Am Sonntag, dem 14.06.2015, wurde zum zweiten Mal der Deutsche Rollenspielpreis verliehen. Dieses Jahr konnte das Regelwerk zum dem Rollenspiel Splittermond aus dem Uhrwerk-Verlag in der Kategorie Grundregelwerke die fünfköpfige Fachjury überzeugen. In der Kategorie Zubehör der Band Night’s Watch – Die Nachtwache zum Rollenspiel Das Lied von Eis und Feuer nach dem bekannten Romanen und der Fernsehserie Game of Thrones von George R. R. Martin. Ein Jurypreis ging an das grafisch besonders opulente und gelungene Spiel Degenesis Rebirth
Tom Finn, der bekannte Hamburger Fantasy- und Jugendbuchautor (Schwarze Tränen, Aquarius) hielt die Laudatio für Splittermond:
Splittermond steuert
inhaltlich etwas gegen den Strom, lacht es doch der in Deutschland sonst so populären „Dark Fantasy“ farbenfroh ins Gesicht. Grafisch ist es die Technicolor-Antwort auf unheilschwere Albino-Prinzen und straßenstaubverdreckte Rattenfänger.
Die Nachtwache wurde von der Romanautorin Lena Falkenhagen (Das Mädchen und der Schwarze Tod, Die letzte Hanseatin) vorgestellt:
Dieser Tage kommt man als Fantasy-Fan an dem Phänomen Game of Thrones nicht vorbei. Doch es ist beileibe nicht die mediale Omnipräsenz, die Night’s Watch zum Sieger werden ließ. Das Quellenbuch zur Nachtwache hat in der Jury sogar die Zweifler und Verächter von Game of Thrones überzeugen können.
Ebenfalls am Wochenende wurde Werner Fuchs mit dem Deutschen Rollenspielpreis ausgezeichnet. Er ist einer der Begründer des Rollenspiels in Deutschland, hat das erfolgreichste deutsche Rollenspiel Das Schwarze Auge mitbegründet und ist daneben noch erfolgreicher Herausgeber, Redakteur, Literaturagent und Übersetzer, u.a. für George R. R. Martin, dessen erster Literaturagent er war und den er bis heute vertritt.
Inhaltsverzeichnis
Die Auswahlliste
Unter einer großen Auswahl von Nominierungen durch die Verlage konnten diese Produkte hervorstechen.
Die Jury, bestehend wie folgt, wählte aus diesen die Gewinner des Jahres 2015.
- Björn Lensig ist Grafiker (z.B. für Nintendo DS– & Wii-Spiele), und Illustrator. Im Rollenspielsektor illustriert er für verschiedene bekannte Systeme, wie z.B. Das Schwarze Auge, Myranor, Cthulhu, Arcane Codex, Rolemaster, Elyrion uvm.
- Roger Lewin ist Chefredakteur von Teilzeithelden.de (wir hier)
- Konrad Lischka hat auf Spiegel Online über Rollenspiele geschrieben und ist Autor von Drachenväter, einem Buch über die Geschichte des Rollenspiels.
- Gunnar Lott war Chefredakteur der Computerspiele-Zeitschriften GameStar, GamePro und Gründer der Spieleentwicklerzeitschrift Making Games. Er ist ein bekannter Sprecher auf Spieleentwickler-Konferenzen und wird für seinen Retrogames-Podcast Stay Forever geschätzt.
- Dirk Remmecke, einst freier Rollenspiel-Journalist, Inhaber eines Rollenspielladens und Mitgründer von H spielt!, hat den Rollenspielfilm Astrópía nach Deutschland gebracht, Microlite20 übersetzt und ist allgemein „Botschafter“ in Sachen Rollenspiel.
Die Gewinner
(Ausschnitte aus unseren eigenen Kritiken)
Sieger in der Kategorie: Grundregelwerke
Redakteur Philipp Lohmann schreibt: Ein durchdachtes Regelwerk, eine spannende Fantasy-Spielwelt, eine clevere Verkaufsstrategie – Der Uhrwerk-Verlag hat alles richtig gemacht! Eigentlich kann ich Nicos persönlichem Fazit wirklich ohne Einschränkungen zustimmen: An Splittermond kommt derzeit niemand vorbei, der sich auch nur halbwegs für Fantasy-Rollenspiele interessiert und keine Angst vor komplexen Regelwerken hat!
Mehr findet sich in unserer Kritik zum Splittermond-Regelwerk. Dort findet sich auch das Fazit von Nico, dem Spielleiter der Splittermond-Runde.
Sieger in der Kategorie: Zubehör
Chefredakteur Roger Lewin schreibt: Das Quellenbuch rund um die Nachtwache und den eisigen Norden von Westeros hat mir viel Freude bereitet. Mag es daran liegen, dass ich gerade, getrieben vom Kielwasser der Serie, die Bücher lese oder die Informationen generell einfach gut aufgebaut sind. Leser erhalten nach der Lektüre ein wirkliches Gefühl für die Struktur, das Ambiente und die Aufgaben der Grenzeinheit.
Es gelingt der Übersetzung gut, die jeweiligen Stimmungen von der Grenzwacht auf der einen Seite und der Freiheit der Wildlinge auf der anderen Seite zu präsentieren. Desweiteren zeigt der Band einen guten Weg, wie man im Game of Thrones–Rollenspiel auch einfach etwas anderes als nur höfische Intrigen spielen kann. Damit gewinnt das Spiel deutlich, denn die verschiedenen Schattierungen des Kontinents und der Menschen auf ihm werden damit klarer.
Auch innerhalb der Wache zeigt sich diese Diversität. Militärisch orientierte Spieler, die viel Action wollen, werden mit Grenzern im Kampf gegen Untote und Wildlinge ihre wahre Freude haben. Spieler, die eher Wert auf Interaktion und Politik legen, werden mit den Kämmerern genug zu tun haben. Soll das Spiel sich einmal ganz anders anfühlen, spielt die Runde die Teile eines Wildingstammes, der ums tägliche Überleben kämpfen muss und dabei weder Winter, noch Untote, noch andere Stämme fürchtet.
Fans der Welt und des Spieles rate ich uneingeschränkt zum Kauf, denn ich fand keine Mankos. Für Romanleser sind gute zwei Drittel des Buches eine gute Zusammenfassung, Spieler können alles benutzen.
Mehr findet sich in unserer Kritik zum Nachtwache-Quellenband.
Sieger in der Kategorie: Jurypreis
Redakteur Dirk Walbrühl schreibt: Degenesis Rebirth Edition ist ein Premium-Rollenspiel. In Zeiten von kostenlosen Schnellstartern und Taschen-Rollenspielen für „nen Zehner“ beschreiten die Autoren hier einen gewagten, anderen Weg hin zum optisch beeindruckenden Gesamtkonzept. Man bekommt quasi nicht nur ein Rollenspiel, sondern auch ein Artbook. Dabei sprengt Degenesis Rebirth Edition Umfang und auch Preisrahmen handelsüblicher Grundregelwerke und bewegt sich auf dem Niveau von limitierten Editionen. Eine günstigere Print-Variante gibt es nicht – das ist unüblich und für manche Leser sicher ärgerlich, aber keinen Punktabzug wert. Das Ergebnis ist ganz klar ein hochwertiges Liebhaberprodukt.
Auch inhaltlich tanzt dieses Rollenspiel aus der Reihe. Trotz einiger Anleihen bei Fallout, Mad Max und Konsorten ist Degenesis eben kein Setting generischer Postapokalypse, sondern Science Fiction lastiger, eigenständiger Primal Punk mit Ecken und Kanten. Selbstbewusst bauen die Autoren dabei auf Degenesis 1 auf und räumen die Kritikpunkte am Vorgänger aus. Das neue Würfelsystem erfindet das Rad zwar nicht neu, spielt sich aber intuitiv, fair und angenehm unkompliziert. Die Erweiterungen und Umgewichtungen im Hintergrund, vor allem bei den Kulten, erleichtern Kampagnenplanung und Gruppenzusammenspiel. Der neue Fokus auf Kulten und Zivilisationskonflikt hat dem Spiel insgesamt gut getan.
Wer Primal Punk generell nicht mag, den wird auch die Degenesis Rebirth Edition nicht überzeugen. Auch Spielrunden, die einen starken Metaplot brauchen, oder eine möglichst realistische Endzeit-Überlebenssimulation erwarten, sollten sich das Geld sparen. Alle anderen dürften mit dieser Version des Primal-Punk-Rollenspiels viel Spaß haben. Fans von Degenesis 1 können bedenkenlos zugreifen.
Mehr findet sich in unserer Kritik zur Degenesis: Rebirth-Edition.
Fotografie: P. Waldfried
Produkte: Genannte Verlage