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Epic Level Handbook. So hieß das Regelwerk von D&D3.0, mit dem man die Stufen jenseits der 20 bespielen konnte. In diesen Stufen wurden die Fähigkeiten der Helden und auch der Gegner wirklich legendär und weltverändernd. Mythic Adventures versucht das Gleiche für Pathfinder. Allerdings auf einem anderen Weg, denn Pathfinder ist nicht D&D. Aber kommen wir zuerst einmal zum Äußeren, bevor wir uns den inneren Werten widmen:

Erscheinungsbild

Pathfinder_MythicAdventures_CoverWie bei Pathfinderbüchern üblich, ist die Produktionsqualität sehr hoch. Hochglanzpapier, vollfarbig, die Seiten griffig, die Bindung solide.

Wie gewohnt ist der Text zweispaltig gedruckt, gut lesbar, wird oft durch gute Grafiken aufgelockert, aber besteht mitunter auch aus kolossalen Textwänden. Inhaltsverzeichnis und Index sind natürlich vorhanden und auch ausreichend umfangreich.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Paizo Publishing
  • Autor(en): Jason Buhlmann
  • Erscheinungsjahr: 2013
  • Sprache: Englisch
  • Format: Letter
  • Seitenanzahl: 256
  • ISBN: 9781601255495
  • Preis: 30,99 EUR bis 32,95 EUR
  • Bezugsquelle: Amazon (Klick), Sphärenmeisters Spiele (Klick)

Die Regeln

D&D hat die Grundklassen durch Prestige Classes diversifiziert. Und das Epic Level Handbook ging ebenfalls in diese Richtung: Wenn man Punkt X erreicht hat, steigt man weiter als etwas anderes auf. Pathfinder hat mit diesem Konzept weitestgehend gebrochen, und so ist man schon relativ früh genau in der Klasse, die man bis zum Ende sein wird. Folgerichtig wird man auch nicht erst mit Level 20 „episch“ (mythisch in PF-Sprech), sondern kann damit auch schon früher beginnen. Oder auch nicht. Denn viel mehr als es sonst üblich ist, hat der Spielleiter die Kontrolle darüber, ob und wie mythisch die Charaktere werden können.

Um überhaupt mythische Kräfte zu entwickeln, muss ein besonderes Ereignis geschehen. Ein Abgesandter eines Gottes kommt zum Charakter und offenbart ihm, dass dieser der Sohn des Gottes ist. Oder ein Artefakt explodiert in den Händen und ein Teil der Macht beseelt fortan den Charakter. Oder noch viele andere Möglichkeiten, die völlig dem Spielleiter überlassen sind.

Sobald dieses Ereignis (Ascension – Aufstieg in neugermanisch) eingetreten ist, wählt der betroffene Charakter einen Mythic Path, eine Art mythische Charakterklasse, die er nun zusätzlich zu seiner normalen Charakterklasse hat.

Es gibt sechs verschiedene Pfade: Archmage, Champion, Guardian, Hierophant, Marshal, Trickster. Für jede Rolle, die üblicherweise gespielt wird, findet sich hierbei etwas Passendes. Oder wenn nicht, kann man über ein Mythic Feat auch noch einen zweiten Pfad beimischen.

Aber kommen wir zu den einzelnen Vorteilen, die die Pfade verleihen:

  • Zusätzliche Trefferpunkte: Je nach Pfad zwischen 3 und 5 pro Tier (Stufe) in dem Pfad, durch nichts modifiziert, sondern einfach als fester Bonus
  • Grundlegende Mythische Fähigkeiten: Fähigkeiten, die jeder mythische Charakter automatisch bekommt. Diese reichen von einem Pool an Punkten, die man pro Tag verwenden kann, um diverse mythische Fähigkeiten zu aktivieren bis hin zu dem Umstand, dass ausreichend mächtige mythische Charaktere nur noch durch Artefakte dauerhaft getötet werden können.
  • Zusätzliche Attributssteigerungen: Auf jeder geraden Stufe kann man ein Attribut um zwei Punkte steigern
  • Mythic Feats: Auf jeder ungeraden Stufe erhält man ein Mythic Feat. Diese Feats können nicht auf andere Art und Weise erlangt werden, als im Mythic Path aufzusteigen. Die meisten von ihnen sind verbesserte Varianten von bereits bestehenden Feats und haben eben diese Feats als Voraussetzung. Aber es existieren auch andere Feats, die es erlauben, zusätzliche Path Abilities zu lernen, einen zweiten Pfad zu erlangen, etc.
  • Mythic Path Abilities: Bei jedem Aufstieg kann man sich eine Path Ability aussuchen. Entweder aus einer allgemeinen Liste, oder aus der Liste des eigenen Pfades. Zusätzlich bietet jeder Pfad auf Stufe 1 die Auswahl zwischen drei Fähigkeiten, die es erlauben, zusätzliche Zauber zu wirken, zusätzliche Angriffe zu machen, etc.

Die Abilities sind dabei Brot und Butter des Buches. Hier findet sich eine sehr hohe Anzahl an Dingen, die es Charakteren erlauben, völlig neue Dinge oder aber alte Dinge wesentlich besser zu tun. Wie üblich sind auch bei diesen Fähigkeiten die wirklich mächtigen nicht sofort wählbar. So gibt es die Abstufung zwischen Tier 1, 3 und 6 Powers.

Und wirklich mächtige Dinge sind auf jeden Fall darunter. Beispiel gefällig?

Critical Master (Ex): Whenever you roll a critical threat against a non-mythic creature, you automatically confirm the critical hit and deal the maximum amount of damage to that creature. This ability can be selected twice. The second time it is selected, it also applies to mythic creatures.

Autsch!

Apropos schmerzhafte Dinge: So interessant die meisten Fähigkeiten auch sind, so musste ich leider doch feststellen, dass das Lektorat hier reichlich geschlampt hat. Kaum eine Seite verging, ohne dass ich über eine Fähigkeit gestolpert wäre, die irgendwie schlecht durchdacht oder formuliert wäre. Fähigkeiten waren unklar formuliert und damit interpretationsbedürftig, oder aber schlichtweg nicht nutzbar, so wie sie geschrieben waren. Auch hier ein Beispiel:

Das Monstertemplate Arcane verleiht die Fähigkeit Mythic Spellcasting, mit der das Monster mythische Versionen von Zaubern verwenden kann. Diese Fähigkeit beschreibt explizit, dass dies wie üblich Mythic Power kostet. Genau diese bekommt das Monster über das Template aber nicht, so dass es die neue Fähigkeit gar nicht nutzen kann. Das ist auch den Schreibern des Abenteuers nicht aufgefallen, in dem eben solche Monster vorkommen, und in deren Taktik Bezug auf die mythischen Zauber genommen wird, die sie wirken sollen.

Moment, Monster, Template, Abenteuer? Ach ja, neben den Mythic Paths enthält das Buch auch noch eine ganze Menge anderer Dinge:

  • Neue Magische Gegenstände, die größtenteils nur von mythischen Charakteren sinnvoll nutzbar sind. Dazu unzählige neue Artefakte, sowie eine neue Kategorie von Gegenständen: Legendary Items. Diese wachsen in ihrer Macht mit der Macht des Trägers.
  • Mythische Zauber – verbesserte Varianten bereits vorhandener Zauber, die meist den üblichen Effekt machen, mit größerer Fläche, Schaden, Effekt und/oder Dauer und die teilweise für zusätzliche mythische Energie auch noch weiter verbessert werden können. Und natürlich mit erhöhtem Coolness-Faktor. Zumindest will ich irgendwann einmal sagen: „Ich zaubere einen Augmented Mythic Meteor Swarm/Wish/Whatever!“
  • Hinweise für den Spielleiter, wie er mythische Kampagnen gestaltet und von normalen Kampagnen unterscheiden kann, samt einem Hinweis auf die Struktur des Monomythos (wir beleuchteten den Monomythos einst), der für mythische Kampagnen wie geschaffen ist.
  • Mythische Monster, sowie Templates, um beliebige Monster mythisch zu machen. Bei den Monstern handelt es sich vollständig um verbesserte Varianten klassischer Monster, die vom relativ harmlosen mythischen Skelett (Challenge Rating 1/Mythic Rank 1) bis hin zum Mythic Great Red Wyrm (Challenge Rating 25/Mythic Rating 10) reichen.
  • Fire over Blackcrag, ein Abenteuer für Helden der Stufe 7, die mythische Kräfte verliehen bekommen, um eine finstere Göttin daran zu hindern, einen Vulkan ausbrechen zu lassen und damit den Ort Blackcrag zu vernichten.

Spielbarkeit aus Spielleitersicht

Das schönste für Spielleiter an den Regeln ist, dass er selbst absolut bestimmen kann, ob die Spieler das Regelwerk überhaupt sinnvoll verwenden können, denn ohne die von ihm gesteuerte Ascension gibt es erst gar keine Diskussion. Und auch danach bestimmt er, wie schnell der Aufstieg in den Mythic Tiers vorangeht (denn dafür müssen Trials geschafft werden, besondere Prüfungen, die wieder von ihm eingebaut werden müssen). Auch wird ihm und den Spielern mit dem Abenteuer ein kurzer Ausflug in diese neue Welt ermöglicht. Und auch wenn das Abenteuer kein Glanzstück ist, so ist es doch solide und bietet einen guten Einblick in die neuen Möglichkeiten, die da Buch bietet.

Ein wenig Arbeit oder spontane Regelauslegung sind wegen der vielen Fehler nötig, die das Buch noch enthält.

Spielbarkeit aus Spielersicht

Wer mit seinen Charakteren gerne unglaubliche Macht entwickeln und weit über dem Rest der Welt stehen will, dem gibt dieses Buch die Regeln dafür an die Hand. Vorausgesetzt, der Spielleiter schafft die Voraussetzungen dazu.

Dummerweise muss bei vielen Fähigkeiten mit dem Spielleiter noch gesprochen werden, wie sie denn genau funktionieren (s.o.), was zu Streit bei einem Versäumnis und dann unterschiedlicher Auslegung führen kann.

Preis-/Leistungsverhältnis

Knapp 31 EUR für ein Hardcover in guter Qualität mit viel Inhalt. Viel von dem Inhalt ist nicht wirklich neu, sondern nur eine Verbesserung bekannter Feats/Monster/Zauber. Aber in dem Kontext des Buches ergibt das durchaus Sinn, denn große Helden können nicht nur ganz spezielle Dinge, sondern eben auch normale Dinge einfach besonders gut.

Nur bei den Monstern hätte ich mir mehr Originalität gewünscht.

Bonus/Downloadcontent

Bisher ist uns noch kein zusätzlicher DLC bekannt. Nicht einmal den Charakterbogen aus dem Anhang des Buches konnte ich online finden, aber das kann und wird sich vermutlich noch ändern.

Fazit

Legendäre Helden und legendäre Kampagnen. Dies verspricht das Buch, und das ist es, was man damit erschaffen kann. Es werden genug Ansätze und Ideen für den Spielleiter geliefert, diese neuen Dinge in eine bestehende oder neue Kampagne einzubauen, nur für begrenzte Zeit oder als zentrales und dauerhaftes Element der Kampagne.

Für Spieler gibt es genug neue Möglichkeiten, wirklich erstaunliche Fähigkeiten zu bekommen, allerdings nur, wenn der Spielleiter es zulässt, denn ohne dessen Zustimmung ist kaum ein Inhalt des Buches überhaupt nutzbar.

Insgesamt ein solides Buch, dessen Inhalt konzeptionell das erfüllt, was der Text auf der Rückseite verspricht, das jedoch daran krankt, dass viele Fähigkeiten schlecht formuliert sind. Hoffentlich wird es zeitnah ein Errata dazu geben.

Daumen4Maennlich

Artikelbilder: Paizo Publishing

 

 

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