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Was muss man beachten, wenn man Plot rund um die Uhr spielt? Dies ist ein Fall, der in der agilen Software-Entwicklung in der Regel selten vorkommt, daher müssen hier eigene Ansätze gefunden werden, die nächtlichen Stunden in die Sprintaufteilung aufzunehmen. Darum geht es im fünften Sprint der Serie „Agiles Plotmanagement“.

Agile Systeme stammen aus dem Berufsleben und gehen in den Planungstreffen davon aus, dass jedes Team-Mitglied eine bestimmte Arbeitszeit pro Tag aufbringen kann. Hier dauern die Sprints dann mehrere Tage, und daraus kann man sich schön ausrechnen, wie viele Stunden (abzüglich Urlaub etc.) jeder Mitarbeiter in den Sprint einbringen kann.

Bisher bin ich davon ausgegangen, dass die Beteiligten der Veranstaltung mit halbwegs normalen Con-Arbeitszeiten zu tun haben und deshalb grundsätzlich auch die Möglichkeit besteht, sich spät in der Nacht ein wenig auszuruhen.

Macht uns das unser ganzes schönes System kaputt?

Das ist ein sehr idealistischer Ansatz, der Alltag sieht teilweise anders aus: Je nach Veranstaltung dauern Aktionen dauern manchmal bis spät in die Nacht, oder sie werden sogar für Mitternacht, Sonnenaufgang oder die „dritte Tagesstunde“ geplant. Die entscheidende Frage ist: Macht uns das unser ganzes schönes System kaputt?

Die beruhigende Antwort: Nein, natürlich nicht. Wir müssen es einfach nur mit einplanen.

Für LARP-Veranstaltungen muss der agile Ansatz generell skaliert werden. Die drei wichtigsten Unterschiede sind:

  • Die ganze Veranstaltung dauert in der Regel nur wenige Tage
  • Wir bringen mehrere Sprints auf jedem Tag unter
  • Es gibt in der Regel keine dedizierten Ruhephasen zwischen den Sprints

 

Um mit diesen veränderten Bedingungen umzugehen, habe ich in der Praxis bislang zwei Methoden erproben können, welche beide gut funktioniert haben.

Methode 1: Festlegen von speziellen Nacht-Sprints

Der erste Ansatz, um die Teams für 24-Stunden-Veranstaltungen zu organisieren, ist die Bestimmung einer Nachtschicht. Dieser Ansatz eignet sich prinzipiell für kleinere Cons, in denen nachts zwar gespielt wird, aber die nächtlichen Plot-Elemente sich in Grenzen halten.

Die für die Nacht vorgesehenen Stories und Aufgaben werden mit verminderter Besetzung durchgeführt, während der Großteil der Team-Mitglieder schläft.

Um diese Nacht-Sprints zu planen, gibt es zwei bislang getestete Ansätze:

Anpassen der Velocity

Variante eins führt die Aufteilung der Veranstaltungstage in Sprints nachts nahtlos fort, so dass alle Sprints der Veranstaltung die gleiche Länge haben. Dies folgt dem idealen Konzept der Sprints.

Da nachts jedoch weniger Team-Mitglieder zur Verfügung stehen, arbeitet das Team in der Nacht allerdings mit geringerer Velocity, schafft also pro Sprint weniger Stories und Aufgaben.

Zudem ergibt sich das Problem, dass der Plot-Owner in der Nacht mitunter selbst schlafen möchte und deshalb nicht für nächtliche Planungstreffen zur Verfügung steht. Dieses Problem lässt sich aber recht einfach, beispielsweise durch Ernennen eines Stellvertreters, lösen.

Anpassen der Sprintlänge

Anmerkung: Sollte die Serie hier spontan enden, hat mich ein Scrum-Master dabei erwischt, eine heilige Kuh zu schlachten. Die unverrückbar festen Sprintlängen sind ein zentraler Bestandteil des agilen Entwicklungsansatzes. Aus praktischen Gründen kann es aber trotzdem nützlich sein, beim Einsatz im LARP nachts von dem Schema abzuweichen.

Die Idee: Die nächtlichen Sprints werden deutlich verlängert, so dass die gesamte Nacht mit zwei oder gar nur einem Sprint abgedeckt wird.

Das bedeutet in der Praxis: In den abendlichen Planungstreffen wird bestimmt, was in der Nacht passieren muss, danach gehen die meisten Team-Mitglieder schlafen, während die Nachtschicht sich mit den Aufgaben des Nacht-Sprints beschäftigt.

Dieser Ansatz bietet zwei Vorteile. Zum einen unterschlägt er die nächtlichen Planungstreffen, so dass die Entscheidungsträger nicht alle paar Stunden dafür aufstehen müssen. (Ich glaube, dies war der ursprüngliche Grund für die Erprobung der Idee …)

Der zweite Vorteil ist: Wenn morgens der „Regelbetrieb“ wieder startet, können sich der Plot Owner und alle anderen Beteiligten anhand des Boards einen kompletten Überblick darüber verschaffen, was in der Nacht passiert ist – und was nicht.

Deshalb lautet meine Empfehlung an dieser Stelle: Plant die komplette Zeit zwischen „Plot Owner geht ins Bett“ und „Plot Owner steht auf“ als einen einzigen Sprint ein. Aber Achtung: diese beiden Zeitpunkte sind natürlich nicht dynamisch. Beispielsweise läuft also die reguläre Sprint-Aufteilung bis 02:00 Uhr, dann wird der Plot Owner ins Bett geschickt, und der Nacht-Sprint läuft bis 08:00. Da ab 08:00 die regulären Sprints des nächsten Tages starten, sollte der Plot-Owner also rechtzeitig zu den Planungstreffen wieder wach sein.

Methode 2: Einplanen der Ruhezeiten

Diese Methode hat von allen Tests am besten funktioniert. Sie ist inspiriert vom System der Wachen und Freiwachen auf Schiffen. Hierbei bleiben die Sprints (aka Wachen) unverändert, es werden lediglich Team-Mitglieder mit der Aufgabe „Schlafen“ beschäftigt.

Was auf den ersten Blick wie eine lustige Idee klingt, hat planungsseitig viel Potential in sich.

Warum ändert sich die Velocity nicht?

Die Schlaf-Aufgabe hat einige Besonderheiten. Zum einen dauert sie mit Sicherheit länger als einen Sprint, muss also über mehrere Sprints eingeplant und durchgeführt werden. Dies wird auf der Aufgabenkarte neben der Schätzung vermerkt, beispielsweise mit der Angabe „Sprint 08 bis 11“.

Außerdem enthält natürlich auch die Schlaf-Aufgabe eine Schätzung. In diesem Fall ist die Schätzung einfach: Alle Schlafenden Personen sind den kompletten Sprint mit Schlafen beschäftigt, gehen also mit jeweils der vollen Sprintlänge in die Velocity ein. (6 schlafende Personen erzeugen in vier Stunden also 24 Stunden „Arbeit“ an einer Aufgabe).

Die Kombination aus Längenangabe und Schätzung ergibt, dass diese Aufgabe nicht in einem Sprint abgeschlossen werden kann und auch im nächsten Sprint weiter ausgeführt werden muss.

Dadurch, dass diese Team-Mitglieder weiterhin im Plan stehen, und zwar für jeden Sprint, in dem sie ruhen, ändert sich die Velocity nicht.

Ruhezeiten per Push-Assignment

Einen Regelbruch brauchen wir trotzdem, aber dieser ist verschmerzbar: Damit die richtigen Team-Mitglieder in die Ruhepausen gehen, brauchen wir bei den Ruhe-Aufgaben ausnahmsweise ein Push-Assignment. Diese Aufgaben werden einzelnen Personen oder Teams fest zugewiesen und dürfen auch nicht von anderen „erledigt“ werden.

Das kann auch direkt auf der Aufgabenkarte vermerkt werden. Beispielsweise heißt die Aufgabe dann nicht „Schlafen“, sondern „Team 3: Schlafen“

Kurze Pausen-Aufgaben

Mit dieser Methode ist es auch einfach möglich, Essenspausen oder andere Erholungszeiten für Team-Mitglieder einzuplanen. Beispielsweise kann man so modellieren, dass ein Team Kampf-NSC, der den ganzen letzten Sprint mit einer Wellen-Schlacht verbracht hat, im aktuellen Sprint erst einmal eine Ruhepause zugestanden bekommt.

Die Pausenzeit muss auch nicht den ganzen Sprint umfassen, es ist durchaus möglich, die Mitglieder des Teams für eine Stunde in die Pause zu schicken und diese Zeit als Aufgabe in den Sprint einzurechnen.

Mit der gleichen Methode kann der Plot-Owner auf größeren Veranstaltungen möglichen Freizeit-Wünschen einzelner NSC entgegen kommen, beispielsweise weil diese die „Stadt“ oder ein Spieler-Lager besuchen möchten.

Verteilte Schlafzeiten

Natürlich sind die Schlafzeiten nicht an die Nacht gebunden. Es ist durchaus auch denkbar, dem Wachsystem näher zu kommen und für einzelne Teams die Schlafenszeit tagsüber einzuplanen. Hierdurch kann man traditionelle Nachtschichten einfach in unserem System abbilden.

Die Vorteile

Der Vorteil für das Team: Sicherer Dienstplan

Der Komfort für die NSC und den Rest des Teams wird durch dieses System erhöht: Sie können sich in der Regel sicher sein, dass sie ausreichend Zeit zum Schlafen und Essen bekommen.

Beide Methoden lassen sich natürlich auch mit traditionellen Dienstplänen verbinden, so dass jedem Team-Mitglied auch schon im Vorfeld bekannt ist, wann Zeit zum Schlafen oder Essen eingeplant ist, so dass es möglich wird, den eigenen Tagesablauf an die zu erwartenden Schlafenszeiten anzupassen.

Der Vorteil für den Plot-Owner: Gleichbleibende Planungsgrößen

Da sowohl die Länge des Sprints, als auch die Velocity gleich bleiben, kann der Plot Owner nachts genauso weiter planen wie tagsüber. Er muss lediglich darauf achten, ausreichend viele Ruhezeit-Aufgaben in den Sprint zu packen.

Ausnahmen bestätigen die Regel

Bei Auftreten eines Spezialgelagerten Sonderfalles ist der Plot-Owner im Notfall (und bitte nur da!) zusätzlich in der Lage, die Ruhezeiten innerhalb der Sprints zu verschieben, um beispielsweise das spontan von Spielern angekündigte 4:52-Morgens-Ritual durch die Technik unterstützen zu lassen.

Es ist natürlich in Ausnahmefällen auch möglich, alle Team-Mitglieder aus dem Bett zu scheuchen und einzusetzen. Dies wird naturgemäß nicht auf viel Gegenliebe stoßen, ist aber, je nach Spieleraktion, manchmal unvermeidbar. Wenn diese um 04:52 Uhr kein Ritual abhalten möchten, sondern die Burg erstürmen, dann muss man die Garde auf die Zinnen holen, auch wenn diese /eigentlich/ noch drei Stunden hätte schlafen dürfen. Es ist allerdings die Aufgabe des Plot-Owners, solche Situationen wenn möglich durch ausreichend andere Beschäftigung zu verhindern – denn wenn die Spieler spontan beschließen, früh morgens irgendeinen Punkt anzugreifen, und die Plotkoordination damit völlig auf dem falschen Fuß erwischt, ist meistens schon vorher irgendetwas schiefgelaufen.

Um den Bogen zu den Wachen auf Schiffen wieder zu schließen: Auch hier gibt es, gerade auf Segelschiffen, sogenannte „Alle-Mann-Manöver“, für deren Durchführung auch die eigentlichen „Freiwachen“ aus ihren Kojen geholt werden.

Eine Anekdote am Rande:

Als Microsoft in den 90ern alle möglichen Technologien mit „active irgendwas“ bezeichnet hat, ging scherzhaft das Gerücht um, für das Herunterfahren des Rechners hätte sich die Firma den Begriff „active sleeping“ registrieren lassen.

Auf dem LARP, wo wir diese Methode ausprobiert haben, wurde der Begriff schnell zu ihrem Spitznamen.

Ausblick

Dieser Sprint zum Thema „Plot rund um die Uhr“ ist umfangreicher geworden, als ich erwartet hatte. Die detaillierte Beschreibung der grundlegenden Planungstreffen innerhalb eines Sprints wird deshalb erst im nächsten Sprint abgehandelt.

Ich freue mich über Fragen und Anregungen.

Artikelbild: Kristina Schlemmer

LARP-Basar, das Einkaufsportal für Liverollenspieler im Internet

 

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