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Sangre, das siebte Abenteuer von Lady Mechanika, führt die titelgebende Heldin nach Spanien. Dort gerät sie in einen Konflikt zwischen übernatürlichen Mächten, dem eine jahrhundertealte Blutfehde vorausgeht. Warum die Handlung dieser Graphic Novel gleichzeitig unterhält und enttäuscht, klären wir in unserem Kurzcheck.

In mittlerweile sechs Bänden der Steampunk-Serie Lady Mechanika dürfen wir die Abenteuer der gleichnamigen Heldin verfolgen. Den bisherigen Höhepunkt erreichte die Reihe im vierten Band La Dama de la muerte. Dessen in Mexiko spielende Handlung ist bildgewaltig, fesselnd und emotional intensiv.

Der siebte Band mit dem Titel Sangre greift Elemente aus La Dama der la muerte auf und bringt Lady Mechanika für ihren Geschmack abermals zu nahe an das Reich des Todes. Warum Sangre die Qualität des vierten Bandes dennoch nicht erreichen kann, klären wir in unserem Kurzcheck.

Handlung & Charaktere

Nach den Ereignissen des sechsten Bandes La Belle Dame sans Merci ist Lady Mechanika für jeden Meter Abstand zu ihrer Heimat dankbar. Glücklicherweise erreicht sie ein Hilfsgesuch aus Spanien. Die Frau eines örtlichen Adligen sorgt sich um ihren Sohn, der angeblich von einem Dämon besessen war. Seit seiner „Heilung“ durch einen Exorzisten liegt der Junge jedoch im Koma. Darüber hinaus berichtet die Mutter von weiteren dämonischen Gestalten, die ihrem Nachwuchs auflauern.

Schnell erkennt die Heldin jedoch, dass die Situation deutlich komplizierter ist. Die schlagkräftige Protagonistin findet sich in einem Gewirr aus Geheimnissen, seltsamen Ereignissen und mysteriöser Gestalten wieder. Im Laufe der Zeit eröffnet sich ein jahrhundertealtes Rachekomplott, das in den Dschungeln der Neuen Welt seinen Anfang nahm. Lady Mechanika gerät zwischen die Fronten übernatürlicher Mächte, die ohne Rücksicht auf Verluste agieren.

Unglücklicherweise führt Sangre, ebenso wie seine beiden letzten Vorgänger, die Haupthandlung um Lady Mechanikas Vergangenheit kaum weiter. Seit dem fünften Band (Der Uhrwerk-Assassine) bewegt sich Autor Joe Benitez in dieser Hinsicht im Schneckentempo. Das hinterlässt bei den letzten Bänden den faden Beigeschmack eines Intermezzos, das dem Fortschreiten der Rahmenhandlung im Wege steht.

Glücklicherweise können diese Geschichten dennoch unterhalten. Sangre überzeugt mit einem kurzweiligen Spannungsbogen und seiner übernatürlichen Atmosphäre. Die Handlung findet eine stimmungsvolle Mischung aus Action und Mysterien. Dabei gelingt es dem Autorenteam, wie bereits in der gesamten Reihe, kein einseitiges Weltbild mit Schwarz und Weiß zu erzeugen. Besonderes Lob gebührt dafür, dass eine Partei des Konfliktes in diesem Band klassischerweise zu den Bösen in der Phantastik gehört. In Sangre haben jedoch alle Charaktere auf ihre eigene Art und Weise nachvollziehbare Gründe für ihr Handeln. Das erschwert die Antwort auf die Frage ob und auf welcher Seite Lady Mechanika in den Konflikt eingreifen soll.

Zeichnungen & Kolorierung

Neben dem Verharren hinsichtlich der Haupthandlung gibt es einen weiteren Grund, der bei Fans der Reihe für Unmut sorgen könnte: Zum ersten Mal ist Schöpfer und Autor Joe Benitez nicht mehr maßgeblich für die Zeichnungen verantwortlich. An seiner Stelle wird die Handlung von Sangre durch Brian Ching illustriert.

Obwohl man bemerkt, dass Ching dem ursprünglichen Stil treu bleiben möchte, fällt der Unterschied sofort ins Auge. Die Zeichnungen in Sangre wirken im Vergleich zum Rest der Reihe grober, kantiger und weniger detailreich. Die charmanten Einzelheiten im Hintergrund sind deutlich weniger zu finden, wodurch die Welt dieses Bandes einen leereren Eindruck macht. Ebenso scheint die Protagonistin selbst hölzerner, als das in den letzten Bänden der Fall gewesen ist. In diesen zählte die Mimik der Charaktere zu den großen Stärken. In Sangre fällt besonders bei Lady Mechanika ihr wächsern wirkendes Gesicht auf, besonders da andere Charaktere mehr Emotionen an den Tag legen.

Diese Kritik ist sicherlich davon beeinflusst, dass diese Graphic Novel mittlerweile der siebte Band einer laufenden Reihe ist. Handwerklich liefert Brian Ching bis auf die zuvor genannten Punkte eine saubere Arbeit ab und einige großflächige Szenen sind wahre Hingucker. Ebenso sieht es mit der farbenprächtigen Kolorierung aus. Allerdings hat man sich über die letzten Bände an den Stil von Lady Mechnika gewöhnt, sodass der Wechsel in diesem Eintrag einen Bruch mit dem Vertrauten darstellt.

Die harten Fakten

  • Verlag: Splitter
  • Autor*in: Joe Benitez, M. M. Chen
  • Zeichner*in: Joe Benitez, Martin Montiel, Brian Ching, Beth Sotelo
  • Sprache: Deutsch
  • Seitenanzahl: 144
  • Preis: 19,80 EUR
  • Bezugsquelle: Fachhandel, Amazon, idealo

 

Fazit

Sangre überzeugt als eigenständiges Werk mit einer spannenden Geschichte über einen übernatürlichen Rachefeldzug in dessen Mitte Lady Mechanika als Unbeteiligte gerät. Die Handlung kombiniert Action und Mystik zum einem stimmungsvollen Gesamtpaket, auch dank der Ungewissheit, welcher Seite man den Sieg wünscht. Der Bezug auf Ereignisse aus dem bisherigen Highlight der Reihe, La Dama de la muerte, weckt nostalgische Erinnerungen.

Als Eintrag der Reihe Lady Mechanika muss sich Sangre allerdings Kritik gefallen lassen. Die Rahmenhandlung um die Vergangenheit der Protagonistin ist abermals kaum fortgeschritten. Seit mittlerweile drei Bänden stellt Autor Joe Benitez unsere Geduld in dieser Hinsicht auf die Probe. Unglücklicherweise zeigt dieser Band auch Schwächen in der visuellen Gestaltung, die bisher eines der Alleinstellungsmerkmale gewesen ist. Zum ersten Mal ist nicht Joe Benitez selbst für die Zeichnungen zuständig. Das äußert sich unglücklicherweise in weniger Detailreichtum, lebloser wirkenden Welten und schwächerer Mimik der Charaktere. Als eigenständiges Werk würden diese Punkte kaum auffallen, doch beim siebten Band einer laufenden Reihe stechen sie unangenehm hervor.

Diese Kritik klingt auf den ersten Blick harsch, besonders da Sangre immer noch klasse Unterhaltung verspricht. Doch gerade als großer Fan von Lady Mechanika mache ich mir erste Sorgen um die Entwicklung der Reihe. Die Haupthandlung tritt auf der Stelle und der Wechsel des Zeichners macht den Eindruck, als hätte Benitez das Interesse an Lady Mechanika verloren. Das hätte diese besondere Serie mit Sicherheit nicht verdient.

 

Artikelbild: © Splitter
Layout und Satz: Roger Lewin
Lektorat: Nina Horbelt
Dieses Produkt wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.

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