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Eine neue Runde, eine neue Kampagne! Wenig klingt in den Ohren von Rollenspieler*innen schöner als die Aussicht darauf, viele Stunden im besten Hobby der Welt zu verbringen. Allerdings will eine Rollenspielkampagne durchdacht sein, um nicht später unliebsame Überraschungen zu erleben. Dieser Artikel hilft dir, ein paar mögliche Fallstricke zu vermeiden.

Es gibt wohl kaum etwas Schöneres für eine Spielleitung, als eine neue Kampagne mit Freunden planen zu dürfen. Die Abenteuer, Szenen und Twists scheinen nur so durch den Kopf zu strömen und wollen alle erlebt und bespielt werden. Um allerdings das Maximum an Spielspaß aus der neuen Runde herauszuholen und eventuelle Fallen zu umgehen, ist es sicher sinnvoll, sich schon vor dem ersten Spieleabend den ein oder anderen Gedanken zur Planung und Organisation der zukünftigen Runde zu machen.

Bedenke immer, dass du dir als SL bei vielen in diesem Artikel angesprochenen Problemen sehr wohl von deinen Spieler*innen helfen lassen darfst. Niemand schreibt vor, dass nicht die Spieler*innen beispielsweise den Spielort oder die Terminfindung organisieren können. Es ist nur meistens sinnvoll, dass die SL das letzte Wort in diesen Dingen hat, da sie bei jeder einzelnen Spielsitzung dabei sein muss oder eben kein Spiel stattfindet.

Zum Spielleiten und den damit zusammenhängenden Herausforderungen wurde bei den Teilzeithelden schon der ein oder andere Artikel veröffentlicht. Dieser Beitrag möchte sich insbesondere mit den Problemen auseinandersetzen, welche sich auf SL-Seite bei der Gründung einer neuen Runde auftun. In gewissem Sinne ist dies also eine Antwort auf den Artikel zum „Schlussmachen“ mit Runden.

Schritt Null – Was möchte ich überhaupt?

Bevor du den Hut der Spielleitung aufsetzt, solltest du dir folgender Tatsachen bewusst sein:

  • Du wirst in den nächsten Wochen und Monaten einen guten Teil deiner Freizeit dieser neuen Kampagne widmen. Bist du dir sicher, dass du lang genug Spaß daran finden wirst?
  • Du wirst sehr wahrscheinlich für die Terminkoordination verantwortlich sein. Organisierst du gerne Termine?

Wenn all diese Umstände berücksichtigt sind, ist es Zeit für die Details:

Wann wollen wir uns wiedersehen? Die Terminfindung

Leider ist es sogar in Zeiten ständig bereitstehender analoger wie digitaler Kalender nicht selbstverständlich, dass deine Spieler*innen pünktlich sein oder sich bereits ausgemachte Termine merken werden. Finde dich am besten gleich damit ab, dass es unpünktliche Spieler*innen in deiner Runde geben wird. In solchen Fällen bietet es sich an, die Spielrunde so anzulegen, dass man auch gegebenenfalls später am Abend einsteigen kann. Erziehungsmaßnahmen wie verweigerte Erfahrungspunkte oder andere Nachteile für die weniger zuverlässigen Rundenmitglieder kann man zwar ausprobieren, dürften aber zumeist lediglich für böses Blut sorgen.

Digitale Helferlein helfen bei der Terminfindung

Um zu einem gemeinsamen, für alle passenden Termin zu kommen, bieten sich Terminfindungshilfen wie Doodle an. Diese elektronischen Helfer sind insbesondere dann nützlich, wenn nicht alle Mitspieler*innen an dem Abend teilnehmen konnten. Sollten allerdings alle Spieler*innen versammelt sein, hat sich das klassische Rauskramen der analogen Kalender bewährt.

Gerade die SL sollte einplanen, eine gewisse Menge an Zeit in die Terminfindung stecken zu müssen. Bei besonders gut zusammenarbeitenden Gruppen kann die SL die Terminfindung vielleicht sogar an eine*n Spieler*in übertragen – dies wird aber leider nur selten geschehen, da die SL eine Anwesenheit von 100 % aufweisen muss, und die Spieler*innen werden wahrscheinlich keinen guten Einblick in den Terminkalender der SL haben.

Die Wahl des Spielortes

Ihr werdet eine ziemlich lange Zeit gemeinsam an einem Ort verbringen. Zumindest wäre dies wünschenswert. Die Eigenschaften gemütlich, öffentlich erreichbar und günstig stehen an vorderster Stelle, wenn es um die Suche nach einem gemeinsamen Spielort geht. Wenn nicht glücklicherweise ein naher Rollenspielverein günstige Räumlichkeiten für das Hobby bereitstellt, wird es in den meisten Fällen auf die Wohnung eines der Rundenteilnehmer hinauslaufen. Idealerweise ist dieser Spielort so gut an das öffentliche Verkehrsnetz angeschlossen, dass alle Spieler*innen nach dem Spieltreffen sicher nach Hause können – insbesondere bei minderjährigen Mitspieler*innen ist dieser Punkt wichtig.

Wenn die Runde möchte, kann sie die Spielorte auch rotieren und jedes Mal eine neue Wohnstatt unsicher machen. Die Wohnung der SL bietet sich allein schon aus transporttechnischen Gründen bei den meisten Runden ganz besonders an, denn die SL hat meistens die Aufgabe, die Regeln griffbereit bei sich zu haben. Extra Würfel und Charakterbögen sowie Schmierzettel und Stifte und und und … Man merkt schon, dass sich bei unserem Hobby gerne schnell eine ganze Menge an Spielmaterial ansammelt, das mit zum Spielabend genommen werden möchte. Die SL-Wohnung ist daher, wenn kein Verein in der Nähe ist, eine logische Wahl.

Grimdark oder Einhornglitzer? Die Wahl der Stimmung.

Bei der Spielleitung zu spielen, bietet oft logistische Vorteile

Wie möchtest du als SL deine Spieler*innen beeindrucken? Welche Emotionen möchtest du bei den Menschen, die ihre kostbare Freizeit mit deiner Geschichte verbringen möchten, auslösen? Die gnadenlose Kälte des Warps von Warhammer 40.000? Die sattgrünen Wiesen unter einem farbenfrohen Regenbogen von Tales of Equestria? Oder vielleicht etwas dazwischen? Wie steht es mit Humor am Spieltisch oder mit Gewalt, auch wenn diese lediglich in der Fantasie stattfindet? Oder darf auch mal eine böse Gruppe sein?

Gewisse Spieler*innen haben eine starke Abneigung gegen gewisse Stimmungen wie beispielsweise Horror oder werden durch andere Dinge wie beispielsweise Spinnen getriggert. Es ist absolut in Ordnung, vor der ersten Spielsitzung gemeinsam mit den Spieler*innen abzuklären, was man absolut nicht erleben oder treffen möchte. Deine Spieler*innen brauchen sich auch nicht rechtfertigen, wenn ihnen etwas unangenehm ist. Wir setzen uns alle gemeinsam an den Tisch, um Spaß und Spannung zu haben. Arachnophobiker*innen erleben keine positive Spannung, wenn ihre Charaktere in einem Spinnennetz gefangen sind und dessen Besitzerin auf sie zukrabbelt, ganz egal, was auf dem Charakterbogen stehen mag. Die Ängste der Charaktere anzuspielen geht in Ordnung, die Ängste der Spieler*innen auf keinen Fall.

Altbewährt oder Alles auf Anfang? Die Wahl des richtigen Spielsystems

Soll die neue Runde auch gleich ein neues Spielsystem verwenden? Gerade für junge Spielleitungen bieten sich einfache, aber dennoch spannende Systeme wie Ratten! oder DSA 1 an, welche durch ihre übersichtliche Menge an Spielregeln und Material bestechen. Weniger ist manchmal tatsächlich mehr, da man so schnell ins Spiel findet und trotzdem eine Menge an Optionen geboten werden (Ratten! ist sogar legal und gratis im Netz zu finden). Wenig macht die Stimmung am Tisch schneller kaputt als eine Spielleitung, die bei jeder Regelfrage erst lange nachblättern muss.

Für alle SL, welche sich trotzdem an komplexere Systeme wagen möchten, den Nervenkitzel neu zu lernender Regeln nicht scheuen und verständnisvolle Spieler*innen haben, bietet sich die Möglichkeit an, dass ein*e Spieler*in zum*zur Schreiber*in bestimmt wird: Bei unklaren Regelfragen bestimmt die SL nach Bauchgefühl und blättert bis zur nächsten Runde die aufgekommene Regelfrage nach. Der*die Schreiber*in hilft der SL dadurch, dass sie*er die strittige Regelfrage für die SL notiert, damit die unklare Situation nicht in Vergessenheit gerät. Natürlich zeugt es von gutem Anstand, den*die fleißige*n Spieler*in mit ein paar Extra-Erfahrungspunkten zu belohnen.

Geschlossene Gesellschaft oder offen für alle?

Die „klassische“ Rollenspielrunde – sofern es so etwas überhaupt je gab – trifft sich regelmäßig, erlebt Abenteuer und geht wieder auseinander, solange das Abenteuer bzw. die Kampagne andauert. Es gibt keine Spieler*innen-Ausfälle und alle haben während der gesamten Kampagne gleichbleibend viel Zeit für das Hobby.

Natürlich ist dieser paradiesische Zustand nur in den seltensten Fällen erreichbar. Leider kommt es öfters zu dem Punkt, an dem Spieler*innen aus dem ein oder anderem Grund Schluss mit der Runde machen und deswegen Ersatz gesucht werden muss. Es kann aber auch der positive Fall vorkommen, dass die Runde das Interesse anderer Spieler*innen anzieht, die gerne in einer laufenden Runde einsteigen möchten.

Ist die Runde von Beginn an auf ein episodisches Format zugeschnitten – Shadowrun oder Recon bieten sich hier besonders an –, ist auch der nur zeitweilige Einstieg von neuen Spieler*innen absolut kein Problem. Bei anderen Runden kann der Einstieg etwas kniffliger sein – wie genau nochmal kommt jetzt dieser neue Charakter in unseren unbekannten unterseeischen Bunker oder in unsere verschüttete Vault?

Wenn man die Spieler*innen für ein Expeditionssetting, bei welchem die Charaktere längere Zeit von der Außenwelt abgeschnitten sein werden, gleich zu Beginn mehrere Charaktere anfertigen lässt, hat man jederzeit Zugriff auf Ersatzcharaktere. Noch dazu können die Spieler*innen, wenn die Anwesenheit ihres Charakters gerade absolut keinen Sinn oder Spaß macht, kurzzeitig auf einen bis dahin im Hintergrund gebliebenen (Ersatz-)Charakter zurückgreifen, der ihnen auch Spaß machen sollte; schließlich haben sie ihn ja erstellt.

Etikette am Spieltisch – Wie wir uns besser vertragen

Verschiedene Menschen haben unterschiedliche Zugänge dazu, was im gemeinsamen Spielen in Ordnung geht und was nicht. Wenn man mehrere Stunden miteinander verbringt, sollte man sich um die nachfolgenden Punkte Gedanken machen, um späteren Streit zu vermeiden:

Gibt es Spielpausen? Wie sehen diese aus? Was ist zu beachten?

Wie werden Pausen gehandhabt, speziell, wenn man Raucher*innen unter sich hat? Geht es in Ordnung, wenn ein*e Spieler*in alle halbe Stunde den Tisch verlässt, um zu rauchen, und dann wieder auf Stand gebracht werden muss, was versäumt wurde? Wie sieht es mit herumliegenden oder ständig in den Händen der Spieler*innen befindlichen Handys aus? Ein Mensch, der bei einer Konversation ständig auf das Handy blickt, signalisiert damit Desinteresse an einer Interaktion, da das Display scheinbar interessanter als das Gegenüber ist. Es empfiehlt sich sehr, vor dem Spiel darüber zu reden, ob Handys außer in wirklich dringenden Situationen nicht besser in der Tasche bleiben sollten, sodass man das Spiel besser mitbekommen und genießen kann.

Alkoholgenuss ist immer wieder eine philosophische Streitfrage am Spieltisch. Gerade, wenn man mit dem Auto nach Hause fahren muss, sollte er absolut nicht auf den Tisch gepackt werden. Auch in Anwesenheit minderjähriger Mitspieler*innen ist er nicht angebracht. Wenn Spieler*innen unbedingt auf ihr Bier bestehen, sollte man sich als SL fragen, ob sie wegen des Alkohols oder dem Spiel am Tisch sitzen. Vielleicht ist es dann auch angebracht, das Spiel sein zu lassen und die Geselligkeit mit Alkohol und ohne Rollenspiel fortzusetzen.

Ja, die meisten Spieler*innen haben ihren Alkoholkonsum unter Kontrolle. Andere haben diese Kontrolle jedoch nicht. Aus Rücksicht auf diese und unsere minderjährigen Mitspieler*innen muss Alkohol wirklich nicht unbedingt sein.

Wenn man mehrere Stunden zusammen verbringt, ist das Essen ebenfalls irgendwann ein Thema. Will man sich nicht ausschließlich aus Chipstüten ernähren, ist gemeinsames Kochen eine großartige Gelegenheit, zusammen etwas Kreatives und Konstruktives zu unternehmen, dabei über etwas anderes als Rollenspiel zu sprechen und seine Mitmenschen so abseits eines einzigen Themenkreises kennenzulernen. Und gesünder ist gemeinsam gekochtes Essen in vielen Fällen auch. Das soll aber nicht bedeuten, dass die gelieferte Pizza in jedem Fall abzulehnen ist – gerade, wenn alle Mitspieler*innen nach der Arbeit keine Zeit mehr hatten, etwas vorzubereiten, darf man sich auch mal etwas kommen lassen.

Die lieben Spieler*innen – Mit wem möchte ich spielen?

Hier folgt ein nicht sehr angenehmes Thema. Man muss nicht mit allen Spieler*innen gut Freund sein, und man muss auch nicht mit jedem Menschen Rollenspiel betreiben. Als Rollenspieler*innen verbringen wir einen guten Teil unserer Freizeit auf engem physischem wie emotionalem Raum mit teils Freunden, teils Fremden. Egal, ob man sich schon Jahre oder erst seit ein paar Stunden kennt: Es ist wichtig, abzuschätzen, ob man mit den Menschen, die mit am Tisch sitzen, auch über einen längeren Zeitraum gut klarkommt. Das gilt zwar auch für die Spieler*innen, aber speziell die SL sollte ein wachsames Auge darauf haben, ob die Stimmung am Tisch droht, toxisch zu werden. Dicke Luft macht den schönsten Plot zur Nebensache und vergrault dir deine Spieler*innen – ganz abgesehen davon, dass toxische Spieler*innen auch dir den Spaß am Hobby rauben.

Und mit wem will ich spielen?

Wenn sich ein*e Spieler*in schon mal unsozial verhalten hat, ist es dein gutes Recht, ihm oder ihr die Teilnahme an deiner Spielrunde zu verweigern – sofern die Person sich nicht wirklich Mühe gegeben hat, ihr Verhalten nachhaltig zu verändern. Wenn du eine*n neue*n, dir bis dahin unbekannte*n Spieler*in allerdings falsch eingeschätzt hast und er oder sie erst am Spieltisch Ärger zu machen beginnt, ist das berühmte Gespräch unter vier Augen und im Wiederholungsfall der hochkante Rausschmiss angesagt.

Warum steht dieser Punkt in einem Artikel zur Kampagnenplanung? Weil du die Spielleitung bist. Du bist die Stelle, welche in solchen unglücklichen Fällen harte Ansagen machen und im schlimmsten Fall den Rauswurf durchführen muss. Sei dir bewusst, dass es am Spieltisch – und abseits des Tisches – „menscheln“ kann und Emotionen nicht immer schön sind.

Trotz all diesen Unkenrufen soll dir die Freude an der neuen Runde nicht verdorben werden. Ohne deinen Einsatz und deine Inspiration hätte die Runde kein Spiel. Mach dir genügend Gedanken darüber, was du dir vorstellst und erleben möchtest, und genieße den Rest.

Dieser Artikel wird demnächst mit der Kampagnenplanung aus Sicht der Spieler*innen fortgesetzt.

Titelbild: © Cristina Conti | depositphotos
Layout und Satz: Roger Lewin
Lektorat: Simon Burandt

 

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