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Vorlage für Cons sind meistens Fantasywelten oder bestehende Fandoms. Doch auch historische Ereignisse bieten sich als vielversprechende Conszenarien an. Im Folgenden werfen wir einen Blick auf eine mögliche Con mit dem Schwerpunkt auf Hofhaltung und Diplomatie: Das Konstanzer Konzil, das im 15. Jahrhundert eine Kirchenspaltung beendete.

Eine Inspirationsquelle für Cons können historische Ereignisse sein, die sich als Vorlage und Ausgangspunkt für spannende Veranstaltungen anbieten. Aus diesem Grund haben wir vor einiger Zeit eine kleine Reihe über verschiedene historische Ereignisse begonnen, die sich als Szenario anbieten. Dieser Artikel setzt die Reihe nun fort. Ich beschreibe dazu kurz den historischen Hintergrund und die beteiligten Parteien und Personen, die als Vorlage für eigene Charaktere und Fraktionen auf der Con dienen können. Außerdem gebe ich einen kurzen Überblick über mögliche Handlungsstränge und was für eine Art Con sich hier anbietet.

Das heutige Szenario, das wir uns gemeinsam anschauen, ist das Konzil von Konstanz, bei dem eine Kirchenspaltung mit drei Päpsten behoben werden sollte, und außerdem der böhmische Reformator Jan Hus verbrannt wurde. Der dazugehörige Con-Typ ist der einer Hofhaltungs- und Diplomatiecon mit viel Intrigenspiel.

A. Der historische Hintergrund

Das Konzil von Konstanz war eine Versammlung von kirchlichen und weltlichen Würdenträgern der lateinischen Christenheit im 15. Jahrhundert. Es fand vom 5. November 1414 bis zum 22. April 1418 in der süddeutschen Stadt Konstanz statt.

Auslöser war das abendländische Schisma, die Spaltung der lateinischen Christenheit durch die gleichzeitige Wahl von drei konkurrierenden Päpsten. Nicht betroffen davon war die orthodoxe Kirche, die das Konzept eines Papstes von Beginn an abgelehnt hatte.

Um die Einheit der lateinischen Christenheit wiederherzustellen, organisierten der deutsch-römische König Sigismund von Luxemburg und Papst Johannes XXIII. ein Konzil, eine Zusammenkunft geistlicher Würdenträger, auf der kirchlich-theologische Themen diskutiert werden. Gastgeber des Konzils war der Fürstbischof Otto III. von Hachberg, Versammlungsort das neutrale Konstanz.

Hauptziel des Konzils war es, die Einheit der Kirche wiederherzustellen. Es wurden aber noch andere Themen besprochen. Neben Fragen zur kirchlichen Verkündigung und Sakramentslehre stach dabei vor allem die Auseinandersetzung mit den böhmischen Kirchenkritikern Jan Hus und Hieronymus von Prag sowie mit der Lehre des englischen Theologen John Wyclif heraus.

Auslöser des ursprünglichen Schismas war Unzufriedenheit mit Papst Urban VI. rund 40 Jahre vor dem Konzil. Diese führte zur Wahl eines Gegenpapstes und zu der Spaltung der lateinischen Christenheit in zwei Lager. Diese Spaltung verfestigte sich so sehr, dass beide Päpste eigene Traditionslinien etablierten. Der Tod eines der konkurrierenden Päpste führte also zur Wahl eines Nachfolgers, womit das Schisma über Generationen hinweg bestehen blieb.

Der Konflikt manifestierte sich dabei nicht nur in theologischen Debatten, sondern auch in kriegerischen Auseinandersetzungen. Von schwerwiegenden emotionalen Folgen für eine tiefreligiöse Gesellschaft ganz zu schweigen.

Verschärft wurde der Konflikt 1409, als neutrale Fürsten und Bischöfe einen dritten Papst erwählten. Von nun an war die Christenheit sogar in drei Fraktionen geteilt.

Um diesen langanhaltenden Konflikt endlich zu beenden, lud deshalb König Sigismund unmittelbar nach seiner Herrschaftsübernahme alle beteiligten Parteien zu einem Treffen ein. Zu dieser Zeit waren die herrschenden Päpste Gregor XII. mit Sitz in Rom, Benedikt XIII. mit Sitz in Avignon und Johannes XXIII. mit Sitz in Pisa.

Erster Konfliktpunkt des Konzils wurden Fragen der Abstimmungsregeln. Bisher hatte jeder Teilnehmer eine Stimme, wodurch die italienischen Bischöfe die Stimmmehrheit über die ganze Christenheit hatten. Daher setzte König Sigismund durch, dass getrennt nach Nationalitäten abgestimmt werden sollte, wobei jede Nationalität gleich viel Stimmgewicht hatte. Damit standen sich als gleichwertige, wenn auch intern nicht einige, Blöcke Italien, Frankreich, Germanien (inklusive Skandinavien und Osteuropa), England und Hispanien gegenüber. Eine politische Machtverschiebung stand demnach am Anfang des theologischen Konzils. Einziger persönlich anwesender Papst war Johannes XXIII.

Dessen Flucht bei Nacht und Nebel mit Hilfe eines als Pferdeknecht verkleideten Adligen war dann auch der dramaturgische Höhepunkt des Konzils. Mit seiner Flucht delegitimierte er sich selbst, seine Absetzung hatte dann auch den Rückzug seiner Konkurrenten zur Folge.

Dies machte den Weg frei für die Wahl eines neuen Papstes, der die Spaltung endgültig beseitigen sollte. In einem Konklave wurde schließlich Martin V. zum neuen Papst gewählt und die lateinische Christenheit offiziell wieder geeinigt. Diese Wahl war die einzige Papstwahl auf deutschem Boden.

Zeitgleich verurteile das Konzil die Lehren von Jan Hus und Hieronymus von Prag als Ketzerei und verurteilte beide zum Tod auf dem Scheiterhaufen. Ein Urteil, das direkt vor Ort vollstreckt wurde.

Damit missachtete das Konzil das Versprechen von freiem Geleit gegenüber beiden und sorgte in ihrer böhmischen Heimat für Entsetzen und Wut, was schließlich in einem jahrelangen Aufstand gipfelte und einen Konfliktherd schuf, der letztendlich Auslöser des Dreißigjährigen Krieges werden sollte. Auch die dringend notwendige Reform der Kirche wurde verschoben, was letztendlich in Martin Luthers Thesen und der Reformation gipfelte.

B. Die Umsetzung als Con

1. mögliche Charaktere und Fraktionen

Bis zu 70.000 Konzilbesucher*innen über einen Zeitraum von mehreren Jahren bieten sowohl an historischen Persönlichkeiten als auch an fiktiven, die ins Szenario passen, eine große Auswahl. Unzählige Kardinäle, Patriarchen, Erzbischöfe, Bischöfe, Doktoren und Äbte fanden sich ebenso in Konstanz ein wie eine unüberschaubare Menge an Gesinde, Dienstboten, Mägden, Zofen, Wächtern, Diener*innen, Pferdeknechten, Schreibern, Notaren und Prostituierten. Letzteren wurde in Konstanz 1993 sogar eine Gedenkstatue errichtet. Nicht zu vergessen sind auch die rund 6000 Einwohner*innen Konstanz’, die sich damit arrangieren mussten, dass ihre Heimatstadt auf ihre zehnfache Größe anschwoll.

Mögliche Charaktere, die neben den schon erwähnten Großen verkörpert werden können, sind etwa Pierre d’Ailly, französischer Theologe und Kanzler der Sorbonne, Kardinal Henry Beaufort, Vertreter der englischen Kirche, Kardinal Branda Castiglione, päpstlicher Legat in Ungarn und Germanien, Manuel Chrysoloras, byzantinischer Diplomat, oder Friedrich IV., Herzog von Österreich-Tirol, der als Stallknecht verkleidet dem Papst zur Flucht aus Konstanz verhalft.

Diese und alle erfundenen Charaktere teilen sich grob in drei Papstfraktionen auf: Avignon, Rom und Rest. Avignon wird überwiegend von Teilnehmern aus Frankreich, Spanien, Neapel und Schottland unterstützt, Rom hat England, Kirchenstaat, Polen, Skandinavien und Norditalien hinter sich, und der Rest besteht aus Portugal, Burgund und dem Heiligen Römischen Reich. Grade letzteres mit seiner Schwemme an kleinen Fürsten bietet den idealen Hintergrund für erfundene Charaktere.

Die Fraktionen stehen sich mehr oder weniger feindselig gegenüber, sind allerdings noch zusätzlich in ihre jeweiligen Nationalitäten aufgeteilt. Bei Abstimmungen beraten sich also Charaktere unterschiedlicher Fraktionen und müssen sich auf ein gemeinsames Ergebnis einigen. Konflikt ist hier vorprogrammiert.

Zu Ehren der zahlreichen Prostituierten beim Konzil von Konstanz wurde 1993 in Konstanz sogar eine Statue errichtet: Die Imperia. Von Dietrich Krieger, CC BY-SA 3.0

Neben der Haltung im Papststreit kann jeder gespielte Charakter sich noch überlegen, wie er im Sekundärplot um die potenziellen Ketzer Jan Hus und Hieronymus von Prag Stellung beziehen will. Diese beiden Figuren bieten sich theoretisch als NSC an, die Gefolgsleute anwerben, deren Aufgabe es ist, im Laufe der Con Unterstützung zu sammeln.

Neben den offiziellen Verhandlungsführern bieten sich zahlreiche zusätzliche Rollen an, die mit den Konzilsteilnehmern auf unterschiedlichste Arten interagieren. Händler*innen bietet alles Wünschenswerte, Gaukler*innen unterhalten das Volk und halten dabei womöglich die Ohren auf, Schaulustige sorgen in kritischen Situationen für Eskalationspotenzial aus der hinteren Reihe, Prostituierte gehen ein uns aus und haben quasi überall Zugang, Diener*innen ebenso.

2. möglicher Plot und mögliches Szenario:

Grundsätzlich bietet sich eine Hofcon mit Ambiente- und viel Intrigenspiel an. Eine große Versammlung war nicht nur eine politische Konferenz, sondern immer auch ein gesellschaftliches Ereignis, bei dem es darum ging, zu sehen und vor allem gesehen zu werden.

Auch Ordensspiel ist möglich, stehen doch theologische und kirchenrechtliche Fragen auf dem Programm.

Plot kann aus der großen Frage, wer wen unterstützt, und aus kleinem Charakterspiel bestehen. Nicht für jeden muss der nächste Papst das Wichtigste sein. Manch einer möchte vielleicht nur, dass der verhasste Nachbar, der ebenfalls anwesend ist, sich auf der großen Bühne blamiert.

Beim Conablauf würde ich drei Akte empfehlen, die von Orgaseite sinnvoll strukturiert werden und deren Handlungen ineinander übergreifen können.

Akt I ist der Wettstreit der drei Päpste, Akt II ist die Wahl eines neuen Papstes und Akt III ist der Konflikt mit den Kirchenreformern.

Die Beteiligten der späteren Akte können dabei natürlich schon in früheren Akten agieren und versuchen, ihre Position zu verbessern. Je nach Entwicklung können auch Akte spontan wegfallen. Gelingt es etwa einem der Päpste, sich durchzusetzen, ist die Wahl eines neuen Papstes obsolet.

Akt I: Wettstreit der drei Päpste

Hier geht es darum, sich mit allen möglichen Mitteln durchzusetzen und die eigene Position zu behaupten. Offene hitzige Diskussionen in großer Runde und verstohlene Hinterzimmerabsprachen wechseln sich regelrecht ab.

Gleichzeitig geht es auch um den Schein. Welcher Vertreter bei Tisch vorsitzt und wer wann mit wem sprechen darf oder gar nicht empfangen wird, gibt gleich mal Aufschluss über die Stellung der eigenen Fraktion.

Hier können Charaktere, die Herolde, Notare, Schreiber, Kanzler und Diplomaten spielen, auftrumpfen und das Feld bestellen, bevor ihre Herren am Ende selbst eingreifen.

Auch Abstimmungsmodalitäten und Stimmgewichtung kann diskutiert werden.

Neben den Formalitäten sind auch informelle Handlungen möglich. Warum muss man den sturen Gegner mühsam überzeugen, wenn man ihm auch eine Attentäterin ins Schlafgemach schicken kann?

Mögliche Orgaimpulse können hier zusätzliche Spannung herbeiführen. Meldungen über Bündniswechsel in der Ferne sind ebenso möglich wie die organisierte Flucht des Papstes vom Konzil. Wer hilft ihm, wer bekommt etwas mit, wer will seine Flucht verhindern? Auch Falschinformationen können gestreut werden, sei es von Orgaseite, sei es durch SC.

Konstanzer Konzilschronik des Ulrich von Richental: Konzilssitzung im Konstanzer Münster – Rosgartenmuseum, Public domain, via Wikimedia Commons

Akt II: Kampf um den Papstthron

Auch hier wird wieder intrigiert, allerdings in kleinerem Rahmen. Die Besonderheit dieser Phase ist die Trennung der Wähler vom Rest der Con. Der Papst wurde in einem Konklave gewählt, das heißt, alle wahlberechtigten Bischöfe sind so lange eingeschlossen, bis sie sich auf einen neuen Papst geeinigt haben. Entweder lässt man hier als Orga die Wähler alle von NSC spielen, die Wahl findet also nur fiktiv statt und die SC können versuchen, sie von außen zu beeinflussen, oder beide Seiten werden von SC gespielt.

In beiden Fällen haben die Spieler*innen je nach Charakter vor allem das Ziel, Kontakt mit den eingeschlossenen Bischöfen zu halten und Informationen, Bestechungsmittel und ähnliches hineinzuschmuggeln oder aber genau solches zu verhindern.

Der Reiz für die Bischofsspieler*innen ist hierbei, dass sie auf die Unterstützung von außen angewiesen sind, um sich in dem Konklave durchzusetzen. Der Reiz für den Rest besteht darin, dass er bis zum Schluss nicht weiß, ob seine Hilfe wirklich ankommt und wie effektiv sie ist. Wenn ich zum Beispiel ein Säckchen Goldmünzen am Übergabeort platziere, weiß ich nicht, wer es am Ende wirklich in die Finger bekommt. Auch Seitenwechsel der Bischöfe bekommt man außen nur schwer mit. Die Verkündigung des Wahlergebnisses kann dann zu spontaner Freude oder Wut führen.

Akt III: Verbrennt die Ketzer, damit wir endlich heimkönnen

Abschließend haben die Kirchenreformer die schwere Herausforderung, ihre Position zu vertreten und zu überleben, wenn alle anderen froh sind, den großen Konflikt überstanden zu haben und nur noch nach Hause wollen.

Verbrennung des Jan Hus als Ketzer – Janíček Zmilelý z Písku, Public domain, via Wikimedia Commons

Dieser Akt ist damit der, bei dem es am wichtigsten ist, bereits im Vorfeld Unterstützung zu sammeln und womöglich schon die Partei auf den Papstthron zu bringen, die die eigene Seite unterstützt. Scheitert man hier, läuft man Gefahr, am Ende der Con als kleiner Nebenplot auf die Schnelle abgearbeitet und verbrannt zu werden. Die Ketzerfrage kann also als zusätzlicher Motivator im vorherigen Teil der Con dienen und die Einsätze dort nach oben treiben. Zudem bietet sie der Orga die Möglichkeit zum spektakulären Conende, bei dem nicht nur zwei inzwischen bekannte Rollen womöglich hingerichtet werden. Egal, ob letztendlich von SC oder NSC gespielt, eine Hinrichtung zum Schluss sorgt immer für Aufregung. Für besonderen Effekteinsatz bietet sich John Wyclif an. Der Mann war zum Zeitpunkt der Konstanzer Konzils nämlich schon länger tot. Daher hat man ihn exhumiert und demonstrativ seine Knochen verbrannt.

2.4 Der Plot im Kleinen:

Neben den großen Akten bieten sich zahlreiche kleine Spiele an, die zwischen verschiedensten Charakteren möglich sind. Sei es der Streit um Tavernenplätze oder Bestechungsgeld für die beste Unterkunft, sei es Unzufriedenheit über eine erbrachte Dienstleistung oder Liebeleien, oder Streit zwischen Besuchern*innen und Einwohnern*innen. Diese kleinen Konflikte können den großen Plot beeinflussen, müssen es aber auch nicht. Hier kann viel ohne Orgabeteilung ablaufen, weil die SC es unter sich ausmachen. Gleichzeitig bietet sich die Möglichkeit, Konflikt oder Spiel durch vorher abgesprochene NSC-Auftritte zu schaffen. Nichts freut die Geliebte des Fernkaufmanns schließlich mehr als der Spontanbesuch der Ehefrau.

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Titelbild: depositphotos © katatonia82
Layout und Satz: Annika Lewin
Lektorat: Rick Davids

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