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IT-Brillen sind im deutschen Larp ein sehr kontroverses Thema. Doch nicht jede*r möchte oder verträgt Kontaktlinsen. Im folgenden Artikel zeigen wir euch, wie ihr dennoch eine stimmige Brille zu überschaubaren Preisen bekommen könnt und erzählen euch ein bisschen über die Geschichte der Brille.

Die Augenoptik ist eine intransparente Branche, die viel auf Vertrauen zu Berater*innen oder zum Unternehmen setzt. Daher ist es als Kunde*in extrem schwierig, eine fachlich fundierte, eigene Meinung zu bilden. Wenn die Person, die euch berät, nicht selbst larpt, und/oder möglicherweise im Hintergrund monetären Druck hat, bestimmte Produkte zu verkaufen, ist es schwer zur optimalen Lösung zu kommen.

Die Qual der (Fassungs-)Wahl

Die wichtigste Frage ist: Wie historisch korrekt soll die Brille sein?

Wenn Historizität nicht so wichtig ist, reicht eine der Metallfassungen aus den Einstiegspreis-Segmenten der Optikerketten völlig aus. Klein und rund und aus Metall ist dabei wichtig, da diese Form einerseits deutlich klassischer wirkt und andererseits die Gläser allein wegen der Form dünner ausfallen, als bei großen und/oder eckigen Formen. Geeignete Beispiele findet ihr zum Beispiel bei bekannten Optikerketten oder Onlinehändlern, diese Formen sind Unisex.

Wenn ihr Wert auf eine bestimmte Epoche legt, dann solltet ihr euch zumindest die Fassung bei einem historischen Optiker besorgen. Diese führen ähnliche Fassungen auch mit zum Teil historisch korrektem Material.

Eine (kleine) große Geschichte der Brille

Die erste Sehhilfe, die nicht von Hand gehalten wurde, sondern auf der Nase getragen wurde, wird Nietbrille genannt: Zwei runde Gläser sind bei dieser durch einen Nietstift verbunden. Diese Brillen bestanden aus Metall, Leder oder Horn. Als einer der ersten Hinweise auf die Existenz einer Brille gilt die Predigt des Dominikanermönches Giordano da Rivalto, aus dem Kloster der heiligen Katharina zu Pisa, vom 23. Februar 1305. In der Predigt ist folgende Passage zu finden: „Es ist noch nicht 20 Jahre her, dass man die Kunst Brillen zu machen, fand, durch die man besser sieht. Es ist eine der besten und notwendigsten Künste.“ Die früheste bekannte Darstellung einer Brille ist im Kapitelsaal der Kirche San Nicolo in Treviso nahe Venedig. Der Künstler Tomaso di Modena hat 1352 den Kardinal Hugo de Province und seine Nietbrille porträtiert.

Nieten gehen immer!

Apostel mit Nietbrille (1439), Ausschnitt aus dem Gemälde des Flügelaltars (Polyptychon)| Wikipedia gemeinfrei
Apostel mit Nietbrille (1439), Ausschnitt aus dem Gemälde des Flügelaltars (Polyptychon) | Wikipedia gemeinfrei

Der nächste Entwicklungsschritt der Nietbrille war dann die Bügelbrille, dieser geschah ungefähr in der zweiten Hälfte des 14.Jahrhunderts. Die Nietbrille wurde aus zwei übereinander genieteten, instabilen Teilen gefertigt. Die Bügelbrille dagegen wurde aus zwei gefassten Gläsern konstruiert, die mithilfe eines Bügel oder Bogen verbunden waren. Sie wurden aus allen möglichen damals gängigen Materialien angefertigt, zum Beispiel Holz, Eisen, Bronze, Leder, Knochen, Horn und Fischbein. Eine der ersten Abbildungen einer Bügelbrille findet man in der Kirche im deutschen Niederwildungen/Waldeck am Flügelaltar. Der Künstler Konrad von Soest malte im Jahr 1404 den Evangelisten Lukas mit einer Bügelbrille. Diese hält der Evangelist mit der Hand vor den Augen. Im Bügel erkennt man eine Öse, welche wahrscheinlich dazu diente eine Kette zu halten, damit die Brille nicht zu Boden fallen konnte. Um das nervige Vorhalten der Brille überflüssig zu machen, wurden der Brille in einem nächsten Entwicklungsschritt Schlitze im Bügel verpasst. Der Steg wurde dadurch deutlich elastischer und damit konnte die Brille zum ersten Mal auf der Nase getragen werden.

Die Mützenbrille, auch unter dem Namen Stirnfortsatzbrille bekannt, wurde hauptsächlich von Frauen und Adeligen getragen, da beide Bevölkerungsgruppen beim Grüßen die Kopfbedeckung fast nie abnehmen mussten.

Mit einer einfachen Hilfskonstruktion wurde es möglich, die Brille an einer tief sitzenden Mütze zu befestigen. Diese originelle Art der Brille wurde vom 15. bis ins 18 Jahrhundert verwendet. Diese Brillen wurden meistens aus Eisen konstruiert.

Im 16. Jahrhundert kam dann eine neue Form der Sehhilfe auf, der Zwicker. Zu Beginn wurden die beiden Gläser mit einem eisernen oder kupfernen Federbügel verbunden. Später wurden die Fassungen mit einem Lederpolster versehen, um Druckstellen auf der Nase zu vermeiden.

Gardiner Green Hubbard, mit Zwicker, Library of Congress Bibliothek
Gardiner Green Hubbard, mit Zwicker, Library of Congress Bibliothek

Wenn die Lederpolster abgenutzt waren, konnten diese, wie bei modernen Nasenpads einfach getauscht werden. Die Hochzeit der Zwicker war vom 17. bis ins 19. Jahrhundert. Der große Nachteil des Zwickers ist der starke Druck, den dieser auf die Nase ausübt, weswegen er auch nicht dauerhaft getragen werden kann, sondern nur im Bedarfsfall aufgesetzt wird.

Fadenscheinig!

Gegen Ende des 16. Jahrhunderts kam die Idee auf, die Brille hinter den Ohren mit einem Faden fest zu machen. Diese sogenannten Pindtbrillen, im Reenactor-Sprech auch Fadenbrille genannt, wurden wahrscheinlich in Spanien erfunden.

Zum ersten Mal in der Entwicklungsgeschichte der Brille waren beide Hände frei etwas anderes zu tun, ohne dass ein unbequemer Druck auf die Nase gegeben wurde. Spanische Missionare exportierten die Fadenbrille wahrscheinlich nach Asien. Teilweise ist sie dort heute noch in Verwendung!

Zu Beginn des 18. Jahrhunderts wurden das erste Mal Brillen entwickelt, bei denen an der Seite Metallstangen angebracht wurden. Diese Schläfenbrillen waren zumeist aus Eisen und für einen besseren Sitz wurde das Ende der Stange mit einem Metallring versehen, der um das Ohr gelegt wurde.

Insgesamt vergingen über 500 Jahre von den ersten Versuchen Leuten das Lesen zu erleichtern bis zur ersten Brille, die hinter dem Ohr befestigt wurde! Seitdem hat sich nichts radikales mehr verändert, außer dass die Bügel und die Nasenauflagen konstant weiter entwickelt wurden für ein angenehmeres Tragegefühl bei gleichzeitig festem Halt.

Wenn es nur aufgrund des Alters schwierig mit dem Lesen wird, wäre zu überlegen, auf eine Brille zu verzichten und sich auf einen Lesestein, der auf das zu Lesende gelegt wird, zu beschränken.

Glaswahl und Preise

Nun kommen wir zum Knackpunkt der ganzen Angelegenheit, die Gläser:

Für kleinere Stärken sind die einfachsten Einstiegsgläser völlig ausreichend. Eine Entspiegelung ist erst so richtig notwendig, wenn man die Brille entweder dauerhaft trägt oder damit Auto fahren möchte, beides ist für eine reine Brille fürs Larp nicht zutreffend.

Ein Modell von einer bekannten Optikerkette kostet dann mit Fassung und Gläsern zusammen ca. 17,50 EUR . Bei anderen Optikern sollte etwas ähnliches zwischen 15 und 50 EUR kosten.

Generell ist es möglich mit einer Fassung, die man anderswo gekauft hat, in ein Optikgeschäft zu gehen und diese dort verglasen zu lassen, üblicherweise kostet das zusätzlich zwischen 10 und 30 EUR zusätzlich zu den Gläsern.

Bei höheren Stärken solltet ihr ein wenig mehr investieren, aber mehr als 100 EUR für ein Paar Gläser muss nicht sein.

Als Weitsichtige*r mit mehr als +4/5 Dioptrien gibt es eine zusätzliche Option wie man die Gläser dünner gestalten kann, beim Optiker solltet ihr nach einer Mittendickenreduzierung fragen. Das sollte nicht mehr als 30 bis 40 EUR zusätzlich kosten, wenn im Optikgeschäft eurer Wahl mehr für diese Option verlangt wird, solltet ihr den Vergleich bei anderen Optikern nicht scheuen.

Von Glaswahl und Preisen © vichly
Von Glaswahl und Preisen © vichly

Als Kurzsichtige*r mit mehr als -4/5 Dioptrien oder wenn ihr eine extreme Hornhautverkrümmung über 4 Dioptrien habt, seid ihr ein wenig eingeschränkter. Dann benötigt ihr dünnere Gläser, bei diesen ist dann auch eine Entspiegelung zwingend notwendig, da diese dünneren Gläser mehr vom einfallenden Licht reflektieren, die dünneren Gläser gibt es aber auch gar nicht ohne zu kaufen. Die mit Abstand günstigste Variante, die ich dafür kenne, ist bei einer Optikerkette zu fragen, ob es da nicht auch was aus China gibt. Dann wird euch euer Gegenüber sehr dünne Kunststoff Gläser anbieten können für ca. 90 EUR, das geht leider nicht ohne Nachfrage.

Sollte bei euch ein verstecktes oder nicht ganz so verstecktes Schielen korrigiert werden müssen, ist das ebenfalls kein Drama. Prismen, die zusätzlich in Gläser eingearbeitet werden, kosten nicht die Welt, bei weniger als 2 bis 3 cm/m ist es normalerweise kostenfrei. Bei einer höheren Prismenwirkung sind es aber auch nur moderate Preissteigerungen, wenn da ein Optikgeschäft mehr als 30-40 EUR aufruft solltet ihr auch hier ein anderes Optikgeschäft aufsuchen.

Sucht man nun mit einer Suchmaschine nach historischen Brillen, wird man schnell Optiker mit entsprechenden Gestellen finden. Fassungen starten hier schon bei 60 EUR. Je nach Augen, bekommt man so eine IT-Brille schon für unter 100 EUR.

(c) Starz, DaVinci’s Demons

Sonnenbrillen lassen sich übrigens bereits auf das späte 15. Jahrhundert zurückdatieren. Also steht auch so einer Brille, aus historischer Sicht, nichts im Wege. 

 

Abschließendes

Gerade bei klassischen Fantasy-Larps ist eine IT-Brille eine echte Alternative zu nicht viel billigeren Kontaktlinsen, die deutlich mehr Aufwand und mehr Hygiene erfordern als Brillen. Wer auf einer Con schonmal eine Bindehautentzündung hatte, wird davon ein Lied singen können. Wer Bedenken zur Sicherheit hat, sollte sich darüber im Klaren sein, dass eine Hieb der fest genug ist ein Brillenglas (das ja meist aus Kunststoff ist) zu zertrümmern, auch eine Kontaktlinse beschädigt und den Kopf dahinter so in Mitleidenschaft zieht, dass es einen längeren Krankenhausaufenthalt notwendig macht.

Ob es eine IT-Brille sein muss, können und wollen wir hier nicht abschließend bewerten. Allerdings ist die Mär der viel zu teuren Anschaffung eben dies, eine Mär. Mit etwas Geduld und Vergleichen, kann man bereits kostengünstig in die Welt der optisch IT-tauglichen Brillen eintauchen.

Artikelbilder: gemeinfrei, depositphotos © wie gekennzeichnet  
Titelbild: depositphotos © RuslanKal
Layout und Satz: Roger Lewin
Lektorat: Nina Horbelt

Über den Autor

Jan Kauber ist Augenoptiker und Larper aus Leidenschaft. Wenn er nicht gerade Kunden berät, findet man ihn auf diversen Fantasy-Larps in Deutschland. IT-Brillen und die damit verbundenen Mythen sind ihm eine Herzensangelegenheit, weswegen er sich immer gern Zeit nimmt mit jenen Aufzuräumen.

 

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