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In Wald und Flur zwischen Orks und Untoten findet man sie eher selten, aber kaum eine Hofhaltung, erst recht kein Turnier und überhaupt wenige Veranstaltungen, auf denen sich Adel herumtreibt, kommen ohne sie aus: Herolde. Herolde bereichern das Adelsspiel in vielfältiger Weise, erfüllen aber auch darüber hinaus wichtige Funktionen.

Ebenfalls erschienen in der Serie „Stereotypen im LARP“:

Was ist ein Herold?

Historisch betrachtet ist ein Herold ein Hofbeamter, der entweder dauerhaft oder nur auf Zeit in Diensten eines bestimmten Herrn steht und für diesen bestimmte administrative Dienstleistungen erbringt. Die wichtigste steckt bereits im Namen: Er kümmert sich um Fragen der Heraldik. Die Kenntnis von Wappen, Fahnen und Feldzeichen und ihrer korrekten Blasonierung, also Beschreibung, sowie ihre Zuordnung zu Familien, Häusern, Ländern ist, was den Herold im Kern ausmacht. Dazu gehören zwangsläufig natürlich auch gewisse genealogische Kenntnisse und eine zumindest grundlegende Bildung in Staatswesen, Geografie, Militärwesen und Geschichte. In gewisser Weise ist ein Herold also ein Gelehrter, wenngleich mit sehr fachspezifischer Ausbildung.

Aufgaben und Pflichten eines Herolds

Ein Herold ist aber nicht nur Theoretiker, sondern hat darüber hinaus auch praktische Aufgaben. Wie sich diese im Spiel konkret gestalten, kann sich von Spieler zu Spieler stark unterscheiden – je nachdem, wie die Rolle interpretiert wird. Verschiedene Herolde können in Auftreten, Hintergrund und Erscheinungsbild sehr unterschiedlich sein. Es gibt allerdings eine gewisse Schnittmenge an Gemeinsamkeiten, sowohl inhaltlich als auch optisch, die mehr oder wenige alle Herolde verbinden. Darüber hinaus kann man Herolde auch an einigen üblichen Funktionen festmachen, die sie im Spiel häufig übernehmen.

Der Herold als Wappenkundiger

Die absolute Kernfunktion eines Herolds, gewissermaßen sein Brot-und-Butter-Gewerbe, ist die Heraldik. Jeder Herold sollte sich bemühen, möglichst viele Wappen und die dazugehörigen Träger zu kennen und identifizieren zu können. In einer LARP-Welt, die teils sehr diffus und verwirrend vielschichtig ist, fällt ein allgemeiner Überblick natürlich schwer und ist auch nicht unbedingt hilfreich – zumindest die Wappen und Personen, die in seinem Spielumfeld und dem seines Herrn von Bedeutung sind und regelmäßig auftauchen, sollte ein Herold aber kennen und zuordnen können – und im Idealfall sogar noch ein paar Informationen zum Wappenträger auf Lager haben.

Beispiel einer IT angefertigten Turnier-Wappenrolle.
Quelle: Turney vom Einhorn 2019, © Maximilian Wegener

Ein gutes Bild- und Namensgedächtnis sind sehr nützliche Eigenschaften für einen Herold. Es muss aber nicht unbedingt eine zwingende Voraussetzung sein – man kann sich auch behelfen, indem man eine Wappenrolle oder ein Wappenbuch anlegt, das nicht nur als Gedächtnisstütze hilfreich ist, sondern als dekorativer IT-Gegenstand auch das allgemeine Spiel bereichern kann.

Der Herold als Administrator

Der Herold des Grafen von Wasserstein führt gewissenhaft Buch.
Quelle: Turney vom Einhorn 2019, © Christian Tannenberg

Herolde müssen sich auskennen – mit Namen, mit Wappen, mit Adelshäusern, dynastischen Konstellationen und Beziehungen und auch mit Staatswesen und Politik. Sie bekommen durch ihre Position viel von dem mit, was in Adelskreisen vor sich geht. Dieser Überblick in höfischen Dingen, zusammen mit Grundfertigkeiten wie Lesen und Schreiben, sorgen dafür, dass Herolde häufig auch die Rolle eines Kanzlers, Majordomus oder Sekretärs übernehmen. Auch der Posten eines Zeremonienmeisters bei Hofe fällt nicht selten einem Herold zu. Während solche Verwaltungsaufgaben nominell nicht zum Amt eines Herolds gehören, können sie der Rolle doch mehr Tiefgang verleihen und dem Charakter auf Cons zusätzliche Betätigungsfelder eröffnen. 

Der Herold als Schiedsrichter

Herolde zählen als Turnierrichter die Punkte der Kämpfer und wachen über Fairness und Ritterlichkeit.
Quelle: Turney vom Einhorn 2019, © Christian Tannenberg

Eine wesentliche Aufgabe historischer Herolde war es, als neutrale Beobachter und Schiedsrichter in Turnieren und im Kriegswesen aufzutreten. Diese Funktion, vor allem die des Turnierrichters, ist im LARP eine Paradedisziplin für Herolde. Ein Herold kann in einem Turnier sowohl als Turnierleitung in Erscheinung treten und über die Turnierwürdigkeit der Teilnehmer urteilen, als auch in den Wettkämpfen als Unparteiischer auftreten. Dabei muss es nicht ausschließlich um errungene Punkte gehen, sondern auch um Fragen des ehrenhaften und ritterlichen Verhaltens, das von den Herolden bezeugt und dokumentiert werden kann. Dass Herolde in der Funktion als Schiedsrichter auch als Schlachtenbeobachter fungieren und das Verhalten der Kriegsparteien auf dem Feld dokumentieren, wäre zwar historisch akkurat, dürfte im LARP aber wenn überhaupt, dann nur in sehr speziellen Histo-Settings vorkommen. 

Der Herold als Diplomat

Historisch genossen Herolde im Krieg als unparteiische Beobachter des Kriegsgeschehens gewissermaßen diplomatische Immunität. Ihre Pflicht war es, das Verhalten der Kriegsparteien zu protokollieren und nach der Schlacht die gefallenen Herren zu identifizieren. Sie durften nicht ins Kampfgeschehen eingreifen, waren dafür aber unantastbar. Zudem hatten Herolde als unparteiische Beobachter auch Zutritt zum feindlichen Lager – unter der Bedingung, dass sie das dort Gesehene nicht ihrem Herrn berichten durften. Das machte den Herold zu einem perfekten Kandidaten für diplomatische Missionen. Und auch im LARP kann der Herold in der Rolle als Diplomat, Abgesandter oder Botschafter glänzen.

Der Herold als Entertainer

Der Herold des Herrn von Ochsenfurt hat so einige flotte Sprüche auf Lager.
Quelle: Turney vom Einhorn 2019, © Christian Tannenberg

Bei Hofhaltungen und Turnieren obliegt es einem Herold, seinen Herrn angemessen anzukündigen und zu präsentieren. Während manche Herolde die Vorstellung ihres Herrn eher förmlich gestalten und vor allem Wert auf Titel, Würden und die korrekte Blasonierung des Wappens legen, haben andere Herolde vor allem einen gewissen Unterhaltungswert im Sinn. Der Film Ritter aus Leidenschaft aus dem Jahr 2001 mit Paul Bettany in der Rolle des frivolen Gelegenheits-Herolds Geoffrey Chaucer mag seinen Teil zur Beliebtheit des „Entertainer-Herolds“ als Charakterkonzept beigetragen haben, der mit flotten Sprüchen, Anzüglichkeiten und bisweilen auch bissig-humorvollen Schmähungen gegen die Rivalen seines Herrn das Publikum für sich einnimmt. Gerade für das einfache Volk sind solche Auftritte oft sehr unterhaltsam. Ein allzu loses Mundwerk wird allerdings in Adelskreisen nicht unbedingt gern gesehen und ein so gespielter Herold läuft entsprechend Gefahr, unangenehm aufzufallen – mit entsprechenden Konsequenzen für seinen Herrn.

Der Herold als Plot-Device

Egal ob GSC (gesetzter/geführter Spielercharakter), NSC oder eventuell sogar SC – Herolde bieten sich wie kaum ein anderes Charakterkonzept dazu an, Informationen ins Spiel zu bringen und zu verbreiten und werden dementsprechend gerne von der SL dazu eingesetzt. Ein Herold kann beispielsweise IT auftauchen und wichtige Nachrichten und Neuigkeiten verkünden, die den Plot vorantreiben. Er könnte auch schlicht bekannt geben, dass eine bestimmte Versammlung oder ein anderes Ereignis zu einer bestimmten Zeit oder an einem bestimmten Ort stattfinden soll. Letzteres ist gerade auf Hofhaltungen, Turnieren und anderen Lager-Veranstaltungen sehr nützlich oder sogar dringend notwendig. Herolde eignen sich dazu besonders gut, weil sie bereits aufgrund ihrer Rolle als Personen wahrgenommen werden, die zum Überbringen von Neuigkeiten und Botschaften befugt sind. Das Wort eines als Herold erkennbaren Boten, egal ob nun bekannt oder nicht, wiegt dabei einfach schwerer als das einer dahergelaufenen unbekannten Person.

Tappert und Heroldsstab – Visuelle Hilfsmittel

Auch ohne Tappert kennzeichnet der Stab den Herold.
Quelle: Grenzwacht 23, © Marco Winter

Vor allem zwei Ausrüstungsstücke kennzeichnen einen Herold recht unmissverständlich: der Heroldsstab und der sogenannte Tappert. Der Heroldsstab ist ein Zeichen der Amtsgewalt und kann auch dazu benutzt werden, sich durch Aufschlagen auf den Boden Gehör zu verschaffen oder in den Turnierschranken zwei Kombattanten zu trennen. Er wird in der Regel durch einen einfachen runden Stab mit aufgesetzter Kugel oder Schnitzerei dargestellt. Die Länge des Stabs kann variieren, fast immer ist er aber entweder weiß oder mehrfarbig, wenn beispielsweise in den Wappenfarben des Dienstherrn bemalt.

Der Tappert kann ganz unterschiedliche Formen annehmen.
Quelle: Turney vom Einhorn 2019, © Christian Tannenberg

Der Tappert hingegen ist eine spezielle Form des Wappenrocks, die exklusiv von Herolden getragen wird. Anders als der ritterliche oder soldatische Wappenrock wird der Tappert nicht gegürtet getragen, sondern fällt wie ein Poncho. Der fehlende Waffengurt symbolisiert die Neutralität des Herolds. Der Tappert ist außerdem speziell geschnitten, meist mit ausgestelltem Saum und betonten Schultern, sodass der Träger gleich auffällt. Dieses Kleidungsstück eignet sich besonders gut, um einen Charakter als Herold zu kennzeichnen und optisch herauszustellen. Allerdings wird er längst nicht von allen Herolden im Spiel verwendet – manche tragen ihn überhaupt nicht, andere nur zu besonderen Anlässen. Bisweilen wird stattdessen auch ein Kragen, eine Gugel, ein Ansteckwappen oder anderes Utensil mit dem Wappen des Dienstherrn getragen. 

Herolde als Spielercharakter

Wer einen Herold im Spiel verkörpern will, sollte sich zunächst die Frage stellen, wie er diese Rolle ausgestalten möchte. Soll die Funktion als Herold den Kern des Charakters ausmachen? Oder soll die Tätigkeit als Herold nur eine zeitweilige Ergänzung des Charakters sein? Beide Wege sind im LARP gangbar und haben ihre Vor- und Nachteile. Außerdem besteht als dritte Option auch die Möglichkeit, statt eines vollwertigen Herolds einen Persevanten zu spielen – also einen Herold in Ausbildung.

1. Vollzeit-Herolde

Wer einen Herold als hauptsächliches Charakterkonzept spielt, schränkt sich naturgemäß ein. Herolde sind nicht unbedingt für jedes beliebige Spielsetting geeignet und vor allem nicht autark. Ein Herold braucht einen Herrn, dem er dienen kann, sonst hat er IT nicht viel zu tun. Entsprechend eignet sich der Vollzeit-Herold als Ergänzung zu einem schon bespielten Adelsgefolge oder einer anderen größeren Gruppe, die eine solche Rolle unterstützen kann. Alternativ gibt es auch die Möglichkeit, als freier Herold loszuziehen – in der Hoffnung, sich im Spiel einen Herrn auf Zeit zu suchen, dem man einige Tage für ein gutes Gehalt dienen kann. Allerdings dürften sich die Veranstaltungen, auf denen ein solches Konzept aufgeht, weitgehend auf Turniere und Hofhaltungen eingrenzen lassen. Es ist aber durchaus vorstellbar, dass ein Herold auf bestimmten Cons auch in anderer Funktion auftritt, die sein Dasein erklärt, beispielsweise als Beobachter oder Diplomat.

2. Der Heroldsdienst als Nebenbeschäftigung

Auch Knappen können den Heroldsdienst übernehmen.
Quelle: Turnier von Feuer und Phoenix, © Privat (Erlaubnis liegt vor), zur Verfügung gestellt von Lars Lerchenbeerger

Gerade weil Herolde nicht unbedingt auf jeder Con etwas zu tun finden, hat es sich im LARP eingebürgert, dass die Herolds-Funktion zeitweilig von Charakteren nebenher wahrgenommen wird, die eigentlich andere Pflichten und Aufgaben haben. So kann ein Knappe seinem Ritter als Herold aushelfen, wenn dieser im Turnier einen solchen braucht. Auch von Knechten, Spielleuten und anderen Mietlingen, die dem Heroldsdienst (insbesondere in der Rolle als Entertainer, siehe unten) als zwischenzeitlichen Broterwerb nachgehen, hat man schon gehört. Und auch Ritter und andere Adlige, die ihrem eigenen Herrn von Zeit zu Zeit als Herold dienen, sind im LARP kein unbekanntes Konzept. Der Vorteil dieser Variante liegt auf der Hand, ebenso allerdings der Nachteil: Die wenigsten dieser Teilzeit-Heroldskonzepte können die Rolle in all ihren Aspekten ausfüllen. Sie sind in dem Sinn keine „richtigen“ Herolde und können einen solchen auch nur eingeschränkt ersetzen.

3. Persevanten

Ein Herold mit seiner Persevantin (rechts) in den Turnierschranken.
Quelle: Grenzwacht 23, © Marco Winter

Was dem Ritter der Knappe ist, ist dem Herold der Persevant. Persevanten sind Anwärter auf das Heroldsamt und dienen „ihrem“ Herold zugleich als Gehilfen, assistieren ihm bei seinen Aufgaben, übernehmen Botendienste und gehen ihm anderweitig zur Hand. Es ist auch vorstellbar, dass der Herold bestimmte Aufgaben wie das Ausrufen von Botschaften und Verkündigungen an einen Persevanten delegiert. Die genauen Dienste unterscheiden sich abhängig vom ausbildenden Herold – in jedem Fall aber dürfte das Persevantenspiel, ähnlich wie andere Ausbildungs-Konzepte, ein Konzept auf Zeit sein. Ob der Persevant seine Rolle als Vollzeit-Konzept oder nebenher spielt, zum Beispiel nur auf bestimmten Cons oder nur für einige Stunden am Tag, ist im Zweifel eine Sache der Absprache zwischen Persevant und Herold. Vorstellbar ist jedenfalls beides.

Fazit

Der Herold als Charakterkonzept ist speziell und bleibt, verglichen mit anderen Rollen, eher ein Nischenphänomen. Während er für die durchschnittliche Abenteuercon nicht unbedingt die erste Wahl ist, glänzt er gerade dort, wo Adels-, Hof-, Politik- und Diplomatiespiel passieren, umso mehr. In einem solchen Setting ist der Herold eine große Bereicherung, als Multitalent mit vielen nützlichen Fähigkeiten, das ganz verschiedene Funktionen wahrnehmen kann, als diensteifriger Gefolgsmann ebenso wie als Diplomat in der ersten Reihe. Und dann wäre da noch die Heraldik – bunte Fahnen und Wappen sind schön anzuschauen, aber ihre volle Wirkung entfalten sie erst, wenn es jemanden gibt, der sie kennt und ihre Geschichten erzählen kann.

 

Artikelbild: Grenzwacht 23, © Wintergrafie by Marco Winter, weitere Fotografien: © siehe Bildnachweise, Bearbeitung: Melanie Maria Mazur

 

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