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Der letzte Spieltermin ist lange her, doch endlich haben SL und SpielerInnen wieder zusammengefunden. Ehe es jedoch richtig losgehen kann, ist eine Rekapitulation der bisherigen Ereignisse nötig – so jedenfalls scheint es. Warum Zusammenfassungen am Spieltisch nicht nur Vorteile mit sich bringen und welche Verbesserungsmöglichkeiten es gibt, zeigt dieser Artikel.

Zwischen zwei Rollenspielterminen können eine Menge Sachen passieren: Vornehmlich der Alltag mit all seinen Herausforderungen. Familie und Freunde fordern Zeit ein, die Arbeit ist stressig und andere Hobbys benötigen Aufmerksamkeit. Schnell ist das, was „letztes Mal“ vor sich ging, vergessen. Das passiert sogar dann, wenn die Gruppe eine schriftliche Dokumentation der Runde pflegt. Da erscheint es nur logisch, den letzten Termin am Spieltisch noch einmal zusammenzufassen, ehe es weitergeht – oder? Warum eine Zusammenfassung mehr schaden als nutzen kann und welche Möglichkeiten zur Verbesserung es gibt, wird im Anschluss erörtert.

Was bisher geschah …

„Wir waren in dieser Stadt“, beginnt der erste Spieler zu erzählen, „und haben da mit dem Fürsten, hier … wie hieß der nochmal? Mit dem haben wir auf jeden Fall gesprochen.“

„Das war kein Fürst, das war ein Herzog“, erklärt die Spielerin zu seiner Linken und blättert in ihren Unterlagen, „und wir haben noch nicht mit dem geredet – aber wir haben es vor.“

„Genau ja“, sagt der erste Spieler, „das war der Auftrag, den wir von der Hexe bekommen haben.“

Eine dritte Person am Spieltisch blickt ratlos zwischen den beiden Sprechenden hin und her, studiert ihre Aufzeichnungen und kratzt sich schließlich am Hinterkopf.

„Welche Hexe?“, fragt sie.

Idealerweise hilft eine Zusammenfassung, die wichtigsten Fragen zu beantworten. © Depositphotos | PixelsAway

Solche oder ähnliche Situationen hat es in fast jeder Spielrunde schon einmal gegeben. Alle SpielerInnen versuchen, das zusammenzufassen, was die letzten Male geschah. Auf diese Weise sollen der vergangene Termin wieder in Erinnerung gerufen und alle offenen Fragen bezüglich der aktuellen Spielsituation beantwortet werden. Das gestaltet sich jedoch nicht immer einfach. Die prominentesten Gründe dafür sind Folgende:

  • Der letzte Spieltermin ist lange her und es fällt den SpielerInnen schwer, sich an die Details zu erinnern.
  • Niemand hat sich entsprechende Notizen gemacht.
  • Die SpielerInnen sind aufgrund von Smalltalk, Smartphones usw. abgelenkt.
  • Andere Dinge, wie beispielsweise ein stressiger Arbeitstag oder persönliche Probleme, belasten die SpielerInnen, sodass weder ein gedankliches Abschalten noch ein Einsteigen in die Spielwelt erfolgen konnte.
  • Die SpielerInnen haben nur mäßiges Interesse für die Geschehnisse am Spieltisch.

Die genannten Aspekte können begünstigen, dass eine Zusammenfassung ihren Zweck verfehlt oder sogar auf taube Ohren stößt. Dabei handelt es bei ihnen lediglich um äußere Umstände. Sie können erst im zweiten Schritt, nämlich im Zuge einer bewussten Verbesserung der klassischen Zusammenfassung, erfolgen.

Im ersten Schritt jedoch gilt es, die Stärken und Schwächen von Zusammenfassungen am Spieltisch zu benennen. 

Vor- und Nachteile von Zusammenfassungen am Spieltisch

Ehe eine Betrachtung der Vor- und Nachteile von Zusammenfassungen am Spieltisch erfolgen kann, ist eines hervorzuheben: Nicht alle Rollenspielgruppen sind gleich, was im Umkehrschluss bedeutet, dass auch Rituale, wie eben die Auseinandersetzung mit den vergangenen Abenteuern, unterschiedlich ausfallen können. Dieser Artikel beschäftigt sich in erster Linie mit Gruppen, die zu Beginn ihrer Runde einen Blick zurückwerfen. Dies schließt Gruppen, die ergänzend schriftlich dokumentieren sowie die, die es nicht tun, gleichermaßen ein.

Wie oben erläutert, können Zusammenfassungen Zeit und Nerven kosten. Niemand startet gern verspätet in das gemeinsame Rollenspiel, wenn aus dieser Verspätung kein Vorteil resultiert. Zusammenfassungen am Spieltisch bringen davon glücklicherweise mehrere mit: Zum einen wird die Erinnerung an die zuletzt erlebten Abenteuer aufgefrischt, und zum anderen sind im Anschluss alle SpielerInnen auf dem gleichen Stand. Auch erhält die SL einen Eindruck davon, wie die Gruppe ihre aktuelle Lage einschätzt. Wenn sie mit besonderer Härte durchgreifen möchte, kann sie hierauf aufbauen, indem sie beispielsweise vergessene Details gegen die SpielerInnen auslegt und somit das Vorankommen herausfordernder gestaltet.

Des Weiteren findet ein Austausch der SpielerInnen untereinander statt. Eventuelle Vorhaben werden diskutiert, und nicht selten werden im Zuge einer Zusammenfassung bereits die nächsten Schritte geplant. Zu guter Letzt sorgt eine Zusammenfassung dafür, dass sowohl die SpielerInnen als auch die SL sich in die aktuelle Situation hineindenken können. Sie machen sich die Spielwelt um ihre Charaktere herum bewusst und stimmen sich idealerweise emotional auf Charakter und Situation ein.

Doch Zusammenfassungen am Spieltisch bringen auch Nachteile mit sich. Diese wurden in der fiktiven Spieltischszene unter „Was bisher geschah …“ bereits kurz angerissen. Es sei angemerkt, dass natürlich nicht jede Zusammenfassung all diese Nachteile aufweist. Hier findet lediglich eine Betrachtung häufig erlebter und wiederkehrender Negativaspekte statt.

Viele Zusammenfassungen am Spieltisch erfolgen spontan – und das, obwohl sie bei jedem Spielabend wieder stattfinden. Vielleicht hoffen die SpielerInnen, dass jemand anderes als sie selbst eine Zusammenfassung vornehmen möchte, vielleicht aber haben sie es gerade erst mit Mühe und Not pünktlich zum Termin geschafft. So oder so sorgt diese Spontanität dafür, dass die Zusammenfassungen unstrukturiert, also weder chronologisch noch sinnhaft aufeinander aufbauend, sind. Informationen werden losgelöst aus Kontext und unvollständig an die Gruppe weitergegeben; schnell sind falsche Inhalte existent. Dieser erste Nachteil sorgt dafür, dass Verwirrung herrscht, was wiederum den zweiten Nachteil darstellt. Die SpielerInnen (und möglicherweise auch die SL) beginnen, darüber zu diskutieren, was tatsächlich beim letzten Mal passierte und worin die Gründe dafür lagen. Dies kann vor allem auf Seiten der SL für Frust sorgen: Sorgfältig geplante Abenteuer und Handlungsstränge gehen nicht auf, weil die SpielerInnen sich der Details nicht (mehr) bewusst sind.

Darüber hinaus sind Zusammenfassungen am Spieltisch zeitaufwendig. Der Prozess des Vortragens an und für sich benötigt schon mehrere Minuten. Kommen dann noch die zuvor beschriebenen Diskussionen dazu, sind schnell 20 oder gar 30 Minuten Spielzeit vergangen, ohne, dass auch nur einer der Charaktere agieren durfte.

Die Aufzählung der Vor- und Nachteile zeigt, dass es sowohl für das Weglassen, aber auch für das Beibehalten von Zusammenfassungen Gründe gibt. Wird sich für die zweite Option entschieden, sollte bewusst darauf geachtet werden, die Störfaktoren – also die Nachteile – abzuwiegeln.

Das Gleiche – nur anders? Optimierungsvorschläge

Viele Rollenspielgruppen dokumentieren ihre gemeinsamen Abenteuer in Schriftform. Manchmal übernimmt eine Person freiwillig diese Arbeit, oder aber es existiert ein Rotationssystem, sodass jeder einmal an der Reihe ist. Auch gibt es SL, die für ihre SpielerInnen Buch über die Geschehnisse führen. Diese Rolle ließe sich auch auf die Zusammenfassung am Spieltisch ausweiten. Das bedeutet, dass eine Person am Tisch für die Zusammenfassung verantwortlich ist und diese vorbereitet. Ein sorgfältig präparierter Vortrag der bisherigen Geschehnisse kostet einerseits wenig Zeit und bietet andererseits weniger oder gar keinen Nährboden für Unklarheiten. Es kann sinnvoll sein, diesen Vortrag auf beispielsweise zehn Sätze zu begrenzen. Auf diese Weise ist garantiert, dass das Wichtigste so kurz wie möglich vorgetragen wird.

Die Verantwortung dafür, dass alle SpielerInnen vor Augen haben, was in der eigenen Runde passiert, sollte aber nicht nur bei der oder dem zuständigen „ZusammenfasserIn“ liegen. Vielmehr ist es für ein unterhaltsames Miteinander und zum Erzählen einer gemeinsamen Geschichte sinnvoll, wenn alle Beteiligten sich einbringen. Hier kann es sich anbieten, dass die SL den SpielerInnen Hausaufgaben aufgibt. Denkbar wären beispielsweise das Heraussuchen und Zusammenfassen von Ortsbeschreibungen oder historischen Hintergründen der Spielwelt, die dann allen zur Verfügung gestellt werden.

Viel vorzubereiten: Auch SpielerInnen sollten sich außerhalb der Spieltermine Zeit zum Studieren der Unterlagen einräumen. © Depositphotos | 2happy

In Relation zur SL haben SpielerInnen wenig Vorbereitung zu erledigen, sodass es darüber hinaus nicht zu viel verlangt sein dürfte, sich eine Viertelstunde vor dem Termin Zeit für die Sichtung der Unterlagen zu nehmen. Vor allem bei langfristigen Kampagnen empfiehlt sich dies, da diese nach und nach einen sehr hohen Informationsgrad aufweisen, wie Teilzeitheldin Ayleen in ihrem Artikel darlegt.

Diese beiden Vorschläge können helfen, die Vorteile von Zusammenfassungen am Spieltisch genießen zu können, ohne ihre Nachteile hinnehmen zu müssen. Auch wirken sie den oben beschriebenen äußeren Störfaktoren entgegen, denn

  • bei guter Vorbereitung und entsprechenden Notizen können auch dann Inhalte des letzten Spieltermins abgerufen und diskutiert werden, wenn dieser schon lange her ist.
  • eine kurze Zusammenfassung gewinnt auch SpielerInnen mit flüchtiger Aufmerksamkeitsspanne für sich.
  • Vorbereitungszeit vor dem Spieltermin hilft auch auf emotionaler Ebene: Sie kann der erste Schritt zum Abschalten und Eintauchen sein und gleichzeitig für Vorfreude sorgen.

Eine optimierte Zusammenfassung ist eine solide Basis, aber natürlich nicht für jede Gruppe das Mittel der Wahl. Der nachfolgende Abschnitt behandelt weitere Ideen und Möglichkeiten zur Rekapitulation der gemeinsam erlebten Abenteuer.

Ansätze der anderen Art

Eine einfache Variante der Zusammenfassung am Spieltisch, die sich vor allem für schreibwütige Gruppen eignet, ist die des Vorlesens. Hier wird die schriftliche Dokumentation des letzten Spielabends zu Beginn des Spieltermins vorgelesen. Das setzt voraus, dass der Text entsprechend vorbereitet und flüssig vorzutragen ist. Diese Methode mag nicht allzu spannend wirken, kann bei entsprechender Vorbereitung und Textgrundlage allerdings für eine umfassende Wiedergabe sorgen.

Der nächste Vorschlag ist der des Skizzierens einer Mindmap. Diese visuelle Darstellung von Inhalten kann helfen, Assoziationen und Beziehungen nachvollziehbar zu machen. Auf diese Weise fällt es leichter, NSC und Geschehnisse in den Kontext der Kampagne zu setzen. Mindmaps können per Hand erstellt und dann eingescannt oder abfotografiert werden, sofern dies nötig ist. Doch es gibt auch kostenlos nutzbare Online-Tools wie XMind oder Mindmup. Ähnlich nützlich kann das Erstellen einer Zeitleiste sein. Mithilfe einer einfachen Linie, an welcher alles, was bisher geschah, chronologisch eingetragen wird, können Abläufe visualisiert und verdeutlicht werden. Beide Darstellungsmöglichkeiten können in Papier- oder digitaler Form am Spieltisch vorgestellt und genutzt werden. Sie können eine klassische Zusammenfassung wahlweise ergänzen oder ersetzen.

Mindmaps erlauben eine visuelle Präsentation von NSC, Geschehnissen und Beziehungen. © Depositphotos | PixelsAway

Der letzte hier vorgestellte Vorschlag beugt der Problematik vor, dass SpielerInnen nicht in den Charakter beziehungsweise die Handlung finden. Dieser nämlich beinhaltet eine verbale Zusammenfassung – allerdings aus der Sicht des Charakters. Eine solche bedarf einer kleinen Vorbereitung und kann in verschiedenen Formen erfolgen. Denkbar wäre ein innerer Monolog, eine zukünftige Erzählung des Charakters oder – in modernen Settings – ein Telefonat oder eine Sprachnachricht. Idealerweise wird hierfür die Ich-Form genutzt, da diese die Person am Spieltisch mit dem Charakter in der Spielwelt verbindet und ein hohes Maß an Immersion provoziert (siehe hierzu auch: „Ausdrucksart am Spieltisch – Von Immersion und Sprache“).

Diese alternativen Ansätze bringen nicht nur Abwechslung an den Spieltisch, sondern können auch motivierend wirken. Es kann (und sollte) Spaß machen, verschiedene Möglichkeiten auszuprobieren, um das Optimum für die eigene Runde zu finden.

Fazit

Ein paar gekritzelte oder stichwortartige Notizen bilden oft die Grundlage für eine Zusammenfassung, die weder strukturiert noch prägnant ist. Zusammenhangslos werden Details der Kampagne unrichtig wiedergegeben und unter den SpielerInnen entsteht Verwirrung. Die klassische Zusammenfassung am Spieltisch kann mehr Nach- als Vorteile mit sich bringen. Ist das der Fall, wird wertvolle Spielzeit mit ihr verschwendet und Frust entsteht.

Wer trotz der möglichen Risiken an einer klassischen Zusammenfassung am Spieltisch festhalten möchte, sollte sich etwas Zeit nehmen, um ihre Schwächen zu erkennen und auszugleichen. Nur auf diese Weise nämlich ist allen Beteiligten ein hürdenloser Einstieg in den Spielabend möglich. Eine gute Vorbereitung – auch oder vor allem auf Spielerseite – sowie eine geteilte Verantwortung bilden das Fundament für eine sauber gegliederte, zeitlich überschaubare Zusammenfassung, von der alle Beteiligten profitieren.

Gerne kann es auch einmal ganz anders versucht werden. Das Vorlesen der schriftlichen Dokumentation ist beispielsweise eine Möglichkeit, die vor allem durch Struktur und Aufbau glänzt. Auch gibt es die Option, die Geschehnisse mithilfe einer Mindmap oder einer Zeitleiste zu visualisieren. Dies kann dem Erinnerungsvermögen der SpielerInnen zuträglich sein. Schließlich kann eine Zusammenfassung auch ganz anders vonstattengehen: Ein Spieler oder eine Spielerin steigt etwas früher in den eigenen Charakter ein und erzählt aus dessen Sicht, was zuletzt geschah. Diese Methode hilft nicht nur dem aktiven Teil der Gruppe, in die Spielsituation zu finden und ermöglicht so einen bequemen Einstieg ins Abenteuer. Und den wollen schließlich alle so rasch wie möglich finden, denn es warten humoristisches Geplänkel, epische Schlachten und eine ganze Menge Gold.

 

Artikelbild: © Depositphotos | Rawpixel, Bearbeitet von Verena Bach

2 Kommentare

    • Hallo BruderTjorben,

      vielen Dank für Dein Feedback. Es freut mich, dass Du etwas aus dem Artikel ziehen konntest :)

      Liebe Grüße,
      Yola

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