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Ich stehe zugegebenermaßen Fantasy-Musik-Projekten immer etwas skeptisch gegenüber, da zum einen die Definition von Fantasy-Musik sehr weit gefasst ist und zum anderen eben auch die individuellen Geschmäcker und Vorstellungen dieser sehr unterschiedlich sind. Der eine bevorzugt seine Musik sanft und vor sich her plätschernd, der nächste wiederum braucht es brachial und episch.

Das hängt natürlich auch von den Geschehnissen des gespielten Abenteuer ab. Da fällt es schwer, all auf einem Tonträger das zu vereinen. Oft ist das Werk auch von den Vorstellungen der Macher geprägt, die sehr von den eigenen abweichen und häufig leider auch sehr ins Klischee abrutschen.

Das Komponisten-Duo X-Score, bestehend aus Jan Haak und Kosta Kazantzis, liefert auf seinem ersten kommerziellen Release jedoch eine hervorragende Mischung aus leisen Klängen, unheimlichen Stimmungen, sowie heldenhaften Hymnen ab. Ich ertappte mich bereits nach dem ersten Durchhören dabei, dass ich eine Melodie vor mich hin summte – wenn das kein gutes Zeichen ist!

Es macht Spaß, dieses Album zu hören und es in Spielrunden zur Untermalung der verschiedensten Szenerien einzusetzen. Für beinahe jede Gelegenheit ist etwas dabei.

Tracks

A Storm is coming

Ein stimmungsvoller Auftakt für ein Fantasy-Album, der den Hörer direkt in eine andere Welt entführt: Bedrohlich und ominös hört man zunächst nur einen Synthesizer-Loop, Streicher und ein leises Hackbrett . Eine Glocke erklingt. Die Melodie beschwört dunkle Wolken herauf, die sich langsam über den Horizont schieben. Jedoch ist man nicht ganz sicher, ob es sich um ein Wetterphänomen handelt oder um die Staubwolke einer gigantischen Armee. Einsam und klagend erklingt ein Horn und kündet von Hoffnung. Dann erschallt ein kraftvoller Chor, der von Mut und Opferbereitschaft erzählt.
Das ist sehr gut zum Foreshadowing geeignet. Also, um der Gruppe anzukündigenden, dass ihnen noch weitere, epische Abenteurer bevor stehen. Oder für einen epischen Cliffhanger am Ende eines Kampagnenabschnittes. Diese Gefahr ist gebannt, doch neue Abenteuer warten auf die Helden.

A Heros Quest

Stimmungsvoll geht es weiter. Ein Horn etabliert den typischen Helden-Score, der sich als roter Faden durch das Stück zieht und zu Heldentaten motiviert. Episch und verklärt, kraftvoll und wild kommt die Melodie daher und beleuchtet alle Stationen auf des Helden Weg. Verspielt schlüpft ab und an die Tin Whistle zwischen die Klänge und lockert den Schlachtenlärm etwas auf.
Ich könnte mir vorstellen, dieses Stück als Thema für eine Art Montage zu nutzen, in der die Gruppe beschreibt, was sie tut, um sich auf eine kommende Schlacht vorzubereiten. Oder den Auftritt eines NSC-Herrschers, dem es zu folgen gilt. Der mit wehendem Banner voran ins Abenteuer reitet – die Gruppe an seiner Seite, als treue Mit-Helden auf dem Pfad der Ehre.

Elven Sanctuary

Der Einsatz der Leier, um den Elfen ein unverwechselbares Flair zu geben, ist ein Stilmittel, das mir sehr gefällt. Vermischt mit den schönen, sanften Vocals, Harfe und Hackbrett ergibt sich ein fremdartig, traurig und melancholischer Mix. Dieser ist ungewöhnlich, will man ein Heiligtum des Hohen Volkes beschreiben. Das Stück ist recht kurz, aber sehr emotional. Man kann es sicherlich auch anders auslegen, aber mir kamen die folgenden Bilder in den Kopf:

Die Helden betreten eine vom Kampf verwüstete, heilige Stätte. Leise seufzt der Wind durch die Ruinen und noch immer knistert hier und da ein Feuer. Überlebende Priester bemühen sich, Gefallene und Verletze zu bergen und starren die Gruppe mit großen, angstvollen Augen an. – Wie konnte das passieren?!

Das Komponisten-Team X-Score
Das Komponisten-Team X-Score

Hold The Gates

Episch und gewaltig. Trommeln und Klangstäbe. Wuchtige Streicher treiben die Schlacht voran und die Krieger hinaus auf das Feld der Ehre. Hörner und Trompeten blasen zum Angriff und befehlen die Stellung zu halten – um jeden Preis!

Ein Stück, das seinem Namen alle Ehre macht. Ich kann sehr gut vor mir sehen, wie die eingekesselte Spielergruppe, zusammen mit einer Handvoll NSC-Soldaten verzweifelt versucht, das Tor einer Burg gegen die draußen anstürmenden Horden der Feinde zu halten. In einiger Entfernung donnern die Trommeln der gegnerischen Armee, während im Burghof der Mut der Verzweiflung zu Heldentaten anspornt! Haltet aus! Verstärkung naht!

Tears For The Fallen

Ein schwerer, dumpfer, nachhallender Paukenschlag und eine tiefe Klaviernote eröffnen die Totenklage. Einige wenige hohe Piano-Noten vermitteln ein Gefühl von Zerbrechlichkeit und Vergänglichkeit. Streicher übernehmen die Noten und lassen die Trauer aufwallen, unterstützt von einer sanften Flötenmelodie. Dann setzt ein verhaltener Chor ein und die Musik schwillt langsam an, doch bevor sie sich ganz empor schwingen kann, wird sie jäh vom Schlag der Pauke eingeholt und wieder hinab bezogen in die Tiefen der Trauer. Ein Duduk stellt sich klagend an die Stelle der Flöte und kündet von Reue und Verzweiflung. Hervorragend arrangiert und herrlich umgesetzt.
Wenn ein wichtiger, geliebter NSC, oder gar ein Spielercharakter in eurer Kampagne stirbt, so ist dieses Stück der Weg, um der Gruppe klar zu machen, dass sie einem Meilenstein beiwohnen.
Ein brennender Scheiterhaufen kommt in den Sinn. Die SC stehen im Kreis um das Feuer und gedenken des gefallenen Freundes.

Ghosts Of A Battlefield

Gruselig und eindringlich. Verstörend. Sehr Synthesizer- und Percussion-lastig, birgt dieses Stück die Gefahren der Unterwelt in sich. Dumpfes, an- und abschwellendes Brummen und Wummern. Unnatürlich und bedrohlich. Minimalistisch und fremdartig. Kaum eine erkennbare Struktur, eher nur Rhythmen mit eingeworfenen Fetzen einer Melodie. Irgendwo in der Ferne, erklingt das Echo eines Trompeten-Taps. Ein hervorragender Loop für Ausflüge in die Welt der Geister – oder wenn diese auf die Welt der Helden zugreifen sollte.

Forest Of The North

Eine Gitarre, etwas Percussion, eine einsame Geige, Trommeln, eine tiefe Flöte und eine Uillean Pipe vermitteln einen Eindruck vom hohen Norden. Wildes und ungezähmtes Land. Tiefe, dunkle Wälder, durchzogen von schroffen Felsen. Tiefe Schluchten, die es zu überwinden und misstrauisches Volk, das zu überzeugen gilt.
Für mich steht die Gruppe hier an einem Scheideweg ihrer Queste. Wollen sie sich in dieses unbekannte Territorium wagen und Helfer im Kampf gegen die drohenden Gefahren suchen, oder entscheiden sie sich dagegen?

Temple Fight

Rhythmisch und treibend. Mitreißend und natürlich heldenhaft. Trommeln, Percussion, Cellos und Zimbeln.
Für mich untermalt dieses Stück keinen Massenkampf. Eher ein Duell. Einer gegen Einen. Diszipliniert und ehrenvoll. Ein letzter Kampf zwischen einem Spieler und einem NSC (vielleicht ein Zwischengegner), auf Leben und Tod. Ein Highlight für einen Spieler, dessen Charakter seiner Nemesis gegenüber tritt und endlich seine Rache einfordern kann.
Ich kann mir gut vorstellen, dass der Paladin, kurz bevor der SL dieses Stück anspielte, sagte: „Dies ist mein Kampf.“

Marketplace Trickster

Unter den alltäglichen Klängen eines Marktplatzes hebt die Kapelle der Gaukler zum Spiel an und begleitet ihre Kollegen bei allerlei Tricks und Kunststückchen. Leider ist mir persönlich dieses Stück ein wenig zu kurz geraten. Es ist spaßig und macht Laune, aber in knappen 2 Minuten kann man kaum die Eskapaden einer Schaustellertruppe in die Erzählung einfließen lassen. Schade.
Es könnte jedoch wiederum recht gut als Thema für einen Schelmen-Charakter, oder ähnliches, herhalten.

Gathering The Warriors

Einmal mehr dröhnen Trommeln durch die Stille und eine eindringliche Nay-Flöten-Melodie stimmt auf große Taten ein. Ein von Percussion begleiteter, wuchtiger Chor vervollständigt das epische Bild einer herannahenden Armee, beziehungsweise eines Aufmarsches von epischen Ausmaßen.
Hier drängen sich Bilder eines nebelverhangenen Schlachtfeldes auf. Zwei gewaltige Heere, die sich gegenüber stehen und auf den Beginn der Schlacht warten.

Oblivion

Dieses Stück überrascht. Es sind nicht die Klänge, welche man bei einem solchen Titel erwartet, die über den Kopfhörer schallen. Ein mittelschneller Rhythmus, eine Uillean Pipe, eine Piccolo Flöte und eine Posaune schlagen über Trommeln und Percussions einen recht heroischen Ton an. Streicher vermitteln eine gewisse Emotionalität und der Chor der gen Ende einsetzt, setzt dem Ganzen die Krone auf.
Hier reitet ein Held dem Vergessen entgegen. Jedoch nicht voller Trauer, oder gar Angst. Er reitet voller Mut und Zuversicht. Wissend, dass er nicht überleben wird, und doch zufrieden im Wissen, dass er die Welt rettet. Noch einmal sieht er sein Leben an sich vorüber ziehen und lächelt dem Tod ins Angesicht.

Running With The Forest Spirits

Ein wilder, lebensfroher Rhythmus auf Laute und Trommel, begleitet von den großartigen Stimmen der Damen einer ukrainischen Folk-Band. Kein sanftes Elben-Gesäusel, das von der Schönheit des Waldes erzählt. Nein, ein kraftvoller Gesang voller Leben und urtümlicher Magie. Hier passt der Titel wie die sprichwörtliche Faust aufs Auge. Die Gruppe hetzt durch einen Wald, begleitet von seinen Kreaturen, ob nun sterblich oder unsterblich. Ein Wettrennen, der puren Freude am Laufen willen.

Somber Soul (The Mountain Song)

Etwas ruhigere Töne werden angeschlagen. Gleichwohl ich diesen nur wenig „Trübsinn“ (engl. somber = trübsinnig) andichten kann. Die hohen Töne der Vocalistin lassen zwar mit viel gutem Willen etwas Trübsal aufkommen, die schnelle und teils recht fröhliche Melodie von Trommel, Laute, Harfe, verschiedenen Flöten und Glockenspiel erscheint mir aber wenig dem Titel entsprechend. Ich muss zugeben, dass mich dieses Stück etwas verwirrt zurück lässt. Ich kann es nicht wirklich einordnen.

Sleeping Goblin Tavern

Was gehört zu einer jeden Fantasy-Runde? Richtig, die Taverne, in der die Gruppe feiern und sich erholen kann. Oder, ganz klassisch, ihren nächsten Auftrag ergattern darf. Zwar ist dieses Stück von Rhythmus her eher ein mittelalterlicher Tanz, doch mag solcherlei Musik ja durchaus in einer städtischen Taverne gespielt werden. Ein wenig Geräuschkulisse dazu und fertig ist die Kneipenstimmung. Einzig schade finde ich, dass die Tavernengeräusche nicht über die komplette Länge des Stückes eingespielt werden. Das erschwert dessen Verwendung als stimmungsvollen Hintergrund-Loop etwas.

Forgotten Sins Of A Lost Town

Nebel wabert durch die verfallenen Straßen und verhüllt die Ruinen der Häuser und was in ihnen lauern mag. Er erschwert die Sicht auf das, was die Helden erwartet. Ein seltsames Licht erhellt den schweren Dunst und lässt Schweiß auf die Stirn treten. War da ein Geräusch? Ist da jemand oder etwas?

Ein dumpfer, langsamer Rhythmus auf einer alten Flachtrommel, Streicher, die schräg über die Saiten ziehen, unheimliche Klänge und tiefes Dröhnen aus dem Synthesizer … Daraus sind die Albträume einer jeden Heldengruppe gebaut. Herrlich gruselig!

Dark Magic

Verhaltener Regen plätschert dahin. Wieder ein tiefes, etwas schrilles Dröhnen aus der technischen Trickkiste. Eine spärlich, aber präzise eingesetzte Shakuhachi -Flöte, eine Koto-Zither und tiefe, wuchtige Trommeln. Zimbeln, die dem unheiligen Rhythmus folgen und dunkle Götter anrufen. Kraftvolle Stimmen, die einen Konterpunkt setzen. Immer wilder wird das grausige Ritual, bis den Beobachtern die Haare zu Berge stehen.

Auch hier erreichen die Komponisten eine wunderbar gruselige Stimmung, die von kaum zurückgehaltener Macht erzählt und vom Verderben all jener, die ihr zu nahe kommen.

Mountain Duel

Trommeln und Klangstäbe geben einen kraftvollen Rhythmus vor, dem sich einmal mehr die japanischen Instrumente Koto und Shakuhachi untermischen. Hornstöße und eine atemlose Stimme, die keuchend einsteigt, lassen die Stimmung eines rituellen Duells aufkommen. Oder einer finalen Begegnung zwischen Todfeinden. Ein großartiger Loop, der wunderbar eingesetzt werden kann, um intensive Kampfszenen zu untermalen.

Foreign Shores

Hier kommt erneut die hervorragend gespielte japanische Shakuchachi-Flöte zum Einsatz. Und wenn ich mich nicht irre, ein Shamisen. Die Melodie ist ebenfalls asiatisch beeinflusst, was hilft, den Eindruck fremder Gestade zu vermitteln. Ein wunderbares Stück, um die Helden auf eine lange Reise zu schicken, oder eben, um sie an einer fremden Küste anlanden zu lassen, die ersten Eindrücke einer fernöstlich angehauchten Kultur aufnehmend.

Emotionalität

Das Album strotzt für mich nur so vor Emotionen. Beinahe jeder Track beschwört eindringliche Bilder und Stimmungen vor dem geistigen Auge herauf. Die Künstler haben es geschafft, die Melodien und Rhythmen nicht einfach nur in 0815-Klischee-Manier zu produzieren, sondern ihnen individuelle Eindrücke und Impressionen einzuhauchen.

Ich freue mich schon darauf, diverse Stücke bei Rollenspielrunden einzusetzen.

Verwendbarkeit

Wie bereits zuvor gesagt, freue ich mich darauf, diese Musik in RPG-Runden einzusetzen. Denn gleichwohl manche Stücke ruhig etwas länger hätten sein können, sind sie dennoch wunderbar vielschichtig und eindringlich.

Ich könnte mir vorstellen, dass zum Beispiel Running With The Forest Spirits als wunderbare Untermalung für einen sehr naturverbundenen Charakter (Schamanen, Druiden, etc.) dienen kann, der eine spirituelle Queste erlebt. Dark Magic zerrt die Charaktere in ein dunkles, böses Ritual, das es zu stoppen gilt! Tears for the Fallen ist einer meiner Favoriten. Dieses Stück drückt auf die Tränendrüse. So müssen gefallene Helden in Szene gesetzt werden. Mountain Duel ist kraftvoll und schnell. Ein episches Duell zwischen Charakteren, oder gegen NSCs kann mit diesem Track noch ein ganzes Stück epischer werden.

Preis-/Leistungsverhältnis

8,99 EUR im Download bei Amazon oder iTunes ist absolut in Ordnung für ein derartiges Qualitätsprodukt!

Erscheinungsbild Cover/Verpackung

Vault of Oblivon CoverDie Cover-Illustration besteht aus einem etwas abstrakten, ziemlich düsteren, in Rot- und Grau-Tönen gehaltenen Bild. Es zeigt eine tiefstehende, von Rauchschwaden aus den Schloten der nahen Hafenstadt umwogte Sonne. Auf dem Meer ankern einige Schiffe, oder ähnliche Konstrukte.

Die harten Fakten:

  • Komponist: X-Score( Jan Haak und Kosta Kazantzis)
  • Erscheinungsjahr: 2014
  • Format: Download
  • Spieldauer: knapp 54 Minuten
  • ASIN: 1396598372
  • Preis: 8,99 EUR
  • Bezugsquelle: Amazon (Download)

 

Bonus/Downloadcontent

Das erste, nicht kommerzielle, Album kann auf der Website von X-Score kostenlos heruntergeladen werden.

Fazit

Ein genialer, kommerzieller Erstling, der Lust auf mehr macht! Das Album ist randvoll mit schönen und vor allem stimmungsvollen Tracks, die teils auch emotional unter die Haut gehen.

Die Komponisten Jan Haak und Kosta Kazantzis haben Ihr Ziel, „nicht einfach nur eine zweckdienliche Liedersammlung zu haben, sondern gleichzeitig ein abwechslungsreich klingendes Album mit Ohrwurmpotential, das man einfach einlegen und genießen kann.“ erreicht.

Ich ertappe mich immer mal wieder dabei, dass ich Melodien vor mich her summe, oder -pfeife. Ich bin mir absolut sicher, dass dieses Album Einzug in meine RPG-Runden halten wird. Durch die Verwendung vieler echter, traditioneller Instrumente und den geschickten Einsatz der Elektronik zur Unterstützung, haben X-Score es geschafft, ein Album zu produzieren, das für mich ohne Frage mit den Großen des Genres mithalten kann.

Durch den Schwerpunkt auf „passende Stimmung für ein Rollenspiel“ hebt es sich auch davon ab. Wenn es ginge, würde ich zwei „Daumen hoch“ verleihen, aber muss mich auf einen beschränken.

Weiter so, X-Score!

Daumen5maennlich

Artikelbilder: X-Score

 

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