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Spherechild von Alexander Hartung hat bereits auf der RPC 2012 meine Aufmerksamkeit erregt. Das Konzept, über zwei oder gar noch mehr Charaktere zu verfügen, die auf verschiedenen Welten leben und miteinander durch ein mystisches Band kommunizieren können, war etwas Neues und gefiel mir. Leider waren keine Grundregelwerke mehr als Rezensionsmaterial verfügbar, so dass ich nun das Einsteigerregelwerk namens Spielbuch besprechen möchte.

Erscheinungsbild

Die Schnelleinsteiger-Regeln sind eine 25seitige DIN-A4-Broschüre mit Softcover, geziert von einer dualistischen Kreatur, die entlang des Scheitels geteilt ist und aus zwei Wesen besteht. Dies soll direkt darstellen, worum es in dem Rollenspiel geht. Der Hintergrund ist ein stellarer Nebel, auf dem Kopf des Covers thront das Logo des Spiels, darunter der Titel des Buches.

Das Innenleben ist schwarzweiß gehalten und von erfreulich vielen Illustrationen und anderen optischen Blickfängern aufgelockert, so dass der Eindruck langer, erdrückender Textwände gar nicht erst aufkommt. Lediglich der leichte Glanz des Papiers stört mich etwas bei ungünstigem Lichteinfall, da er sanft reflektiert. Haptik und Widerstandskraft sind jedoch in Ordnung.

Die harten Fakten:

  • Autor: Alexander Hartung
  • Seiten: 25
  • Verlag: Eigenveröffentlichung
  • Veröffentlichungsjahr: 2012
  • ISBN: Nicht herausfindbar
  • Preis: 5 EUR
  • Bezugsquelle: F-Shop (Klick)

Die Spielwelt

spherechild-spielbuch_cover

Die Grundidee des Werks ist, zwei oder gar mehrere Charaktere in verschiedenen Welten – hier Sphären genannt – zu spielen und zwischen diesen im Laufe eines Abenteuers hin- und her zu schalten. Daher finden sich im Spielbuch zwei Sphären in Auszügen beschrieben. Valcreon ist ein fast klassisch anmutende Fantasywelt, auf der vier verschiedene Rassen leben, angefangen von den menschlichen Siniten, über die gestaltwandelnden Tham, die sich verschiedenen Tieren verschrieben haben, hin zu den echsenhaften Qwe und den edlen Vendal, deren Haupt das eines Vogels ist. Diese Sphäre wird von der Brut Khelgus‘ bedroht. Bei dieser handelt es sich um das personifizierte Böse, welches sehr mächtige Untote in seinen Reihen hat. Die vier Völker unterscheiden sich teils stark voneinander, wenn es um Lebensstil und Ethik geht, soweit man das aus den knappen Texten herauslesen kann. Exotisch auf jeden Fall und „mal was anderes“.

Icros ist eine High Tech Welt, in der jedoch auch Magie existiert. Die Welt besticht dadurch, dass sie erfolgreich Ziel einer außerirdischen Invasion wurde, gegen die sich die Einwohner jedoch nach Jahrzehnten zur Wehr setzen konnten. Als Erbe der Außerirdischen blieben die Wandler zurück, Wesen, die gegen ihren Willen genetisch verändert wurden und Sklaven der Aliens waren. Diesen ist gemein, dass sie sich in eine andere Gestalt verwandeln können, die ihnen besondere Fähigkeiten gibt. Spieler stellen diese Wandler dar, die jedoch mittlerweile von der Bevölkerung der Sphäre gefürchtet und gejagt werden, also versteckt leben müssen. Auch bei den Wandlern gibt es vier Ausprägungen Dera sind schlanke und flugfähige Wesen, Eot haben ein reptilienhaftes Äußeres und gelten als Assassine und Späher, Barwi wurden für den Kampf erschaffen und sind massig, Fre sind die seltenen magiebegabten Wandler mit einem totenähnlichen Erscheinungsbild.

Allen diesen Sphären ist gemein, dass sie zum einen die Sphärenkinder beherbigen, Einwohner der jeweiligen Sphäre und zugleich Beschützer der Welt. Die Kinder der Sphären sind geistig mit ihren Geschwistern auf anderen Welten verbunden und können mit ihnen kommunizieren, sich sogar geistig projizieren. Als Clou können die Sphärenkinder sich Teile ihrer Kräfte gegenseitig leihen und auch Wissen transferieren.

Gemeinsam ist auch der große Feind, die Vhoort. Hierbei handelt es sich um transdimensionale Wesen, die die Macht der Sphären fürchten und sie daher aktiv zu zerstören versuchen. Erste Beschädigungen einer Sphäre zeichnen sich anhand ungewöhnlicher Ereignisse ab, gefolgt von einer Veränderung der Naturgesetze bis hin zum Zusammenbruch der Sphäre. Ob die oben genannte Brut Khelgus‘ oder die ausserirdischen Invasoren Schergen der Vhoort sind, ist nicht ersichtlich.

Die Regeln

Die Würfelei basiert auf dem W20. Der Zielwurf bestimmt sich durch die Schwierigkeit der zu bewältigenden Aufgabe. Eine Schwierigkeit von 10 wird als einfach angenommen und muss nur selten erwürfelt werden. Je schwerer es wird, desto höher ist der Mindestwurf. Auf das Ergebnis wird die Eigenschaft oder die Fertigkeit aufgeschlagen. Ist dann der Mindestwurf geschafft, ist die Probe gelungen.

Auffällig ist, dass es keine Kampffertigkeiten zu geben scheint. So ergibt sich auch, dass der Kampf rein von den genutzten Waffen abhängig ist. Jede Waffe hat einen Attackewert, die meisten Nahkampfwaffen besitzen auch einen Paradewert. Beide Werte sind mit einem Würfelwurf zu erreichen. Als Anpassungen können wilde Punkte in Form des A/P Bonus verteilt werden. Hierbei handelt es sich um einen Wert, der zwischen Attacke und Parade hin- und hergeschoben werden kann.

Magie nimmt eine besondere Rolle ein, weil sie nicht Sprüche benutzt, sondern Zauberschulen bzw. -bereiche. Das macht sie zu einem gewissen Teil natürlich deutlich freier, was mir sehr gefällt, aber auch etwas willkürlicher, wenn es um die Bestimmung von Effekt, Wirkung und Kosten geht. Für meinen persönlichen narrativen Spielstil ist das kein Problem, ich denke aber, dass es den einen oder anderen stören wird. Einige Beispiele für Zauberbereiche werden genannt.

Was mit absolut nicht zusagt, ist das Fehlen von Kampffertigkeiten. Die Kunst, mit einer Waffe umzugehen, nur von der Waffe selbst abhängig zu machen, setzt voraus, dass entweder jeder Charakter ein trainierter Kämpfer ist oder mutet sehr nach Rollenspielregeln lang vergangener Jahrzehnte an. Nichts für mich.

Besonderes Augenmerk verdienen die speziellen Kräfte der Sphärenkinder. Zum einen kann jedes Kind seine Fähigkeiten an die Geschwister für einige Minuten übertragen. Zum anderen hat jedes Sphärenkind individuelle Kräfte, die nur dieser Charakter hat. Einige Möglichkeiten stehen im Spielerbuch parat, mir ist die Liste zu kurz.

Der Austausch der Kräfte mit den Geschwistern anderer Sphären kostet Kraftpunkte, die nur beschränkt vorhanden sind. Zur Verdeutlichung wird vorgeschlagen, dass die Spieler Glasperlen benutzen. Wichtig ist hierbei zu beachten, dass die Geschwister sich einen Pool von Punkten teilen, so dass es hier taktisch hauszuhalten gilt.

Charaktererschaffung

Im Spielbuch werden vier fertige Charaktere je Sphäre vorgestellt, daher entfällt die Charaktererschaffung.

Spielbarkeit aus Spielleitersicht

Als SL habe ich es sehr einfach. Die Regeln sind kurz und logisch, die Sphären sind gut beschrieben, so dass ich mir mit etwas Kreativität schöne Geschichten ausdenken kann.

In diesen Abschnitt gehört auch, dass natürlich in für Schnelleinsteiger-Regeln typischer Weise ein Abenteuer mitgeliefert ist, welches die Spielwelt(en) erfassbar macht. Hierbei handelt es sich um einen Ritt durch zwei Sphären mit dem dazugehörigen Wechseln zwischen den Welten. Dabei muss ein Bösewicht aufgehalten werden, der eine Sphäre bedroht.

Das Abenteuer ist sehr linear aufgebaut und sicher in vier Stunden ohne Weiteres komplett spielbar. Das genügt aber in meinen Augen, um die Mechaniken zu verdeutlichen. An sich gelungen, offenbart es allerdings ein Problem, das auch das grundsätzliche Konzept zerstören könnte:

Beim Wechsel zwischen den Sphären nehmen die Wächter Kontakt zu ihren Geschwistern auf, teilen ihnen mit, was geschah und dann geht es weiter auf der anderen Welt. Mir fehlt hier einfach die Mystik, es wirkt alles etwas wie ein simples Telefonat mit einer anderen Stadt und dem dortigen Fortlaufen der Handlung. Vielleicht wird die fantastische Komponente im Grundregelwerk deutlicher herausgearbeitet – hier fühle ich mich angeködert und dann nüchtern fallen gelassen.

Spielbarkeit aus Spielersicht

Als Spieler finde ich sehr eingängige Weltenbeschreibungen vor, die mir ein gutes Gefühl geben für das, was machbar ist in der einen oder anderen Sphäre. Die Regeln sind leicht und in sich schlüssig.

Lässt man sich auf das Experiment ein, multidimensional vorhanden zu sein und mehrere geistige Geschwister zu haben, denke ich, dass man hier viel Spaß haben kann.

Preis-/Leistungsverhältnis

Unseren Informationen zufolge soll das Spielbuch 5 EUR kosten. Ich kenne die Preise in der Druckbranche und fände den Preis daher für ein kleineres Erweiterungswerk angemessen. Nicht angemessen ist er für ein Einführungsprodukt, wenn ich bedenke, dass andere Rollenspiele – vor allem im Indiesektor – deutlich günstiger oder gar kostenlos sind und wenn ich in Betracht nehme, dass es sich hier um ein Quickstart Regelwerk handelt.

Dann doch lieber direkt der Griff zum kompletten Grundregelwerk, meine ich.

Spielbericht

Aus Zeitgründen hat keine Testrunde stattgefunden, wohl aber ein durchgewürfelter Kampf.

Bonus/Downloadcontent

Spherechild RPG glänzt durch eine Fülle an Downloads. Diese finden sich hier: Klick

Fazit

Ich finde Spherechild nicht schlecht, wahrlich nicht. Das bloße Konzept bietet diverse Neuerungen und ist daher wert, getestet zu werden. Meine zu bemängelnden Hauptpunkte sind die Unabhängigkeit des Kampfes von entsprechenden Fertigkeiten und das unspektakuläre Wechseln der Charaktere.

Eines hat das Spielbuch jedoch geschafft: Es hat mich neugierig gemacht. Ich werde zu gegebener Zeit sicher noch einen vertiefenden Blick in das vollständige Grundregelwerk werfen, bevor ich ein endgültiges Urteil fälle.

Daumen3maennlich

 Artikelbilder: Alexander Hartung

 

 

2 Kommentare

  1. Hatte das Glück im Sommer mal eines der Abenteuer mitzuspielen und ich muss sagen, es hat unglaublich viel Spaß gemacht.
    Die vorgefertigten Chars sind echt super, das System ist schnell und einfach zu spielen. Die „negativ“ Eigenschaften der Chars haben, dank dem richtigen Eindsatz der SL, dafür gesorgt das wir eine Lachflashpause einelgen mussten.
    Mit der richtigen Gruppe, die in der Idee auch wirklich aufgeht, ein wahrer Genuss.

    LG

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