Geschätzte Lesezeit: 10 Minuten

Mit dem Erfolg von Star Wars 7: The Force Awakens schossen nicht nur die Verkaufszahlen von duelltauglichen Lichtschwertern in ungeahnte Höhen; auch auf Cosplayconventions waren im Jahr 2016 haufenweise alte wie neue Star Wars-Charaktere zu sehen, und die Computerrollenspiele Star Wars: The Old Republic und Star Wars: Knights of the Old Republic freuten sich über neues Interesse, obwohl sie doch schon einige Jährchen auf dem Buckel haben.

Auch unter den LARPern konnte das neu entfachte Feuer für die bekannte Science-Fiction-Reihe einiges bewegen. Mehrere Ideen für Star Wars-LARP-Projekte tauchten im Laufe der vergangenen sechs Monate auf, eines davon die Starfire Cantina der Tandor-Orga. Bereits im April 2016 wurde die erste Starfire Cantina bespielt. Damals noch in einer Waldhütte stationiert und als Pilotprojekt gedacht, fand sie so großen Anklang, dass die Orga Anfang Juli 2016 eine zweite Cantina organisierte. Diesmal fand sie in Fürth in der Matilde statt – ein absoluter Glücksgriff. Ohne großes Zutun sieht die Bar, welche sich in einem Keller der Stadt Fürth befindet, bereits sehr nach Science-Fiction aus.

Die Cantina – Treffpunkt für Schmuggler, Söldner und Aliens

Eine Star Wars-Cantina ist bekannt als Treffpunkt für alles Mögliche, seien es Schmuggler, Frachtercrews, Söldner, Zocker, Drogendealer oder Soldaten außerhalb des Dienstes. Auch die Vielfalt an Rassen zeichnet sie aus – man findet in einer Cantina neben Menschen ebenso diverse Aliens oder Cyborgs.

Auch in der Starfire Cantina gab es eine bunte Mischung aus schmutzigen Geschäftsleuten, desillusionierten Piloten, drogenabhängigen Soldaten und aufreizenden Tänzerinnen. Ein Zabrak und eine Cyborg vom Huttenkartell, eine Twi’lek und ein Weequay als Captains von Frachtschiffen, eine Togruta als Sergeant der Republik, und ein Mandalorianer – die meisten von ihnen auf der Suche nach dem schnellen Geld oder einem vielversprechenden Handelspartner für zukünftige Geschäfte.

Gerade diese bunte aber auch explosive Mischung machte den Charme der Starfire Cantina aus. Die Frage nach dem Meistbietenden für begehrte Ware oder dem sichersten Verbündeten für illegale Geschäfte war eine der Triebfedern für die Anwesenden und generierte im Verlaufe des Tages eine interessante Dynamik.

Republik und Imperium

Tandor V, der Planet auf dem sich die Starfire Cantina befindet, steht nominell unter dem Einfluss der Republik und deren Gesetzen. So erstaunt es nicht, dass sich einige republikanische Soldaten eingefunden hatten, die gerne die eine oder andere Runde Pazaak, ein Kartenspiel für zwei, spielten oder sich in ihrer Freizeit anderweitig vergnügten. Im Laufe des Tages sah man sogar eine Sergeant der Republik in der Cantina, die sich allerdings mehr ihren Pflichten verbunden sah und versuchte, die Ordnung und den Frieden zu wahren.

Aber auch das Imperium hatte seine Vertreter in der Cantina. Offiziell war es nur von einer Lieutenant vertreten, die durch ihre Loyalität und Dienstbeflissenheit das Imperium mit Stolz erfüllte – und immer im Rahmen der Möglichkeiten handelte, welcher der Friedensvertrag mit der Republik und ihr militärischer Rang ihr gewährte. Zudem gab es noch einige Mitglieder des imperialen Geheimdienstes, welche sich je nach Positionierung und Auftragslage exponierten oder es schafften, bis zum Schluss selbst den anwesenden Imperialen nicht bekannt zu werden. Dass ein vermeintlicher imperialer Geheimagent erschossen wurde ist wohl auf ein tragisches Unglück zurückzuführen.

Sith und Jedi

Von der Orga wurde recht schnell klargestellt, dass es nur eine begrenzte Anzahl von Machtanwendern in der Cantina geben würde. Wildes Machtblitzgeballer und Lichtschwertparties wollte man explizit vermeiden. Das Powerniveau sollte sich nur auf dem Rang eines Padawan auf der Seite der Jedi und eines Akolythen auf Seiten der Sith bewegen. Beide Fraktionen hatten in der Cantina genau einen Schüler vor Ort, und Reibereien waren dementsprechend vorprogrammiert. Der Friedensvertrag zwischen der Republik und dem Imperium verhinderte, dass man sich sogleich an die Kehle sprang, was schlussendlich zu einem sehr interessanten und intensiven Spiel führte: Die Sith Akolythin versuchte, den Jedi Padawan auf die dunkle Seite zu ziehen.

Die Anforderungen der Orga an Gewandung und Spieltiefe waren bei den Machtanwendern höher angesetzt, was man durchaus nachvollziehen kann. Nicht nur die Machtfähigkeiten und Lichtschwerter sind im Spiel sehr stark, sondern auch die Repräsentationsfunktion: Von den anwesenden Charakteren des Imperiums wurde die Sith-Akolythin als oberste Befehlshaberin angesehen.

Waffen, Kämpfe, die Macht und das Regelwerk

Gespielt wurde nach DKWDDK (Du kannst, was du darstellen kannst) sowie der Opferregel. Das bedeutet, dass jeder so gut wie möglich versucht, seinen Charakter und dessen Fähigkeiten darzustellen, während das Gegenüber bestimmt, welche Auswirkungen etwas auf ihn hat. Kämpfe sollten möglichst schön und mit dem Appell an den gesunden Menschenverstand ausgetragen werden, wobei das gebotene Spiel und seine Wirkung ein Geben und ein Nehmen sind.

Erlaubt waren Blasterwaffen von NERF oder vergleichbare Blaster, welche allerdings im Stil von Star Wars bemalt und gemoddet sein mussten. LARP-Waffen wie Messer sollten sich auch an jener Ästhetik orientieren. Ebenfalls war es erlaubt, duelltaugliche Lichtschwerter, z.B. von Ultrasabers, Saberforge oder Hasbro Force FX einzusetzen. Rüstungen konnten als mandalorianische Beskar-Rüstungen eingecheckt werden, welche Lichtschwertern mehr als eine normale Rüstung entgegensetzen konnten, und Waffen als Energiewaffen oder Vibroklingen – wenn sie denn entsprechend aussahen. So oder so wurde darum gebeten, im Falle eines Kampfes jeden Treffer auszuspielen und zu honorieren. Verletzungen konnte man mittels Bacta-Injektionen und Stimpaks behandeln, und der gute alte Verband kam auch zum Einsatz. Tatsächlich wurde an diesem Spiel nur sehr wenig geschossen, und es gab keinen einzigen Lichtschwertkampf. Die meisten Charaktere waren lieber vorsichtig und versuchten mittels Intrigen und Geld an ihr Ziel zu kommen.

Auch die Machtfähigkeiten wurden unter dem Grundsatz der Darstellungsmöglichkeiten beschränkt. Erlaubt waren: Heilung, Würgen, Schub, Überreden und Gespür. Tatsächlich gab es Situationen, in denen der bekannte Machtwürger, der Machtschub an eine Wand oder das berühmte Überreden eines Unwilligen zum Einsatz kamen. Ausnahmslos jeder spielte mit, ein Zeichen dafür, dass DKWDDK und die Opferregel funktionierten.

Credits regieren die Welt(en)

Um sich einen Söldner leisten zu können oder die Tänzerinnen für ihre Darbietungen zu entlohnen brauchte man natürlich Geld. Dieses konnte man in Form von Chips für 4 EUR pro 300 Credits erwerben. Ein 300-Credit-Pack beinhaltete einen 100er, fünf 20er und zwanzig 5er, wobei von Seiten der Orga auch 500er und 1000er Chips im Umlauf gebracht wurden.

Aufträge und Geschäfte wurden allerdings teilweise im Bereich von mehreren tausend Credits abgewickelt, weshalb man sich darauf einigte, eine Vorauszahlung im Bereich von einigen hundert zu verlangen und die Zahlung der restlichen Credits auf „morgen“ oder eine Überweisung zu verschieben.

Auch für das Pazaak-Spiel wurden die Credit-Chips als Einsatz verwendet, und die eine oder andere zusätzliche Information oder Verschwiegenheit konnte man sich damit ebenfalls erkaufen.

Wein, Weib und Gesang – oder: Cocktails, Tänzerinnen und Musik

Die Cantina-Bar hatte ein kleines aber feines Angebot an alkoholischen und nichtalkoholischen Getränken, wobei man sich neben Bier auch Cocktails mischen lassen konnte. Auf einer kleinen Tanzfläche konnte man hübsche Tänzerinnen bewundern, die zu mehr oder weniger passender Musik ihre Hüften schwangen. Dies trug maßgeblich zum Ambiente bei, wobei die Musik

teilweise fast etwas zu laut war, um sich zu unterhalten. Zusätzlich gab es die Möglichkeit, den Hunger mit einem Käse- bzw. Schinken-Käse-Toast zu stillen. Essen und Trinken wurden mittels eines separaten Bar-Kontos abgerechnet, in welches man zu Beginn des Spieles einen fixen Betrag einzahlen konnte. Der Alkohol floss zwar, allerdings in einem überschaubaren Maße. Keiner der anwesenden Spieler war am Ende zu betrunken, und schönes sowie verantwortungsvolles Spiel war durchgehend möglich.

Braucht eine Cantina Plot?

Es gab durchaus Plot, den man als solchen bezeichnen konnte. Da war ein Sith-Artefakt in einem Metallkoffer, von dem einige Charaktere etwas wussten und es unbedingt in die Hände bekommen wollten. Da gab es einen Datenkristall mit wertvollen Daten, für den gewisse Fraktionen über Leichen gehen würden. Das Huttenkartell hatte ein Huttenbaby mitgebracht, welches zu beschützen die einen, zu entführen die anderen trachteten. Das Gerücht über einen florierenden Drogenhandel verdichtete sich, als ein sogenannter Killerstick – besonders gefährlich für Machtanwender – auftauchte. Schnell versuchten verschiedene Parteien, diesen an sich zu reißen oder zu vernichten. Es gab weitere Gerüchte, denen man nachgehen konnte, auch wenn sie keinen unmittelbaren Einfluss auf das Spiel hatten.

Der größte Teil des Spieles gestaltete sich jedoch aus der Dynamik zwischen den einzelnen Charakteren und ihren Zielen, den Reibereien der verschiedenen Fraktionen und dem Charakterspiel in all seinen Tiefen und Facetten. Ein vorausgehendes individuelles Spielerbriefing half dabei, die verschiedenen Ziele der Charaktere miteinander zu verknüpfen oder gegeneinander auszuspielen.

Der Plot fungierte als Aufhänger und Antrieb für das Spiel, das sich wie erwartet zu Beginn ein wenig zähflüssig gestaltete. Zuerst galt es, sich zu positionieren, die anwesenden Charaktere kennenzulernen, und auszuprobieren, wie weit man gehen konnte.

Gegen Abend hatte sich das Netz verdichtet und die Stimmung glich einem brodelnden Kessel, der jederzeit explodieren konnte. Welche Fraktion brach zuerst den Friedensvertrag? Hatten sich die beiden Toten wirklich gegenseitig erschossen? Konnte das Imperium das Sith-Artefakt noch den Händen der Republik entreißen? Wer hatte das Huttenbaby entführt? Wieso und von wem war die Sith vergiftet worden? Man versicherte sich noch einmal der Loyalität seiner Geschäftspartner, heuerte Söldner zum Leibschutz an und wurde sich erst dann der vollen Konsequenz seines bisherigen Handelns bewusst.

Fazit

Die Starfire-Cantina: Episode 2 der Tandor-Orga war ein voller Erfolg. Die Spieler hatten sich mit Gewandung und Ausrüstung viel Mühe gemacht, was dem Ambiente sehr zuträglich war. Es gab eine hohe Dichte an exzellentem Rollenspiel, welches ein intensives Spielerlebnis bot und sich durch eben jenes Geben und Nehmen auszeichnete, das für ein gutes Spiel so wichtig ist. Niemand wollte gewinnen – und eben dadurch hatte jeder gewonnen. Konflikte wurden intensiv bespielt, die Intrigen waren schmutzig, aber das Zusammenspiel sauber und schön. Die Orga hatte sich im Vorfeld viele Gedanken und Mühen gemacht, um eine gute Plattform für das Spiel zu bieten. Die Location war Gold wert, und auch wenn man hier und da etwas mehr Deko im Stile einer Star Wars-Cantina hätte einbringen können, war es definitiv ausreichend, um sich in das Setting einzufühlen.

Das Credit-System war eine Bereicherung, obwohl man sich überlegen könnte, ein digitales System für die höheren Beträge einzuführen. Die Plotideen waren ein guter Antrieb für das Spiel, könnten aber auch zugunsten intensivierter Charakterverknüpfungen aufgegeben oder aber zu einem umfassenderen Plot ausgebaut werden. Die Getränke und das Essen waren ausreichend, nett angerichtet (es gab Starfire-Cantina-Becher, mit Aurebesh beschriftet) und sehr günstig im Preis, wobei man gerade beim Essen etwas mehr Auswahl hätte bieten können. Die Homepage erfüllt ihre Funktion, obwohl man die eine oder andere Information zur Anmeldung, und damit einhergehend die aktuelle Fraktionsbesetzung und das gewünschte Powerniveau, noch hätte vorgängig einpflegen können, um Verwirrungen und Missverständnissen vorzubeugen. Das individuelle Spielerbriefing vorab ist noch einmal ausdrücklich lobend zu erwähnen.

Die Orga ist offen für Feedback, und es ist zu wünschen, dass noch viele weitere Cantinas stattfinden werden. Auf jeden Fall befindet sich diese Spielreihe auf einem guten Weg. Das Fazit kann somit mit einem rundum positiven Eindruck geschlossen werden.

Bilder: © Tandor Orga

Über die Autorin

StefanieHabichtStephanie Habicht ist Anfang 30 und liebt Rollenspiele auf allen Plattformen. Seit 2002 spielt sie Rollenspiele in Onlineforen und auf NeverwinterNights-Welten am Computer.  2008 kam sie zum LARP, was mittlerweile ihr grösstes Hobby ist. Nach und nach begann sie sich auch in der internationalen LARP-Szene zu bewegen und sich in LARP-Theorie zu vertiefen. Wenn sie mal nicht gerade in fantastischen Welten unterwegs ist, arbeitet sie an der Universität Zürich als Programmiererin und schreibt ihr Doktorat in älterer deutschen Literatur.

 

 

 

Kommentieren Sie den Artikel

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein