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Mit Der Prinz der Wüste wagt sich Peter V. Brett erneut in die Welt der Dämonensaga. Er erzählt die Geschichte der Nachkommen der ursprünglichen Held*innen und greift dabei Bekanntes als auch für ihn Neuartiges mit Aspekten aus dem Lgbtiq+-Spektrum auf. Wurde hier etwas Neues erschaffen oder nur Altbewährtes wiedergegeben?

Mit der Dämonensaga, die im Original fünf Bände sowie vier Novellen umfasst und in 27 Sprachen übersetzt wurde, gelangte Peter V. Brett zu internationaler Bekanntheit als Fantasyautor. Der Prinz der Wüste setzt 15 Jahre nach den Ereignissen im Finale des letzten Bandes an und erzählt die Geschichte der Nachkommen der bisherigen Protagonist*innen als erster Teil der neuen Nightfall Saga. Brett schrieb seinen neuen Held*innen Aspekte aus dem Lgbtiq+-Spektrum an. Ob ihm dies ebenso wie T.J. Klune in Mr. Parnassus’ Heim für magisch Begabte gelungen ist und ob es sich bei dem Roman einzig um die Fortsetzung der Dämonensaga für eingefleischte Fans handelt, wollen wir nun betrachten.

Ein Foto der ursprünglichen Dämonensaga. Müssen all diese Bücher gelesen werden, um Der Prinz der Wüste zu verstehen?

Story

Die Geschichte spielt in der Welt der Dämonensaga 15 Jahre nach dem großen Showdown im Finale des letzten Bandes The Core, zu deutsch Die Stimmen des Abgrunds, in dem Arlen Strohballen und Ahman asu Hoshkamin am’Jardir am’Kaji die Dämonenkönigin in den tieferen Schichten der Weltoberfläche bezwangen und somit die Dämonen stark dezimierten. Nur noch vereinzelt tauchen Dämonen bei Nacht an der Erdoberfläche auf, die den nun mit Großsiegeln und gesiegelten Waffen ausgestatteten Menschen keine Probleme mehr bereiten.

Protagonist*innen in Der Prinz der Wüste sind zwei Nachkommen der ursprünglichen Hauptfiguren. Den Schwerpunkt der Geschichte machen die Erlebnisse Olives als Kind Leesha Papiermachers und Jardirs aus. Olive wurde, wie bereits im letzten Band der Reihe angedeutet, als Säugling mit uneindeutigen Geschlechtsorganen geboren. Leesha Papiermacher als Herzogin eines Tals entschied sich, Olive als ihre Tochter zu präsentieren und aufzuziehen. Olive zeigt sich in der Öffentlichkeit als Mädchen mit langen frisierten Haaren, geschminkt und in Kleidern und versteckt ihre Geschlechtsorgane unter einem kompliziert angelegten Bido. Auf Wunsch Leeshas besucht Olive die Kräutersammlerinnen-Schule und erhält nur wenig Unterricht im Kampf. Die Selbstfindung Olives zunächst zwischen den Geschlechtern weiblich und männlich bis schließlich zur Erkenntnis, dass sie mehr sein kann, ist ein zentraler Aspekt der Geschichte.

© Heyne Verlag

Begleitet wird Olive während der Handlung von Darin Strohballen, Sohn von Arlen und Renna. Darin ist, anders als seine beiden berühmten Eltern, keineswegs vom Kampf gegen Dämonen oder Kämpfen im Allgemeinen angetan. Stattdessen ringt er viel mit seinen eigenen Unsicherheiten. Aber auch Reizüberflutungen durch große Menschengruppen oder Geräusche sind Teil dessen, was Darin ausmacht. Brett stellt uns neben Olive als intergeschlechtlicher Person somit Darin als Menschen mit neurodiversen Aspekten vor.

Ohne der Handlung zu weit vorzugreifen, ist es keine große Überraschung, dass die neue Generation Held*innen wie auch ihre Eltern gegen Dämonen werden kämpfen müssen. Anders als erwartet und erhofft wurden nicht alle Dämonenköniginnen oder -prinzen vollständig vernichtet, sodass sich nach und nach ein neuer Konflikt mit interessantem Widersacher aufbaut. Die Andeutungen und Umtriebe dieses Widersachers werden wie von Brett gewohnt logisch und konsequent in die Geschichte eingewoben und von den handelnden Personen mal richtig, mal falsch gedeutet. Befasst sich das Buch in seiner ersten Hälfte viel mit der Charakterentwicklung der Protagonist*innen, geht es im zweiten Teil bis zum Ende hin in Richtung Showdown, der gewohnt und erwartet mit spannenden Kämpfen grandios geschrieben wurde.

Während der Autor offensichtlich großen Wert auf sowohl nachvollziehbare als auch interessante Hauptfiguren legte, litt die Handlung selbst ein wenig darunter. Teil dieser ist die Beschreibung der Ausbildung von Krieger*innen in der Wüste im Sharum Ka. Eine Beschreibung, die Lesende der vorangegangenen Bände der Dämonensaga bereits ausführlich von den Erlebnissen Jardis kennen. Während Brett also neue sehr interessante Charaktere vorstellt, bewegt sich die Handlung in ausschließlich bekannten Gefilden der Welt. Ein Aspekt, der Lesende, die neu in die Welt einsteigen, zugutekommt, eingefleischte Fans der Saga aber von der Fortsetzung abschrecken könnte.

Schreibstil

Mit Der Prinz der Wüste erwartet Lesende, die die Dämonensaga bereits kennen, keine große Überraschung. Ausnahmsweise im Präsens, ansonsten aber mit bekannt flüssig und gut lesbarem Schreibstil und passender Übersetzung lassen sich die grob 1.000 Seiten des Buches schnell lesen oder gar verschlingen.

Peter V. Brett ist ein Autor, der den Spagat zwischen Charakterüberlegungen und Beschreibungen der Welt gut verinnerlicht hat. Den Entwicklungen der jungen Protagonist*innen im Alter von circa 15 Jahren ist gut zu folgen. Gleichwohl erwartet Lesende eine bildhafte Beschreibung der Welt, in der sich diese Charaktere bewegen. Die Beschreibung ist derart gestaltet, dass auch Neueinsteiger*innen in die Vorstellung des Autors folgen können.

Besonders lobend ist die Übersetzung von Ingrid Herrmann-Nytko aus dem amerikanischen Englisch Bretts zu erwähnen. Diese schließt passend an die vorangegangenen Werke an und lässt sich flüssig und leicht lesen.

Der Autor

Peter V. Brett ist ein amerikanischer Autor, Jahrgang 1973, mit Sitz in Brooklyn, New York. Auch wenn er sich schon immer für Fantasy und das Schreiben interessierte, veröffentlichte er erst 2008 mit The Painted Man, zu deutsch Das Lied der Dunkelheit, seinen ersten Roman. Mit diesem Buch wurde er schnell erfolgreich, sodass in der Welt des Liedes der Dunkelheit als ersten Band der Dämonensaga bald viele weitere Werke folgen sollten. Die Dämonensaga umfasst im Original insgesamt fünf Bücher sowie vier Novellen. Geschichten abseits der Welt der Dämonen veröffentlichte Brett bislang nicht.

Mit dem intergeschlechtlichen Charakter der Hauptfigur Olive greift Brett ein Thema auf, das ihn auch privat beschäftigt, so identifiziert sich sein Kind Phönix als nichtbinär mit den Pronomen they/them.

Peter V. Brett führt eine stets aktuell gehaltene Homepage, ist auf Twitter, Instagram sowie Facebook vertreten.

Erscheinungsbild

Das Cover von Der Prinz der Wüste ähnelt sehr dem des bekannten Romans Der Name des Windes.

Ob sich der Verlag mit dem deutschen Cover einen Gefallen getan hat, ist fraglich. Das Cover ist angelehnt an die bisherige Dämonensaga und veranschaulicht somit, dass es sich um eine Fortsetzung handelt. Auch die Beschriftung auf dem Titelbild „Der neue Roman der Bestseller-Saga“ suggeriert, das Buch sei ein weiteres Werk der Dämonensaga. Das widerspricht Bretts eigener Aussage, die Geschichte eigne sich für neue Lesende. Das deutsche Cover könnte jedoch genau diese potenziell abschrecken.

Ein weiteres Manko des Covers ist die starke Ähnlichkeit zum bekannten Werk Der Name des Windes von Patrick Rothfuss. An generischen Charakteren in langen Mänteln, dargestellt von hinten und fast nur im Schatten vor einer angedeuteten Landschaft haben wir uns so langsam satt gesehen.

Mit Farben und der Darstellung der tatsächlichen Protagonist*in Olive trauen sich die Verleger*innen in den USA sowie Polen und veröffentlichten so Werke, die bereits auf den ersten Blick sowohl interessant als auch actiongeladen wirken.

Das Buch selbst wurde, passend zu den Vorgängerromanen, als Klappenbroschur beziehungsweise Paperback veröffentlicht. Von außen sieht man dem Buch die 1.008 Seiten kaum an, da die Geschichte auf relativ dünnes Papier gedruckt wurde. Das Preis-Leistungs-Verhältnis beziehungsweise Geld-Seiten/Inhalt-Verhältnis stimmt bei diesem Buch.

© Heyne Verlag

Die harten Fakten:

  • Verlag: Heyne Verlag
  • Autor*in(nen): Peter V. Brett
  • Erscheinungsdatum: 11.10.2021
  • Sprache: Deutsch (Aus dem amerikanischen Englisch übersetzt von Ingrid Herrmann-Nytko)
  • Format: Paperback
  • Seitenanzahl: 1008
  • ISBN: 978-3453318113
  • Preis: 19,99 EUR (Print) + 12,99 EUR (E-Book) + 39,95 EUR (Hörbuch)
  • Bezugsquelle Fachhandel, Amazon, idealo

 

Bonus/Downloadcontent

Peter V. Brett ließ sich für die Dämonensaga magische Symbole (englisch „wards“) von der Grafikerin Lauren K. Cannon designen. Diese finden sich sowohl auf dem Buchcover als auch im 13-seitigen Grimoir am Ende des Buches samt Erklärung ihrer Bedeutung. Auch ein 19-seitiges „Krasianisches Lexikon“ findet sich dort, das auf diverse Begriffe als auch Namen eingeht und so Lesenden den Einstieg in die Welt Bretts erleichtert. Ein abgedruckter Stammbaum erklärt die Familienzusammenhänge der Protagonist*innen zusätzlich zu den Erklärungen, die subtil in die Geschichte eingebaut wurden. Zwei jeweils zweiseitige Karten lassen die Herzen jener höher schlagen, die sich Reisen gerne auf Landkarten verbildlichen.

Fazit

Mit Der Prinz der Wüste veröffentlichte Peter V. Brett einen Roman, der zwar in der Welt seiner fünfbändigen und abgeschlossenen Dämonensaga spielt, mit einer Zeitverschiebung von 15 Jahren nach hinten und neuen Held*innen jedoch den Auftakt einer neuen Nightfall Saga darstellen soll. Die Saga solle neue Lesende anlocken, so Brett.

Während die Geschichte und Welt Lesenden, die die Dämonensaga kennen, bekannt vorkommen, können sie neue Lesende durchaus in ihren Bann ziehen. Bemerkenswert an diesem Werk ist jedoch nicht die Geschichte, sondern die Wahl und Beschreibung der diversen Hauptcharaktere, wie man sie sonst nur eher selten in Medien wiederfinden kann. Mit Olive als intergeschlechtlicher Person und Darin als neurodiversem männlichen Charakter mit offen geäußerten wie versteckt vorhandenen Zweifeln an sich selbst beschreibt der Autor zwei bemerkenswerte Charaktere. Gekonnt schafft er es, die Diversität durch Charaktere aus dem Lgbtiq+- als auch dem Spektrum der Neurodiversität so darzustellen, dass sie sich natürlich in die Geschichte einfügen. Sie wirken nachvollziehbar wie auch menschlich.

Die Beschreibung und Erlebnisse der Charaktere eingebettet in die spannende Dämonenwelt ist Brett gelungen. Das Buch ist als guter Auftakt und Einstieg anzusehen. Einzig für Fans der alten Saga, die sich bereits größere neue Handlungsstränge oder mehr Informationen über den Hintergrund der Welt erhofften und mit den Charakterentwicklungen nicht ausreichend satt sind, kann das Buch eine Enttäuschung darstellen.

Leider wurde durch die Wahl des recht neutralen Covers die Chance verpasst, auch bildlich darzustellen, dass es sich bei dem Werk um etwas Neues und keine reine Fortsetzung handelt. Hier wären die Cover der US- und polnischen Veröffentlichungen eher ein Augenschmaus gewesen.

  • Nachvollziehbare Charaktere
  • Repräsentation von Lgbtiq+-Spektrum
  • Einstieg für neue Lesende möglich
 

  • Austauschbares Cover
  • Geschichte ähnlich zu Vorgängern

 

Artikelbilder: © tomwang | depositphotos.com, © Heyne Verlag
Layout und Satz: Melanie Maria Mazur
Lektorat: Rick Davids
Fotografien: Janina Mottl
Dieses Produkt wurde privat finanziert.

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