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Du willst wissen, was der Feind plant? Du brauchst den Namen des Verräters? Zeit, die Folterinstrumente auszupacken und die Verhörtaktik vorzubereiten. Doch bevor die Daumenschrauben angelegt werden, sollte man sich Zeit für ein paar Gedanken nehmen, denn Folter und Verhör sind intensive Spielinhalte.

Über die Co-Autorin

Nadine Kober hat LARP im Jahr 2010 für sich entdeckt und ist seitdem regelmäßig in diesem Hobby unterwegs. Seit 2011 ist sie aktiv im Morkan e. V. und unterstützt den LARP-Verein als Con- und Event-Orga, Gelegenheitstrainerin in diversen Workshops und NSC.  Auf Cons bietet sie unter anderem Workshops zum Thema Folter- und Verhörspiel an, um Spieler für diesen intensiven Spielinhalt vorzubereiten.

 

Ob fieser Inquisitor, verschlagener Romulaner oder aufrechter Sheriff: Irgendwann kommt der Punkt, an dem man Antworten will, was hier eigentlich vor sich geht. Daher kommt es regelmäßig auf LARPs unterschiedlichster Genres und Settings zu einer Situation, in der jemand einem Verhör oder gar (simulierter) Folter unterzogen wird. Mit diesen Spielinhalten geht in der Regel auch eine hohe Spielintensität für die beteiligten Parteien einher. Nicht selten dringt man dabei, beabsichtigt oder unbeabsichtigt, in die Komfortzone des Opfers ein. Abseits dessen kann Verhör- und Folterspiel auch viel Frustpotential bergen, wenn die Beteiligten nicht die gleichen Prämissen haben oder schlicht nicht passen. Im Folgenden haben wir einige Gedanken und Tipps, um diesen Spielinhalt nicht nur möglichst sicher, sondern auch spaßig für alle Beteiligten zu machen.

Grundlegendes im Vorfeld

Manche Spielinhalte im LARP sind physisch und psychisch fordernd. Immer wenn man auf so einen Inhalt trifft, sollte man also ein paar Gedanken im Vorfeld darauf verwenden, insbesondere, wenn sie auch Dritte betreffen. Verhöre und Folter gehören zweifelsohne dazu, denn als Folternder bringe ich mein Gegenüber nicht nur in eine ungewohnte Situation, sondern verletze sehr wahrscheinlich seine Komfortzone. In jedem Spielangebot, das in letzter Konsequenz zu Folter oder Verhör führt, ist daher das Wohl des Opfers die oberste Maxime. Die Rolle des Opfers ist dabei ganz bewusst gewählt, der verhörte Spielende begibt sich freiwillig (!) in eine Rolle mit einem simulierten Machtgefälle zu seinen Lasten. Dabei wird oft unterschätzt, welche Wirkung dieses Spiel auf die Spieler selbst haben kann, denn durch Bleed überträgt sich dieses Gefälle auch sehr schnell auf den realen Menschen hinter dem Charakter. Dies gilt es für alle Beteiligten im Blick zu behalten.

Die Auswahl des richtigen Spielpartners

Bereits hier beginnt die Sorgfaltspflicht für alle Akteure, und dabei geht es auch darum, Frustpotential im Vorfeld zu vermeiden.

Nicht jede oder jeder Mitspielende eignet sich für so ein Spielangebot.

Das kann ganz unterschiedliche Ursachen haben, die in der Regel allein in der Person begründet liegen, die sich entscheiden muss, ob sie ein solches Spielangebot wahrnehmen will oder nicht.

Eine klassische Situation, wie sie wohl häufig im LARP vorkommt, sieht wie folgt aus: Der böse Tyrann verfolgt sinistre Pläne, die er auch ab und an gewaltsam durchsetzen möchte. Schnell reift die Idee auf der Seiten der Guten (TM), beim nächsten Angriff einen feindlichen Kombattanten festzunehmen und zu verhören. Im Verhör ziehen die Spieler alle Register, aber der Gefangene geht auf keinen Ansatz ein. Bald macht sich Frust breit, und der Gefangene wird im besten Falle freigelassen oder exekutiert. Im schlechtesten Falle wird die Eskalation nach oben getrieben, bis nur noch aus Frust und nicht Spielspaß weiter verhört wird. Im Nachgang regt man sich über den doofen NSC auf, der gar nicht das eigene Spielangebot angenommen hat oder sich bei erstbester Gelegenheit selbst das Leben genommen hat.

In diesem Fall hätte eine kleine (OT-) Absprache mit dem Opfer zu mehr Klarheit und Spielspaß führen können. Vielleicht hätte sich dabei herausgestellt, dass der Spieler gar keine Lust auf eine Folterszene hat, weil er tatsächlich einfach nur als Kampf-NSC hier ist und daran Spaß hat. Vielleicht weiß er auch schlicht keine Antwort, weil er über diesen Bereich des Plots gar keine Informationen erhalten hat.

Fragestunde – Gemeinfrei

Die Wahl des Opfers

Grade bei Cons mit klassischen NSC-Konzepten sollte man zweimal überlegen, ob man den generischen Wellen-NSC gefangen nimmt. Denn manchmal weiß Kultist 342 tatsächlich nichts, weil die Spielerin Marie den Plot nicht auswendig kennt, die Antwort auf die Frage nicht definiert wurde oder Marie nicht improvisieren soll.

Aber auch sonst sollte man mit offenen Augen und Ohren sein Opfer wählen. Dabei stehen OT-Kriterien über IT-Konsequenz. Ist das potentielle Ziel schon jetzt offenkundig psychisch am Ende, wäre es aus realweltlicher Sicht natürlich absolut sinnvoll, sie oder ihn zum Verhör zu schleppen. Im LARP möchte man aber niemandem wirklich Schaden zufügen, also ist hier Umsicht geboten.

Ähnlich verhält es sich mit Mitspielenden, die sich geradezu zur Folter anbiedern und auffällig betonen, dass es ruhig „richtig hart“ werden und man auch „gerne richtig fesseln“ dürfe. Hier sollten die Alarmglocken angehen. Verhöre und Folter sollten ein Spielelement sein, das die Szene bereichert und voranbringt und nicht dem Selbstzweck dienen. Drängt sich ein Spieler auf, sollte man sehr genau prüfen, ob das der richtige Partner für so ein Spiel ist.

Übrigens: Minderjährige sollten für solche Spielinhalte ganz grundsätzlich tabu sein. Ist man sich unsicher, ist es auf jeden Fall sinnvoll kurz das Alter zu prüfen. Im Zweifel verzichtet man lieber auf so einen Spielinhalt.

Die Wahl des Verhörenden

Foltermethoden aus dem Brockhaus – Gemeinfrei

Manchmal übersieht man, dass es auch einen Verhörenden gibt, den man wählt. Als Opfer eines Verhörspiels sollte man Acht darauf geben, wer einem dieses Spiel jetzt angedeihen lassen will. Immerhin kann sich ein Verhör zu einem emotional sehr tiefgehenden Spielmoment entwickeln, für den man sich auf die Situation und die Mitspielenden einlassen muss. Fühlt man sich unwohl oder entwickelt sich das Spiel in eine Richtung, die einem nicht behagt, darf man sich nicht scheuen, die Szene einzubremsen oder auch abzubrechen. Die meisten LARPs kennen zumindest einen Stoppbefehl, und den sollte man auch nutzen, wenn man sich nicht wohl fühlt.

Das zählt im Übrigen auch, wenn man sich einen Mit-Verhörenden sucht. Damit bringt man eine weitere Variable in die Szene, die gut gewählt sein will und mit der man sich kurz im Vorfeld abstimmt.

Etwas, das schnell unterschätzt wird, ist, dass sich der Verhörende in eine sehr exponierte Stellung begibt, da er die Verantwortung über den Inhalt und den Fortgang der Szene übernimmt. Das Opfer hat durch seine unterlegene Position im Spiel nur noch wenige Einflussmöglichkeiten auf dieses. Es ist also darauf angewiesen, dass der Verhörende Szenarien anbietet, mit denen es spielen kann.

Dies bedeutet aber auch, dass es möglich ist, dass der Verhörende wenig bis gar kein Feedback auf seine Spielangebote bekommt und sich daher nicht rückversichern kann, ob er das richtige Szenario für alle Beteiligten gefunden hat. Das auszuhalten erfordert viel Sicherheit seitens des Verhörenden.

Intensive Spielinhalte brauchen Vertrauen

Bei einer Verhör- oder Folterszene geht es um etwas, das in der heutigen Gesellschaft eher belächelt oder wegdiskutiert wird: Schwäche und Ohnmacht. Dementsprechend birgt dieses Spiel viele Punkte, die von den Beteiligten als intensiv und emotional berührend empfunden werden können. Umso wichtiger ist es daher, dass gerade das Opfer sich „sicher“ fühlen kann. Das gelingt nur, wenn ein Vertrauensverhältnis zwischen den Beteiligten besteht. Dabei ist es nicht notwendig, dass diese sich bereits lange Zeit kennen. Viel wichtiger ist, dass alle Beteiligten darauf vertrauen können, dass die anderen verantwortungsbewusst mit der Szene umgehen. Das bedeutet: Das Opfer muss darauf vertrauen können, dass der Verhörende weiß, was er tut und seine Position nicht ausnutzt. Genauso muss aber auch der Folternde darauf vertrauen können, dass das Opfer seine Grenzen kennt und eine Szene rechtzeitig abbricht, wenn es sich unwohl fühlt.

Kommunikation rettet Leben

Ein Satz, den man nicht oft genug wiederholen kann. Als Larper hat man die Pflicht, auf seine und die Sicherheit der Mitspieler zu achten. Dies gilt nicht nur im Kampf, sondern bei allen Spielangeboten, die potentiell Schaden zufügen können.

Als Verhörender oder Verhörende sollte man sich vor Beginn der Szene kurz mit seinem Opfer absprechen. Dazu gehört zunächst einmal ein explizites Einverständnis zu Verhör- und Folterspiel. Dem folgen kurz abgestecke No-Gos, denn nicht jeder Spieler mag es, wenn sein Charakter dauerhaft Schaden nimmt oder verstümmelt wird. Im besten Falle wird auch nochmal kurz auf Codewörter zur Intensitätssteuerung, sofern im Spieldesign vorhanden, hingewiesen. Mindestens sollte aber klar kommuniziert werden, dass jederzeit ein Abbruch stattfinden kann.

Dem Opfer dient das nicht nur zur Sicherheit, dass hier das eigene Wohl und Spielspaß beachtet werden, sondern auch, um aktiv Einfluss auf die folgende Szene zu nehmen. Dem Verhörenden gibt es die Sicherheit, dass er weiß, wo seine Grenzen liegen und wie weit er das Spiel treiben darf.

Wer, warum auch immer, keine kurze OT-Absprache treffen will, kann sich auch mit „Kunden-Karten“ behelfen. Hauptsache es wird kommuniziert.

Safety First

Chinesische Wasserfolter – Gemeinfrei

Ganz prinzipiell gilt es, die Sicherheit der Beteiligten im Auge zu behalten. Der erste Schritt ist dabei die oben beschriebene Kommunikation und die Auswahl der Beteiligten.

Wenn Gefangene fixiert werden, sollte dies nur angedeutet werden. So kann sich das Opfer im Zweifelsfall selbst befreien. Dabei kann man beispielsweise ein Seil benutzen, dessen Enden der Gefesselte selbst festhält. Für längere Fesselungen eignet sich eher eine Schlaufe, die sich nicht zuzieht und durch die der Gefesselte seine Hände hindurchsteckt, da das Festhalten auf Dauer anstrengend wird.

Ebenso sollte man sich, wie bei vielen anderen Spielinhalten auch, langsam herantasten. Von 0 auf 180 ist nur im Rennsport gut. Die Intensität nur langsam zu steigern, gibt die Möglichkeit Vertrauen zu schaffen. Außerdem erleichtert es sowohl als verhörender Spieler, als auch als Opfer, Einfluss auf die Intensität zu nehmen. 

Codewörter für ein sicheres Spiel

Darüber hinaus empfiehlt es sich, mit vereinbarten Codewörtern zu arbeiten, um die Intensität zu steuern. Viele Cons geben diese inzwischen vor. Die Bandbreite schwankt dabei von einem reinen Opt-Out, also einem Codewort, welches das Ende der Szene signalisiert, bis hin zu sehr feinen Abstufungen. Gibt die Con an sich kein Codewort vor, sollte man sich mit den Beteiligten auf ein eigenes verständigen. Was immer und jederzeit gehen muss ist ein eindeutiges Stopp. Für alle anderen Fälle kann man diese erprobten Beispiele nutzen:

Opt-in: Explizite Zustimmung zu einer Szene bzw. Spielhandlung

Opt-out: Explizites Beenden einer Szene bzw. Spielhandlung

Slowword: Codewort, um die Intensität einer Spielszene zu bremsen oder reduzieren

Boostword: Codewort, um die Intensität einer Spielszene zu erhöhen

Slowword-System

Bei einem Slowword-System wählt man ein Wort oder eine Phrase, die dem Gegenüber signalisiert, dass man sich einer Grenze nähert und den handelnden Spieler auffordert, nicht weiterzugehen oder besser einen Gang zurückzuschalten. Um den Umstand des Unwohlseins näher zu erläutern, reichert man die Phrase mit dieser Info an.

Im DrachenFest-Umfeld wird dafür zum Beispiel die Phrase „Oh, Mutter“ genutzt. In anderen Systemen nutzt man die dreimalig aufeinanderfolgende Verwendung des Wortes „wirklich“.

Fühlt man sich zum Beispiel auch mit nur sanft angelegten Fesseln unwohl, könnte man das nun mit einem „Oh, Mutter, sind die Fesseln eng“ oder einem „Diese Fesseln sind wirklich, wirklich, wirklich eng“ zum Ausdruck bringen.

Ampel-System

Wie der Name schon verrät, orientiert man sich hier an einer Ampel, um seinem Gegenüber ein Signal zur Intensität zu geben. Der Vorteil ist, dass man hier sowohl ein Stopp-, Slow- und Boostword hat, das nicht sofort die Immersion platzen lässt, wenn man das nicht möchte.

  • Rot steht dabei für einen sofortigen Stopp der Spielszene und sollte eigentlich gar nicht erst vorkommen. (Opt-out/Stopp)
  • Gelb bedeutet, dass man sich einer Grenze nähert und die Spielintensität nicht erhöhen soll. (Slowword)
  • Grün signalisiert, dass man gerne (vorsichtig) weitergehen darf. (Boostword)

 

Heiß-/Kalt-System

Dieses System ist bereits in einigen Horror- und Mystery-Settings wohlbekannt. Dabei handelt es sich um ein Slow- und Boostword-System. Im Gegensatz zur Ampel kann man zum einen die Wörter geschickter IT verpacken, zum anderen signalisiert man deutlich, dass man kein weiteres Stopp-Wort als „Stopp“ benötigt.

Heiß wird als Boostword genutzt und signalisiert in einen Satz eingebaut, dass man gerne eine Schippe drauflegen darf. „Langsam wird mit hier heiß“ wäre dann eine Aufforderung, mehr zu machen.

Kalt hingegen fordert als Slowword handelnde Spieler auf, einen Gang zurückzuschalten. „Ganz schön kalt hier drin“ wäre also die Aufforderung, langsamer zu machen.

Dritte Person-System

Dieses System bietet sich, grade bei intensiven Verhören und Folter, immer noch ergänzend an. Hierbei wird ein Helfer hinzugeholt, der die Szene im Blick behält. Seine Aufgabe ist nichts anderes, als auf die Sicherheit der Beteiligten zu achten, da trotz aller Vorsicht die aktiven Beteiligten doch mal das ein oder andere aus dem Blick verlieren können. Im Falle eines Falles greift dieser Beteiligte dann sanft (oder zur Not auch hart) ein, um die Szene wieder zu entspannen. Wichtig ist, dass diese Person neutral bleibt und nicht in das Spielgeschehen hineingezogen wird.

Safe-Zone

In seltenen Fällen kann ein sofortiger Abbruch der Szene nötig werden. Hier gilt es, dem Opfer sofort zu signalisieren, dass die Szene abgebrochen wird und man ins OT geht. Tragen beteiligte Charaktere Masken, nimmt man diese umgehend ab. Dies hilft dabei, die Situation wieder richtig zu erfassen. Darüber hinaus bietet es sich an, eine klar definierte OT-Zone zu schaffen, zur Not auch spontan, wo die Beteiligten wieder zur Ruhe kommen können.

Körperliche Signale

Unter Stress sendet der Körper reichlich Signale, die man mit ein bisschen Aufmerksamkeit gut erkennen kann. Diese können den aktiv Handelnden ein guter Hinweis sein, ob man sein Opfer überfordert und dieses es vielleicht selbst noch nicht erkennt oder sich schlicht nicht traut, etwas zu sagen. Solche Signale können plötzliches starkes Schwitzen und eine Rötung der Haut sein. Ebenso ein Wein- oder Lachkrampf.

Werden solche Reaktion des Körpers sichtbar, ist es angebracht, sich kurz OT nach dem Wohlbefinden zu erkundigen. Allgemein sollte in einer Szene gelegentlich nachgefragt werden. Dabei sollte man nicht vergessen, dem Opfer auch ab und an etwas zu trinken anzubieten.

Romulanische Folterinstrumente (c) Paramount Pictures via Memory Alpha

Daumenschrauben und Psychotricks – Praktische Tipps

Sind alle Sicherheitsvorkehrungen getroffen, wird es Zeit für die Praxis. Dazu sollte man sich zunächst noch zwei Dinge fragen: Welches Ziel hat meine Folter, und liegt der Schwerpunkt auf körperlicher oder psychischer Folter?

Ziele kann man grob auf zwei Ausgangslagen herunterbrechen: Informationsbeschaffung und reiner Terror. Natürlich sind die Grenzen hier fließend. Aber je nach Ziel sollte eine andere Herangehensweise gewählt werden.

Zieldefinition

Der Unterschied ist im Grunde einfach. Informationsbeschaffung erfordert zwangsläufig mehr Subtilität als reiner Terror. Dieser kann auch subtil sein, jedoch liegt der Fokus hier eher auf dem Schrecken.

Informationsbeschaffung ist wesentlich diffiziler, aus einem einfachen Grund. Schon die Folterknechte der Inquisition wussten sehr genau, dass der Delinquent unter Folter irgendwann einfach alles sagt, um die Tortur zu beenden. Ein einfacher Trick wird auch heute noch in realen Verhören angewendet: Man bietet dem Delinquenten einen Ausweg, der attraktiver erscheint als das, was sonst kommt.

Körperliche oder emotionale Folter?

Die zweite Frage, der man sich widmet, ist die nach dem Fokus der Art der Folter. Körperliche Folter ist in der Theorie simpler, in der Praxis scheitert sie aber meist an der Umsetzbarkeit.

Angedeutete Schläge sind ein einfaches Mittel der Darstellung, aber auch schon hier sollte man ein bisschen Schminke in der Hinterhand haben, um die Misshandlung auch darzustellen.

Alle anderen Foltermethoden, die man aus Museen und der Literatur kennt, werden da schon schwieriger und erfordern deutlich mehr Vorbereitung und Aufwand mit Hilfsmitteln. Zumal körperliche Tortur mit Hilfsmitteln in der Regel auch entsprechende Spuren hinterlässt. Viele Folgen, wie Verstümmelungen, lassen sich auch nicht ohne weiteres darstellen. Der Aufwand steht hier nur bedingt in Relation zum Spielspaß, da sich auch die Reaktionen des Opfers primär auf Schmerzensäußerungen beschränken. Ganz zu schweigen davon, dass eine eventuelle Verstümmelung massiven Einfluss auf den Charakter nimmt, was entsprechend abgestimmt sein sollte.

Ebenso Schwierig ist es, noch die Komponente Sexualität als weiteren Spielinhalt zu ergänzen. Wohlgemerkt nicht als Form sexualisierte Gewalt, sonder eher als Versuch sein Opfer im verhör zu betören. Hier sollte noch viel genauer geprüft werden wem man dieses Spielangebot zu Teil werden lässt, ob das wirklich die Szene unterstützt und im Zweifel lieber darauf verzichten. Ausführlich haben wir das Thema in einem anderen Artikel behandelt. Sexuelle Gewalt hingegen, sollte von vornherein gemieden werden.

 

By Bernard Picard – Mémoires historiques pour servir à l’histoire des Inquisitions, Cologne, from Louis-Ellies Dupries, Public Domain

Böser Inquisitor, ganz böser Inquisitor

Mehr Interaktionsmöglichkeiten für alle Beteiligten bietet daher emotionale Folter. Hier geht es um klassische Statusgesten, Unterschreiten von persönlichen Wohlfühlabständen, Drohungen und Spielchen. All das lädt zu intensivem Wechselspiel ein.

Ein Klassiker ist nicht umsonst Good Cop/Bad Cop. Auch im LARP oder (Tisch-)Rollenspiel lässt sich dieses Klischee gut einsetzen. Allgemein ermöglichen Verhöre durch zwei Personen interessante Möglichkeiten. Zum Beispiel könnte eine Verhörende intensiv auf den Delinquenten einreden, während der andere nichts weiter macht, als das Opfer mit seinem Blick stoisch zu fixieren.

Eine weitere Variante, verbunden mit Statusspiel, besteht aus Verhörleiter und Gehilfe. Der Leiter stellt dabei nur Fragen und gibt seinem Gehilfen Anweisungen, was zu tun ist.

Aber auch zwei Delinquenten bieten schöne Möglichkeiten. Ebenfalls ein Klassiker ist es, beide getrennt voneinander zu befragen. Dabei spielt man sie gegeneinander aus.

Alternativ ermöglicht man einem Delinquenten, und zwar am besten dem, der höher im Rang steht oder eine besondere Beziehung zu dem zweiten Opfer aufweist, nur zu hören, was mit seiner Begleitung passiert. Im Fantasy-LARP könnte man bei einem Ritter/Knappen-Gespann den Ritter mitanhören lassen, welches Leid seinem Knappen zugefügt wird, und sei es, dass man Folter nur androht.

In Inquisitionsprozessen beliebt war auch die sogenannte territio verbalis. Hier wurden den Delinquenten die Folterwerkzeuge präsentiert und sehr detailverliebt erläutert, wie die Wirkung der einzelnen Werkzeuge auf den Körper sein wird. Gerade im LARP kann man so sehr viel machen.

„Eins noch.“ – Gedanken zum Schluss

Verhöre und Folter können ein sehr intensiver und spannender Spielinhalt sein. Er nimmt auf jeden Fall immensen Einfluss auf die beteiligten Charaktere und mitunter auch Spieler. Daher ist Sorgfalt eine wichtige Voraussetzung, zumal einige Beteiligte in ihren Handlungen und Verteidigungsmöglichkeiten eingeschränkt sind. im Anschluss, sollte, je nach Intensität, auch noch Raum für ein bisschen Durchschnaufen angeboten werden. Auh an eine zeitliche Begrenzung sollte man denken. Verhöre und Folter sind für alle aktiv Beteiligten fordernd und hält man sich zu lange in der Szene auf, wird es auch schlicht irgendwann langweilig. Einen fixen Wert kann man freilich kaum sagen, aber alles über 30 bis 45 Minuten, wird in den meisten Fällen zu lang sein.

Verhöre und Folter leben aber nicht nur von der Sorgfalt der Beteiligten und vom Ideenreichtum des Verhörenden, sondern ganz massiv von der Bereitschaft des Opfers, sich auf das Spiel einzulassen. Da im besten Fall zu jedem Zeitpunkt klar ist, dass keine reale Gefahr droht, ist die Verlockung groß, übermäßige Widerstandsfähigkeit zu demonstrieren. Das ist frustrierend für die Verhörenden und birgt die Gefahr einer unkontrollierten Eskalation. Hier hilft es sich zu besinnen, dass auch Konfliktspiel OT von einem Miteinander lebt und am Ende immer noch ein Spiel ist das vor allem Spaß bringen soll.

Spieler, die sich auf eine solche Szene einlassen, investieren also viel Arbeit und Mühe und werden (im besten Fall) mit einem einmaligen und sehr intensiven Spielmoment belohnt, den sie (und der Charakter) nicht so bald vergessen werden.

Artikelbilder: Wie gekennzeichnet

 

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7 Kommentare

  1. Diese ganzen Gedanken hätte ich mir vor vielen Jahren bei einem Con auf NSC/Orga-Seite gewünscht! Da ist beim „gefangen nehmen“ und „foltern“ (um des Folterns Willen, nicht weil Antworten erwartet wurden) soooooo viel schief gelaufen… fast ein Wunder, dass das Con trotzdem noch halbwegs was wurde…
    Es ist halt Mist, wenn man sich denkt: ‚Joa, an sich würden wir aus der Situation rauskommen, aber ich kann ja nicht anfangen die Einrichtung vom Onkel der Orga zu zertrümmern…‘ Dann gings weiter mit OT-Shuttle statt tatsächlicher Wanderung (letzteres hätte wieder Fluchtmöglichkeit/Spiel geboten) und gipfelte darin, dass die nach außen emotionslosen, Hartei-Ordenskrieger auf nicht darstellbare Art gefoltert werden sollten. Und es stand nichtmal Kunstblut bereit, dass die restlichen SCs bei der Rückkehr was gesehen hätten… das mussten wir uns OT bei nem anderen NSC (kein „Folterer“, nur Wächter) organisieren.

    • Da war ich dann schon fast froh, dass ich in nem Kampf (megaschlecht… aber egal…) gepömoft wurde und ohnmächtig sein durfte. Musste ich wenigstens nicht mehr aktiv das Trauerspiel mitmachen und konbte rumliegen/mich rumschleifen lassen…

  2. Hallo,
    ein Hinweis zum Aufbau/Themenwechsel:
    Im Abschnitt „Körperliche oder emotionale Folter?“ wird am Ende auf Sexualität im Larp eingegangen. Der Übergang ist aber derart plötzlich, dass ich zuerst dachte, ihr meint ernsthaft gespielte, sexualisierte Folter. (Mein ihr zum Glück nicht…) Vielleicht würde ich da nochmal kurz ein Zwischensatz einbauen, damit klar wird:
    So, wir gehen jetzt weg vom Thema Folter zu einem anderen Thema: Sexualität im Larp.
    Auch würde ich den letzten Satz klarer schreiben: Es geht – für mein Verständnis – nicht um ein „meiden“, sondern um ein No-Go. Sexuelle Gewalt sollte nicht gespielt werden, punkt. Und nicht „Ja, wir haben das vermieden, aber irgendwie gabs dann doch so eine Szene…“
    Ich denke ihr wisst was ich meine.

    Gruß

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