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Ein neues Abenteuer, eine neue Kampagne! Was könnte es Schöneres für Rollenspieler*innen geben? Um das Maximum an Vergnügen und Unterhaltung aus deiner Spielzeit herauszuholen, zeigt dir dieser Artikel, wie man sich als einzelne*r Spieler*in, aber auch als Gruppe optimal auf eine neue Kampagne vorbereitet.

Dieser Artikel ist die Fortsetzung eines Beitrags zu Gruppengründung und Kampagnenplanung aus Sicht der Spielleitung. Hier sollen die notwendigen Vorüberlegungen besprochen werden, denen sich Spieler*innen vor einer neuen Kampagne gegenübersehen. Da auch die Spielleitung ein*e Spieler*in ist, gelten die hier beschriebenen Tipps und Hinweise natürlich auch für unsere Freund*innen hinter dem Spielleiterschirm.

Grundsätzlich gilt, dass die Spielleitung froh über jeden Handgriff ist, der ihr abgenommen wird. Seid nett zu eurer Spielleitung und helft ihr, wo immer es geht, sei es bei der Planung des Abendessens, des Spielortes und der Terminfindung – aber auch Fragen, wie jeder sicher und bequem nach dem Spielen heimkommt, gehen alle Rundenmitglieder etwas an. Habt also keine Angst, die Spielleitung in diese Überlegungen mit einzubeziehen. Die Spielleiter*innen sind schließlich mindestens genauso an einem reibungslosen Ablauf der Spieleabende interessiert wie ihr.

Wer bin ich und was möchte ich überhaupt?

Bevor es an den Bau eines neuen Charakters geht, sollte man sich als Spieler*in fragen, was man denn eigentlich gerne in dieser neuen Runde machen möchte. Oft hört man als Spielleitung die Frage: „Was fehlt denn noch in der Gruppe?“ Auch wenn diese Frage von einer sehr nett gemeinten Offenheit gegenüber neuen Charakterkonzepten zeugt, führt sie leider manchmal zu dem Problem, dass sich die Spieler*in nicht so sehr mit dem Charakter identifiziert und dadurch der Spaß am Spiel in Mitleidenschaft gezogen wird. Keine Spielleitung sollte ein Problem damit haben, wenn die Gruppe aus Charakteren besteht, die gewisse Bereiche klassischen Rollenspiels nicht ideal abdecken. Wenn die Gruppe nun einmal keinen Krieger in ihren Reihen hat, dann muss die Spielleitung ihre Abenteuer – speziell dann, wenn mehrere Abenteuer hintereinander in dieser Spieler*innen- und Charakterkonstellation geplant sind – eben an diese Formation anpassen. Habt Mut zur Lücke und spielt einfach das Konzept, das euch vorschwebt. „Was fehlt der Gruppe?“ klingt zwar nett gemeint, zeugt aber nicht gerade von übersprießender Fantasie, und genau die wollen wir doch beim Rollenspielen ausreizen. Um es deutlich zu sagen: Du als Spieler*in hast ein Recht auf einen eigenen Charakter nach deinen Vorstellungen – solange er die Gruppe und ihren Spielspaß nicht zerstört.

Ein Charakter wie er im Buche steht oder doch lieber ein Unikat, das die Geschichte neu schreibt.

Einigkeit sollte dagegen bei der Frage herrschen, welche Stimmung man am Tisch erleben möchte. Ist intensives, „bierernstes“ Rollenspiel wichtig, oder möchte man nach der Arbeit lieber „einfach mal abschalten“ und ein paar Monster plätten? Beide Extreme können angestrebt werden, sind aber auf Dauer vielleicht etwas einseitig. Nichtsdestotrotz empfiehlt es sich sehr, in einer „Session Null“ in gemütlicher Atmosphäre ohne große Vorerwartungen zu besprechen, was man sich von einer neuen Kampagne erwartet. Man sollte nicht vergessen, dass auch kurze Spielrunden ein „Investment“ an Zeit und Kreativität verlangen. Das soll aber nicht bedeuten, dass herrlich geistloses Monsterschnetzeln per se abzulehnen wäre – auch das hat an manchen Abenden seinen Reiz. Es sollte aber die Situation vermieden werden, dass ein*e Spieler*in am Tisch sitzt, welche*r mit der Grundstimmung am Tisch auf Dauer nicht zurechtkommt. Das wäre schade und ist vermeidbar.

Wie viel bin ich bereit zu geben?

Eine neue Spielrunde erfordert Zeit, Hingabe und Nerven. Sei dir bewusst, dass sich dein Terminkalender, je nach Motivation der Mitspieler*innen, sehr rasch füllen wird. Ganz besonders gilt das bei mehreren parallel laufenden Runden. Hast du die zeitlichen Kapazitäten, um eine Runde regelmäßig zu besuchen? Oder wären ein paar zwanglose One-Shots die terminlich sinnvollere Wahl? Wie auch immer dein Zeitplan organisiert ist, sei ehrlich zu dir und den Menschen, die auf deine Anwesenheit bauen und angewiesen sind. Kurzfristige Absagen sind in jedem Fall nach Möglichkeit zu vermeiden. Es ist auch keine Schande, für ein ambitioniertes Rollenspielprojekt nicht die Zeit zu haben. In einem stressigen Prüfungssemester oder einer anstrengenden Phase des Berufs mag es sein, dass gerade nicht die beste Zeit ist, die Borbaradkampagne (Das Schwarze Auge) oder den Fluch des Strahd (Dungeons and Dragons) frisch zu beginnen. Für die Borbaradkampagne kann man übrigens locker ein paar Jahre Spielzeit einplanen.

Abgesehen vom Zeitmanagement gibt es noch ein paar andere Kleinigkeiten, die zu beachten wären: Bin ich bereit, mich eventuell in ein neues Regelsystem einzuarbeiten? Kann ich andere Spieler*innen unterstützen, sei es mit Regelwissen oder einem Transport mit meinem Auto? Kann ich der Spielleitung helfen, indem ich aufgekommene Regelfragen oder eine Gruppenchronik mitschreibe oder mich allgemein um das Essen für die Runde kümmere? Kann und möchte ich meine Hilfe anbieten, wenn ich merke, dass sich am Tisch oder zwischen zwei Spieler*innen dicke Luft breit macht? Es gibt viele Bereiche, in welchen die Spieler*innen sich gegenseitig unterstützen können und sollen. Wie viel bist du bereit, zu geben?

Die Erfahrung zeigt, dass Rollenspiel wie gegenseitiges Zuwerfen von Bällen ist – je mehr man  sich gegenseitig die Bälle zuwirft, desto mehr Interaktion kann entstehen. Und das ist schließlich das, was wir alle wollen. Scheu dich auch nicht, der Spielleitung Feedback zu geben. Wenn die Spielleitung keine Rückmeldung seitens der Spieler*innen erhält, kann sie sich auch nicht verbessern.

Wann wollen wir uns wiedersehen? Die Terminfindung

Insbesondere die Terminfindung ist ein Punkt, bei welchem der Spielleitung viel Mühe abgenommen werden kann. Warum nicht einen der Spieler*innen zur*zum Terminmeister*in ernennen und die organisatorische Arbeit an diese Spieler*in übertragen? Ja, die Spielleitung übernimmt verständlicherweise häufig diese Aufgabe, da sie die einzige wirklich unabkömmliche Person am Tisch ist – keine Spielleitung, kein Spiel –, aber dennoch können die Spieler*innen das mühsame Erinnern und „doodeln“ übernehmen. In dem Falle, dass sich wirklich einmal alle Spieler*innen am Tisch versammelt haben, bewährt es sich, gleich vor Ort noch den Kalender zu zücken, um den nächsten Termin festzulegen.

Wie kommen wir zusammen?

Wie sind die Transportmöglichkeiten in eurer neuen Gruppe verteilt? Trefft ihr euch in einer ländlichen Gegend, in welcher der letzte Bus nach Hause bereits am frühen Abend fährt, oder in einer Großstadt mit durchgehendem öffentlichen Nachtverkehr? Sind alle Mitglieder der Runde volljährig oder sollten Mitspieler*innen eventuell besser von einer*einem erwachsenen Mitspieler*innen nach Hause begleitet werden?

Fahrgemeinschaften bis an den Rand der bewohnten Welt? Da muß die Logistik gut geplant werden.

Besprecht eure Logistik am besten gleich in Runde Null durch. Je besser sich die Spieler*innen absprechen, desto weniger Stress bedeutet das für die Spielleitung, welche sowieso schon mit der Planung des Plots beschäftigt sein sollte. Plant nach Möglichkeit Fahrgemeinschaften, die den öffentlichen Verkehr nutzen. Das ergibt auch eine gute Gelegenheit, sich schon vor dem Spiel zu treffen sowie während der Rückfahrt gemeinsam das Erlebte zu „verdauen“.

Wenn Autobesitzer in eurer Gruppe vorhanden sind und der öffentliche Verkehr in eurer Gegend schwach ausgebaut ist, wäre es ebenfalls naheliegend, sich in Fahrgemeinschaften zusammenzuschließen. Wie auch immer euer Verkehrsnetz ausgebaut ist, sorgt gemeinsam dafür, dass alle sicher nach Hause kommen.

Wo und wie bewahre ich Informationen auf?

Gerade in längeren Kampagnen sollte sich jede*r Spieler*in Gedanken um die Aufbewahrung und Strukturierung der unweigerlich auf seinen Charakter einstürmenden Informationsflut machen. Das gilt nicht nur für jene Spieler*innen, welche Magier*innen oder andere eher wissensorientierte Charaktere spielen möchten. Irgendwann kommt auch für mundane Charaktere der Moment des „Wie hat diese*r Händler*in nochmal geheißen? Wo war der Treffpunkt mit dem geheimen Kontakt? Wie lautete das Passwort für den einzigen Ausgang aus dem Dungeon?“ Für Spieler*innen von magischen oder anderweitig forschenden Charakteren bieten sich Notizbücher in Form eines Reisediariums oder einer Notizsammlung für eine magische Abhandlung an. Warum nicht gleich einen Charakter wie eine Forscher*in oder Kartograph*in spielen, deren persönliches Ziel eine schön gezeichnete Karte der von ihr bespielten Welt ist?

Für das banale Festhalten und Sortieren von Informationen während einer Kampagne gibt es einerseits analoge Lösungen wie ein simpler Hefter, eine Kladde oder – etwas edler – eine Ringmappe, in welcher man auch gleich den Charakterbogen unterbringen kann. Andererseits gibt es auch mittlerweile mehrere elektronische Varianten der Datenverwaltung, die man mittels Tablets auch bequem zum Spieltisch mitbringen kann. Zettelkastensysteme wie Evernote oder OneNote sind gut geeignet, um viele Informationen schnell wieder aus der digitalen Versenkung zu holen – man sollte aber natürlich keine sensiblen Daten in einer Cloudlösung speichern. Für die Spielleitung bieten sich Discord oder auch Roll20 an – mit der Möglichkeit, gleich mehrere Textkanäle in einem Bereich zu erstellen, kann die Spielleitung oder ein*e bemühte*r Spieler*in gleich eine NSC– und Ortegalerie erstellen, auf die während des Spiels und abseits davon zugegriffen werden kann. Und man kann eine Runde zwischendurch auch online abhalten, wenn ein*e Spieler*in wegen Babysitten oder anderen Verpflichtungen ansonsten nicht physisch anwesend sein könnte.

Jedenfalls ist ein*e Mitspieler*in, welche*r stets geordnete Zusammenfassungen vom letzten Spielgeschehen parat hat, immer gern gesehen und wird von allen Mitspieler*innen hoch geschätzt.

Die lieben Spieler*innen – Mit wem möchte ich spielen?

Rollenspiel ist ein soziales Hobby. Das ist einerseits toll und schön, weil man auch neue Leute kennenlernt. Allerdings kann es passieren, dass man neue Leute kennenlernt und diese dann nicht unbedingt gut leiden kann.

Man muß sich ja nicht unbedingt gleich lieben – aber ein gutes Miteinander trägt durchaus zum Gelingen eines per se sozial orientierten Hobbys bei.

In einer Session Zero kann man sich mal gegenseitig „beschnuppern“ und versuchen abzuklären, ob man mit diesen Menschen überhaupt längere Zeit spielen möchte. Wenn das nicht möglich ist – zum Beispiel, wenn man in eine bereits existierende Runde integriert wird –, dann ist es bei Bedenken nur fair, den anderen Spieler*innen gegenüber zu erwähnen, dass man sich die Runde „nur mal anschaut“ und noch überlegt, ob man dauerhaft dabei sein möchte.

Man muss nicht mit allen Mitspieler*innen gut Freund sein. Aber manchmal kann es passieren, dass sich gewisse Mitspieler*innen einfach nicht vertragen. Solltest du merken, dass dir das Spiel unangenehm wird, ist es keine Schande, eine Pause einzulegen oder das Spiel für den Abend zu beenden. Falls das Spiel nicht mehr möglich ist, ist es auf alle Fälle ratsam, die Runde zu verlassen – der eigenen Gesundheit zuliebe.

Um eine Kampagne wirklich schön zu beginnen und sie auch erfolgreich durchzuziehen, braucht es in Wahrheit nicht viel außer ein paar Gedanken um sich und seine Mitspieler*innen: Hört auf euer Bauchgefühl und die Meinungen eurer Mitspieler*innen, gebt während und abseits des Spiels aufeinander acht, gönnt den anderen Teilnehmer*innen an der Runde Erfolgserlebnisse und unternehmt vielleicht auch abseits des Spieltisches etwas zusammen. Vielleicht ergeben sich so nicht nur Spielkameradschaften, sondern auch die ein oder andere Freundschaft. Und eine gute Zeit miteinander sowieso.

Ich hoffe, diese Gedanken haben dir beim Start in eine neue Spielrunde geholfen und wünsche dir eine gute Spielzeit.

 

Artikelbilder: © SergeyNivens, © jag_cz, © york_76, © Rawpixel | depositphotos.com
Layout und Satz: Melanie Maria Mazur
Lektorat: Alexa Kasparek

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