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Das Rollenspiel in virtuellen Medien wie Google+ ist in den letzten Jahren populär geworden. Dennoch – mit dem Erlebnis eines realen Spieltreffens ist das meiner Ansicht nach nicht zu vergleichen. Seit Jahren halten (Rollen-)Spielvereine die letztere Form der Spielkultur aufrecht und sorgen für soziale Interaktion auch neben dem Bildschirm.

Das KrähenNetz aus Krefeld ist einer dieser Vereine.  Auch wenn der Verein in dieser Form erst seit 2006 existiert, geht seine Historie bis zum Anfang der 90er Jahre zurück. Unter Schirmherrschaft der Gilde der Fantasy-Rollenspieler (GfR) etablierte sich damals die Regionalvertretung Krefeld mit dem schönen Namen „Die Seidenraupen“.

Heute begleiten sich beide Vereine gegenseitig im Hobby und können so ganze sechs Spieltermine im Monat anbieten. Das ist zum einen der Krefelder Rollenspielstammtisch, der von der GfR angeboten wird und jeden Freitag ab 18 Uhr in der Fabrik Heeder stattfindet. Jeden ersten und dritten Dienstag ab 19 Uhr findet zudem der Brot & Spiele Stammtisch der Spielereihe Colosseum Krefeld statt.

Hierfür ging das KrähenNetz eine Partnerschaft mit dem Kneipencafé JuLes‘ PAPP und dem Krefelder Spieleladen Spielzeit! ein. Alle Stammtische können ohne Voranmeldung besucht werden und stehen allen Neugierigen offen.

Colosseum-Flyer QR 2013
Colosseum-Flyer 

Doch der Hunger der knapp 60 Mitglieder nach weiteren Ereignissen ist nicht gestillt. Als ob der Treffen nicht genug wäre, gibt sich der Verein die Ehre, einmal jährlich die KrähenCon zu organisieren. Wohl verständlich, denn welcher Verein, der etwas auf sich hält, organisiert keine Convention?

Die KrähenCon findet seit 2007 in den städtischen Einrichtungen des Freizeitzentrums Süd in Krefeld statt und geht jeweils nonstop ein gesamtes Wochenende. 2013 ging die Convention in die siebte Runde.

Auf knapp 700 Quadratmeter inklusive Außenfläche, einer großen Aula, Übernachtungsmöglichkeiten, insgesamt drei großen Räumen und einer Küche, bietet das Freizeitzentrum Süd Platz für bis zu 180 Besucher.

Die Congeschichte ist jedoch deutlich älter, denn bereits seit Mitte der 90er Jahre organisierte die GfR eine Convention in der Krefelder Stadtbücherei.

Der Verein engagiert sich auch stark in anderen Bereichen und bemüht sich so zum Beispiel in aktiver Jugendarbeit Nachwuchs an das Hobby Tischrollenspiel heranzuführen.

Interview mit dem Vorstand

Wir hatten die Gelegenheit, einige Fragen an den Vorstand des Vereins zu stellen. Wir sprachen mit Nihil, Sven, Michaela und Mischa.

Nihil studiert Medien, Kultur und Politik und ist für Public Relations und Werbung zuständig. Er spielt seit 1993 Rollenspiele, hat mit DSA angefangen und bevorzugt heutzutage die New World of Darkness, Shadowrun und Earthdawn.

Sven wird bald 37 Jahre alt und ist Mitbegründer der Seidenraupen. Als Selbstständiger bringt er nicht mehr häufig die Zeit mit, selbst zu spielen. Auf der KrähenCon kümmert er sich um die generelle Information für die Besucher. Er spielt seit den frühen 90er Jahren des vorherigen Jahrtausends und hat auch mit DSA angefangen.

Michaela ist fast gleich alt und betätigt sich in der Politik, arbeitet als IT-Systemkauffrau und auch noch im künstlerischen Handwerk. Auch sie ist ein Rollenspielkind der frühen 90er Jahre und hat ebenfalls mit DSA angefangen. Seit knapp vier Jahren ist sie jedoch abstinent und stieg komplett auf das Liverollenspiel, Con-Orga und Politik um. Früher bevorzugte sie Rolemaster, die alte World of Darkness, Plüsch, Power & Plunder und anderes.

Mischa nullt bald zum vierten Mal und bezeichnet sich selbst als VIP-Krähe, Schreibtischtäter, Netzwerker und Fanboy. Rollenspielerisch hat er keine festen Präferenzen und spielt nahezu alle Systeme auf dem Markt in allen Genres. Derzeit mag er die Idee der Pocket-RPGs sehr. Zum Ausgleich liebt er es, bei Schriftstellern, Künstlern,  Verlagspromotern & Co. für gute Laune zu sorgen. 

Teilzeithelden: Zwei Rollenspielvereine in einer Stadt sind eine Seltenheit – wie kam es dazu und weswegen habt ihr einen eigenen Verein eröffnet und habt Euch nicht der GfR angeschlossen?

Michaela: Wir haben damals viele Leute für die Idee der KrähenCon begeistern können, die eigentlich nichts mit Rollenspielen zu tun hatten oder einer jüngeren Generation angehörten und auch keine GfR-Mitglieder waren. Die Zeit war generell eine Umbruchphase in der Spielelandschaft. Online-Games boomten, viele Spielegeschäfte machten dicht und die Szene schrumpfte. Es gab uns auch die Möglichkeit unabhängig alle Entscheidungen treffen zu können.  Aber wir haben viel von der Feencon gelernt und abgeschaut. Besonders der GfR-Vorstand hat uns viele wertvolle Tipps gegeben.

Mischa: Viele unserer „älteren“ Mitglieder waren selbst GfR-Mitglieder und in den 90ern an der Organisation der damaligen CoCoons in Krefeld beteiligt. Unsere Truppe hat sich in dieser Zeit parallel zu den verbliebenen Seidenraupen entwickelt, die in der aktuellen Location zuvor noch mehrere eigene Cons organisiert hatten. Ab 2007 haben die Krähen dann das Banner übernommen.

Teilzeithelden: Abseits der Stammtische und der Con – wie gestaltet sich die Zusammenarbeit beider Vereine?

Mischa: Da die meisten aktiven Seidenraupen auch bei den Krähen dabei sind, ist die Zusammenarbeit sehr gut. Auch einige Spielleiter, die weder Krähen noch Seidenraupen sind, unterstützen aktiv die Stammtische. 

Nihil: Wir verstehen uns als Netzwerker, die Zusammenarbeit ist also fließend.

KraehenConBanner

Teilzeithelden: Wie rekrutieren sich eure Mitglieder?

Michaela: Mitglieder rekrutieren sich in erster Linie beim Collosseum im JuLes‘ PAPP, aber auch durch den Rollenspielstammtisch in der Fabrik Heeder. Die KrähenCon selbst lockt auch immer wieder Neugierige an. Da wir immer wieder auf die jeweils anderen Veranstaltungen hinweisen, ergeben sich da wunderbare Synergien.

Teilzeithelden: Reden wir einmal über den Namen – wieso die Krähe?

Sven: Passt doch wunderbar. Von Fantasy, über Steampunk bis hin zu den düstereren Genres – die Krähe kann man immer unterbringen. Aber abgesehen davon ist die Krähe sowas wie das inoffizielle Wappentier von Krefeld, der Legende nach stammt der Name von „Krähenfeld“ ab. Also drücken wir damit auch unsere Verbundenheit zu unserer Heimat- und Spielstadt aus.

Teilzeithelden: Gibt es besonders etablierte Strömungen, was die favorisierten Spiele betrifft?

Sven: Klassiker wie DSA und Shadowrun gab es auf jeder Con bisher, wird es in diesem Jahr wieder geben, und vermutlich auch in ferner Zukunft. Auch Cthulhu, Würfelwelt und das Kartenspiel Werwölfe sind zu Klassikern auf der KrähenCon geworden. Natürlich gibt es auch Trends. Steampunk war in den letzten Jahren ein Riesenthema, in den 90ern mit der WOD waren es eher Vampire & Co. Wer weiß, was demnächst kommt? 

Mischa: Die „5er“? Shadowrun 5, DSA 5, D&D 5, Midgard 5? Wer weiß….

Sven: Es ist ja auch immer wieder spannend, neue Systeme kennenzulernen und auszuprobieren. Besonders schön ist es, wenn diese von Autoren und Machern selbst präsentiert werden. Einige werden vielleicht selbst Klassiker und so war man von der ersten Stunde an dabei!

Nihil: Dank der Rollenspielsammlung in der Mediathek Krefeld und nicht zuletzt durch die Partnerschaft mit der Spielzeit ist die Krefelder Rollenspielszene immer mit aktuellen Systemen versorgt. Was wir auch am Interesse für Pathfinder, Aborea, Savage Worlds und anderen sehen.

Plakat der Fabrik Heeder
Plakat der Fabrik Heeder

Teilzeithelden: Wie läuft so ein Stammtisch ab – erzählt doch mal!?

Michaela: Für die Stammtische läuft die Orga hauptsächlich über Facebook. Dort sprechen wir ab, wer welche Runde anbietet. Das Ganze wird dann auch auf unseren Seiten angekündigt. Mittlerweile ist es aber so, dass beim Collosseum nicht nur wir Runden anbieten, sondern viele Leute selber Spiele mitbringen oder die angebotenen Spiele nutzen, um selber zu leiten. Das Collosseum ist zu einem ordentlichen Selbstläufer mit Rollenspiel, Brett- und Kartenspielen geworden.

Nihil: Die Heeder-Abende sind ganz dem Rollenspiel gewidmet. Hier trifft sich seit zwanzig Jahren eine relativ feste Stammbelegschaft mit vielen Teilzeitspielern. Nachdem die Heeder vor einigen Jahren nur noch aus einer Runde bestand, da viele weggezogen sind, finden jetzt wieder im Schnitt drei Runden pro Treffen statt.

Teilzeithelden: KrähenCon 2014 – wann ist es soweit und welche Highlights erwarten die Besucher?

Mischa: Die nächste Con findet vom 6. bis 7. September 2014 statt – natürlich wie immer nonstop. Die Planung läuft schon auf Hochtouren und natürlich werden wieder Autoren, Illustratoren, Musiker und Promoter dabei sein. Genaueres gibt es dann regelmäßig auf unserer Facebook-Seite. Fest steht schon dass das Sträkel-Team wieder dabei ist, also wird es wieder nette Gimmicks wie die Gehirnschnecken geben.

Michaela: Unsere Küchenkrähen zaubern nicht nur die legendäre Vodoosuppe, sondern auch viele andere Köstlichkeiten wie veganes Chili und frisches Sushi.

Teilzeithelden: Bleibt es beim jährlichen Rhythmus oder können wir bald von zwei Terminen im Jahr ausgehen?

Sven: Eine Großveranstaltung im Jahr ist schon eine Menge Aufwand für Leute, die das eher „nebenbei“ betreiben, aber man soll nie „nie“ sagen.  Im Augenblick ist nichts konkret geplant, aber Ideen gäbe es genug. Also erstmal abwarten…

Teilzeithelden: In eurer Pressemappe kann man lesen, dass ihr euch in der Jugendarbeit engagiert. In welcher Form?

Mischa: Wir legen großen Wert darauf, gerade Kinder und Jugendliche für unsere Con zu begeistern. Manche von diesen „Neuinfizierten“ haben das auch schon in ihre Schulen und zu ihren Freunden getragen. 

Michaela: Jeder Spielleiter auf unserer Con, der eine Runde mit Kindern leitet, hat Anspruch auf einen „Krähenobulus“ pro Kind. Den kann man in der Küche gegen Nahrhaftes eintauschen. Bisher hat dies dazu geführt, dass der Altersdurchschnitt auf unserer Con trotz alternder Rollenspieler sehr niedrig geblieben ist.

KrähenCon LogoTeilzeithelden: Welche Lehren habt ihr daraus mitgenommen, die ihr an andere Vereine anderer Städte weitergeben könnt?

Sven: Es wird ja nicht einfacher, junge Leute für das Pen&Paper-Rollenspiel zu begeistern. Ich will hier nicht das Klischee vom Computerrollenspieler bemühen, aber um Jugendliche für „klassisches“ Rollenspiel zu interessieren, braucht es Spielleiter, die mit Herzblut dabei sind. Außerdem kommen uns auch die gute Vernetzung und der Einsatz von Facebook usw. zugute.

Nihil: Bei dieser Arbeit ist es wichtig, nicht nur auf social media zu setzen, sondern auch Ressourcen der eigenen Partner zu nutzen und offen auf Jugendamt, Jugendtreffs und  Bibliotheken zuzugehen.

Michaela: Die Jugendlichen und auch Kinder in die Planung und Durchführung mit einzubeziehen. Man kann ihnen ruhig etwas zutrauen, die Kids schaffen es durchaus VIPs zu betreuen, in der Küche zu verkaufen oder beim Aufbau aktiv zu sein.

Mischa:  Wir nutzen die  unterschiedlichen Stärken unserer Krähen – bei uns funktionieren regelmäßige Treffen, die nur der Vorbereitung dienen. Außerdem haben sich feste Ansprechpartner für die VIPs wie Künstler, Händler und Supporter als effektiv erwiesen.  Kurze Kommunikationswege, fest zugewiesene Aufgaben und Deadlines sind absolut notwendig für einen reibungslosen Ablauf.

Teilzeithelden:  Rückblickend auf die Vergangenheit – was war der größte Erfolg und der größte Patzer?

Nihil: Der größte Erfolg war unsere Aktion, bei der wir im Frühjahr 2012 alle deutschen Rollenspielverlage für Buchspenden für eine neue „Rollenspielecke“ in der Mediathek Krefeld kontaktiert haben. Von Anfang an war die Resonanz der Verlage überwältigend. Ebenso die Menge an Material, die uns erreichte.   Insgesamt haben wir 38 Exemplare von deutschen Regelwerken und Quellenbüchern im Verkaufspreis von 836,00 Euro bekommen, die wir der Mediathek übergeben haben.

Hier können wir davon ausgehen, dass dies die größte (deutschsprachige) Sammlung von Regelwerken in einer deutschen Bücherei ist, die Spielern zur Ausleihe bereitsteht. Nur wenige Monate später hatten viele Verlage diese Idee aufgegriffen und eigene, ähnliche Initiativen für Rollenspielvereine gestartet. Gerade deshalb sind wir sehr stolz darauf! Im Studium würde ich sagen, dass die  „Anschlusskommunikation“ unserer „non-profit PR-Kampagne“ bestens gelungen ist. 

Einen Patzer haben wir eigentlich nur gelegentlich beim Spielen selbst. Bei unserer Arbeit und den Veranstaltungen gäbe es nichts, was wir so arg verbockt hätten, dass wir es als Patzer oder Misserfolg kategorisieren würden.

Teilzeithelden: Reden wir über die Zukunft. Was plant ihr? Bleibt es beim Status Quo oder wird es Höher-Weiter-Schneller?

Nihil: Dieses Jahr steht ganz im Zeichen des 20-jährigen Jubiläums des Rollenspielstammtisches in der Fabrik Heeder. Dafür haben wir das eine oder andere Special geplant. Im März unterstützen wir die Spielzeit bei der Austragung des jährlichen „Gratis-Rollenspieltag“.

Für die Zukunft würden wir gerne noch intensiver mit der Stadt Krefeld zusammenarbeiten. 

Solange wir konstant auch Neulinge bei unseren Veranstaltungen sehen, werden wir auch unsere Arbeit fortführen.

KrähenNetz Logo

Teilzeithelden: Gibt es noch etwas, was wir nicht angesprochen haben?

Sven: So einiges, aber das würde wohl den Rahmen sprengen. Vielleicht nochmal kurz zur KrähenCon. Man kann an so einem Nonstop-Wochende ja nicht die ganze Zeit nur spielen – na gut, einige schon. Daher haben wir auch immer ein Rahmenprogramm mit Lesungen, Live-Musik usw.

Nihil: Wir sind immer auf der Suche nach neuen Autoren, Künstlern und Musikern, die Lust hätten auf der Con ihre Werke vorzustellen. Dazu könnt ihr gerne unser Team unter orga[at]kraehencon.de kontaktieren.


Teilzeithelden: Ein paar Worte an unsere Leser?

Mischa: Ich finde verlagsunabhängige Kreative sehr wichtig für den Fortbestand des Hobbys. Meldet euch als Spielleiter! 

Nihil: Der Spielleiter hat immer Recht. Besucht doch mal unsere Facebook-Seiten, um über unsere Treffen und der nächsten Con auf dem Laufenden zu sein.

Sven: Wenn Ihr aus der Nähe seid, schaut doch mal auf dem Stammtisch vorbei, oder besucht uns auf  der KrähenCon. Wir wollen nur spielen.

Michaela: Dabei sein ist alles!

Teilzeithelden: Vielen Dank und viel Erfolg auf dem weiteren Weg!

Weiterführende Links

 

Artikelbilder: KrähenNetz, mit freundlicher Genehmigung.

 

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