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Der Jahrmarkt ist in der Stadt. Alle acht Jahre kommt er auf dieser Ebene vorbei und bringt die wundersamsten und unglaublichsten Attraktionen mit sich. Doch der Hexenlicht-Karneval birgt auch Abenteuer und dunkle Geheimnisse, die die Held*innen auf eine Reise ins Feywild schicken.

In Dungeons & Dragons kann man in vielfältige Welten eintauchen. Sei es, dass man sich in der Domäne des Schreckens nach Ravenloft begibt, um sich Strahd von Zarovich zu stellen, an der Schwertküste den Drachenschatz Tiamats sucht oder in den neun Höllen versucht, die Stadt Elturel zu retten. Es gibt unzählige Optionen, auf Abenteuer auszuziehen und ein*e Held*in zu sein.

Mit Die Wildnis jenseits des Hexenlichts bietet Wizards of the Coast nun ein Abenteuer, das im Feywild spielt. Jene Ebene, die Heimat für vielerlei Wesen aus Märchen und Geschichten ist, für Feen, Pixies, Einhörner und all die magischen Wesen, die schon Kinder zu begeistern vermögen.

Achtung, dieser Artikel enthält leichte Spoiler für das Abenteuer, um dieses rezensieren zu können. Solltet ihr das Abenteuer noch selbst spielen wollen, lest ab hier nicht weiter!

Triggerwarnungen

Keine Trigger

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Ab durch den Spiegel

Im Abenteuer Die Wildnis jenseits des Hexenlichts geht es für die Charaktere zunächst auf den Hexenlicht-Karneval, der bereits vielerlei Wunder und Geheimnisse bereithält. Dabei gibt es zwei verschiedene Arten, das Abenteuer zu beginnen, die der Spielleitung überlassen sind und jeweils ihr eigenes Potential haben, später noch Einfluss auf den Verlauf der Geschichte zu nehmen. Auf dem Karneval gibt es verschiedene Möglichkeiten, die Abenteurer*innen zu beschäftigen: Ein Flug auf einer Riesenlibelle, eine Rundfahrt in einer Schwanengondel, eine Achterbahnfahrt durch die schlimmsten Albträume. Für alle ist etwas dabei.

Doch schnell stolpern die Spielenden – hoffentlich – darüber, dass nicht alles Gold ist was glänzt und sich hinter den Kulissen des Karnevals mehr verbirgt, als es zunächst den Anschein hat. Eine dunkle Macht greift aus dem Feywild nach dem Hexenlicht-Karneval und zwingt seine Besitzer dazu, ein Tor in eine andere Welt im Spiegelkabinett zu verstecken, durch das nicht ganz so freundliche Wesen den Karneval betreten können. Durch eben jenes Tor werden die Charaktere gehen, um der dunklen Macht auf die Spur zu kommen und den Status Quo wiederherzustellen.

Sir Talavar ist ein Feendrache, den die Charaktere retten können.

Dafür müssen sie das Feenreich der Erzfee Zybilna durchreisen und sich in drei voneinander getrennten Gebieten einem Hexenzirkel stellen, der dieses Feenreich an sich gerissen hat.

Das Reich Prismeer ist aufgeteilt in die Gebiete Hüben, Drüben und Anderswo und jedes hat eine einzigartige Landschaft zu bieten. Sie stellen eine durch die Hexen verdrehte Version des Feywilds dar, auf die die Charaktere direkt Einfluss nehmen, und die sie zurück zu altem Glanz führen können. So ist das einst von Brunnen, Seen und Flüssen durchzogene Splitterreich Hüben nun zu einem sumpfigen Wald verkommen, der von einer Horde Harengon-Briganten aufgemischt wird. Die Bewohner*innen von Hüben können ihnen nichts entgegensetzen und leben in ständiger Furcht, von ihnen im Wald überfallen zu werden.

Doch die Abenteurer*innen können auch freundlichen Wesen begegnen, wie dem Feendrachen Sir Talavar, der helfen kann, wenn sie sich entschließen, sich zur Hexe Bavlorna zu begeben.

Ohne Gewalt zum Ziel?

In Die Wildnis jenseits des Hexenlichts sollen alle Begegnungen ohne Gewalt lösbar sein. Das ist die Prämisse der Kampagne, denn in anderen Bänden gibt es für manche Begegnungen – zumindest so wie sie geschrieben sind – keine friedlichen Alternativen. Das soll in dieser Kampagne anders sein, aber die eigentliche Frage ist doch – kann es funktionieren?

Ob eine gewaltfreie Lösung eines Konfliktes möglich ist, hängt grundsätzlich davon ab, welche Möglichkeiten die Gruppe anstrebt und was von der Spielleitung zugelassen wird. Häufig ist es in den Kampagnenbänden so, dass bei manchen Begegnungen gar nicht vorgesehen ist, dass sie ohne Gewalt gelöst werden können. Dies ist hier anders und theoretisch soll es für alles eine gewaltfreie Lösung geben. In der Praxis sieht dies leider anders aus und es gibt diverse Konfrontationen, die nur dann ohne Kampf gelöst werden können, wenn die Gruppe es wirklich darauf anlegt. Ein Kampf erscheint bei vielen Konfrontationen auch die einfachste Lösung zu sein oder nicht selten der einzige verbleibende Ausweg, wenn der entsprechende Würfelwurf, um die Situation beispielsweise diplomatisch zu lösen, fehlschlägt.

Das erste Kapitel – der Karneval – lässt sich noch vollkommen ohne Kampf meistern und das sogar sehr gut, doch bereits im zweiten Kapitel stößt man als Spielleitung potenziell schnell an die Grenzen dessen, was das Abenteuer zulässt. In einer Begegnung mit den Harengon-Briganten, werden die Charaktere (welche zu diesem Zeitpunkt Level 2 haben) von einer Gruppe der Gauner angegriffen und es gibt nur wenige Optionen, diese Situation zu entschärfen, da der Anführer es nicht darauf anlegt, die Charaktere einfach so gehen zu lassen – es bestehen nur die Möglichkeiten den Anführer zu besiegen oder sich gefangen nehmen zu lassen. Natürlich hat die Spielleitung immer die Option, es anders zu machen, aber wenn man allein nach dem Buch geht sind das die Auswahlmöglichkeiten. Und keine dieser beiden lässt sich wirklich gewaltfrei lösen.

Agdon Langschal ist der Anführer der Harengon-Briganten und ein harter Brocken.

Der Rahmen der Spielwelt

Die Kampagne spielt im Feywild, welches auch schon im Players Handbook Erwähnung findet und eine der vielen verschiedenen Ebenen ist, die in der Welt von Dungeons & Dragons existieren. Leider beschränkt sich der Kampagnenband hauptsächlich auf die Beschreibung des eigentlichen Abenteuers und bietet wenig mehr, um das Feywild selbst zum Leben zu erwecken. Wizards of the Coast verweist im Kampagnenband auf das auf DMsGuild erschienene PDF Domains of Delight, in dem es mehr Hintergrund zum Feywild geben soll. Daher hat die Spielleitung mit diesem Kampagnenband und den Grundwerken nicht alles an der Hand, um das Abenteuer leiten zu können, sondern sollte sich auch diesen Zusatzband für 8 Dollar zulegen. Natürlich ist es möglich, es auch ohne zu leiten, aber hier und dort möchte man dem Ganzen vielleicht doch etwas mehr Leben und Tiefe einhauchen, als das Abenteuer mitbringt.

Diesem fröhlichen Pilz können die Spielenden im Feywild begegnen.

Das Buch umfasst fünf Kapitel und weitere fünf Anhänge. Jedes Kapitel beschreibt unterschiedliche Orte an denen die Kampagne spielt und einige ausgewählte Schauplätze dort. Die drei Kapitel zu den Splitterreichen Prismeers beschrieben jeweils vier bis fünf Schauplätze und die grundlegenden geographischen Eigenschaften. Die jeweiligen Landstriche sind aber so groß, dass sich dort noch einiges mehr unterbringen lässt, wenn die Spielleitung das möchte. In den Anhängen werden die wichtigsten NSC, Monster und magischen Artefakte beschrieben.

Zwar ist Die Wildnis jenseits des Hexenlichts ein Kampagnenband, aber wie bei vielen anderen Abenteuern von Wizards of the Coast gibt es auch hier neue Optionen zur Charaktererschaffung.

Zum einen gibt es zwei neue spielbare Völker: Harengon, humanoide Hasen, und Feen, kleine geflügelte Wesen. Beide haben ihren eigenen Charme, und bieten ein paar nette Möglichkeiten als Grundlage für Charaktere. So können die Harengon besonders gut und weit springen und sind außerordentlich geschickt.

Feen haben Flügel, können also fliegen, und verfügen über ein wenig angeborene Magie. Dabei darf man nicht auf den Namen „Fee“ hereinfallen, denn davon gibt es bei Dungeons & Dragons diverse Unterkategorien und durchaus auch größere Exemplare. Nicht alle Feen, denen man in der Welt des Rollenspiels begegnen kann, sind kleine, geflügelte Humanoide.

Außerdem gibt es zwei neue Hintergründe: den Feenlost Hintergrund (der auf Englisch feylost heißt und etwas abenteuerlich übersetzt wurde) und die Möglichkeit, eine Hexenlicht-Hand zu spielen. Feenlost bildet den Hintergrund ab, dass der Charakter eine Weile im Feywild verloren war und dies seine Spuren hinterlassen hat. Die Hexenlicht-Hand ist ein*e Mitarbeiter*in des Hexenlicht-Karnevals und kennt den Jahrmarkt außerordentlich gut. Wie gewohnt sind diese Hintergründe hauptsächlich nur ein wenig Fluff und stützen die Vorgeschichte der Charaktere eher als wirkliche spielerische Effekte zu haben.

Erscheinungsbild

Mit Die Wildnis jenseits des Hexenlichts halten wir ein gewohnt hochwertig verarbeitetes Hardcover in Vollfarbe in der Hand. Mit knapp 260 Seiten liegt es in einem ähnlichen Bereich wie bisher für Dungeons & Dragons erschienene Abenteuerbände. Die Illustrationen sind passend zur Stimmung des Abenteuers und eignen sich gut, um sie den Spielenden in den jeweiligen Situationen zu zeigen. Diese wurden von einer großen Zahl verschiedener Künstler*innen erstellt, passen aber gut zusammen und wirken in sich sehr stimmig.

Mittlerweile sind es viele bereits gewohnt und wir haben darüber auch schon im Artikel zum Basisset berichtet, aber auch hier ist die Übersetzung an manchen Stellen etwas unrund. So wird zum Beispiel das Englische „Trinket“ mit „Requisite“ übersetzt, was zwar technisch richtig ist, jedoch im Kontext etwas komisch wirkt. Außerdem sind auf manchen Karten nicht alle Orte neu benannt worden. Dies stört jedoch nicht wirklich, nur manchmal könnte man beim Lesen vielleicht kurz ins Stocken geraten.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Wizards of the Coast
  • Autor*in(nen): Projektleitung: Christopher Perkins, Texte: Stacey Allan, Will Doyle, Ari Levitch, Christopher Perkins, Julien Camaraza, Belle Farmer, Adam Lee, Taymoor Rehman, Morrigan Robins
  • Erscheinungsjahr: 2023
  • Sprache: Deutsch
  • Format: Hardcover
  • Seitenanzahl: 256
  • ISBN: 9-780786-968879
  • Preis: 39,99 EUR
  • Bezugsquelle: Fachhandel, Amazon, idealo

 

Bonus/Downloadcontent

Das Buch selbst kommt mit einer großen Posterkarte, auf der auf einer Seite der Hexenlicht-Karneval und auf der anderen Seite das Reich Prismeer zu sehen ist. Außerdem gibt es für die wichtigsten NSCs Rollenspielkarten, auf denen einige Eigenschaften der Charaktere stehen. Leider sind diese nicht zum Heraustrennen, sodass man sie kopieren und ausschneiden müsste, um sie am Tisch schnell zur Hand zu haben und nutzen zu können. Außerdem gibt es diverse Bögen, auf denen wichtige Meilensteine im Fortschritt der Kampagne nachverfolgt werden können.

Fazit

Fantastische Abenteuer warten im Feywild!

Insgesamt findet man in Die Wildnis jenseits des Hexenlichts eine gute Grundlage, um ein Abenteuer im Feywild zu bestreiten. Dabei handelt es sich nicht um die typische Art von Abenteuer, sondern es verfolgt einen neuen Ansatz, dass alle potenziellen Konflikte ohne Kampf oder Gewalt gelöst werden können. Dies macht im ersten Augenblick aber den Eindruck, dass es an manchen Stellen nur schwierig umsetzbar ist und zumindest der ein oder andere Kampf auf die Spielenden zukommen wird. Dennoch ist es vielleicht ratsam, bei diesem Abenteuer nicht das Augenmerk auf eine für den Kampf optimierte Gruppe zu legen und vermutlich wäre es sogar möglich, es mit einer Gruppe gänzlich ohne klassische Kampf-Klasse zu bestreiten.

Der Kampagnenband bietet viel Material und vermag für einige Zeit zu beschäftigen. Dabei sollen die Charaktere von Stufe 1 bis 8 begleitet werden, womit diese Kampagne etwas kürzer ausfällt als andere, die teils bis Level 11 oder sogar 15 gehen. Es muss jedoch auch bedacht werden, dass deutlich weniger Kämpfe vorgesehen sind und das Augenmerk viel mehr auf Rollenspiel liegt, weshalb der Stufenaufstieg auch über das Meilenstein-System erfolgt und nicht über die Verteilung von Erfahrungspunkten.

Leider kommt manchmal das Gefühl auf, dass es durchaus noch Potential gegeben hätte, diese doch recht große Welt mit mehr leben zu füllen, doch dafür gibt es den Zusatzband Domains of Delight, welcher mehr Ansatzpunkte liefert, um das Feywild mit Leben zu füllen.

Insgesamt stecken einige Stunden Spielspaß in dieser Kampagne, die wir noch in einem Spieltest beleuchten werden, der jedoch frühestens in einem Jahr zu erwarten ist – acht Level kann man ja nicht mal eben an einem Wochenende durchspielen. Dieser Ersteindruck beruht daher auf dem Lesen des Abenteuers und dem Spielen des kompletten ersten und einem Teil des zweiten Kapitels.

 

  • Andersartiger Abenteueransatz
  • Schönes Setting
  • Viel Potential für intensives Rollenspiel
 

  • Etwas wenig Hintergrund
  • Schwierig ohne Gewalt lösbar

 

Artikelbilder: © Wizards of the Coast
Layout und Satz: Verena Bach
Lektorat: Denise Hollas
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