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In Bezug auf Mittelerde weiß ich nicht viel, aber auf das dritte Rollenspielsystem in der Tolkien-Welt, The One Ring – Adventures over the Edge of the Wild, war ich schon länger neugierig. Zeitlich nach dem Hobbit und vor dem Herr der Ringe angesiedelt, versucht The One Ring vor allem eines: Dem Reisen in Mittelerde Leben einzuhauchen.

Sehr schmuck sieht das Ergebnis aus, und als ein Freund anbot, es zu leiten, habe ich mich gleich als Spieler gemeldet. Also ab nach Wilderland und mitten rein in den Mirkwood

Falls sich jemand wundert, warum wir nicht Der Eine Ring vom Uhrwerk-Verlag spielen: Die Spielgruppe ist international. Daher bezieht sich dieser Spielbericht auch rein auf englischsprachige Produkte. Ich hatte die deutsche Fassung noch nicht in der Hand und kann daher keine Vergleiche ziehen, ob dort Verbesserungen vorhanden sind.

Charaktererschaffung

Als Spieler lag mir viel daran, mir bereits im Vorfeld meinen eigenen Wunschcharakter zu erschaffen. Ich dachte da an einen Waldläufer mit Schwerpunkt auf dem Bogen, und die Rolle Wanderer sprach mich an. Ein Streuner also, einer der kein echtes Zuhause hat oder will. Mir fiel schnell auf, dass die notwendigen Infos zum Charakterbau sich quer durch das Adventurer’s Book ziehen. Neben einer kleinen Box, die die Schritte zusammenfasst, gibt es kaum Übersichtlichkeit.

Meine Wahl fiel auf die Herkunft Woodmen of Wilderland, und ich habe dann bewusst den Hintergrund Seeker gewählt, weil er zu meinem Konzept eines Streuners zu passen schien. Drei Attribute – Body, Heart und Wits – sind damit schon halb festgelegt, mit Werten von 2, 5 und 7. Die Attribute sind aber damit nur halb definiert – man darf jeweils ein Mal 1, 2 oder 3 drauf addieren, um den gesteigerten Wert zu errechnen. Da ich mir schon ausrechnete, dass ein Body von 2 meinen Streuner wenig wehrhaft machen würde, waren meine gesteigerten (favoured) Werte 5, 7 und 8. Erst nach einigem Querlesen fand ich heraus, dass diese höheren Werte nur dann zum Tragen kommen, falls man sie mit einem favoured skill benutzt. Man überliest manche Schlüsselinformationen in den Regeln einfach, oder sie kommen an einer sekundären Stelle und werden nicht wiederholt.

Bei den Traits legte ich fest, dass sich mein Charakter die drei Wissensgebiete Mirkwood-lore, Beast-lore und Folk-lore hat, und sich durch seine abenteuerliche Natur (adventurous) auszeichnet. Außerdem ist er ein flinker Bursche (swift).

Waffenskills gibt es als Paket. Ich musste deutlich herum optimieren, um mein Charakterkonzept vom wehrhaften Streuner trotz einiger Regeleinschränkungen umzusetzen. Mit dem Gesamtergebenis bin ich sehr zufrieden, muss aber Folgendes anmerken:

Die Charaktererschaffung bei The One Ring sieht eine überschaubare Menge an Entscheidungen vor, aber ohne den Regelteil quergelesen zu haben, versteht man einige sehr wichtige Entscheidungen überhaupt nicht. Warum die Regelkunde im Buch nicht vor der Charaktererschaffung kommt, verstehe ich gar nicht. Ich habe stundenlang an meinem Charakter herumgefeilt, nachgelesen und mittendrin festgestellt, dass ich eine Einschränkung übersehen habe und nochmal Einiges zurückgedreht sowie Punkte neu verteilt. Die Zusammenhänge sind nicht mal schwer! Man müsste sie nur einmal übersichtlich dargelegt bekommen …

Ein bis zwei Beispielcharaktere sollte ein SL schon mal erstellt haben, damit man sicher weiß, wie es funktioniert. Ich habe seitdem auch zwei Mitspielern bei der Charaktererstellung geholfen, und das ging dann durchaus flott.

Die Regeln

Wer die Probenmechanik verstanden hat, versteht das System sehr schnell. Gewürfelt wird gegen Zielzahlen, die gebräuchlichste ist hierbei 14. Man wirft einen Feat Die (spezieller W12) sowie so viele Success Dice (W6), wie man Skillgrade hat, und rechnet alles zusammen. Die Würfel sind speziell für das System gemacht, aber stinknormale W12 und W6 tun es auch ohne größere Umstände. Im Endeffekt sind auf dem W12 einfach 11 und 12 mit der Gandalf– und der Sauron-Rune belegt, und eine 6 auf dem W6 ist halt zusätzlich ein besonderer Erfolg, wenn die Probe gelingt. Ein Satz der Spezialwürfel tut es im Übrigen dicke, das englische Regelbuch-Duo hatte einen Satz von Haus aus dabei und das war auch genug.

Also: Augenzahl zusammenrechnen. Würfelt man die Gandalf-Rune, hat man einen automatischen Erfolg. Bis zu diesem Zeitpunkt sind nur die Skillwerte relevant, nicht aber die Attribute. Die kommen erst ins Spiel, wenn man die Zielzahl mit dem Wurfergebnis nicht erreicht. Durch das Ausgeben eines Hope-Gummipunkts darf man dann den Attributwert hinzuaddieren – bei einem normalen Skill den Basiswert, und bei einem favoured Skill den gesteigerten.

Mein Charakter Theuderic hatte einen Basiswert von 2 in Body. Alle Waffenskills basieren auf diesem Attribut. Ich wollte, dass aus Theuderic ein legendärer Bogenschütze wird, darum war mir bald klar, dass ich diesen Skill als favoured Skill auswählen musste. Meine favoured skills waren dann:

 

  • Longhafted Axe (aus meinem Waffenskillset so vorgegeben),
  • Bow (als Virtue-Sonderfertigkeit),
  • Athletics (von meinem Background vorgegeben),
  • Explore und
  • Healing (selbsgewählt).

 

Damit gleiche ich meinen sehr niedrigen Body-Wert in den meisten Situationen gut aus, die zu meinem Charakter als Wildnisstreuner passen.

Entweder man hat Skills für spezifische Waffen (Spear, Great Spear, Axe, Great Axe, Longhafted Axe, … ) oder man hat sie für eine Gruppe von Waffen – also z.B. Bögen, Schwerter oder Äxte. So eine Skillgruppe kann man nur dann beherrschen, wenn die eigene Kultur das in einem Waffenskillset anbietet, sie kann vor allem später nicht mehr erlernt werden. Bei den Waffenskills fiel mir eine Merkwürdigkeit erst spät auf:

Zuerst war ich froh, dass meine Kultur mir bei einem Skillset die Gruppe Bows anbot, schließlich sollte Theuderic ja ein guter Schütze werden. Aber man kann kulturelle Waffenskills nicht als favoured skill wählen! Solche Fallstricke beim Umsetzen eines Charakterkonzepts kann ich gar nicht leiden …

Das Spiel

Erster Abend: Wo steht das eigentlich? 

Nach einer Regeleinführung und der Charaktererstellung am Spieltisch begannen wir dann mit dem Abenteuer, wenn auch etwas spät. Die Würfe gingen schnell von der Hand. Wir gaben schon früh ein oder zwei Hope-Punkte wegen versemmelter Würfe aus. Das Spiel lief flüssig, und wir holten uns nach einigem Rumgeeiere unsere Quest ab und wollten in die Wildnis.

Unsere Freude am Spiel wurde dann aber deutlich durch ein fehlendes Detail getrübt. Wir wussten, dass wir Fatigue Tests machen mussten, aber keiner wusste wie. Wir hatten die englische Edition der Regeln als Softcover vorliegen, und wir konnten die passende Regel nicht finden. Erst mit Hilfe des Internets konnten wir dieses wichtige Detail klären – es ist ein Wurf auf den Skill Travel. Ich fand es dann danach im Buch unter der Beschreibung des Skills selbst, nicht aber bei den Regeln für Fatigue oder den Regeln für das Reisen als Teil des Spiels. Die betreffenden Stellen wurden auch seit der Drucklegung der Bücher nur unzureichend überarbeitet, in meiner aktuellen PDF-Ausgabe des Adventurer’s Guide finde ich die Angabe selbst mit einer Text-Suche nicht.

Bei der Recherche dieses Details fiel mir auf, dass die Organisation der Regeln auch in der englischsprachigen Rollenspielwelt durchaus auf Kritik gestoßen war, und dass für neuere Auflagen des PDFs Überarbeitungen vorgenommen worden waren. Sogar die Reiseregeln waren einer solchen Revision unterzogen worden, hatten sie doch in den Augen vieler zu oft denselben Wurf auf Travel von allen Beteiligten verlangt. Die überarbeiteten Reiseregeln gibt es als Gratisdownload. Außerdem hat der Verlag einen 19-seitigen Index nachgereicht. Die englische Softcover-Ausgabe fiel sowieso bald aus dem Leim. Da ist der Index schnell beigelegt …

Zweiter Abend: Würfelorgie mit Haken

Am zweiten Spielabend ging die Reise also erst richtig los. Wir fuhren mit dem Boot den Fluss entlang, in die Long Marshes hinein. Dieser Sumpf ist ein Shadowland, und damit ging die Würflerei so wirklich los:

  • Ein Travel-Wurf pro Spieler, weil wir bereits drei Tage unterwegs waren.
  • Ein Corruption-Wurf pro Spieler pro Tag, weil wir in einem Shadowland unterwegs waren.
  • Ein Athletics-Wurf pro Tag durch unseren Bootsmann, weil er das Boot sicher und konzentriert durch den Sumpf steuern musste. (Stand so im Abenteuer.)

 

Die zusätzlichen Würfe des Steuermanns waren besonders nervig. Wenn diese versiebt wurden, büßte jeder Mitreisende drei Endurance-Punkte (die eigentlichen Trefferpunkte) am jeweiligen Tag bei dem Versuch ein, das Boot aus dem kalten Schlamm zu lösen. Falls man kein extrem niedriges Heart-Attribut oder eine Wunde hat, regeneriert man diese Punkte in der nächsten Nacht. Diese Rumschieberei an Endurance-Punkten und die Würflerei machen also nur dann Sinn, wenn der SL einen Kampf als Zusatzbegegnung einschiebt.

Kurze Überlegung zur Stochastik des Systems, wenn man einen Skillpunkt hat: 

Zielzahl ist typischerweise 14. Mit einem Skillpunkt wirft man 1W12+1W6. Erfolg hat man, wenn man die Gandalf-Rune erzielt, oder bei hohen Augensummen. 12 * 6 ergibt 72 mögliche Kombinationen. Die Erfolgskombinationen sind (G, 1), (G, 2), (G, 3), (G, 4), (G, 5), (G, 6), (10, 4), (10, 5), (10, 6), (9, 5), (9, 6) und (8, 6) für eine Zielzahl (TN) von 14. 12 / 72 = 1 / 6. Mit anderen Worten, man hat eine Chance von grob 17 % den Wurf überhaupt ohne weiteres Ausgeben eines Hope-Punktes zu schaffen.

Korrupt!

Was jetzt ganz gravierend auffiel, war, dass es je nach Abenteuer einen wesentlichen Unterschied macht, ob man sich bei der Charaktererschaffung für einen zusätzlichen Punkt Wisdom oder einen zusätzlichen Punkt Valour entscheidet! Corruption-Würfe werden nämlich mit Wisdom gemacht. Ich hatte mich für einen zusätzlichen Punkt Wisdom entschieden, und durfte damit 1W12+2W6 werfen. Meine Mitspieler hatten sich für Valour entschieden und durften nur 1W12+1W6 werfen, was ihnen miserable Erfolgsaussichten bescherte (s. Box)! Schon wieder eine Stolperfalle aus der Charaktererschaffung! Man braucht vier Erfahrungspunkte, um Wisdom nachträglich zu steigern. Das passiert je nach Spielanlage in zwei bis drei Spielabenden, also ungefähr nach Abschluss des Einführungsabenteuers.

Man kann sich im Einstiegsabenteuer mal schnell 6 Punkte Shadow einfangen. Mir wurde hier bewusst, dass ich gar nicht vollständig wusste, wie Hope und Shadow auf- bzw. abgebaut werden. Erst nach längerem Querlesen war mir klar, dass Hope sich hauptsächlich auf zwei Wegen erneuert: Indem der eigene beste Freund (Fellowship Focus) unbeschadet bleibt, und jeden Abend kann die Gruppe ein paar Punkte neu verteilen. Wir hatten viel zu viel Hope ausgegeben, wenn man diese Randbedingung berücksichtigt! Shadow kann man hingegen erst nach dem Abenteuer mit Craft– und Song-Würfen abbauen.

Dritter Abend: Reboot und neues Abenteuer

Weil ich mehr Vorbereitungszeit hatte, sprang ich jetzt als SL ein. Wir haben die Kampagne neu gestartet, um jetzt die Erfahrungen aus den ersten beiden Sitzungen entsprechend umzusetzen. Wir begannen den Abend mit einem vorgefassten Abenteuer – Of Leaves & Stewed Hobbit – aus dem Band Tales from Wilderland.

Das Abenteuer war schon vom Lesen her interessant, und die Autoren haben auch immer wieder Schlüsselregeln wiederholt, so dass man gut die Übersicht behielt. Die Regeln für soziale Begegnungen kamen bei der Auftragsvergabe zum Einsatz, und es gab einen munteren Wechsel zwischen rollenspielerischer Beschreibung und den dazu gehörigen Würfen. Die Beschreibung der Abenteuereröffnung erschien atmosphärisch stimmig, und jeder konnte sich gut einbringen, und schon bald war man auf der Suche nach einer vermissten Handelskarawane, die schon längst über die Misty Mountains hätte kommen sollen.

Das Reisen ging nach der Beschreibung aus dem Buch schnell von der Hand – dort sind alle nötigen Würfe, die wahrscheinlichste Route und in Bezug auf die Umgebung sinnvolle Hindernisse bereits gelistet. Die Gruppe erwarb sich ihre ersten Advancement Points und das Zusammenspiel zwischen Traits, Fertigkeiten und Würfen ging uns endgültig ins Blut über. So wurde mit dem Trait Herb-Lore das Rauchkraut eines Streuners identifiziert, der es tatsächlich einer achtlosen Karawane abgekauft hatte. Und mit Shadow-Lore entging die Gruppe einem fiesen Untoten, der an einem scheinbar sicheren Rastplatz lauerte.

Schon hierbei ergab sich, dass sich die Geschichte gut abkürzen ließ und sich trotz ihrer Geradlinigkeit nicht als Railroad erwies. Man fand die Vermissten in höchster Not. Hinter einem alten Erdwall kämpften die Spieler zusammen mit den Wachen gegen den Ansturm einer Goblinmeute. Der große Kampf ließ sich vergleichsweise schnell abwickeln, und auch die Würfe für die Verbündeten auf einer Tabelle beeinflussten das Geschehen sehr glaubhaft. Das Kampfsystem ist hierbei nicht besonders taktisch, weiß aber zu unterhalten.

Durch vorsichtiges Vorgehen konnten die Spieler auch eine Hinterlist abwenden, und haben ungefähr die Hälfte des Plots abgewürgt. Das ging aber mit der Abenteuerbeschreibung konform, und so konnten wir an einem langen Abend ein ziemlich gelungenes Abenteuer durchspielen und die allermeisten Spielmechaniken auch zum Einsatz bringen. Die Gruppe kehrte zum Auftraggeber zurück, machte diesen Ort zu einem ihrer Zufluchtsorte (Sanctuary) und wir hatten nach vier Stunden Spiel endlich das Gefühl, The One Ring im Griff zu haben. Und es hatte verdammt viel Laune gemacht!

Vierter Abend: Stammtisch mit Beorn

Ein Spieler hatte sich einen Mann aus der Stadt Dale aus den vorgefertigten Spielfiguren gewählt. Aufgrund seiner herausragenden sozialen Fertigkeiten wurde er schnell zum Gruppendiplomat gekürt, und er selbst fand, dass Lifstan, Sohn des Leiknir selbst unter Königen die passenden Worte finden würde. Gesagt, getan! Das Abenteuer Kinstrife & Dark Tidings aus Tales from Wilderland mag zwar keinen König enthalten, aber der Formwandler und Häuptling Beorn kommt dem in der Wildnis ziemlich nahe.

Hier offenbart sich ein Teil des Reizes von The One Ring. Die Spieler können einer der Figuren aus dem Hobbit nahe kommen und an einem Teil seiner weiteren Geschichte teilhaben. Die Begegnung war wieder davon geprägt, wie die Spieler auftreten und wie sie ein Gespräch anlegen. Dann werden die passenden Würfe ausgeführt.

Sie hatten also Tote vom Stamme der Beornings gefunden. Die soziale Begegnung ging diesmal durch mehrere Phasen – die Vorstellung, Bericht der Spieler über ihre Erkenntnisse, eine generelle Unterhaltung über Neuigkeiten und schließlich eine Teilnahme an einem Mahl zu Ehren der Toten. Jeder Wurf hatte einen anderen Kontext, und die Bandbreite der anwendbaren Fertigkeiten war auch größer. So berichtete der Ranger mit Hilfe des Battle-Skills über die Bewegungen der Orks in den Misty Mountains, während der Barding aus Dale in den ersten zwei Gesprächsphasen das Eis brach.

The One Ring erlaubt übrigens keine vollständige Wiederholung eines Wurfes, und für viele Spielsituationen ist die Anzahl der Würfe genau festgelegt. Daher sollte man sich gut vorher überlegen, ob und wie man die Würfel sprechen lässt.

Danach begab sich die Gruppe auf die Suche nach einem flüchtigen Verbrecher, wobei die Überlandreise zur Spurensuche und Entwicklung der Geschichte genutzt wurde. Durch geschickten Einsatz ihrer Fertigkeiten und Traits kamen die Spieler schnell darauf, dass wohl mehr hinter der Geschichte steckt: Ein Verbrechen aus Leidenschaft. Das Sammeln von Hinweisen. Das Verfolgen eines ortskundigen Flüchtigen über Stock und Stein. Scheint, als wäre für jeden etwas dabei.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Cubicle 7 Entertainment Ltd
  • Autor(en): Francesco Nepitello
  • Erscheinungsjahr: 2012
  • Sprache: englisch (PDF) | deutsch (Hardcover)
  • Format: PDF
  • Seitenanzahl: 336 (Adventurer’s Guide und Loremaster’s Guide)
  • Preis: 29,99 USD (PDF) | 49,95 EUR (Hardcover)
  • Bezugsquelle: DrivethruRPG (PDF) | Sphärenmeister (Hardcover) | Amazon (Hardcover)

 

Fazit

Während des Spielens wurde mir mehr und mehr bewusst, wie wichtig es bei The One Ring ist, das Zusammenspiel einiger Regeln zu verstehen. Ähnlich wie bei Torchbearer ist diese Wechselwirkung einzelner Regelelemente entscheidend dafür, wie man sein Spiel anlegt. Es gehört zu den Systemen, bei denen eine besonders gute Vorbereitung der Spielleitung Trumpf ist.

Zu Beginn haben wir noch Hope für viele Würfe ausgegeben, um es einfach trotzdem zu schaffen. Aber die Wechselwirkung zwischen Hope und Shadow muss verstanden werden, um eine wirklich fundierte Entscheidung darüber zu treffen, ob man das Ergebnis eines Wurfes lieber hinnimmt, anstatt Hope auszugeben. Wir haben das mehrmals am Spieltisch gemeinsam abgesprochen, und dann spielt sich das auch sehr gut.

Ich war jedenfalls von der Welt, in der wir uns bewegten, so fasziniert, dass mir die im Spielbericht aufgezeigten Macken nichts ausmachten. The One Ring ist stimmungsvoll geschrieben, und ich habe schon lange keinen Setting-Band mehr so gerne gelesen wie The Heart of the Wild. Die Tücken des Reisens durch die Wildnis bewirken, dass man einen sicheren Schlupfwinkel auch wirklich zu schätzen weiß. The One Ring vermittelt wirklich das Gefühl, durch ein weitgehend menschenleeres, gefährliches Land zu reisen, mit all den dazu gehörenden Strapazen.

Ich war letzten Endes wirklich froh, dass wir uns von ein paar Fehlschlägen nicht haben abschrecken haben lassen, denn mir gefällt The One Ring wirklich gut. Je mehr ich es spiele, desto mehr will ich es wieder spielen. Die Erweiterungsbände lesen sich gut, Abenteuer und eine epische Kampagne laden zum Spielen ein. Sowohl als Spieler als auch als Leiter werde ich gerne Wilderland weiter erforschen, und freue mich schon auf die angekündigten Bände über Rivendell, die Ruinen des Nordens und Rohan.

Artikelbilder: Cubicle 7, Uhrwerk Verlag

 

2 Kommentare

  1. Noch ein paar kleine Richtigstellungen im Nachhinein:

    „The One Ring erlaubt übri­gens keine voll­stän­dige Wie­der­ho­lung eines Wur­fes, und für viele Spiel­si­tua­tio­nen ist die Anzahl der Würfe genau fest­ge­legt.“ Damit meinte ich auch die Anzahl der Würfe bei sozialen Begegnungen. Ich habe für das erneute Leiten von „The One Ring“ diesen Regelteil nochmal gelesen, und musste feststellen, dass die Anzahl der erlaubten Fehlschläge festgelegt ist, nicht die der Würfe… Der Wert „Tolerance“ gibt also an, wie oft man einen Wurf verhauen darf, bevor einem die andere Partei nicht mehr zuhört. Da war ich im Vergleich zu streng mit meinen Mitspielern!

    Eine noch wichtigere Unterscheidung ist mir eigentlich erst jetzt aufgefallen: Das Spiel unterscheidet zwischen Endurance und Fatigue. Die beiden Werte bewegen sich aufeinander zu – Endurance fällt, wenn man im Kampf durch Feindeinwirkung geschwächt, gebeutelt und erschöpft wird. Fatigue steigt, wenn man sich schwer belädt oder durch fehlgeschlagene Tests auf Reisen erschöpft wird. Es erschien mir zunächst unwichtig, ob ich Punkte von Endurance abziehe oder sie zu Fatigue hinzufüge – dem ist aber nicht so: Fatigue-Punkte sinken erst, wenn man in einem sicheren Zufluchtsort am Ende einer Reise rastet. Das heisst, während einer Reise steigt Fatigue in der Regel nur! Endurance hingegen regeneriert man pro Tag und beim Durchschnaufen nach einem Kampf. Von den Strapazen eines Kampfes erholt man sich mit ein- oder zweimal Durchschlafen (wenn man keine Wunde hat), aber die Fatigueschwelle steigt – und damit auch das Risiko, in einem Kampf Weary/Erschöpft zu werden. Man wird nicht schneller erschlagen dadurch, aber man wird weniger effektiv. Wenn das einmal verinnerlicht ist, ist das ein sehr elegantes System. Aber auch hier könnte die Erklärung stark verbessert werden!

    Ob sich die Autoren dieser Unterscheidung auch immer bewusst waren? Ich beziehe mich dabei darauf, was ich hier geschrieben habe: „Die zusätz­li­chen Würfe des Steu­er­manns waren beson­ders ner­vig. Wenn diese ver­siebt wur­den, büßte jeder Mit­rei­sende drei Endurance–Punkte (die eigent­li­chen Tref­fer­punkte) am jewei­li­gen Tag bei dem Ver­such ein, das Boot aus dem kal­ten Schlamm zu lösen. Falls man kein extrem nied­ri­ges Heart–Attri­but oder eine Wunde hat, rege­ne­riert man diese Punkte in der nächs­ten Nacht. Diese Rum­schie­be­rei an Endurance–Punk­ten und die Würf­le­rei machen also nur dann Sinn, wenn der SL einen Kampf als Zusatz­be­geg­nung einschiebt.“ Ich habe extra nochmal nachgelesen, ob hier von Fatigue oder Endurance die Rede war. Und tatsächlich verlieren alle Beteiligten drei Endurance-Punkte bei dem Versuch, das Boot wieder aus dem Schlamm zu ziehen. Die sind unter normalen Umständen tatsächlich gleich wieder da. Wäre das Fatigue (was angesichts der erschöpfenden Anstrengung im schlammigen Sumpf sicher gerechtfertigt wäre!), dann wäre das um Einiges schlimmer…

    Eine Anmerkung zur zweiten Auflage des englischen Originals: Es gibt sehr viele Querverweise, und ich kam beim Neustudium der Regeln nach einem Jahr Pause hervorragend zurecht.

    Ich habe inzwischen auf „Of Leaves & Stewed Hobbit“ erneut geleitet, und beim Reisen fiel mir auf, dass zwar die Anzahl der Tests und die Wegstrecken im Abenteuerband vorgegeben waren, aber die Schwierigkeit der Proben musste ich mir selbst mit Karte und Nachschlagen aus dem Grundregelwerk ableiten – so führt der der erste Teil der Reise durch Freie Lande (Zielzahl 12) und der zweite Teil durch Wilde Lande (Zielzahl 14). Auch hier scheinen die Autoren hinzugelernt zu haben: In der Hardcover-Neuauflage von „Tales from Wilderland“ wurden zwar mehr Zielzahlen in den Text geschrieben, aber nicht alle Zielzahlen wurden vollständig wiedergegeben. Im neuesten Abenteuerband „Ruins of the North“ sind die Zielzahlen vollständig wiedergegeben.

    Mit kleinen Macken lief das Spiel flüssig von der Hand. Als Kampagnensystem dürfte sich „The One Ring“ bewähren.

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