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Gefahr gegen Geld oder Seelenheil für unglaubliche Kräfte – im Rollenspiel werden immer wieder Abmachungen und Verträge geschlossen. Sie können Gruppen zusammenhalten oder beim Bruch zum Zerwürfnis führen. Wie mit Pakten und anderweitigen Verträgen gespielt werden kann, lest ihr hier.

Verträge sind in der modernen Welt überall anzutreffen. Ob Arbeit, Wohnung, Bestellungen oder Versicherungen, immer wieder regeln schriftlich festgehaltene Abmachungen die Rechte und Pflichten aller Beteiligten. Und die meiste Zeit wird das aufgeschriebene Wort eingehalten, da sonst deutliche Konsequenzen drohen. In der allgemeinen Vorstellung haben Verträge etwas Nüchternes, sie werden häufig als langweilig und wenig spaßig angesehen.

Auch in verschiedenen Rollenspielsystemen spielen Verträge immer wieder eine wichtige Rolle. Sei es ein klar formulierter Auftrag mit guter Bezahlung am Ende, eine diplomatische Abmachung zwischen verfeindeten Gruppierungen oder ein Pakt mit Wesen, welche besondere Fähigkeiten verleihen. In der Geschichte ist es zudem möglich, Konsequenzen eines Vertragsbruchs spielerisch zu erforschen. Sei es mit einem positiven Ausgang, wenn die Gruppe sich aus den Klauseln einer fiesen Vereinbarung befreien kann, oder mit einem negativen Ausgang, bei dem schließlich das Recht in der einen oder anderen Form siegt.

Angestoßen durch einige persönliche Erfahrungen werden in diesem Artikel Tipps und Tricks gegeben, wie ein Vertrag das Rollenspiel sinnvoll bereichern kann. Und keine Sorge, die Informationen kosten beim Durchlesen nicht die eigene Seele.

Zum Einstieg und als bessere Einordnung hier eine kurze Definition, was unter einem Vertrag zu verstehen ist. Statt einer Jura-Vorlesung wird hier auf den Duden zurückgegriffen, der den Begriff definiert als:

„[schriftliche] rechtsgültige Abmachung zwischen zwei oder mehreren Partnern; Kontrakt“.

Wie zu erkennen ist, braucht es für einen Vertrag idealerweise mehrere Parteien, die zu einer Übereinstimmung kommen. Diese kann schriftlich erfolgen, muss aber nicht. Wer lediglich etwas anbietet oder etwas fordert, hat nichts abgeschlossen. Damit ist Interaktion der Schlüssel, der sich sehr gut im Pen-and-Paper einsetzen lässt.

Über gefährliche und teuflische Verträge

In Erzählungen und Mythen gibt es häufig die Darstellung von Menschen, die sich auf Vereinbarungen mit anderen Wesen einlassen. Häufig gab es vorher ein schicksalhaftes Ereignis, beispielsweise der Verlust einer geliebten Person oder ein nahendes Unheil. Als vermeintliche Rettung treten nun dunkle Gestalten in Erscheinung. Das können beispielsweise Hexen und alte Vetteln sein, die ihre Magie als Hilfe anbieten und dafür ein Kind als Pfandgabe verlangen; oder teuflische Kreaturen, die im Gegenzug für eine Seele Wissen und Macht versprechen.

Die Macht der Hexen kann hilfreich sein, aber sie kommt oft mit einem Preis © oleksandrserbinov.gmail.com
Die Macht der Hexen kann hilfreich sein, aber sie kommt oft mit einem Preis © oleksandrserbinov.gmail.com

Meist beinhaltet der geschlossene Vertrag aber eine Falle, welche ins Verderben führt. Diese Abmachungen werden häufig als Pakte bezeichnet und sind im Rollenspiel meist gleichbedeutend mit einem Vertrag mit anderen Wesen. In den Erzählungen und Mythen wird dabei als Moral für die Zuhörenden die klare Warnung vermittelt, sich nicht unüberlegt für etwas zu verpflichten, was später deutliche Konsequenzen nach sich zieht.

Solche Geschichten können auch im Rollenspiel erzählt und verarbeitet werden. Zur passenden Untermalung ein persönliches Beispiel:

 

Mein D&D-Charakter, rechtschaffener Paladin, warb zum Kampagnenbeginn bei Curse of Strahd die anderen Gruppenmitglieder an, um ein mysteriöses Haus zu untersuchen (Eingeweihte ahnen, um welches Anwesen es sich handelt). In Barovia wurde die mündliche Abmachung in einen schriftlichen Vertrag überführt, der unter anderem die Verteilung von Schätzen und den Schutz von Zivilist*innen regelte. Die restlichen eher chaotisch orientierten Charaktere tanzten jedoch immer wieder am Rande der Vereinbarung entlang und legten die einzelnen Paragrafen für sich passend aus.

Nach einem von Gruppenmitgliedern ausgelösten sehr dramatischen Ereignis in Vallaki, welches mehrere Leben forderte, war die Grenze für den Paladin erreicht. Er ließ sich auf einen weiteren Pakt mit einem zunächst harmlos scheinenden Wesen ein. Es versprach ihm, mittels eines magischen Vertrags künftige Brüche der Regeln für alle Beteiligten spürbar zu machen – eine sichere Überwachung. Was der naive Gruppenanführer aber übersehen hatte, war das Kleingedruckte: denn er hatte sich mit „Leib und Seele“ als Ausgleich verpflichtet. Bevor der Fehler bemerkt wurde, hatte sich die teuflische Entität bereits verabschiedet. Mit der vermeintlichen „Sicherheit“ hat der Paladin nun sein Seelenheil aufs Spiel gesetzt und überlegt, wie der Pakt gebrochen werden kann …

An dieser Stelle sollte angemerkt werden: Dieser Plot begann nicht ohne Vorwarnung, sondern war im Vorfeld von der Spielleitung erdacht, angekündigt und als Option vorgestellt worden. Da ein Pakt im Zweifel weitreichende Folgen haben kann, sollten Spielleitungen ähnliche einschneidende Ereignisse intern bereden und die Spielenden nicht einfach vor vollendete Tatsachen stellen.

Verträge in der Gruppe

Schriftliche Abmachungen können nach der gemeinsamen Anerkennung viel Frust ersparen. Etwa, wenn die Aufteilung von gefundenen Schätzen deutlich geregelt ist oder Verhalten NSC gegenüber geklärt wird. Wie bei einer Gruppenüberlegung zum Kampagnenstart wird gemeinsam definiert, was die IT-Grenzen innerhalb des Zusammenspiels sind. Dabei haben die Spielenden freie Hand, sich gemeinsam auf gewisse Regeln und Vorgaben zu einigen, um späteren Frust direkt zu vermeiden.

Ein Vertrag kann wichtige Streitpunkte untereinander klären. © pasiphae
Ein Vertrag kann wichtige Streitpunkte untereinander klären. © pasiphae

Wie ein Vertrag sich im Spiel äußert, kann ebenfalls sehr unterschiedlich und kreativ gelöst werden. Dazu zählt etwa eine physische Kopie des Abkommens, die von den Spielenden intensiv studiert und bearbeitet werden kann. Die Gruppe kann dabei im gemeinsamen Vorlesen Kniffe und Schlupflöcher entdecken, um diese zum eigenen Vorteil zu wenden. Das Niederschreiben eines eigenen Vertrages kann bei genug Interesse ebenfalls eine abendfüllende Aktivität sein. Hier sollte die offene Diskussion erlaubt werden, um sich gegen mögliche Rechtsfallen passend abzusichern.

Verträge für die Gruppe

Kontrakte sind ein gern genutzter Ausgangspunkt für die Abenteuer der Gruppe. In den meisten Rollenspielen gibt es Personen oder Organisationen, welche für eine passende Entlohnung eine Aufgabe erfüllt haben wollen. Das kann beispielsweise das Besiegen von Monstern, das Sammeln von Gegenständen oder das Aufklären von Geheimnissen sein. So oder so, die Charaktere werden beauftragt und schließen durch die Annahme einen Vertrag, um zum Ende etwas zu bekommen. Eine der bekanntesten Formen von solchen Missions-Abenteuern ist vermutlich das Annehmen von Aufträgen in Shadowrun. Dabei kann die Spielleitung viel mit Motiven und Hintergründen der NSC-Partei spielen. Sind die Verträge ehrlich? Oder wird versucht, die Gruppe zu überlisten? Letzteres kann eine ganze Reihe an Eskalationen nach sich ziehen, die für eine spannende Erzählung sorgen und die Charaktere von sich aus gegen das Unrecht motivieren.

Die Hexenmeister*innen – Was ist schon eine Seele?

Macht über mächtige Wesen wie Teufel, Dschinns und dunkle Gottheiten – im Pen-and-Paper kann das vergleichsweise schnell geschehen. Prominentestes Beispiel sind Hexenmeister*innen in Dungeons and Dragons. Diese haben sich durch einen Pakt einem Wesen unterworfen, welches ihnen im Gegenzug magische Fähigkeiten und übernatürliche Kräfte schenkt. Spieltechnisch gibt es zudem weitere Forderungen, welche ein Patron stellen kann, von der Bekehrung weiterer Mitglieder bis hin zur regelmäßigen Opfergabe von Dingen und Lebewesen. Dabei muss die Abmachung bindend, aber nicht immer freiwillig sein. Vielleicht trieb Verzweiflung den Charakter zu dieser Tat oder die Konsequenzen waren nicht abzusehen. So oder so verspricht diese enge Beziehung einige Möglichkeiten, um interessantes Rollenspiel und moralische Fragen in der Geschichte einzubinden.

Hexenmeister*innen bekommen durch Pakte besondere Fähigkeiten. © agnadevi
Hexenmeister*innen bekommen durch Pakte besondere Fähigkeiten. © agnadevi

Tipps für den Seelenverkauf in der Geschichte

In meiner bisherigen Spielerfahrung gab es regelmäßig Spielende, die versuchten, mit ihren Charakteren mächtige Entitäten auf ihre Seite zu ziehen. Dabei schreckten einige nicht vor dem Verkauf ihrer Seele zurück, teilweise an gleich mehrere gottgleiche Wesen. Das kann in einigen Fällen als Powergaming aus dem OT verstanden werden: Es wird eine im Spiel nicht weiter relevante Ressource verbraucht, um damit Vorteile ergattern zu können. IT hingegen sollten sich Charaktere der Tragweite bewusst sein. In Welten mit eingreifenden und agierenden Gottheiten sowie mit festen Erlösungs- und Höllenebenen hat die Seele sehr wohl einen Wert. Um das zu verdeutlichen, folgen einige mögliche Ideen bei der nächsten Min-Max-Taktik für Spielleitungen.

Die Täuschung: Schon in antiken Mythen werden Menschen für ihre Hybris bestraft. Der Charakter erhält seine Kräfte, merkt aber zu spät, welche Konsequenzen dies nach sich zieht. Bekanntes Beispiel ist der Fall Midas. Eine Hand, die alles zu Gold verwandelt, klingt im ersten Moment nicht schlecht. Wenn aber selbst das Essen vergoldet wird und die Person zu verhungern droht, kann sich das Blatt schnell wenden …

Der Verfall: Ein Charakter hat leichtsinnig die eigene Seele verkauft? Dann kann sich ein schleichender Prozess einstellen, der die Wahrnehmung verändert. Getrübter Geschmackssinn, körperliche Gebrechen und düstere Wahnvorstellungen sind nur einige Beispiele. Schnell werden die anderen Charaktere motiviert, sich um das Gruppenmitglied zu kümmern und der Ursache des Leids auf den Grund zu gehen. Welche Lösungen es gibt, kommt dabei auf die weitere Geschichte an.

Dunkle Präsenz: Ähnlich wie im obigen Beispiel ist das Fehlen einer Seele womöglich unterbewusst in der Umgebung spürbar. Tiere und andere NSC könnten negativer und abweisender reagieren als bei anderen. Womöglich zeigen göttliche Segen keine Effekte mehr, was Gläubige zur Gewalt gegen den Charakter führt. Nun könnte neben dem Wiedererlangen der Seele eine rituelle Reinigung kurzzeitig Abhilfe schaffen …

Der Wettstreit: Haben mehrere Entitäten Anspruch auf die Seele erhoben, kann es zu deutlichen Auseinandersetzungen führen. Der Charakter kann da schnell zwischen die Fronten geraten. Sich nun festzulegen, kann als Entschärfung oder Eskalation im Spiel interpretiert werden. Möglich ist auch, dass die mächtigen Wesen sich ohne Absprache mit dem SC einig werden und etwa die Seele aufteilen. Dann kann die Chance auf mehr Macht schnell nach hinten losgehen …

Die Rettung: Natürlich kann sich aus dem gefährlichen Tauschhandel eine eigene Quest ergeben. Gemeinsam müssen die Charaktere versuchen, sich durch Horden an gefährlichen Wesen zu schlagen, um schließlich die Rückgabe der Seele von dem mächtigen Wesen einzufordern. Ob dies nun diplomatisch oder in einem spannenden Kampf erfolgt, ist dabei der Spielleitung überlassen.

Dunkle Verträge können eine Gefahr für Leib und Seele sein. ©luisricardofotografo
Dunkle Verträge können eine Gefahr für Leib und Seele sein. ©luisricardofotografo

Fazit

Verträge und Pakte sind keineswegs langweilig oder öde! Mit ihnen können im Rollenspiel interessante Geschichten gestrickt und Konsequenzen für das eigene Handeln geschaffen werden. Den Charakteren steht es frei, sich an ihr Wort zu halten oder aber eine heimliche Lücke in der Vereinbarung zu suchen. Dabei sollten sie sich jedoch der Konsequenzen bewusst sein, die ein Bruch mit anderen mächtigen Entitäten bedeuten kann. Auch außerhalb der Handlung kann das Erstellen oder Prüfen eines Vertrags eine interessante Spielidee bedeuten.

Artikelbilder : depositphotos © wie gekennzeichnet
Titelbild: depositphotos © Elisanth

Layout und Satz: Roger Lewin
Lektorat: Maximilian Düngen

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