einfluss gewinnt, bzw. den er aktiviert, sollte er ihn bereits besitzen.

Der andere Würfel legt fest, in welcher der drei Regionen Thanos selbst sich gerade befindet. Ist das die, in die er auch schon zu Beginn des Zuges blickte, erhält er entweder einen weiteren Einfluss auf die Infinity-Steine oder er aktiviert seine Schergen in den beiden anderen Regionen. Danach greift er selbst die Region an, in der er sich befindet. Etwaige Schergen in dieser Region werden dadurch ebenfalls aktiviert.

Thanos Handlungen werden komplett durch diese beiden unscheinbaren Würfel bestimmt.
Thanos Handlungen werden komplett durch diese beiden unscheinbaren Würfel bestimmt.

Thanos‘ Angriff verursacht bei allen Heldenkarten in der Region einen Punkt Schaden. Sollte das Team des aktiven Spielers sich dort befinden, gilt das auch für alle Helden dieses Teams.

Nachdem diese Würfel abgearbeitet sind, beginnt der eigentliche Zug des Spielers. Er würfelt nun seine eigenen Würfel, die er aus dem Grundvorrat seines Teams, sowie Boni durch Fähigkeiten seiner Helden erhält. Dabei gibt es vier unterschiedliche Farben an Würfeln. Sie alle haben jedes der vier Symbole, stellvertretend für Kampfkraft, Magie, Technik und kosmische Dinge, je einmal, sowie eines der Symbole ein zweites Mal und einmal in doppelter Wertigkeit.

Da die verschiedenen Teams und die weiteren Helden, die man diesen hinzufügt, den Würfelpool grundlegend verändern, zeigen sich hier Elemente des Pool Buildings.

Der Würfelvorrat der Spielerwürfel. Es sind nicht genug, damit jeder Spieler seine eigenen erhalten könnte, und die Menge stellt auch eine Obergrenze für die Macht der Teams dar.
Der Würfelvorrat der Spielerwürfel. Es sind nicht genug, damit jeder Spieler seine eigenen erhalten könnte, und die Menge stellt auch eine Obergrenze für die Macht der Teams dar.

Nach diesem initialen Wurf prüft der aktive Spieler, ob er die Bedingungen für die Spezialfähigkeit seines Teams erreicht hat. Da hierfür vier Mal das Spezialsymbol der Fraktion, bzw. sechsmal Kampfkraft für die Avengers, gewürfelt werden müssen, ist dies jedoch selbst bei idealen Würfelbedingungen eher unwahrscheinlich. Danach können die Würfel auf beliebige Karten in der Sektion verteilt werden, in der sich das Team aufhält, sowie auch eventuelle aktivierbare Fähigkeiten der bereits zum Team gehörigen Helden.

Dabei können Teile der Würfel mehrfach gewürfelt werden, solange vor jedem erneuten Würfeln mindestens ein Würfel einer der Karten zugewiesen oder komplett beiseitegelegt wurde. Die Tatsache, dass einmal zugewiesene Würfel nicht mehr verschoben werden dürfen, sorgt hier für einen gehörigen Anteil Push your Luck, da man früh entscheiden muss, ob man das einfacher zu erreichende Ziel versucht, oder aber eben sein Glück versucht und das schwerere, aber auch lohnendere, Ziel angeht.

Ist der Spieler mit dem Würfeln fertig, entweder weil er mit dem Ergebnis zufrieden ist, oder weil er kein besseres mehr erreichen kann, werden alle Karten, bei denen alle Würfelsymbole erfüllt wurden, abgearbeitet. Heldenkarten aus der aktiven Sektion werden vollständig geheilt und dann dem aktiven Team hinzugefügt, Gegner erhalten einen Punkt Schaden und die Fähigkeiten der eigenen Helden generieren bisweilen zusätzliche Effekte.

Erst danach wird geprüft, ob ein ausliegender Held, egal in welcher Sektion oder in welchem Team, alle Schadenskästchen gefüllt hat. Falls ja, ist dieser besiegt und wird auf den entsprechenden Stapel gelegt. Auch Gegner können auf diese Weise besiegt werden. Infinity-Steine, deren Einflussfelder komplett gefüllt sind, werden aktiv und können ab dem nächsten Zug weitere negative Effekte haben, falls sie erneut gewürfelt werden.

Der Infinity-Gauntlet stellt eine große Bedrohung dar und kann, bei Komplettierung, das Spielende einleiten.
Der Infinity-Gauntlet stellt eine große Bedrohung dar und kann, bei Komplettierung, das Spielende einleiten.

Zu guter Letzt wird noch geprüft, ob eine der Spielende-Bedingungen erfüllt ist. Die Spieler haben gewonnen, wenn sie, im einfachsten Spielmodus, sieben der Schergen von Thanos besiegt haben. Thanos gewinnt, wenn er alle Infinity-Steine kontrolliert, zehn Helden besiegt sind oder ein Team komplett ohne Helden dasteht. Finden Sieg und Niederlage in der gleichen Runde statt, haben die Helden gewonnen.

Ist das Spiel noch nicht beendet, nimmt der aktive Spieler den Marker seines Teams zurück und der nächste Spieler ist am Zug.

Das Spielprinzip von Thanos Rising ist vergleichsweise simpel. Wie ein Spielzug funktioniert ist innerhalb weniger Minuten erklärt und nach spätestens zwei oder drei Spielzügen sollte jeder verstanden haben, wie das Spiel gespielt wird. Damit soll jedoch nicht behauptet werden, dass das Spiel an sich einfach wäre oder Komplexität vermissen lassen würde. Die Testspiele erwiesen sich alle als relativ hart und wir haben öfter verloren als gewonnen. Auch müssen die Interaktionen der verschiedenen Karten sowie Kartenarten, Würfel, Infinity-Steine und Gegnerfähigkeiten erst einmal durchblickt werden.

Für Fans von Spielen, die aus vielen beweglichen Teilen bestehen, welche alle miteinander interagieren, ist hier einiges vorhanden. Dem entgegen steht jedoch der enorme Glücksfaktor. Nicht nur ist das Spiel komplett über Würfel gesteuert, sondern auch die Auslage der Karten ist sehr zufällig. Es kann passieren, dass zu Beginn des Spiels kaum oder gar keine Karten ausliegen, die man mit den Würfeln, die die Teams zu Beginn bieten, erfüllen kann. In diesem Fall hat man im Grunde bereits verloren, da Thanos die Chance erhält sich aufzubauen. Dies bedeutet, dass zunächst erst einmal gewartet werden muss, bis ein Teil der zu schwierigen Helden besiegt wurde, um Platz für einfachere Karten zu schaffen. Aber auch das Gegenteil kann passieren. Wenn zu Beginn ausreichend einfachere Helden ausliegen, damit alle Teams ihre Boni schnell aktiviert bekommen, wird das Spiel mit einem Mal deutlich einfacher.

Das letzte Beispiel ist es auch, das dafür sorgt, dass Thanos Rising zwar mit jeder erlaubten Spielerzahl spielbar ist, die Schwierigkeit aber mit der Anzahl der Spieler steigt. Denn bei weniger Spielern gibt es auch weniger Teams, die sich aufbauen müssten, um wirklich gut zu werden. Ironischerweise sind die Avengers dabei das Team, auf das man am ehesten verzichten kann, da sie zu Beginn nur rote Würfel haben und diese die am einfachsten zu bekommenden und damit unwichtigsten im Spiel sind. Jedes Team hat automatisch drei davon und das Kampfkraft-Symbol wird nicht für deutlich mehr Karten benötigt als die anderen Symbole. Insbesondere bei den Gegnern sind es üblicherweise die anderen Symbole die Probleme bereiten und nicht die Kampfkraft.

Das Team Wakanda, verstärkt durch ein wenig Stark-Technologie, und die daraus resultierende Würfelauswahl.
Das Team Wakanda, verstärkt durch ein wenig Stark-Technologie, und die daraus resultierende Würfelauswahl.

Die Kooperation in Thanos Rising ist leider auch nicht besonders groß, dafür dass es sich um ein kooperatives Spiel handelt. Hier fehlt eine Möglichkeit, Helden zwischen den Teams zu tauschen, oder direkter zu kooperieren. Denn nur bestimmte Fähigkeiten wie die Heilung, sowie die Verwendung von Bonusmarkern, die man für das Verwunden der Schergen von Thanos erhält, können teamübergreifend eingesetzt werden. Abgesehen davon, ist man am Spiel kaum beteiligt während ein anderer Spieler am Zug ist.

Diese Bonusmarker sind das einzige direkte Mittel der Kooperation. Ihr geschickter Einsatz kann oftmals Würfelpech ausgleichen.
Diese Bonusmarker sind das einzige direkte Mittel der Kooperation. Ihr geschickter Einsatz kann oftmals Würfelpech ausgleichen.

Das Spielgefühl von Thanos Rising ist hingegen gelungen. Oftmals fiebert man mit, wenn ein Wurf über das Wohl oder Wehe eines kompletten Zuges entscheidet. Wenn Helden kurz vor dem Ableben doch noch rekrutiert werden können oder Thanos in diesem Zug einen bestimmten Infinity-Stein auf keinen Fall würfeln darf, sorgt dies für ordentlich Spannung. Diese bleibt auch auf Grund der hohen Schwierigkeit des Spiels meistens gewahrt.

Schade ist dabei etwas, dass viele Dinge bei näherem Hinsehen nicht so ganz der Welt entsprechen, die simuliert werden soll. Statt Spider-Man ist die Iron Spider im Spiel. Teamleiter der Guardians of the Galaxy ist Gamora, nicht Star-Lord. Und warum sind die Effekte des Statesman (das gigantische Schiff, auf dem die Asgardianer geflohen sind) im Grunde die gleichen wie die der Quinjets oder des Schiffs der Guardians? Warum ist Friday, die KI von Iron Man, im Team von Black Panther deutlich sinnvoller eingesetzt als bei den Avengers? Und, last but not least, wo ist am Ende eigentlich der Kampf gegen Thanos selbst? Man wird die ganze Zeit von ihm bedroht und vermöbelt, aber das Spiel gewinnt man, indem man einfach eine Handvoll seiner Schergen ausschaltet. Das fühlt sich irgendwie am Ende nicht so an, als hätte man Thanos besiegt.

Ausstattung

Die Menge und Qualität des Materials kann sich durchaus sehen lassen.
Die Menge und Qualität des Materials kann sich durchaus sehen lassen.

Das Spielmaterial von Thanos Rising kann sich sehen lassen, offenbart aber in Details Schwächen. Die Spezialwürfel sind massiv, die Symbole gut lesbar und unterschiedlich – zumindest bei den Spielerwürfeln. Denn die Thanos-Würfel haben gleich zwei Probleme: Zum einen sind die Farben rot und violett auf dem Infinity-Stein-Würfel sich relativ ähnlich – rot-grün-blinde Menschen haben mit Grün, Rot und Violett sogar drei Farben, die sich stark ähneln – zum anderen das Symbol für den erneuten Wurf des Infinity-Würfels, das exakt so aussieht wie das Ergebnis „Gelb“ auf dem Infinity-Würfel selbst, was für Verwirrung sorgen kann.

Die Miniatur von Thanos ist groß und eindrucksvoll, auch wenn die Basis minimal kleiner hätte sein können, damit man die Miniatur innerhalb des Spielfeldes drehen könnte, statt sie jedes Mal anheben zu müssen. Und auch der Infinity-Gauntlet und die Kristalle, die die Steine darstellen, sehen einfach gut aus. Perfekt wäre es gewesen, wenn diese Steine auch exakt in die dafür vorgesehenen Fassungen gepasst hätten, statt nur locker darin zu liegen.

Ein Highlight des Spiels ist ohne Zweifel die massive und ansehnliche Figur des irren Titanen selbst.
Ein Highlight des Spiels ist ohne Zweifel die massive und ansehnliche Figur des irren Titanen selbst.

Die Karten zeigen Fotos aus den verschiedenen Filmen des MCU und tragen damit gut zur Stimmung und zum Gesamtbild dar. Und auch hier gilt, dass alle Symbole groß und gut erkennbar sind.

Die harten Fakten:

  • Verlag: USAopoly
  • Autor(en): Andrew Wolf
  • Erscheinungsjahr: 2018
  • Sprache: Englisch
  • Spieldauer: 45-60 Minuten
  • Spieleranzahl: 2, 3, 4
  • Alter: 12+
  • Preis: 42,99 EUR
  • Bezugsquelle: Amazon

 

Bonus/Downloadcontent

Neben den im Grundspiel enthaltenen Karten gibt es eine Handvoll Promokarten mit zusätzlichen Teams und / oder Heldenkarten. Dazu gibt es in der Dateisektion bei Boardgamegeek einige nützliche Downloads. Neben dem Regelheft finden sich dort zusätzliche Karten zum Selberdrucken, mit denen man zum Beispiel die Defenders als Team spielen kann.

Fazit

Thanos Rising versucht Spielern das Gefühl zu geben selbst am Infinity War teilzuhaben. Und im Grunde gelingt dies auch ganz gut. Die Spannung ist da, Helden sterben, der Kampf ist am Ende meist entweder eine totale Niederlage oder ein knapper Sieg. Aber bei genauerem Hinsehen zeigen sich Ungereimtheiten, wenn man die Welt des Spiels mit den Filmen vergleicht. Dazu sind einige Karten und Infinity-Steine eindeutig besser als andere und das Spiel hat insgesamt einen extrem hohen Glücksfaktor.

Nicht nur während des Spiels, sondern direkt beim Aufbau hat Glück einen massiven Einfluss darauf, ob das Spiel überhaupt gewinnbar ist. Hier wäre eine bessere Lösung erforderlich als „einfach alle Karten mischen und dann den Stapel von oben nach unten durchspielen“. Es wird sicherlich Gruppen geben, denen dieser hohe Einfluss Fortunas gefällt. Aber wie groß ist die Schnittmenge dieser Gruppen mit Gruppen, die die Komplexität der Interaktionen von Karteneffekten, Würfeln, etc. in diesem Spiel mögen werden? Hier ist die Zielgruppe leider etwas unklar.

Aber das hochwertige Spielmaterial, sowie die Tatsache, dass das Spiel dann trotz seiner Schwächen am Ende den meisten Testspielern zumindest ein Stück weit Spaß gemacht hat, retten knapp die Wertung vor der Mittelmäßigkeit.

Mit Tendenz nach Unten

Artikelbilder: USAopoly
Fotografien: Holger Christiansen
Dieses Produkt wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.

 

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