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Fantasy aus Deutschland ist im Kino noch immer eine Seltenheit. Und auch wenn Märchenfilme nur am Rande in diese Kategorie gehören, so sind so doch ein Teil des Genres. Als ich davon hörte, dass mit Das kalte Herz eine Geschichte verfilmt wird, die schon einmal sehr gut und erfolgreich auf die Leinwand gebracht wurde, hatte ich große Hoffnungen. Waldgeister, ein gigantischer Bösewicht, eine packende und zugleich mahnende Geschichte. Ideale Zutaten für einen guten Film.

Story

Peter Munk ist ein Köhler im Schwarzwald und arbeitet mit seinem Vater zusammen in ärmlichen Verhältnissen. Aber ihre Arbeit wird kaum anerkannt, und wichtige Abnehmer wie der Glaser Löbl drücken die Preise, so dass Peters Vater sich aufmachen muss, um mit anderen Köhlern die Preise festzulegen und ihrerseits Druck machen zu können.

Peter entdeckt währenddessen sein Interesse an Löbls Tochter Lisbeth, muss aber schnell erkennen, dass er von allen Seiten nur verspottet und nicht ernst genommen wird. Doch ein Ausweg scheint in Form eines Waldgeistes zu existieren: dem Glasmännchen. Dieses erfüllt Sonntagskindern drei Wünsche. Also sucht Peter das Glasmännchen im Wald und stößt dabei zuerst auf den Holländer-Michel. Dieser verspricht ihm Reichtum und Ansehen, aber Peter ignoriert ihn und sucht weiter nach dem Glasmännchen, das er schließlich auch findet.

Die drei Wünsche, die er äußert, sind der beste Tänzer zu werden, stets so viel Geld in den Taschen zu haben wie der Holzhändler Etzel, und die schönste Glashütte im Schwarzwald zu besitzen. Das Glasmännchen erfüllt ihm all diese Wünsche, sagt aber zugleich, dass die Wünsche töricht seien und er sich lieber Klugheit hätte wünschen sollen sowie der beste Glasbläser zu sein, denn dann wäre die Hütte ganz von alleine gekommen.

Natürlich erreichen die erfüllten Wünsche nicht das, was Peter eigentlich will, und so muss er sich dann doch an den Holländer-Michel wenden. Der ersetzt ihm das Herz durch einen Stein, da Peter nur so ohne Angst sein und damit das Geld, das ohnehin auf der Straße liegt, an sich reißen könne. Doch auch dies ist nur der Auslöser für neue Probleme. Wie diese aussehen und wie es dann doch noch zum märchentypischen Happy End kommt, will ich an dieser Stelle nicht vorwegnehmen.

Kenner des zugrunde liegenden Märchens merken schon in dem kurzen Ausschnitt der Geschichte einen feinen aber wichtigen Unterschied: Das Glasmännchen erfüllt in dieser Variante dem Peter direkt alle drei Wünsche und nicht wie im Original nur zwei, um für später einen übrig zu haben. Und das ist beileibe nicht die einzige grundlegende Veränderung. Der Holländer-Michel ist keineswegs ein gigantischer Mann, sondern einfach nur ein ziemlich schmutzig wirkender Einsiedler, der im Wald lebt. Peters Vater lebt zu Beginn der Geschichte noch, und sein Tod wird zum wichtigen Element der Geschichte. Überhaupt ist zwar die Grundidee hinter dem Märchen geblieben, aber wie und warum die Handlung geschieht unterscheidet sich doch deutlich von der Vorlage. Wo der Film von 1950 die Geschichte ein wenig anpasste, um sie besser auf die Leinwand zu bringen, geht diese neue Verfilmung gleich ein paar Schritte weiter und lehnt sich nur noch entfernt an das eigentliche Märchen an.

Man könnte vermuten, dass dies getan wurde, um modernere Sehgewohnheiten zu bedienen und eine spannendere und temporeichere Geschichte zu schaffen, doch leider ist das Gegenteil der Fall. Über lange Strecken dümpelt die Geschichte regelrecht vor sich hin und will nie wirklich Fahrt aufnehmen.

Auf der Website des Films Das kalte Herz gibt es ein paar Hintergrundinfos zum Film, sowie downloadbares Schulmaterial, das von Lehrern verwendet werden kann, die den Film mit ihrer Klasse sehen.

Darsteller

Frederick Lau (Die Welle, Türkisch für Anfänger) spielt Peter Munk. Zu Beginn des Films wirkt er ständig, als würde er einen geistig und emotional unterentwickelten Tölpel spielen, spricht kaum, wirkt in seiner gesamten Körperhaltung primitiv. Das ändert sich deutlich im späteren Verlauf des Films, und die Wandlung, die die Figur durchmacht, wird damit sehr deutlich gezeigt. Für meinen Geschmack fast schon etwas zu deutlich, denn zu sehr wirkt die Figur am Anfang wie ein Idiot und kann so nicht wirklich als Identifikationsfigur dienen. Etwas weniger Primitivität hätte hier geholfen, die Figur nachvollziehbarer und sympathischer zu gestalten.

An seiner Seite steht Henriette Confurius (Tannbach – Schicksal eines Dorfes) als Lisbeth Löbl. Sie ist das Ziel von Peters Begierde und zugleich eine der wenigen durchweg positiven Figuren des Films. Ihre Figur bleibt dabei relativ blass, und es kommt auch nie das Gefühl beim Zuschauer auf, dass wirklich etwas zwischen den beiden Protagonisten funken würde. Die Chemie stimmt einfach nicht.

Deutlich besser sieht es bei den Antagonisten des Films aus. Sowohl Roeland Wiesnekker (666 – trau keinem mit dem du schläfst, diverse Tatorte) als Löbl, als auch Sebastian Blomberg (Der Baader Meinhof Komplex, Hotel Lux) als Etzel stellen ihre jeweiligen Figuren jeweils mit einem unverkennbaren Stil dar, und man meint stets, die Hintergedanken, die diese zu haben scheinen, deutlich auf ihren Gesichtern zu erkennen. Eine durchweg gelungene Darstellung.

Die beiden übernatürlichen Figuren des Glasmännchens, dargestellt von Milan Peschel (Halt auf freier Strecke, Von einem der auszog das Fürchten zu lernen), und des Holländer-Michels, dargestellt von Moritz Bleibtreu (Lola rennt, World War Z) leiden stark darunter, dass sie wie prähistorische Relikte wirken. Sie sind in Felle gekleidet, der eine kann nicht aufrecht gehen, der andere haust in einer sonderbaren Höhle. Und beide sind mit weißer Farbe bemalt. Ihre Motivationen bleiben weitestgehend unklar. Wenn man die Geschichte schon so sehr verändert, hätte man hier vielleicht dem modernen Zuschauer, dem solche Motivationen wichtiger sind als dem Märchenleser von damals, etwas mehr bieten können.

Inszenierung

Tontechnisch gibt es an dem Film wenig auszusetzen. Das Wirken der Magie wird stets deutlich hörbar mit einem schrillen Ton dargestellt, die Hintergrundmusik untermalt die Stimmung gekonnt und wirkt oftmals sehr bedrohlich und bombastisch.

Die wenigen sichtbaren Effekte sind unauffällig und stören nicht, bieten aber auch keinen Anlass zum Jubeln.

Die Kostüme hingegen sind ein anderes Thema. Zum einen gibt es die gelungenen Kostüme der höheren Gesellschaftsschichten, zum anderen die des einfachen Volkes oder gar der Unterschicht. Letztere wirken, wie auch die Kostüme der übernatürlichen Wesen, als seien sie einem völlig anderen Jahrhundert entsprungen. Auch die Tatsache, dass viele Frauen im Film unter den Augen mit Schlangenlinien tätowiert sind, die mich ein wenig an die Trill in Star Trek erinnert haben, wurde im Film nicht thematisiert und verwirrt den Zuschauer so ein wenig.

Das extra für den Film aufgebaute Schwarzwalddorf hingegen ist gut gelungen und wird in vielen Szenen gut genutzt.

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Erzählstil

Die Geschichte wird weitestgehend aus der Sicht von Peter Munk erzählt. Er ist ganz klar die Identifikationsfigur, und nur in wenigen Szenen ist es notwendig, einen anderen Blickwinkel einzunehmen, um die spätere Handlung zu erklären.

Schade nur, dass eben diese Identifikationsfigur lange Zeit wie ein tumber Tölpel wirkt und damit kaum dazu einlädt, dass der Zuschauer sich mit ihr identifiziert.

Preis-/Leistungsverhältnis

Der Film ist mit 119 Minuten knapp unter der Grenze, bei der viele Kinos einen Überlängenzuschlag fordern. Auch ist er nicht in 3D, 4K oder HDR. Entsprechend ist ein Ticket fürs Kino so günstig, wie es eben nur sein kann. Für etwa den gleichen Preis bekommt man Das kalte Herz von 1950 auf DVD.

Gewinnspiel

Das Plakat zu Das kalte Herz
Das Plakat zu Das kalte Herz

Von unserer Seite gibt es, dank freundlicher Unterstützung von Weltkino, als Bonus für euch,  eine kleine Verlosung zum Film. Gewinnen könnt ihr dabei:

  • 1 x Holzwerkzeug (Original-Requisite) und zwei Kinofreikarten für den Film
  • 1 x Filmplakat und 2 Kinofreikarten für den Film
  • 1 x Filmplakat

 

Alles, was ihr dafür tun müsst, ist die folgende Frage zu beantworten:

Wer spielte den Holländer-Michel in der Verfilmung von 1950? 

Schickt die Antwort per Mail an kontakt@teilzeithelden.de mit dem Betreff „Das kalte Herz 1950“. Einsendeschluss ist der 27. Oktober 2016. Es gelten unsere üblichen Teilnahmebedingungen.

Das kalte Herz - Originalrequisite
Das kalte Herz – Originalrequisite

Fazit

Ich wollte Das kalte Herz wirklich mögen. Fantasy, wenn auch „nur“ in Form eines Märchens, liegt mir ebenso am Herzen wie die Hoffnung, mehr Filme aus dem Genre auch aus Deutschland zu sehen. Aber diese neue Verfilmung hat es mir dabei wahrlich nicht leichtgemacht. Zu weit weicht sie von der zugrunde liegenden Geschichte ab. Zu sehr wird Potenzial verschenkt.

Mit heutiger Tricktechnik wäre es möglich gewesen, den Holländer-Michel als wirklich bedrohliche und riesige Figur in Szene zu setzen. Und auch das Glasmännchen hätte fantastischer herüberkommen können. Stattdessen wirken beide wie Figuren aus der Steinzeit. Auch der tumbe Protagonist, der nicht gerade als Identifikationsfigur taugt, sowie die fehlende Chemie zwischen den beiden Teilen des Liebespaares im Film helfen nicht gerade dabei, Begeisterung zu erzeugen.

Das kalte Herz ist am Ende eine zu langsam und zu seicht erzählte Geschichte, die viel Potenzial ungenutzt lässt. Liebhaber von Märchenfilmen oder großartiger Kulissen und Waldaufnahmen können sicherlich etwas Lohnendes in dem Film finden. Für die meisten anderen empfiehlt es sich wohl eher, sich die Fassung von 1950 auf DVD oder BluRay zuzulegen und diese noch einmal anzusehen. Oder ihr nehmt an oben stehendem Gewinnspiel teil, gewinnt die Kinokarten und macht euch selbst ein Bild.

Daumen3maennlichNeu

Mit Tendenz nach unten

Artikelbilder: Weltkino

 

2 Kommentare

    • Oh, ja, die Kämpfe… die Choreo war GRUSELIG! Aber da es kein Actionfilm war, wollte ich das dem Film nicht auch noch ankreiden.
      Der verlinkte Artikel hat am Ende gar keine Wertung. Finde ich etwas sonderbar. Aber der Text ist erstaunlich voll des Lobes und erwähnt keine der Schwächen des Films.
      Naja, Meinungen eben :)

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