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Was wäre, wenn andere Völker die Weltgeschichte dominiert hätten? In First Empires von Sand Castle Games spielen wir bis zu fünf frühe Zivilisationen, kämpfen und entwickeln uns weiter, um den Sieg zu erlangen. Schreibt das fluffige Area-Control-Spiel Geschichte oder geht es unter wie die meisten Imperien?

First Empires wirft die Frage auf, was wäre, wenn die Weltgeschichte sich anders entwickelt hätte – wenn andere frühe Zivilisationen sich durchgesetzt hätten und die Imperien, die wir heute kennen, nie entstanden wären. Eine konkrete Antwort bleibt das Spiel von Eric B. Vogel uns schuldig, doch wie viel Spaß macht es, die Frage durchzuspielen?

Spielablauf

Bei First Empires geht es um fünf historische Völker, die sich auf der Erde ausbreiten, um ihre Macht zu mehren und sich weiterzuentwickeln. Das Ziel des Spiels ist es, am Ende die am weitesten fortgeschrittene Nation zu sein. Die Kombination aus Weltkarte und Meeple mag den Eindruck erwecken, es handle sich bei First Empires um ein Ameritrash-Spiel, das seinen Fokus auf Area Control legt. Doch während das Erobern neuer Gebiete einen zentralen Aspekt des Spiels darstellt, ist es nicht unbedingt wichtig, diese Gebiete zu halten. Vielmehr ist das Erobern von Gebieten ein Mittel zum Zweck: Die mit Abstand meisten Siegpunkte erhalten wir, indem wir unsere Zivilisation weiterentwickeln.

Auf der farbenfrohen Weltkarte breiten sich die Imperien aus …

Um die Fortschrittsleisten voranzubringen, müssen wir mindestens einen unserer Meeple auf einem Gebiet mit der korrespondierenden Farbe platziert haben und einen Würfel mit der entsprechenden Würfelseite vorweisen. Die Entwicklung unserer Zivilisation gibt uns nicht nur Siegpunkte – sie verbessert auch die Spielzüge, indem mehr Würfel und Neuwürfe, Handkarten, Meeple und Bewegungspunkte zur Verfügung stehen.

... und auf dem Tableau entwickeln sie sich weiter.
… und auf dem Tableau entwickeln sie sich weiter.

Am Anfang des eigenen Zuges wird gewürfelt – wie viele Würfel geworfen werden dürfen, hängt dabei vom aktuellen Fortschritt auf der orangenen Fortschrittsleiste ab. Gefällt der Wurf nicht, können einzelne oder mehrere Würfel neu geworfen werden. Wie oft, wird von der blauen Fortschrittsleiste vorgegeben.

Sind wir dann noch immer nicht zufrieden, können Handkarten abgegeben werden: Für jede abgeworfene Karte kann ein Würfel auf eine beliebige Seite gedreht werden. Das ist teuer, da in einer gesamten Partie maximal sieben Karten gesammelt werden können. Besonders zu Beginn lohnt sich das oft aber dennoch, da ein ineffektiver Spielzug den weiteren Fortschritt stark einschränken kann.

Auf sie mit Gebrüll!

Steht der Würfelwurf fest, dürfen wir unsere Einheiten auf der Karte bewegen. Es kostet jeweils einen Bewegungspunkt, eine Einheit über eine weiße Grenze zu bewegen. Die violette Fortschrittsleiste beeinflusst, wie viele Bewegungspunkte zur Verfügung stehen.

Bis auf die Schwert-Seite korrespondieren die Seiten der Würfel mit unseren Fortschrittsleisten.
Bis auf die Schwert-Seite korrespondieren die Seiten der Würfel mit unseren Fortschrittsleisten.

Ist ein Gebiet bereits von gegnerischen Meeple besetzt, darf man sich dort nur hineinbewegen, wenn mehr Einheiten in das Gebiet bewegt werden als die gegnerische Person dort platziert hat. Haben wir schwarze Schwerter in unserem Würfelergebnis, zählt jedes davon für die gesamte Bewegung wie eine zusätzliche Einheit. Sind beispielsweise zwei Schwerter im Würfelergebnis enthalten, können wir uns also mit einem Meeple in ein gegnerisches Gebiet bewegen, auch wenn dort zwei gegnerische Einheiten stehen.

Marschieren wir in ein gegnerisches Gebiet ein, muss die gegnerische Person ihre Meeple in ein anderes von ihr besetztes Gebiet zurückziehen. Das Gebiet darf sie sich dabei frei auswählen, solange eigene Einheiten dort platziert sind – es müssen jedoch alle Meeple in dasselbe Gebiet gerettet werden. Die Wahl des Rückzugsortes kann dabei strategischen Stellenwert haben, da wir gegebenenfalls die Weiterbewegung der gegnerischen Armee aufhalten können.

Fortschritt

Nachdem unsere Meeple wie gewünscht platziert wurden, dürfen wir nun unsere Zivilisation weiterentwickeln. Dabei gibt es fünf Fortschrittsleisten, die Punkte und Spielvorteile bieten. Zusätzliche Neuwürfe machen Züge flexibler, mehr Einheiten und Würfel ermöglichen, mehr Fortschritt in einem Zug zu ergattern. Zusätzliche Bewegungspunkt sind unbedingt notwendig, um in gegnerische Gebiete einzumarschieren, während Handkarten nicht nur potentielle Siegpunkte darstellen, sondern auch ein nutzloses Würfelergebnis retten können.

Um eine Leiste weiterzuentwickeln, müssen wir Meeple in einem Gebiet derselben Farbe platziert haben und einen Würfel mit passendem Ergebnis vorweisen. In dieser Phase haben wir ein weiteres Mal die Möglichkeit, Handkarten abzugeben, um Würfel auf die gewünschte Seite zu drehen. Es ist sogar erlaubt, Würfel, die wir zu Beginn unseres Zuges auf die Schwertseite gedreht haben, nun auf eine farbige Seite zu drehen, um eine zusätzliche Fortschrittsleiste weiterzuentwickeln.

Handkarten sind eine mächtige, aber knappe Ressource.
Handkarten sind eine mächtige, aber knappe Ressource.

Haben wir auf einer Leiste einen gewissen Fortschritt erreicht, muss ein Stadtplättchen in ein Gebiet platziert werden, auf dem unsere Meeple stehen. Die Stadtplättchen sind einen bis drei Siegpunkte wert – liegen sie am Ende des Spiels noch auf der Weltkarte, erhalten wir diese Punkte, erobert jedoch eine andere Person das Gebiet, so beansprucht diese die Punkte für sich.

Zum Ende des Spielzugs wird geprüft, ob wir Zielkarten in unserer Hand erfüllt haben. Erfüllen wir die Bedingungen, können wir uns dafür entscheiden, die Zielkarte auszuspielen und uns Punkte zu sichern, allerdings können wir die Karte dann nicht mehr abwerfen, um unsere Würfel zu manipulieren.

Varianten

Abhängig von der Anzahl der mitspielenden Personen, verändert sich das Spiel: Zu zweit wird eine kleinere Weltkarte mit weniger Gebieten verwendet. Außerdem müssen die Spielenden dabei mit vorgegebenen Tableaus spielen. Bei dieser Variante kommt man sich gegenseitig zwar weniger in die Quere als zu fünft, dafür kann gerade im Spiel zu zweit ein Fehler in der ersten Runde schnell die eigene Niederlage sichern.

Zu zweit spielen wir in Eurasien.
Zu zweit spielen wir in Eurasien.

Zu dritt und zu viert wird nur ein Teil der Weltkarte verwendet – die Zahlen auf den Gebieten geben die Mindestanzahl an Mitspielenden an. Aufgrund der Aufteilung der Meere fühlt sich die Bewegung der Einheiten bei diesen Varianten unausgeglichen an, weshalb das Spiel zu fünft uns am besten gefiel.

Amerika und die amerikanischen Ureinwohner*innen sind nur im Spiel zu fünft dabei.
Amerika und die amerikanischen Ureinwohner*innen sind nur im Spiel zu fünft dabei.

Ausstattung

Die Fraktionen haben jeweils ein anderes Meeple- und Stadtplättchen-Design.
Die Fraktionen haben jeweils ein anderes Meeple- und Stadtplättchen-Design.

Das Spiel ist außerordentlich hübsch gestaltet: Sowohl auf der Schachtel als auch auf dem Spielmaterial wird eine schöne Farbpalette verwendet, die sich auf mehreren Ebenen wiederfindet und im Zusammenhang mit den Fortschrittsleisten auch eine spielmechanische Bedeutung hat. Auch an Liebe zum Detail fehlt es nicht: Meeple und Stadtplättchen sind liebevoll gestaltet – jedes Volk hat dabei ein anderes Design erhalten.

Das Innere der Box ist schön aufgeräumt: Das Spielmaterial der verschiedenen Fraktionen wird in praktischen Schachteln untergebracht. Darüber hinaus hat in dem Tiefziehteil-Insert alles seinen Platz. Größere Pappteile schließen dabei so ab, dass das Spiel auch aufrecht gelagert werden kann, ohne dass Kleinteile in der Schachtel herumfliegen.

Insgesamt ist das Spielmaterial so überschaubar wie die Regeln, was die Zeit reduziert, die wir zum Auf- und Abbau des Spiels benötigen. Einzig eine Siegpunkteleiste oder einen kleinen Block zum Auswerten der Punkte haben wir am Ende des Spiels immer wieder vermisst.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Sand Castle Games, Asmodee
  • Autor*in(nen): Eric B. Vogel
  • Erscheinungsjahr: 2022
  • Sprache: Deutsch
  • Spieldauer: 45-60 Minuten
  • Spieler*innen-Anzahl: 2 3 4 5
  • Alter: ab 10 Jahren
  • Preis: ca. 50 EUR
  • Bezugsquelle: Fachhandel, Amazon, idealo

 

Bonus/Downloadcontent

Die Spielanleitung ist bei Asmodee zum Download verfügbar.

Fazit

First Empires ist ein schönes Spiel, das Area Control mit Zivilisationsaufbau verbindet – quasi ein hübsches Risiko-light, mit putzigen Meeple, einem verschobenen Fokus auf Fortschritt statt Krieg und ohne Player Elimination. Wir würfeln, breiten uns aus und entwickeln unser Imperium weiter. Dadurch erhalten wir mehr Würfel, Meeple und Bewegungspunkte sowie kostbare Siegpunkte.

Fast alles an First Empires ist kurz und klein: die Erklärung, das Spielmaterial, die Spieldauer und die Komplexität. Das ist grundsätzlich weder gut noch schlecht, schränkt jedoch die Zielgruppe ein, die Spaß an dem Spiel haben wird.

Für Kenner*innen und Expert*innen wird das Erlebnis leider schnell schal: Zwar ergibt sich durch die Fraktionen sowie Karten in verschiedenen Konstellationen ein jeweils anderes Spiel, allerdings ist der Weg zu Siegpunkten zu simpel, um langfristig eine spannende Herausforderung darzustellen.

Für Neulinge, Familien und Kinder hingegen ist First Empires ein großartiger Start. Außerdem ist es eines der noch immer zu wenigen Spiele, die man gut zu fünft spielen kann – in entspannteren Spielrunden kann man es immer mal wieder auspacken.

Wer auf der Suche nach dem nächsten Scythe ist, sollte von First Empires lieber die Finger lassen. Wer hingegen geringe Komplexität und ein entspanntes Spiel mag, wird mit dem fluffigen Zivilisationsaufbau-Spiel eine gute Zeit haben.

  • Schnell erklärt und gespielt
  • Reduzierter Glücksfaktor
  • Schönes Design
 

  • Zu wenig Tiefe für Erfahrene
  • Ein früher Fehler kann das Spiel entscheiden

 

Artikelbilder: © Sand Castle Games
Layout und Satz: Roger Lewin
Lektorat: Saskia Harendt
Fotografien: Milanko Doroski
Dieses Produkt wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.

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