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Vampire Live ist immer auch ein Spiel um Politik und Macht. Ohne Frage gibt es viele Facetten an diesem Genre des LARP wie zum Beispiel der Verlust der Menschlichkeit, emotionale Abgründe der Charaktere und physische Auseinandersetzungen mit manchmal endgültigen Folgen. Aber das Taktieren und Intrigieren hat doch seinen ganz eigenen Reiz und kann unglaublich spannend sein.

Natürlich ist nicht jeder Charakter ein geborener Politiker oder hat überhaupt Lust dazu, sich mit Machtpolitik zu beschäftigen. Aber wer sich in die untote Politik begeben will, tut gut daran, sich Machiavellis Buch Der Fürst einmal anzuschauen.

Wer war dieser Machiavelli?

Niccolò di Bernardo dei Machiavelli wurde 1469 in Florenz als Sohn einer angesehenen, aber verarmten, Familie geboren. Trotzdem hatte er das Glück, eine umfassende Bildung zu erhalten. Er fand seinen Weg in die Politik und hatte so die Möglichkeit, die durch Familiennetzwerke und Seilschaften geprägten Machtstrukturen aus nächster Nähe zu erleben. Während einer Reise als Diplomat lernte er Cesare Borgia kennen, der ihn tief beeindruckte: der Sohn von Papst Alexander VI war Machiavellis Vorbild für sein bekanntestes Werk Der Fürst.

Machiavelli hatte Kontakt zu nahezu allen Größen seiner Zeit und bewegte viel. Er sprach mit Ludwig XII und Kaiser Maximilian I, arbeitete mit Leonardo da Vinci und erarbeitete sich die Führung der florentinischen Militärbehörde und strukturierte das gesamte Militär zu einer Bürgermiliz um. All seine politischen Fähigkeiten und Verbindungen halfen ihm allerdings nicht. Die Medici enthoben ihn 1512 seiner Ämter, da sie um seinen Einfluss wussten. Er wurde bald darauf gefangengenommen und gefoltert und erst als Giovanni de’ Medici zum Papst gewählt wurde, wieder entlassen. In den folgenden Jahren der Armut verfasste er sein Buch Der Fürst.

Die letzten 14 Jahre seines Lebens waren davon geprägt, dass er versuchte durch übernommene politische Aufgaben und Schriften wieder an seine früheren Erfolge anzuknüpfen, aber wirklich glücken wollte ihm das nicht. Machiavelli starb 1527 an einem Magenleiden.

Der Fürst – Die Vampire-Live-Bibel

Zumindest einige nennen das Buch so. Auch wenn dies meist scherzhaft gemeint ist, steckt viel Wahres dahinter. In Machiavellis kühlen und analytischen Beschreibungen von Staaten und den Menschen darin, spiegelt sich viel der vampirischen Gesellschaft wider. Zwar müssen insbesondere jüngere Vampire erst noch lernen, sich in dem undurchschaubaren Dschungel aus Intrigen, Fehden und Schulden zu bewegen. Aber je weiter ein Vampir aufsteigt, desto mehr Elementen aus Der Fürst wird er begegnen: Machiavelli beschreibt Probleme mit unwilligen Untertanen, missgünstigen Konkurrenten und warnt vor den Gefahren durch unbedachtes Handeln.

Er beschäftigt sich wie nur wenige andere Autoren nicht nur mit Politik, sondern insbesondere auch mit der unschönen Seite der Macht. Eines wird dem Leser schnell klar: Sein Schwerpunkt ist nicht Moral, sondern der Erhalt des Staates und der Macht des Fürsten. Dabei heiligt der Zweck durchaus die Mittel, wenn es keinen anderen Weg gibt. Machiavelli sagt allerdings nicht, dass der Führer eines Staates grundsätzlich unmoralisch handeln müsse. Wenn dies nicht nötig ist, kann es sogar sehr oft nachteilig sein. Er vertritt viel eher die Position, dass ein Herrscher bereit sein muss, im Notfall auch unlautere Mittel einzusetzen.

Machiavelli im Vampire Live anwenden

In der vampirischen Gesellschaft aufzusteigen, ist harte Arbeit. Auch ein Machiavelli wird dir diese Arbeit nicht abnehmen, aber er bietet dir eine ganze Reihe wertvoller Werkzeuge für deinen persönlichen Weg zur Spitze an. Wenn du ein Ziel vor Augen und die Ausdauer hast, auch längerfristig etwas dafür zu tun, werden seine Ratschläge dir den Weg erleichtern.

Kümmere dich um deinen Ruf

Dein Ruf ist alles, was du hast. Egal, wie du auf andere wirkst, er wird ihr Verhalten dir gegenüber beeinflussen. Mit dem falschen Auftreten verbaust du dir Chancen, während die richtige Außenwirkung dir viele Türen öffnen wird. Nicht umsonst haben Könige und Herrscher immer auf ein prunkvolles Auftreten geachtet. Niemand nimmt einen Herrscher ernst, der sich wie ein einfacher Bürger benimmt – das angemessene royale Verhalten wird von jedem Untertan vorausgesetzt.

Die meisten werden ihre Meinung von dir darauf stützen, wie du auf sie wirkst, ohne sich die Mühe zu machen, tiefer zu bohren. Viele verstehen auch nicht, welche Fäden du im Hintergrund ziehst, und lassen sich von einer harmlosen Fassade täuschen. Das heißt nicht, dass du unendlich viel Geld für eine teure Garderobe ausgeben musst, denn vieles kannst du schon durch dein Verhalten beeinflussen. Achte einmal darauf, wie du sitzt und läufst oder wie du mit anderen sprichst, und beobachte die Körpersprache erfolgreicher Politiker und Vampire-Live-Charaktere. Übe dich in vornehmer Zurückhaltung und mache auf dezente Weise deutlich, dass du über den meisten anderen stehst.

Dein Wort ist deine Währung

Geld hat in der vampirischen Gesellschaft nicht dieselbe Relevanz wie dein Wort. Es ist eng mit deinem Ruf verbunden und deshalb ebenso wichtig. Vermeide es auf alle Fälle, als der Vampir bekannt zu werden, der seine Zusagen niemals einhält, wenn du nicht sehr bald ohne Geschäftspartner dastehen willst. Denn wer sollte mir dir einen Deal machen, wenn er davon ausgehen kann, dass du deinen Teil der Vereinbarung nicht einhalten wirst? Ein solcher Wortbruch mag dir zwar kurzfristig einen Vorteil verschaffen, aber langfristig gerätst du dadurch ins Hintertreffen.

Das heißt natürlich nicht, dass du daran arbeiten kannst, dass dein Geschäftspartner als derjenige dasteht, der sein Wort zuerst gebrochen hat. Damit schlägst du zwei Fliegen mit einer Klappe. Du kommst aus einem Deal heraus und der Ruf des anderen wird beschädigt. Und im Idealfall kannst du ihm noch eine Entschädigung für seinen Wortbruch abringen.

Sei geduldig und mutig

Die vielleicht schwierigste Übung im Vampire Live ist, ein wenig Geduld mitzubringen. Zumindest, wenn du es nicht auf einen kurzfristigen kleinen Erfolg abgesehen hast, sondern einen längerfristigen Plan mit einem größeren Ziel verfolgst. Der richtige Zeitpunkt ist ausschlaggebend. Zögerst du zu lange, versäumst du gute Gelegenheiten. Handelst du voreilig, bist du noch nicht mächtig genug, dein Ziel auch wirklich zu erreichen.

Täusche dich nicht wie groß die Versuchung ist, voreilig zu handeln und mit einem Plan zu prahlen. Wenn der Erfolg deines Plans nicht sofort erkennbar ist, wirst du auch immer wieder das Ziel von Spott werden. Begehe nicht den Fehler, dich zu rechtfertigen und deinen Kritikern deinen eigentlichen Plan zu verraten, denn dann haben sie alles in der Hand, um ihn zu verhindern. Lerne in solchen Momenten zu schweigen, auch wenn es schwer ist.

Ebenso verlockend ist es, zu lange zu warten. Oft ist es die Angst vor der eigenen Courage, die dich zögern lässt. Mach dir bewusst, dass es den perfekten Moment niemals geben wird und dann trau dich deinen Plan auch umzusetzen.

Sei vorsichtig, was du forderst

Und fordere nur das, was du auch umsetzen kannst und willst. Sonst wirst du schnell den Ruf eines Schaumschlägers haben, der außer Säbelrasseln nichts zustande bringt.

Jede Forderung oder Ankündigung, die du erst äußerst und dann doch nicht erfüllst, schwächt deinen eigenen Stand in der vampirischen Gesellschaft. Im ersten Augenblick mag die Forderung beeindruckend sein, dass dein Widersacher vor dir im Staub kriechen soll. Wenn dieser danach aber grinsend an deinem Tisch Platz nimmt und niemand deine Forderung umsetzt, sieht das für dich ziemlich dumm aus, wenn du die Situation nicht zu deinen Gunsten wenden kannst. Gleiches gilt, wenn du eine Strafe androhst, aber eigentlich gar nicht durchführen willst und deshalb doch darauf verzichtest.

Tu dir selbst den Gefallen und manövriere dich nicht in solche Situationen. Du gewinnst mehr, wenn du kleinere Dinge anordnest, aber jeder deiner Befehle befolgt wird, als wenn du Großes verlangst und es niemanden kümmert.

Beobachte die anderen

Wenn du deine eigenen Pläne verfolgst, wirst du unweigerlich mit anderen aneinandergeraten. Meist lässt sich dies vermeiden, wenn du dir vorher ein Bild davon machst, was ihre Ziele sind. Wenn es möglich ist, gib ihnen das Gefühl, dass sie durch das Erreichen deiner Ziele ihren eigenen näher kommen, und verwandle sie in begeisterte Zuarbeiter für deinen eigenen Stand.

Wenn du einen Zustand ändern willst, prüfe genau, wer mit dem Status quo zufrieden ist. Denn diese Personen werden die größten Feinde deiner angestrebten Änderung sein, da sie damit rechnen müssen, Privilegien zu verlieren. Mache sie unschädlich oder finde einen Weg, sie von der Änderung zu überzeugen. Auf diese Weise minimierst du die Zahl deiner Gegner und kannst dich ganz auf diejenigen konzentrieren, die sich nicht umstimmen lassen wollen.

Sei gefürchtet

Wenn du dich entscheiden musst, entweder geliebt oder gefürchtet zu werden, ist es im Zweifelsfall sicherer, wenn du gefürchtet wirst. Denn wenn du die Zuneigung anderer brauchst, bist du von ihnen abhängig. Du bist gefangen in ihren Erwartungen und ihre Ansprüche werden mit der Zeit steigen. Gleichzeitig werden sie sich nicht wirklich für dich einsetzen, weil ihnen ihr eigener Vorteil wichtiger ist.

Wenn sie dich aber fürchten, reicht es aus, hin und wieder ein Exempel zu statuieren. So erinnerst du alle daran, weshalb sie gut daran tun dir zu folgen. Wenn du sicher sein willst, dass andere Charaktere zu dir stehen, muss ihre Angst davor, es nicht zu tun, größer sein als die Angst vor der Aufgabe, die du ihnen stellst. Das bedeutet nicht, dass du willkürlich grausam sein sollst, denn dann steigt das Risiko, das man gegen dich aufbegehrt. Aber sorge für klare Verhältnisse und verhindere, dass du von der Zuneigung anderer abhängig bist.

Befolge keine starren Regeln

Die vielleicht wichtigste Regel von allen. Sei flexibel und passe dich der Situation an. Denn wenn du dir selbst ein starres Korsett aus Regeln zulegst, kannst du nicht mehr angemessen reagieren. Vielleicht wird es irgendwann einmal nötig sein, deinen Ruf zu beschädigen oder leere Drohungen auszustoßen. Wenn dies die nötigen Mittel sind, dein Ziel zu erreichen, nutze sie. In der Vampirgesellschaft besteht der gleiche Druck wie in der freien Wildbahn. Kaum etwas ist für alle Ewigkeit gültig und Machtverhältnisse ändern sich immer wieder. Wer sich nicht anpassen kann, wird unweigerlich aussterben.

Nutze Machiavelli als Waffe

Wenn du dich von Machiavelli inspirieren lässt, wie du deine Ziele geschickt erreichen kannst, versuche auch ihn als Waffe einzusetzen. Denn so, wie du in Der Fürst erfährst, welche Dinge dir schaden, kannst du dies auch gegen deine Widersacher einsetzen. Fädle es so ein, dass deine Gegner gegen all die guten Tipps von Machiavelli verstoßen, und sich so selbst immer weiter ins Aus begeben. Dann werden sie bald viele Charaktere gegen sich aufgebracht haben oder aber keinerlei Machtbasis mehr haben, um dir Schaden zufügen zu können.

Kein Vampir ist ein Machiavelli

Manche mögen sich zwar für begnadete Intriganten halten, aber auch der älteste und erfahrenste Vampir ist nicht permanent ein perfekter Machtpolitiker. Es wird immer jemanden geben, der besser ist als man selbst. Und davon ab, schlummert in jedem Vampir das pervertierte, grausame Böse, das immer wieder hervorbricht und jede vorsichtige Planung zunichtemacht.

Und auch das ist ein Kernelement des Vampire Live: Dass kein Charakter jederzeit kontrolliert ist. Auch der beste Plan kann durch eine unbedachte Handlung hinfällig werden. Und je angespannter eine Situation ist, desto eher wird es zu einer solchen Handlung führen. Ehe du dich versiehst, hast du deinen Plan ausgeplaudert oder jemanden gegen dich aufgebracht, auf dessen Hilfe du eigentlich angewiesen bist. Und genau das ist gut so! Denn Vampire Live wäre furchtbar langweilig, wenn jeder jederzeit absolut beherrscht nur seinen Langzeitplänen für die nächsten 200 Jahre nachgehen würde. Genieße deshalb die Spannung zwischen ausgetüftelten Plänen und den Momenten, in denen sie zunichtegemacht werden, und du wirst das Spiel deines Lebens haben.

Artikelbild: scaliger | fotolia.de

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