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Vorlage für Cons sind meistens Fantasywelten oder bestehende Fandoms. Doch auch historische Ereignisse bieten sich als vielversprechende Spielvorlage an. Im Folgenden werfen wir einen Blick auf eine mögliche Con mit dem Schwerpunkt auf Hofhaltung und Diplomatie: Die Verhandlungen zum Westfälischen Frieden, der im 17. Jahrhundert den Dreißigjährigen Krieg beendete.

Die strengsten Coronabeschränkungen werden langsam zurückgenommen und die ersten Cons dürfen wieder stattfinden. Die Fans von geliebten und traditionsreichen Conreihen freuen sich darauf, nach über einem Jahr wieder Hoffnung schöpfen zu dürfen. Auch zahlreiche kleinere Cons und Tavernen planen wieder Veranstaltungen. Die Spielwut, die sich in der letzten Zeit in der gesamten Szene dank Larp-Entzug angestaut hat, bietet auch Raum für neue Con-Szenarien. Eine Inspirationsquelle können dabei historische Ereignisse sein, die sich als Vorlage und Ausgangspunkt für spannende Veranstaltungen anbieten. Dieser Artikel soll daher der Auftakt zu einer kleinen Reihe über verschiedene historische Ereignisse sein, die sich als Szenarien anbieten. Ich beschreibe dazu kurz den historischen Hintergrund und die beteiligten Parteien und Personen, die als Vorlage für eigene Charaktere und Fraktionen auf der Con dienen können. Außerdem gebe ich einen kurzen Überblick über mögliche Handlungsstränge und natürlich darüber, was für eine Art Con sich hier anbietet.

Das erste Szenario, das wir uns gemeinsam anschauen, ist das des Westfälischen Friedens, beziehungsweise der Konferenzen, auf denen der Westfälische Frieden verhandelt wurde. Der dazugehörige Con-Typ, auf den ich später noch eingehen werde, ist mehr oder weniger der einer Hofhaltungs- und Diplomatiecon mit viel Intrigenspiel.

Wenn im folgenden Text Bezug auf historische Ereignisse genommen wird, verwenden wir die tatsächlichen Bezeichnungen, wie sie damals üblich waren. Die waren größtenteils männlich und werden deshalb nicht gegendert. Trotz der Bezeichnung im Maskulinum kann die Figur auf der Con natürlich von Personen jeglichen Geschlechts gespielt werden.

Der historische Hintergrund: Ewiger Krieg erfordert dauerhaften Frieden

Der Westfälische Frieden ist die Bezeichnung für eine Sammlung von Friedensverträgen, die im Jahr 1648 in Osnabrück und Münster in Westfalen geschlossen wurden. Die Verträge beendeten den seit 1618 andauernden Dreißigjährigen Krieg, der in bisher unbekanntem Ausmaß Mitteleuropa verwüstet hatte. Zahlreiche konfessionelle und machtpolitische Interessen hatten einen Großteil der europäischen Mächte für mehrere Dekaden in einen blutigen Konflikt getrieben. Fortschritte der Militärtechnik und der politischen Organisation entfesselten nie gekannte Kriegsgräuel und ließen eine ganze Generation von Menschen aufwachsen, leben und sterben, ohne jemals Frieden gekannt zu haben.

Diesen Zustand zu beenden, war der Zweck der Verhandlungen. Dabei sollten in Westfalen nicht nur zahlreiche politische, religiöse und verfassungsrechtliche Positionen kurzfristig geklärt werden, sondern eine neue Friedensgrundlage geschaffen werden. Dieser Friede in Europa sollte dauerhaft sein und die religiösen Streitigkeiten, die seit Beginn der Reformation innerhalb der Christenheit herrschten, beenden. Entsprechend wichtig und langwierig waren die Verhandlungen auch. Sie begannen im Jahr 1641 und dauerten mehrere Jahre. Während dieser Zeit ging der Krieg mit unverminderter Härte weiter, da jede Partei versuchte, ihre Verhandlungsgrundlage zu verbessern.

Am Ende dieser Verhandlungen standen Kompromisse, die sich als lebensfähig erwiesen und für über 150 Jahre bestand hatten.

Die Niederlande wurden offiziell unabhängig von Spanien und verließen zugleich das Heilige Römische Reich Deutscher Nation. Auch die Schweiz, immerhin das Herkunftsland der habsburgischen Kaiser, wurde de facto als unabhängig vom Reich anerkannt. Außerdem erlangte Schweden zahlreiche Gebiete im norddeutschen Ostseeraum und konnte sich als europäische Großmacht etablieren. Frankreich dehnte seine Besitzungen im südwestdeutschen Raum aus und die Habsburger (Österreich) verzichteten auf ihre dortigen Ansprüche. In konfessioneller Hinsicht wurde der reformierte Glaube dem protestantischen und dem katholischen gleichgestellt und als rechtmäßig anerkannt. Zudem galt weiterhin das Prinzip, dass jeder Reichsfürst für sich selbst bestimmen durfte, welche Religion in seinem Reich herrscht. Die jeweiligen Untertanen mussten von nun an jedoch nicht mehr einem Religionswechsel ihres Herrschers folgen. Die Reichsfürsten waren also noch unabhängig in religiösen Fragen, aber insgesamt war der konfessionelle Status quo gefestigt. Hierdurch wurden die protestantischen Reichsstände gegenüber dem Kaiser gestärkt und die Entwicklung des Reichs hin zu einem dezentralen Gebilde mit mächtigen Einzelstaaten, die ihre Partikularinteressen vertraten, weiter vorangetrieben. Ungelöst blieb hingegen der globale Konflikt zwischen Spanien und Frankreich.

Wie erbittert die Verhandlungsteilnehmer verfeindet waren, zeigt sich unter anderem daran, dass bewusst zwei separate Verhandlungsorte gewählt wurden, damit bestimmte Parteien nicht direkt miteinander verhandeln mussten.

Die Con

Art der Con ist, wie oben bereits kurz erwähnt, eine Mischung aus Hofhaltungs- und Diplomatiecon mit jeder Menge Intrigenspiel. Zahlreiche verfeindete Parteien aus den obersten Gesellschaftsschichten treffen aufeinander. Selbst wenn es keine königlichen Gastgeber*innen gibt, entsteht so eine Hofgesellschaft, bei der jeder den anderen optisch übertrumpfen und seine Überlegenheit in jeder Hinsicht demonstrieren möchte. Kaiserliche und königliche Regierende und vor allem ihre Gesandten geben sich hier geradezu wortwörtlich die Klinke in die Hand und alle erhoffen sich, durch Zeichen von Macht und Wohlstand ihre Verhandlungsposition zu stärken. Protzige Gewandung und glamouröses Auftreten sind also das A und O.

Doch auch wer weniger Geld in teure Gewandung stecken will, hat hier Möglichkeiten. Denn der Hochadel kommt nicht ohne niederes Dienstpersonal aus – wie zum Beispiel einen Beamten oder einen Herold.

Damit die Con in Anbetracht der feindseligen Stimmung unter den Anwesenden nicht im Blutbad endet, gibt es eine Grundregel, die man immer beachten sollte. Allen wurde freies Geleit gewährt. Und hinter jeder der Verhandlungsparteien steht zudem direkt oder indirekt ein aktives, kampferprobtes Feldheer, das bei entsprechendem Verhandlungsausgang in eine sehr unerwünschte Richtung marschieren könnte.

Verbale Schlagabtausche, Hinterzimmerintrigen und vielleicht der ein oder andere Giftanschlag sind demnach durchaus im Rahmen, offenes Klingenkreuzen aber sollte unterlassen werden. Der Schwerpunkt der Handlung liegt eindeutig bei Bällen, diplomatischen Verhandlungen und Intrigen.

Auf solchen Verhandlungen kann es durchaus dekadent werden. © Depositphotos | HayDimitriy

Spielbare Charaktere

Bei der Auswahl des zu spielenden Charakters können wir uns an den historisch anwesenden Fraktionen orientieren.

Zu Friedensverhandlungen gehören eine Menge verschiedener Personen. © Depositphotos | marzolino

Grob kann man die Verhandlungsparteien in zwei Lager einteilen, nämlich ein katholisches und ein protestantisches. Bei der näheren Betrachtung dieser Lager wird es jedoch spannend und es bieten sich viele Möglichkeiten für Konfliktspiel. Im protestantischen Lager waren nämlich nicht nur das protestantische Schweden und die protestantischen Reichsfürsten und Städte, sondern auch das katholische Frankreich. Gleichzeitig wollte Schweden sich auf Kosten einiger protestantischen Fürsten Teile des Reiches einverleiben. Auf der Gegenseite vertrat der Kaiser offiziell das ganze Reich, trotzdem waren jedoch auch die katholischen Reichsfürsten durchaus nicht daran interessiert, dass der Kaiser seine Zentralgewalt über sie festigt. Auch hier gab es also widerstreitende Interessen, die im Laufe der Verhandlungen Potenzial für Intrigen, Verrat und Konflikt bieten.

Die großen Verhandlungsteilnehmer waren demnach Frankreich, Spanien, Schweden, protestantische Reichsfürsten und der deutsche Kaiser. Dazwischen gab es jedoch noch die Gesandten des Papstes und Venedigs, die innerhalb der verfeindeten Katholiken vermittelten sowie einzelne Reichsfürsten mit persönlichen Interessen. Jede dieser Parteien kann zuerst auf ihren persönlichen Vorteil aus und daher jederzeit bereit sein, für das richtige Versprechen die Seiten zu wechseln.

Spielart der Charaktere

Um diese Ausgangslage zu nutzen und nicht nur bei Tisch und im Ballsaal eine glaubhafte Atmosphäre zu schaffen, sollte auf der Con, auch mit dem Ziel eines persönlich guten Ergebnisses, entsprechend der historischen Ausgangslage verhandelt werden. Die Ziele nach denen man sich richten kann, sind dabei politischer, religiöser und sozialer Natur.

Schweden will eine europäische Großmacht werden und als solche anerkannt werden. Frankreich will dies verhindern, gleichzeitig wollen beide Gebiete des Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation erobern. Dessen Kaiser möchte letzteres ebenso verhindern wie seine adeligen Untertanen, deren Territorien von Frankreich und Schweden begierig betrachtet werden. Beispielhaft sei hier das Haus Hohenzollern in Brandenburg genannt, dessen Territorien Schweden mit begierigen Blicken bedachte. Gleichzeitig will der Kaiser stattdessen seinen Einfluss über das Reich stärken. Dieses Ziel wiederum wollen nicht nur Schweden und Frankreich verhindern, sondern auch die Reichsfürsten. Diese wollen möglichst unabhängig vom Kaiser sein. Daneben steht der Konflikt zwischen Spanien und den Niederlanden. Letztere wollen ihre Unabhängigkeit von Spanien erreichen, was dort verständlicherweise auf wenig Gegenliebe stößt. Die Unabhängigkeit der protestantischen Niederlande ist hingegen durchaus im Interesse des katholischen Frankreich, das mit dem katholischen Spanien im Dauerkriegszustand liegt.

Neben diesen Punkten, die als Conhintergrund leicht aufzugeben sind, weil sie vor Ort nur auf dem diplomatischen Parkett besprochen werden, aber ein Nachgeben keine größeren Auswirkungen hat, gibt es noch viel handfestere Punkte zu besprechen. Punkte, die im Lauf der Con sehr direkte Auswirkungen auf alle Anwesenden haben.

Da diese Friedenskonferenz nämlich die erste ihrer Art ist, ist sie zugleich das erste Aufeinandertreffen so vieler Hochadliger. Und denen ist nichts wichtiger als das Protokoll. Wer wo stehen, gehen und sitzen darf, wer wen ansprechen darf und wer wen grüßen muss sind Fragen, die auf dieser Ebene ungeklärt sind. Fragen, an denen jede Menge Gewicht hängt. Wenn ich mich zum Beispiel bereiterkläre, den Fürsten von Bayern gleichrangig zu begrüßen, kann ich in den Verhandlungen nicht mehr durchsetzen, dass die Person mir untergeben ist. Wenn ich mich im Frieden mit den calvinistischen Niederlanden an einen Tisch setze, wird es schwerer, sie hinterher als Häretiker*innen zu brandmarken. Bevor richtig verhandelt werden kann, müssen diese Fragen also geklärt werden. Sonst würden sämtliche Verhandlungen nach kürzester Zeit durch einen diplomatischen Eklat beendet werden.

Ob am Ende eine Übereinkunft getroffen wird, kann ganz in der Hand der Spieler liegen. © Depositphotos | galdzer

Hier getroffene Vereinbarungen sind zugleich auch für den gesamten Converlauf prägend. Der Verzicht auf eine Mühle in Mecklenburg tut keinem weh, zumal diese Mühle nur in der Fantasie existiert. Für die Dauer von mehreren Tagen aber einen Diener vor meinem Gegenüber machen zu müssen oder sogar vor verschlossener Tür auf das Verhandlungsergebnis warten zu müssen, das lässt mich spüren, wer hier wen über den Tisch gezogen hat.

Als Kern dieser Con bieten sich also nicht nur die endgültigen inhaltlichen Friedensverhandlung an, sondern die Vorverhandlungen, bei denen das Protokoll und das Prozedere vor Ort geklärt werden. Beides aufeinander aufbauend schafft eine dichte Atmosphäre, bei der die Entscheidungen der ersten Conphase gravierende Auswirkungen auf die zweite haben.

Neben den Verhandlungen gibt es noch weitere Personen, die spannendes Spiel liefern können. Neben Diplomat*innen, Hochadel und Klerus sind nämlich auch jede Menge Bedienstete vor Ort. Von der Zofe bis zum Stallburschen, von der Kammerdienerin bis zum Koch gibt es unzählige Rollen, mit denen man mehr oder weniger freien Zugang in jede Räumlichkeit und jede Spielsituation hat, da man als Uhrwerk im Hintergrund nicht beachtet wird. Das wiederum gibt diesen Rollen weitreichende Möglichkeiten zur Spionage. Sei es aus Überzeugung für oder gegen die eigene Fraktion oder des lieben Geldes wegen. Man kann wichtige Dokumente stehlen, Gespräche belauschen oder sogar Weinkaraffen mit Gift befüllen. Die Möglichkeiten als unsichtbare Arbeitsbiene im Hintergrund Großes zu bewirken, ist gegeben. Andersherum bietet dies für Leibwächter*innen, Sekretär*innen und Wachen jede Menge Spiel, da diese genau solche Aktionen verhindern sollen, etwa durch Vorkosten von Essen und Getränken, durch Wegschließen wichtiger Dokumente oder durch schlichte Wachsamkeit.

NSC-Aktionen

Neben Rangstreitigkeiten, Spionage und den eigentlichen Verhandlungen gibt es für die SL auch noch eine Einflussmöglichkeit von außen. Denn während der Verhandlungen läuft der Krieg ja weiter. Kommen Verhandlungen also ins Stocken, werden einzelne Rollen zu mächtig oder bietet es sich aus SL-Sicht schlicht an, können jederzeit Bot*innen ankommen, die über gewonnene und verlorene Schlachten oder eroberte Städte berichten und damit die Verhandlungsbasis einzelner stärken oder schwächen. Da die Bot*innen an sich ja ebenfalls nicht unbedingt neutral sind, bleibt zudem immer eine gewisse Unsicherheit, wie glaubwürdig die Information wirklich ist. Auch muss die SL die Informationen nicht allen gleichzeitig mitteilen. Es kann auch genügen, wenn nur eine Seite wichtige Informationen erhält (Ein*e Verlierer*in einer Schlacht hat hinterher häufig wichtigeres zu tun, als Botschaften loszusenden). Der anderen Seite obliegt es dann, mangels Wissen über den Tisch gezogen zu werden oder diese Informationen rechtzeitig durch Spionage zu erhalten.

Fazit

Eine Con vor dem Hintergrund der Westfälischen Friedensverhandlungen bietet zahlreiche Möglichkeiten für Diplomatiespiel, Intrigen und Hofhaltungsambiente. Konflikte bestehen zwischen verschiedenen Religionen, machtpolitischen Gegnern und europäischen Mächten, innenpolitische Auseinandersetzungen gibt es zwischen den Mitgliedern des Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation. Die Con bietet spannende Rollen aus Hochadel und Adel, Klerus und Dienerschaft und gewährt zugleich über Nachrichten aus dem Umfeld für die SL gute und einfache Möglichkeiten, das Spiel zu beeinflussen. Neben Verhandlungen und höfischem Ambiente hat die Con außerdem Raum für Intrigen und Spionage und kann allein hier ein ganzes Wochenende füllen.

Die richtige Location schafft das richtige Feeling.© Depositphotos | imagebrokermicrostock

Wer nicht verhandeln will, kann sich stattdessen auf Bällen und Gelagen zeigen, wer hingegen die emsige Diplomatie liebt, kann die komplette Con im Verhandlungsraum verbringen, nur unterbrochen durch Abstecher ins Hinterzimmer und auf die Toilette – wo weiterverhandelt wird.

Der besondere Reiz des Szenarios liegt darin, dass die schiere Größe der Verhandlungen und der beteiligten Parteien unzählige Konflikte mit sich bringt und nicht nur zwei eindeutige Blöcke vorliegen. Dies bietet zusätzlichen Raum für gewagte Manöver und jede Menge Misstrauen untereinander.

Wählt man dazu noch die passende Location, die gut hergerichtet für die richtige Stimmung sorgt, dann gehen am Ende vielleicht alle so zufrieden nach Hause, wie die meisten der historischen Teilnehmer der echten Konferenz: Mit einem positiven Erlebnis, dessen Ergebnis man noch sehr lange mitnimmt.

 

 

Artikelbilder: © Depositphotos | Avdeev_80
Layout und Satz: Verena Bach
Lektorat: Maximilian Düngen

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