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Im LARP suchen wir Extremerfahrungen, Emotionen und Tragödien. Zumeist werden diese Erfahrungen als aufregend und bereichernd erlebt, doch im Ernstfall können sie an die psychische Substanz gehen. Während Sicherheitsvorkehrungen für körperliche Unversehrtheit zum Orga-Standard gehören, sind Maßnahmen für mentale Sicherheit weniger verbreitet. Elea Brandt erklärt, warum sich das ändern sollte.

Ich will’s extrem!

Seien wir ehrlich, viele Spieler*innen suchen im LARP nach Grenzerfahrungen. Eine Umfrage der Teilzeithelden von 2018 hat gezeigt, dass über 50 % der Befragten vor allem deswegen larpen, weil sie die Immersion und den Flow suchen. Sie wollen intensive Emotionen erleben und voll und ganz in ihrer Rolle aufgehen. Je 40 % der Befragten spielen sogar explizit, um ihren SC scheitern zu sehen oder um hochdramatische Spielsituationen auszukosten.

Je stärker die erlebte Emotion, desto wahrscheinlicher ist auch das Bleeding: Gefühle und Einstellungen, die der SC im Spiel erlebt, sickern auf den Spieler oder die Spielerin durch. Manche Larper*innen berichten von einer regelrechten Post-LARP-Depression, bei der sich das reale Leben angesichts der im LARP empfundenen starken Emotionen schal und fade anfühlt.

Was passiert aber, wenn extreme Erfahrungen nicht zu positiven, sondern zu sehr negativen Emotionen führen?

Wenn aus Spiel Ernst wird

Forscher*innen vermuten, dass sich Bleeding auch auf Prozesse im Gehirn auswirkt. In einer Studie spielten Versuchspersonen ein virtuelles Ballspiel, bei dem sie von den Mitspielenden aktiv ausgeschlossen wurden. Die Aktivität im Gehirn war vergleichbar mit Reaktionen auf (milden) körperlichen Schmerz, wie zum Beispiel sich den Zeh anzustoßen. Da im LARP durch Requisite, Kulisse und Charakterdesign eine weit höhere Immersion erreicht wird als in einem Computerspiel, lässt sich vermuten, dass die neuropsychologischen Reaktionen auf Zurückweisung beim LARP noch extremer ausfallen können.

Bleeding tritt vor allem dann auf, wenn Eigenschaften der Spieler*innen und des Charakters verschwimmen und die Grenze zwischen Intime- und Outtime-Geschehen nicht mehr klar gezogen werden kann. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn SCs in Situationen geraten, in denen sie stark bedrängt werden (z. B. Spiel in sehr engem Raum) oder wenn sich Konflikte zwischen zwei Charakteren auf Eigenschaften beziehen, die nicht nur die SCs, sondern auch die Spieler*innen aufweisen (wie Geschlecht, sexuelle Orientierung, Hautfarbe). Im Gegensatz zum Pen & Paper-Rollenspiel teilen sich Spieler*in und SC im LARP denselben Körper, das heißt, eine klare Trennung zwischen IT und OT ist hier oft nicht möglich. Angst, Bedrohungsgefühle und die Hilflosigkeit des Charakters werden zugleich zu negativen Emotionen der Spieler*innen. Maury Brown, Präsidentin der US-amerikanischen LARP-Community LLC, fasst diesen Zusammenhang prägnant zusammen: „If it is happening to the character, it is happening to the player.” (“Wenn es dem Charakter passiert, passiert es auch dem Spielenden.“)

Extremsituationen im LARP haben also das Potenzial, ähnliche oder sogar dieselben psychologischen Reaktionen auszulösen wie im wahren Leben. Das Gehirn besitzt keinen Schalter, um zwischen „Spiel“ und „Realität“ zu unterscheiden. Damit entsteht natürlich auch die Gefahr, dass traumatische Erfahrungen getriggert werden. Für Spieler*innen, die Mobbing, Rassismus oder sexuelle Gewalt erlebt haben, besteht das Risiko, dass sie in ähnlichen Spielsituationen noch einmal die ganze emotionale Wucht dieses Traumas erleben, bis hin zu Flashbacks oder Panikattacken. Und selbst, wenn es nicht diese extremen Ausmaße annimmt, dürfte der Spielspaß und das LARP-Wochenende massiv darunter leiden. Schlimmstenfalls färbt dieses Erlebnis nicht nur die LARP-Erfahrung selbst negativ, sondern beeinträchtigt danach auch noch das Privatleben der betroffenen Person.

Sicherheit für alle

LARP-Orgas machen sich in der Regel viele Gedanken zur physischen Sicherheit ihrer Spieler*innen. Ab einer gewissen Veranstaltungsgröße gehört ein Sicherheitskonzept zum Standard-Repertoire jedes LARP-Cons und wird häufig sogar in die AGBs einbezogen. In der Regel gibt es klare Vorgaben für die Beschaffenheit der Waffen und für erlaubte Trefferzonen. Kämpfe sind oft nur bei ausreichender Beleuchtung zugelassen und bei Zuwiderhandlung werden mitunter Platzverweise ausgesprochen. Auch Alkoholisierung kann ein Grund sein, Spieler*innen zum Beispiel aus Kampfsituationen zu entfernen, wenn sie dadurch sich oder andere gefährden. Zudem legen Orgas klare Signale fest, die zum Einsatz kommen, wenn sich jemand ernsthaft verletzt, und Ersthelfer*innen oder Sanitäter*innen werden sichtbar gekennzeichnet.

Konzepte für mentale Sicherheit sind weniger verbreitet, dabei ist die psychische Gesundheit ebenso bedeutsam wie die körperliche. Psychische Belastungen sind oft schlechter erkennbar und auch das Bewusstsein dafür ist in der Bevölkerung weniger ausgeprägt. Die meisten Menschen wissen beispielsweise, dass ein verstauchter Knöchel weh tut oder wie unangenehm eine Gehirnerschütterung sein kann. Wie schlimm sich dagegen eine ausgewachsene Panikattacke anfühlt, können weniger Menschen nachvollziehen.

Reaktionen auf unangenehme oder belastende Situationen im Rollenspiel und LARP sind sehr stark von der individuellen Vorgeschichte, möglichen Vorerkrankungen oder Marginalisierungserfahrungen abhängig. Von außen sind diese Dispositionen oft nicht sichtbar. Umso wichtiger ist es, dass auch für mentale Sicherheit ein klares Regelwerk existiert, auf das sich alle Spieler*innen gemeinsam verständigen.

Natürlich gibt es auf LARPs nie eine hundertprozentige Sicherheit. Trotz Vorsichtsmaßnahmen kommt es zum Beispiel immer wieder zu Unfällen oder körperlichen Verletzungen. Eine Umfrage des von Tobias Cronert für das LARP-Wiki von 2009 ergab, dass 11 % der Befragten mindestens einmal in ihrem Leben schwer durch LARP-Waffen verletzt wurden. Das sollte aber kein Argument sein, Vorsichtsmaßnahmen zu ignorieren oder abzuschaffen, im Gegenteil. Es ermuntert eher dazu, sie zu optimieren und weiterzuentwickeln. Das gilt analog auch für psychische Sicherheit.

Wer auf ein LARP fährt, weiß, dass bestimmte Risiken unter Umständen nicht zu vermeiden sind, doch das rechtfertigt nicht, sie komplett zu ignorieren. Auf den meisten Cons ist es problemlos möglich, Kämpfen fernzubleiben und stattdessen als Heiler*in, Magier*in oder Diplomat*in im Hintergrund zu agieren. Auf diese Weise kann auch auf körperlich beeinträchtige, chronisch kranke oder schwangere Menschen Rücksicht genommen werden, ohne deren LARP-Erfahrung zu schmälern. Ähnliche Mechanismen können auch hinsichtlich mentaler Sicherheit getroffen werden. Wer diese als Konzept ausklammert, riskiert letztlich nicht nur, Schäden zu verursachen, sondern schließt unter Umständen auch ganze Personengruppen von einer Veranstaltung aus.

„Ich habe eine halbe Stunde lang nur gezittert“

Wie wichtig Safetytools und Sensibilität im LARP sein können, hat die Larperin und Podcasterin von Jetzt mal kurz OT Shelly eindrucksvoll erlebt und ihre Erfahrungen unter anderem auf Twitter geteilt. Gemeinsam mit einigen Freunden nahm sie als SC an einem Zombie-Apokalypse-LARP teil. Die Orga war noch recht unerfahren im LARP-Bereich, hatte aber ein Sicherheitskonzept ausgearbeitet: Es gab eine Therapeutin als Ansprechpartnerin in der SL, sichere Rückzugsräume und ein Safeword, um aus dem Spiel ausscheiden zu können. Trotzdem entstand am Ende des Wochenendes eine Szene, die Shelly bis heute beschäftigt: Die SCs wurden in eine Geiselnahme-Situation gezwungen, aus der es keine Fluchtmöglichkeit gab, und in der einige SCs zu Demonstrationszwecken willkürlich hingerichtet wurden.

„Für mich war diese Situation richtig traumatisierend“, erzählt Shelly. „Ich habe danach eine halbe Stunde lang gezittert, konnte nicht sprechen, hab mich an die Schulter eines Freundes geklammert und nur geheult. In der Intensität hatte ich das noch nie erlebt, weder im LARP noch außerhalb.“ Rund eine Woche zuvor hatte ein rechtsextremer Täter in Hanau mehrere rassistisch motivierte Morde begangen und Shelly erkennt hier einen klaren Bezug zur Situation im Spiel: „Für mich, als nicht-weiße Person, war das vor allem aus dem Hanau-Kontext heraus schlimm. Für die weißen Leute dort war das eine Spielsituation, mir war dagegen klar: Wenn ich in einer Shisha-Bar sitze und da kommt einer mit einer Waffe rein, der bringt mich um.“

Auch die zuvor implementierten Sicherheitskonzepte waren in dieser Situation nicht zugänglich, da die SL vollständig die Geiselnehmer*innen verkörperte. Auch Rückzugsmöglichkeiten schieden aus. „Es gab niemanden, an den ich mich hätte wenden können“, erklärt Shelly. „Ich kam aus der Situation nicht mehr heraus. Hätte ich mich bewegt, wäre mein SC vermutlich getötet worden.“ 

Zuhören, ernstnehmen, reagieren

Trotz der belastenden Situation, war für Shelly aber vor allem die Reaktion der Orga frustrierend. Konstruktive Kritik und Vorschläge für Verbesserungen wurden abgebügelt, außer einer pauschalen Copy-and-Paste-E-Mail erfolgte keine Reaktion. Stattdessen ließ sich die Orga während der Aftershowparty gehörig von den Anwesenden feiern. Shelly hat dafür wenig Verständnis: „Jeder macht mal Fehler, aber dann sollte man Betroffenen zuhören und auf Kritik reagieren.“

Am Ende blieb der Eindruck, dass die Orga das Problem einzig und allein auf Shelly als Person reduzierte, die gesamte Tragweite aber nicht realisierte: „Die Therapeutin hat danach mit mir gesprochen, hat mir Atemübungen gezeigt und mir geholfen, runterzukommen. Das war super, aber es blieb dann sehr oberflächlich. Sie betonte immer wieder, dass sei ja schlimm für mich, dass ich mich so fühle. Sie individualisierte das Problem komplett auf meine Person, ohne die Situation und die Hintergründe zu berücksichtigen. Da fühlte ich mich, gerade als nicht-weiße Person, überhaupt nicht ernstgenommen.“ Die geringe Kommunikationsbereitschaft der Orga und die fehlende Kritikbereitschaft hinterlässt für Shelly einen besonders faden Beigeschmack. Sie ist sich sicher: „Ohne diese ignorante Reaktion wäre das nicht so problematisch gewesen.“

Oberste Regel: Nein heißt Nein!

Auch wenn viele von uns mehr im LARP sehen als ein Hobby, es ist und bleibt eine Freizeitaktivität. Der gemeinsame Spaß sollte immer im Vordergrund stehen. LARP ist kein Bundeswehrtraining, bei dem nur die Harten in den Garten kommen. Wer hier ausschließlich auf Kosten anderer Spaß hat, egal ob SC oder SL, schadet dem Gemeinschaftserlebnis.

In Hinblick auf mentale Gesundheit muss also ganz klar eine Einigung auf gemeinschaftlich geteilte Gemeinschaftsstandards im Fokus stehen. Consent ist wichtig, nicht nur bei Rollenspielen im Schlafzimmer, sondern auch im LARP. Nein heißt Nein – IT wie OT – und muss akzeptiert werden. Wer in einer schwierigen Situation erst eine Diskussion vom Zaun bricht, warum das nicht so gemeint war oder warum das doch gar nicht so schlimm ist, zwingt Betroffene dazu, höchst private und individuelle Erfahrungen preiszugeben, die andere Menschen schlichtweg nichts angehen. Abgesehen davon ist eine emotional geladene Situation sicher nicht der richtige Zeitpunkt, um sachlich zu diskutieren. „Zuhören ist wichtig“, sagt auch Shelly. „Es ist wichtig, die Erfahrung einfach anzunehmen, statt zu diskutieren, warum jemand sich gerade traumatisiert fühlt. Drüber reden kann man vielleicht später, aber nicht in der Situation.“

Ein ausdrückliches „Nein“ muss also ohne Wenn und Aber gelten, auch dann, wenn es eine Spielszene beendet oder einen Plotstrang abschneidet. Die individuelle Gesundheit der Spieler*innen muss immer an oberster Stelle stehen. Man würde ja auch nicht von Spieler*innen erwarten, sich OT einen Finger abzuschneiden, weil das jetzt gerade so schön in den Plot passt. Genauso wenig sollten Spieler*innen gezwungen werden, eine schwere Panikattacke oder ähnliches in Kauf zu nehmen, weil das die Immersion der anderen Spieler*innen fördert. Über dieses Thema hat auch die Autorin und LARPerin Amalia Zeichnerin einen interessanten Blogbeitrag geschrieben.

LARP ist keine Kriegssimulation

Schon im Vorfeld sollten alle Spieler*innen Bescheid wissen, was sie auf einem Con erwartet, welche Anforderungen gestellt und welche Themen bespielt werden. Ein „Zombie-Survival-LARP“ weckt andere Erwartungen als ein „atmosphärisches Tavernen-LARP“ oder „historisches Detektiv-LARP“. Natürlich gibt es dabei Grenzen. Gerade bei „Sandbox“-LARPs oder sehr großen, offenen Settings entwickeln sich manche Themen erst im Verlauf. Trotzdem ist es sinnvoll, einen gewissen Rahmen aufzuspannen, innerhalb dessen sich das Spiel bewegt.

Dabei gilt: Je intensiver und emotional fordernder die bespielten Themen sind, desto wichtiger sind mentale Sicherheitsmechanismen. LARP ist keine Kriegssimulation, in der Menschen bis an den Rand ihrer Belastbarkeit und darüber hinaus getrieben werden sollen. LARP ist eher wie eine Geisterbahn. Die Spieler*innen wollen sich gruseln, wollen Herzklopfen, wollen Emotionen und sie wollen sich voll und ganz auf das Erlebnis einlassen können, ohne Sorge haben zu müssen, dass ihre psychische Gesundheit dadurch bedroht ist. Das geht nur durch klare, transparente Absprachen.

Safetytoolkit

Gerade im Nordic LARP werden immer wieder verschiedene Safetytools diskutiert und erprobt. Einige möchte ich hier vorstellen, ohne Anspruch auf Vollständigkeit:

  • Informierte Einwilligung: Bespielte Themen und notwendige Anforderungen werden bereits bei Anmeldung für einen Con klar kommuniziert. Werden Themen bespielt, die emotional sehr belastend sein können, helfen Hinweise zu Spielinhalten, also sogenannte Content Notes, oder Triggerwarnungen. Das gibt auch Spieler*innen mehr Freiheit, ihre Konzepte innerhalb des gegebenen Rahmens zu entfalten.
  • Gemeinschaftsstandards: LARP-Cons brauchen klare Gemeinschaftsstandards, die auch im Spiel durchgesetzt werden. Diese können etwa eine Nulltoleranz gegenüber explizit dargestellter sexueller Gewalt oder Belästigung beinhalten, spezielle Ruhezeiten oder andere Sicherheitsmechanismen.
  • Aftershow: Im Anschluss an ein emotional sehr forderndes Spiel helfen eine Nachbesprechung durch die Spielleitung oder gemeinsame Gespräche zum Ausklingen, unangenehmes Bleeding zu verhindern. Hier können auch Situationen zur Sprache kommen, die nicht ideal gelaufen sind. Auf einer anschließenden OT-Party kann man wiederum die Personen hinter den SCs besser kennen lernen und ihre Handlungen vielleicht besser einschätzen.
  • Safewords: In manchen LARPs, wie zum Beispiel auf dem DrachenFest und dem Epic Empires, werden Safewords genutzt, um belastende Situationen zu beenden. Sinnvoll sind dabei leicht anzuwendende und idealerweise auch immersionstaugliche Safewords (etwa „Oh Mutter“ oder „Ich möchte wirklich, wirklich, wirklich nicht in dieses dunkle Zimmer gehen“), die ohne Diskussion akzeptiert werden. Um Spieler*innen in Extremsituationen zu entlasten, sollte es auch die Möglichkeit geben, Spielsituationen jederzeit verlassen zu können, wie durch „aus-x-en“ oder andere OT-Zeichen. Hilfreich sind auch Notfallmechanismen in Extremsituationen, zum Beispiel bei einem mentalen Zusammenbruch oder einer Panikattacke. Ähnlich wie bei schweren Verletzungen sollte hier ein sofortiger Spielstopp erfolgen.
  • Sichere OT-Räume: Sofern es das Gelände zulässt, sind sichere Rückzugsräume für Spieler*innen eine gute Investition. Diese sollten schnell, dauerhaft und unbürokratisch erreichbar sein und vom Spiel vollständig getrennt werden. Analog zu anderen Safetytools erfolgt auch hier keine Diskussion, ob jemand diese Räumlichkeiten nutzen „darf“; sie stehen allen Spieler*innen jederzeit offen.
  • Ansprechpartner*innen: Die besten Gemeinschaftsstandards und Safetytools helfen nichts, wenn die SL beziehungsweise die Orga in entscheidenden Situationen nicht ansprechbar ist, weil sie mitten auf dem Schlachtfeld herumläuft oder anderswo den Plot organisiert. Idealerweise gibt es in der Orga eine Person, die sich speziell um die Durchsetzung von Safetytools kümmert und immer für diese Belange ansprechbar ist.
  • Offenheit für Kritik und Anregungen: Auch unter Verwendung eines detaillierten Sicherheitskonzepts kann es zu belastenden oder schwierigen Situationen kommen. Die SL sollte hier insbesondere für Betroffene ein offenes Ohr haben, Kritik und Verbesserungsvorschläge ernstnehmen und Verständnis signalisieren. Hier drängt sich wieder der Vergleich zur körperlichen Sicherheit auf: Verstaucht sich ein*e Spieler*in im LARP einen Fuß und hat Schmerzen, ist es keine gute Idee, der Person erst einmal zu erklären, dass das alles gar nicht so schlimm sei und sie sich nicht so anstellen solle. Besser ist es, die verletzte Person zu versorgen, die Sicherheitslücke beim nächsten Mal bestmöglich zu schließen und die Verantwortung für die Situation nicht allein auf die*den Verletzten abzuwälzen.

Safetytools zu implementieren und Spieler*innen zu ihrer Verwendung anzuhalten, erfordert zunächst einiges an Arbeit. Haben sich die jeweiligen Konzepte aber erst einmal eingespielt, erweisen sie sich als große Bereicherung. Sie helfen dabei, allen Spieler*innen die Teilhabe am LARP zu ermöglichen, schwere psychische Belastungen zu vermeiden und ein vielfältigeres, sicheres Spiel für alle zu etablieren. Denn letztlich geht es beim LARP ja für alle darum, sich ganz in die Immersion fallen zu lassen und ein tolles Gemeinschaftserlebnis zu haben. Safetytools können einen wichtigen Beitrag dazu leisten.

Artikelbilder: Annika Lewin, depositphotos ©Wavebreakmedia
Layout und Satz: Annika Lewin
Lektorat: Alexa Kasparek

Über die Autorin

Elea Brandt ist Psychologin, Fantasy-Autorin und Vollblut-Rollenspielerin. Aus beruflicher Obsession heraus beschäftigt sie sich viel mit psychologischen Phänomenen im LARP und im Pen-and-Paper-Rollenspiel. Dabei liegen ihr vor allem die Themen Inklusion und Diversität am Herzen. Mehr über sie: www.eleabrandt.de

4 Kommentare

  1. Ein ganz wunderbarer Beitrag, den ich gerne so unterschreibe.
    Psychische Sicherheit bekommt erst ganz allmählich die Beachtung, die absolut wichtig und angemessen ist und es ist noch ein gutes Stück weg bis zu dem Punkt, da diese genau so selbstverständlich im Larp integriert sein wird, wie die physische Sicherheit.

    Zwei Punkte, die mir persönlich sehr am Herzen liegen, fände ich in diesem Artikel noch passend:

    1. Zum Punkt „Nein heißt Nein“
    Meiner Erfahrung nach ist es einigen Spielern und Spielerinnen in belastenden Situationen nicht unbedingt möglich, „Nein!“ zu sagen. Auch die im Artikel aufgeführte Situation von Shelly ist ein gutes Beispiel dafür: „Ich (…) konnte nicht sprechen…“
    Viele Leute haben auch einfach nie gelernt, „Nein“ zu sagen. Was OT schwierig sein kann, kann ebenso im Larp zum Problem werden. Was geschieht dann?
    Ich habe erlebt, dass man in solchen Fällen häufig eher ein Herumdrucksen bekommt, ein „Hmmm…“ oder „Vielleicht“ oder ein „Naja, schon…“. Aber eigentlich steht dahinter ein dickes Ausrufezeichen mit Unwohlsein.
    Insofern bin ich ein sehr großer Freund der Regel:

    Alles was nicht ausdrücklich „JA!“ ist, ist automatisch erstmal ein „Nein!“

    Damit kann man unsicheren Personen oder jemandem in einer akuten Belastungssituation eine hervorragende Stütze bieten.
    Und natürlich ist auch mit dieser Regel Achtsamkeit immer oberstes Gebot. Kommt mir ein „Ja.“ von einem Mitspieler seltsam oder unsicher vor, frage ich lieber noch einmal explizit nach. Auch wenn ich dafür die Immersion killen muss. Mit selbst ist es schon mehrfach passiert, dass hinter diesem „Ja.“ das mir seltsam vorkam, ein „Vielleicht“ und eigentlich sogar ein „lieber nicht“ stand.

    2. Zum „Safetytoolkit“
    Der „Okay-Check“
    Ein Mechanismus, den ich durch das Nordic-Larp kennengelernt habe und den ich als sehr wertvoll erachte. Besonders für Extremsituationen im Spiel und vor allem für Extremreaktionen von Spielern/Charakteren.
    Fängt jemand in einer krassen Szene neben mir heftig an zu weinen und zu zittern, kann ich als Speiler eventuell schon mal verwirrt sein. Dann muss man überlegen: ist das nun IT oder OT und danach geht dann die Reaktion. Aber Eigeninterpretation kann immer fehlerhaft sein.
    Möglicher Weise reiße ich also die Person aus dem Spiel, die ihren Zusammenbruch einfach nur richtig gut darstellt, weil ich es als OT-Sache behandle. Oder (was deutlich schlimmer ist) ich behandle es als IT-Sache und die Person bleibt mit ihrem Zusammenbruch allein, weil sie sich grad nicht äußern kann.
    Beim Okay-Check wird hier einfach die Aufmerksamkeit der „betroffenen“ Person auf sich gezogen (durch Antippen z.B.) Dann wird deutlich sichtbar für diese Person das „Ok-Zeichen“ mit den Fingern geformt, das man z.B. vom Tauchen kennt (muss natürlich vor Con-Beginn allen Teilnehmern vorgestellt werden). Nur wenn dieses gleich von der anderen Person zurückgegeben wird, ist es eine reine IT-Situation. Passiert dies nicht, ist Handeln angesagt. Mindestens OT nachfragen- oder eben einen Safe-Space schaffen/ Spiel beenden, je nachdem.

    Danke für den Artikel! Ich finde es wunderbar, dass diese Dinge für unser aller gemeinsames Hobby aufgegriffen- und thematisiert werden!

  2. Also bei welchen scheiss Larp muss man angst um seinen geisteszustand haben ?
    Oder braucht ein Safe Wort über STOP oder freeze!hienaus ?
    (Kumquat)

    Oder geht es Teilzeithelden eher um Kontent und den haben eben nur beitrege von Vergewaltigung , KO -Tropfen oder gefährdung von geistiger gesundheit und der rest tümpelt weiter bei 0 beachtung (warum wohl bei solchen beiträgen ) ….

    Allso in 25 jahren (ca 100) Larp gabs keine Vergewaltigten Spieler Ko-Tropfen oder etwas was mehr als ein Pflaster brauchte oder mal 2 Aspirin….

    Ja ja mit Kritik hats TH nicht so

    • Entschuldige, gibt es deinen Beitrag auch auf deutsch?

      Ansonsten wieder klassischer Fall von „ich sehe kein Problem also gibt es kein Problem“ bullshit. Nachweislich ziemlicher blödsinn, was du da schreibst und allenfalls anekdotische Evidenz ohne jede Aussagekraft. Zeugt mal wieder dass man auch 25 Jahre Larp machen kann und trotzdem nix dazugelernt hat.

    • Hallo Dirk,
      schon wieder ne Weile her, dass wir voneinander gelesen haben. Wie geht es Dir so?

      Zu Deiner ersten Frage, kann ich feststellen, dass es ja seit Jahren Settings gibt, die ganz bewusst mit Grenzen spielen (dies auch kommunizieren und entsprechend absichern), aber auch auf jedem gewöhnlichen Fantasy-LARP kann es zu Situationen kommen. Auf Facebook und Twitter haben dazu ein paar Leute eindrückliche Erlebnisse geschildert, die empfehle ich mal zu lesen. Slow-Words, OptIn und OptOut sind schon seit einigen Jahren Themen in der LARP-Szene.

      Zu Deiner zweiten Frage: Natürlich geht es uns um Content, also Inhalt, sollen wir leere Seite anzeigen? Spaß beiseite, natürlich widmen wir uns neben mehr oder minder trivialen Alltags-LARP-Themen auch immer wieder Fragestellungen, wie man LARP verbessern kann. Wäre ja schlimm, wenn sich nichts weiter entwickelt.

      Es ist schön, dass Du in Deinen 25 Jahren sowas nicht erlebt hast und es nicht „mehr als Pflaster“ brauchte. Ich habe in 18 Jahren LARP und rund 150 Cons schon den Rettungsheli da gehabt, einen schweren Knochenbruch gesehen, mehre fiese Schnittwunden die genäht werden mussten, diverse Kreislaufzusammenbrüche und eben auch psychische Ausnahmezustände. Die schwersten Vorfälle davon bei 0815-Fantasy-LARPs übrigens.

      Wie Du zu der Annahme kommst, dass wir es nicht mit Kritik haben, ist mir indes unklar. Du darfst Sie hier äußern und tust das auf die Dir eigene Weise immer wieder und wir reagieren darauf. Wenn Du damit meinst, dass Beiträge erst freigegeben werden müssen, dann liegt das unter anderem an der Verhinderung von SPAM, also wenn man zum Beispiel in kurzer Zeit 5 mal oder mehr den gleichen Text postet, weil man nicht liest, dass Kommentare erst freigegeben werden müssen.

      Larpst Du eigentlich noch?

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