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Bereits in den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts erschien die Serie Fabled Lands der Autoren Dave Morris und Jamie Thomson, in der die Reiche der Welt Harkuna beschrieben werden. Der Protagonist bereist in jedem Band eine andere Region und kann auf seiner Wanderung an diversen Stellen in einen anderen Landstrich und somit ein anderes Buch der Serie wechseln. Ursprünglich auf 12 Bände angelegt, wurden nur 6 Bände veröffentlicht, die der Mantikore-Verlag seit 2011 als Legenden von Harkuna auf Deutsch herausbringt. Band 3 beschreibt das weitläufige Violette Meer mit seinen zahlreichen Küstenstädten und Inseln.

Handlung

Die Meere des Schreckens umfasst 718 Abschnitte, welche die Reisen des Helden beschreiben. Beginnt man seine Abenteuer mit diesem Band, so findet man sich schiffbrüchig auf hoher See wieder, um schließlich an einer zufälligen Stelle an Land zu gehen.

Die Region um das Violette Meer erweist sich als vielseitig. So harren diverse Küstenstädte mit mehr oder weniger zwielichtigen Bewohnern ihrer Erkundung. Auf der Insel der Zauberer kann man zum Beispiel Mitglied der dortigen Akademie werden, während der Held auf der Kupferinsel die Erzminen erforschen kann. Zudem kann der Held Segnungen in Tempeln erhalten. Diese bieten etwa Schutz vor den stets drohenden Stürmen oder anderen Gefahren. Durch die offene Struktur der Harkuna-Serie steht es dem Leser frei, das in einem Buch beschriebene Gebiet nach eigenem Belieben zu durchstreifen.

Recht unverhofft kann man dabei auch eine Passage in eine andere Region von Harkuna und somit einen anderen Band der Serie entdecken. Neben den zu erwartenden Übergängen an den Grenzen des Violetten Meeres überrascht das Buch auch oft mit unerwarteten Wegen: So mag ein Zauberer seinen aufdringlichen Schüler einfach wegteleportieren oder man stößt bei der Erkundung von Inseln auf ein magisches Portal. Leider bietet das Buch gerade bei diesen überraschenden Wechseln nicht immer die Möglichkeit, diese noch abzuwenden, so dass man seine Abenteuer plötzlich nicht fortsetzen kann, nur weil man den passenden Band nicht besitzt.

Nennt man erst ein Schiff sein Eigen, so trotzt man als Kapitän ständigen Stürmen und Piratenüberfällen oder begegnet Geisterschiffen und Handelsbarken. Und natürlich kann man mit der passenden Karte auch einen vergrabenen Schatz entdecken.

Auch sonst bieten sich einem Kapitän diverse Aufgaben, die durch das gesamte Buch gut miteinander verknüpft sind: Durch geschicktes Handeln mit Waren kann man guten Profit machen – das eigene Schiff und die Mannschaft wollen schließlich aufgewertet werden. Denn gerade unerfahrenen Seeleuten in einem kleinen Kahn können die Seeräuber oder Unwetter erstaunlich schnell den Garaus machen.

Diese Vielseitigkeit hat aber auch ihren Preis: Stets hatte ich bei der Lektüre den Eindruck, als wollten die Autoren auf Gedeih und Verderb sämtliche Klischees zur Seefahrt und zu Küstenabenteuern unterbringen. So wird auch keines der mannigfaltigen Erlebnisse wirklich detailliert erzählt; die Textabschnitte beschreiben knapp die wichtigsten Details und schicken den Helden dann weiter zur nächsten Episode. Auch hatte ich nie wirklich das Gefühl, bei meinen Abenteuern im Violetten Meer einen bleibenden Eindruck in der Welt zu hinterlassen. Zwar kann man durch ein Attentat den König der Piraten zur Strecke bringen oder wird auf einer kleinen Insel nach Bezwingung zweier Medusen als Retter gefeiert, aber auch diese Heldentaten bleiben sehr begrenzte, lokale Ereignisse.

Regeln

Ein Charakter in den Legenden von Harkuna verfügt über die sechs Attribute Charisma, Kampfkraft, Zauberkraft, Heiligkeit, Naturwissen und Diebeskunst. Das Buch bietet dazu passend sechs Berufe wie Schurke, Magier oder Wanderer für die eigene Figur an, deren Werte entsprechend ihrem Schwerpunkt zwischen 2 und 6 vordefiniert sind.

Alternativ kann man auch einen der sechs ebenfalls mitgelieferten Archetypen verkörpern. Diese entsprechen den sechs Berufen, haben aber bereits einen Namen, eine kurze Hintergrundgeschichte und ein wenig Ausrüstung wie Waffen, Rüstung oder andere Gegenstände dabei. Auch über ein wenig Barschaft in der Währung Shards verfügt die Figur. Wofür man sich auch entscheidet, der eigene Charakter beginnt das Spiel in diesem Band immer auf Stufe 3 und mit 16 Punkten Lebenskraft.

Verlangt Die Meere des Schreckens eine Probe vom Leser, so addiert dieser zum geforderten Attribut 2W6 hinzu und muss den angegebenen Mindestwurf übertreffen.

Ähnlich verläuft der Kampf: Der Charakter addiert 2W6 zu seinem Attribut Kampfkraft und muss damit höher liegen als die angegebene Verteidigung des Gegners. Die Differenz wird dann von dessen Lebenskraft abgezogen. Hat der Widersacher überlebt, erfolgt dessen Gegenangriff, bei der die eigene Verteidigung sich aus der Summe von Kampfkraft, Stufe und Rüstung ergibt.

Nicht nur durch die zahlreichen Kämpfe, auch durch Missgeschicke und falsche Entscheidungen kann den eigenen Abenteurer schnell der Tod ereilen. Nur wenn man eine der seltenen Wiederbelebungen entdeckt hat, von denen sich gerade mal eine in den Weiten des Violetten Meeres versteckt, darf man seine Abenteuer dennoch fortsetzen.

Bei der Vergabe und Erfüllung von Questen oder anderen einschneidenden Ereignissen wie etwa einer überstandenen Meuterei vergibt Die Meere des Schreckens diverse Codewörter, die dann an anderer Stelle abgefragt werden und den Fortgang der Geschichte bestimmen. Alle Codewörter aus diesem dritten Band beginnen mit dem dritten Buchstaben des Alphabets C, mitunter wird der Leser aber auch nach Begriffen aus einem der anderen Bände gefragt.

Schreibstil

Die Meere des Schreckens ist zwar durchweg flüssig geschrieben, lässt aber Tiefe und Entwicklung der auftauchenden Figuren vermissen. Zumeist wirken die Beschreibungen auf mich arg nüchtern, stattdessen merkt man den Autoren an, dass sie möglichst viel Abwechslung in dem Band unterbringen wollten. An Ideen mangelt es Morris und Thomson aber nicht, die geschilderten Gegenden und Erlebnisse erweisen sich als abwechslungsreich und beschreiben bestens die im Titel versprochenen Abenteuer auf See.

Preis-/Leistungsverhältnis

Mit einem Preis 14,95 Euro liegt Die Meere des Schreckens auf gleichem Niveau wie andere Taschenbücher dieses Umfangs. Der Leser erhält für sein Geld ein umfangreiches Werk, mit dessen Erkundung er einige Tage beschäftigt sein wird.

Erscheinungsbild

Das Taschenbuch liegt gut in der Hand und verkraftet das Spielbuch-typische Blättern sehr gut. Die einzelnen Abschnitte sind großzügig gesetzt und angenehm zu lesen. Zur besseren Übersicht sind im Anhang eine Karte der gesamten Welt Harkuna sowie eine weitere des Violetten Meeres und seiner Küstenregion enthalten. Auch das Aktionsblatt (Charakterbogen) für den eigenen Helden findet sich hier.

Insbesondere die Illustrationen, die aus der englischen Originalausgabe übernommen wurden, gefallen mir wegen ihres klaren, leicht überzeichneten Strichs. Manche davon sind zwar nur Stimmungsbilder, die Küstenstädte oder Landstriche abbilden, insgesamt aber vermitteln sie ein ganz eigenes Flair für die dargestellte Welt von Harkuna.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Mantikore-Verlag
  • Autor: Dave Morris, Jamie Thomson
  • Erscheinungsjahr: 2013
  • Sprache: deutsch
  • Format: broschiert
  • Seitenanzahl: 352
  • ISBN: 978-3-939212-26-3
  • Preis: 14,95 EUR (Taschenbuch)
  • Bezugsquelle: Amazon (Taschenbuch)

 

Bonus/Downloadcontent

Auf seiner Homepage bietet der Mantikore-Verlag diverse PDFs zu Harkuna-Serie zum Download an, die auch im Anhang der Buchserie zu finden sind. Für Leser von Die Meere des Schreckens sind vor allem das Aktionsblatt (Charakterbogen) und das Schiffsladeverzeichnis von Interesse, ebenso die Karten der gesamten Welt und des Violetten Meeres.

Fazit

Der ambitionierte Anspruch der Spielbuchserie Legenden von Harkuna, eine offene und frei zu bereisende Welt darzustellen, ist auch mit dem dritten Band über das Violette Meer durchaus gelungen. Die Meere des Schreckens bietet dabei auch genau die vielseitigen Abenteuer, die man von dem Titel erwartet: Schmuddelige Hafenstädte, Piratenüberfälle, gefährliche Stürme oder geheimnisvolle Inseln. Die Verbesserung von eigenem Schiff und Mannschaft können dabei zusätzlich motivieren.

Genau in der offenen Gestaltung der Serie liegt aber auch mein größtes Problem: Zwar stößt der eigene Abenteurer auf diverse Questen und Aufgaben, eine wirklich bleibende Veränderung löst er aber nur selten und nur lokal beschränkt aus. Auch kann es immer wieder unverhofft passieren, dass ein Abschnitt in einen anderen Landstrich und somit anderen Band der Serie führt, was zwingend den Besitz dieser Bücher voraussetzt.

Wer in Rollenspielen – sei es am Tisch, am Computer oder eben in Spielbüchern – vor allem die Hintergrundwelt erforschen möchte, ist auch mit diesem Band von Harkuna gut beraten. Wer aber wie ich selbst von einem Spielbuch eher eine unterhaltsame Geschichte erwartet, in der die eigenen Taten auf einen konsequenten Höhepunkt hinauslaufen, könnte von der Serie enttäuscht werden.

Daumen3maennlich

Artikelbilder: Mantikore Verlag

 

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