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Der erste Sammelband von The Resistance führt uns in ein Universum, in dem Überlebende einer Pandemie auf einmal Superkräfte entwickeln. Warum neben der visuellen Gestaltung besonders die vielschichtige und mysteriös gestaltete Handlung überzeugt, klären wir in unserem Graphic Novel-Kurzcheck.

Superheld*innen bekommen auf jede erdenkliche Art und Weise ihre Superkräfte. Beliebte Beispiele sind Laborunfälle, die Zugehörigkeit zu einer außerirdischen Spezies, Magie oder die schier unerschöpfliche Macht des Geldes. Autor J. Michael Straczynski, neben seiner Tätigkeiten für Marvel und DC unter anderem als Autor für die Serie Babylon 5 bekannt, liefert in The Resistance eine weitere Erklärung. In Folge einer tödlichen Virus-Pandemie entwickelt ein Teil der Überlebenden außergewöhnliche Kräfte. Es folgt eine erschreckend realistisch wirkende Geschichte, wie sich eine solche Änderung der Weltordnung auf unsere Leben auswirken könnte.

Handlung & Charaktere

Am Ende forderte der „Große Tod“ aufgrund seiner Sterblichkeitsrate von 95% fast 400 Millionen Opfer. Die Menschheit war kurz davor die Hoffnung aufzugeben, als das Virus von einem Tag auf den anderen verschwand. Doch auf die kurze Zeit der Freude folgten die Unsicherheit und Skepsis. Wie kann ein Virus von einem Tag auf den anderen plötzlich verschwinden? Woher kam es ursprünglich? Wieso entwickelt ein Teil der Überlebenden plötzlich Fertigkeiten, die man nur als übermenschlich bezeichnen kann?

Der Pilotband von The Resistance, welcher die ersten sechs Einzelhefte sammelt, erzählt eine Geschichte von globalem Ausmaß. Zu Beginn wird der schreckliche Einfluss des weltweit wütenden Virus auf schonungslose Art und Weise gezeigt. Besonders aufgrund unserer eigenen Erfahrungen mit der Corona-Pandemie erkennt man viele der gezeigten Aspekte wieder, beispielsweise die Verschwörungstheorien oder das gegenseitige Zuschieben von Schuld und Verantwortung. Glücklicherweise haben wir solch ein Chaos, das dem Ausmaß dieser Graphic Novel gleichkommt, bis jetzt nicht ertragen müssen. Wenngleich Autor J. Michael Straczynski die Pandemie im Schnelldurchlauf abhandelt, hinterlassen diese wenigen Seiten zu Beginn gewaltigen Eindruck. Schicksale werden auf wenigen Panels kraftvoll inszeniert und die vielen Formen des Umgangs mit der Katastrophe dargestellt.

Auf den Schrecken folgt die Neugier, wie die Welt mit der neuen Situation umgeht. Schon die Auswirkungen des Virus allein wären sind gewaltig, doch die Nationen der Erde sehen sich einer weiteren Ungewissheit gegenüber: Die Überlebenden des Großen Todes haben teilweise außergewöhnliche Superkräfte entwickelt, die den Status Quo noch weiter zu erschüttern drohen. Ihre geschätzte Anzahl liegt in den Millionen und das sorgt verständlicherweise an einigen Stellen für Unruhe. Im Laufe der Handlung folgt man dabei sowohl Politikern als auch frisch mit Superkräften ausgestatteten Individuen. The Resistance gelingt es, eine realistisch wirkende Geschichte mit positiven und negativen Beispielen auf beiden Seiten zu erzählen.

Als sich im Laufe der Handlung Personen mit Superkräften nach und nach zu einer Art Widerstand gegen wahrgenommene Missstände organisieren, eskaliert die Lage. Zwischen all den Konflikten platziert der Autor geschickt die Frage, wer denn nun eigentlich im Recht ist. Der Widerstand mit seinen idealistischen Vorstellungen, der aber möglicherweise von einer unbekannten Partei manipuliert wird? Oder die Machthabenden, die alles an den Schutz der aktuellen Ordnung setzen?

Das Ergebnis ist eine erschreckend realistisch wirkende Handlung, die mit ihren Mysterien, Interessengruppen und Einzelcharakteren verdammt viel Lesespaß bietet. Straczynski gelingt die schwierige Balance den Vorhang der Geschichte langsam zu lüften und dennoch Leser*innen auf spannungsvolle Art und Weise im Dunkeln zu halten. Am Ende dieses Sammelbandes weiß man so viel mehr über die Hintergründe der Geschichte und es bleibt dennoch eine Vielzahl an Fragen übrig – das nenne ich gelungenen Spannungsaufbau!

Einziger Kritikpunkt an der Erzählweise von The Resistance ist die stellenweise Sprunghaftigkeit der Handlung. Aufgrund der globalen Ausrichtung der Geschichte wechselt man in einigen Kapiteln zwischen einer Vielzahl von Schauplätzen und vereinzelt in Rückblenden. Bei fortschreitender Lektüre kann es anstrengend werden, der Handlung zu folgen.

Zeichnungen & Kolorierung

Aufteilung großflächiger Szenen in einzelne Panels. © Panini Comics

Mit Mike Deodato Jr. ist ein Veteran der Branche für die Zeichnungen von The Resistance verantwortlich. Der Brasilianer hat im Laufe seiner Karriere eine Vielzahl an Werken von DC und Marvel illustriert, aber auch zuletzt mit Jeff Lemire an Berserker Unbound zusammengearbeitet. Die Graphic Novel profitiert sichtlich von seiner Expertise, da selbst in hektischen Momenten der Überblick über die Zeichnungen gewährleistet ist.

Auf einigen Seiten entscheidet sich Deodata Jr. für die Aufteilung großflächiger Szenen in einzelne Panels. Wie man das findet, ist Geschmackssache; persönlich bevorzuge ich den Einsatz weniger, aber großer Panels. Dennoch kommt man nicht umhin, die Qualität der Zeichnungen zu bewundern. Besonders zu Beginn wird eine Vielzahl an Informationen visuell implementiert, sodass das Virus bereits nach wenigen Seiten effektvoll etabliert wird. Gegen Ende der Graphic Novel hinterlässt besonders die Dynamik bei den Actionszenen Eindruck.

Im ersten Heft erfolgte die Kolorierung durch Frank Martin, während den Rest des Sammelbandes Lee Loughridge (bekannt für seine Arbeit an Deadly Class) übernimmt. Passend zur Stimmung besteht die Farbpalette großteils aus gedeckten und düsteren Farben. Auffallend ist zudem der häufige Einsatz von Schattierungen durch das Künstlerteam.

 

The Resistance – Cover. © Panini Comics

Die harten Fakten

  • Verlag: Panini
  • Autor*in: Joseph Michael Straczynski
  • Zeichner*innen: Mike Deodato Jr., Frank Martin, Lee Loughridge
  • Erscheinungsjahr: 2021
  • Sprache: Deutsch
  • Format: Softcover
  • Seitenanzahl: 164
  • Preis: 20,00 EUR
  • Bezugsquelle: Fachhandel, Amazon, idealo

 

Fazit

Die Anfangsgeschichte eines neuen Superheldenuniversums. © Panini Comics

Der Pilotband von The Resistance macht definitiv Lust auf mehr. Die Anfangsgeschichte eines neuen Superheldenuniversums überzeugt mit einem kraftvollen Einstieg, in dem die grausamen Auswirkungen eines weltweit wütenden Virus in allen Schrecken dargestellt werden. Darauf folgt eine Phase der Neuausrichtung, in dem die Überlebenden die Folgen der Pandemie und die aus ihr entstandenen Superkräfte verarbeiten müssen. Autor J. Michael Straczynski gelingt dabei die Schaffung einer Handlung, bei der es keine klaren Helden und Schurken gibt. Das Mysterium über die Herkunft der Superkräfte motiviert zur weiteren Lektüre, besonders aufgrund des geschickten, langsamen Enthüllens der Hintergründe.

Dank der Mitarbeit von Veteranen der Comicbuch-Illustration ist die Geschichte visuell hochwertig inszeniert. Gerade zu Beginn hinterlassen die bedrückenden Bilder der Pandemie Eindruck. Die Kolorierung tendiert in die düstere Richtung, ohne dabei übermäßig deprimierend zu wirken.

The Resistance ist eine empfehlenswerte Graphic Novel für alle, die auf der Suche nach einem spannenden, neuen Superheld*innen-Universum sind. Wer in dieser Corona-geplagten Zeit kein Problem mit einer Graphic Novel hat, in der eine weltweite Pandemie eine bedeutsame Rolle spielt, kann bedenkenlos zugreifen.

  • Unglaublich kraftvoller und schonungsloser Einstieg in die Handlung
  • Gelungene Balance zwischen Enthüllungen und der Beibehaltung von Geheimnissen
  • Qualitativ hochwertige Inszenierung mit düsterem Flair
 

  • Erzählweise wechselt in einigen Kapiteln zu schnell zwischen Schauplätzen und Zeitpunkten

 

 

Artikelbilder: © Panini
Layout und Satz: Melanie Maria Mazur
Lektorat: Giovanna Pirillo
Dieses Produkt wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.

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