Geschätzte Lesezeit: 8 Minuten

Banden sind beim Pen-and-Paper immer wieder für eine spannende Begegnung mit den SC gut. Doch wer sind diese Leute eigentlich? Verkannte rechtschaffene Brigant*innen mit einem goldenen Herzen? Dem Kannibalismus Fröhnende, die selbiges eher verzehren? Oder Tapfere, die sich gegen eine ungerechte Obrigkeit wehren? Finden wir es doch heraus …

Über kurz oder lang wird jede Spielrunde beim Pen-and-Paper auf eine Gruppe von NSC mit volatilen Eigentumsansprüchen – gemeinhin Räuber*innen genannt – treffen. Diese Antiheld*innen dienen meist lediglich als Schwertfutter für die SC, damit diese auf frühen Stufen einfach zu Erfahrung und etwas besserer Ausrüstung kommen. Sie sind austauschbar und generisch, haben keine intrinsische Motivation und werden bei den Spielenden keinen erinnerungswürdigen Eindruck hinterlassen.

Und das ist schade.

Eine Bande ist ein faszinierendes Gemenge aus den unterschiedlichsten Charakteren verschiedenster Herkunft, mannigfaltigen Motivationen und unzähligen Gründen, warum sie gerade das tun, was sie nun einmal tun. Warum lauern sie arglosen Reisenden auf? Gibt es eine Obrigkeit, vor der sie sich verstecken müssen? Wie skrupellos gehen sie bei ihren Beutezügen vor? Hat die Bande ein eigenes Versteck oder zieht sie ohne dauerhafte Unterkunft durch die Lande?

Zu viele Begegnungen mit Bandit*innen, Raidern, Vigilant*innen und anderen freundlichen Gestalten, die man auf der Reise trifft, haben lediglich den Kampf und das zügige Weiterkommen zum Ziel. Dabei ist eine differenziertere Behandlung einer solchen Begegnung (die immer noch in einer Konfrontation münden kann) viel interessanter als ein Gefecht gleich beim ersten Kontakt.

Wer bin ich und wie viele?

Herbert Asbury unterschied in seiner sozialhistorischen Studie Gangs of New York (1928) bereits zwei grundlegende Typen von Banden: ein Mob war (konträr zur heutigen Bedeutung des Wortes) eine relativ kleine spezialisierte Gruppe von Verbrecher*innen, die meist auf ein spezifisches Betätigungsfeld konzentriert waren. Aus diesem Ursprung entwickelte sich auch der Begriff Mobster für Mafiosi. Die Gangs hingegen waren Vereinigungen von Individuen, deren Anzahl bis in die hunderte gehen konnte und die dementsprechend breit aufgestellt waren.

Hat die Bande ein spezifisches Aufgabengebiet und Territorium? Wie generieren die Mitglieder der Bande ihr Einkommen? Erpressung, Entführung, Schmuggel, Auftragsmorde und -sabotageakte, Wegelagerei – der Fantasie sind je nach gewünschter Boshaftigkeit der Gruppe kaum Grenzen gesetzt (die Grenzen der Spielenden sollten natürlich berücksichtigt werden). 

Guten Tag, Finanzberatung!
Guten Tag, Finanzberatung! depositphotos © membio

Vielleicht ist aber Geld nicht der primäre Antrieb der Räuber*innen. Robin Hood mit seinen Getreuen ist der wohl bekannteste Vertreter der Gattung „nobler Bandit“. Diese Gruppen zeichnet vor allem ein gewisser Ehrenkodex aus, der zumeist Gewalt und Raub limitiert. Diese moralisch eher hellgrau gesinnten Banden sind besonders dann spannend, wenn die SC mehr zum Mietschwertertum neigen als die Bandit*innen, auf die sie treffen. In die Verbannung vertriebene Adlige, selbstlose (oder zumindest nicht ganz eigensüchtige) Helfer*innen der Armen gegen die Mächtigen, verzweifelte Idealist*innen gegen eine übermächtige Ideologie, fälschlich Beschuldigte, die sich wehren müssen – all diese Konzepte sind möglich, wenn die Bande nicht primär vom Beutemachen motiviert sein soll.

Die Anzahl der Mitglieder dieser Gruppe kann sehr nach den aktuellen Bedürfnissen der Kampagne variiert werden. Wenn ihr noch am Anfang steht, treffen die Charaktere eventuell auch nur auf zwei oder drei Mitglieder der Räuberbande, welche je nach Ausgang der Begegnung freundlich oder feindlich gesinnt sind. Später, wenn die Charaktere schon etwas an Macht gesammelt haben, kann man ihnen gerne auch einen größeren Teil der Band entgegenstellen.

Wie mache ich die Räuberbande lebendig?

Über das Thema Motivation wurde schon geschrieben. Neben einem Antrieb und einer Geschichte (also, wo sie herkommt) benötigt die Bande noch zwei weitere Elemente, um wirklich interessant für eine Kampagne zu werden: Handlung und Charakter(e).

Was treiben die Mitglieder der Bande, wenn die SC gerade nicht mit ihnen interagieren? Da sie hoffentlich nicht regelmäßig in eine Plot-Stasis fallen, sollte sich auch bei diesen NSC-Gruppen das ein oder andere tun – umso mehr, da Räuber*innen, Gesetzlose und Raider*innen gar nicht so selten einer gefährlichen Umgebung ausgesetzt sind und in Bewegung bleiben wollen. Vielleicht müssen sie ihren Standort wechseln, eventuell tut sich intern ein Streit um die Führung der Gruppe auf, oder etwas anderes Spannendes geschieht in ihrem Wirkungskreis, und sie benötigen die Hilfe der SC. Wie auch immer, es muss nichts Weltbewegendes sein. Aber je eher die Spielenden an die Gruppe andocken können, desto eher werden die Spieler*innen der Spielleitung Möglichkeiten geben, weitere Handlungsstränge zu weben.

Dazu braucht es NSC, welche mit den SC interagieren können. Zwei, besser drei Charaktere aus dieser Bande sollten etwas ausgearbeiteter sein, mit Motivationen, Zielen, Abneigungen und Vorlieben, Wünschen und Verbindungen. Die Führungsriege der Banden bietet sich immer als möglicher Kontaktpunkt an, aber auch speziellere Funktionen wie Beauftragte für Waffen und Technik, höherrangige Offizier*innen oder ganz einfache Mitglieder können Bekanntschaften der SC werden. Sobald sie sich an die Namen dieser NSC erinnern, hat man schon gewonnen, denn dann haben diese das Interesse der Spieler*innen genug geweckt, um darauf aufzubauen.

Führungswechsel können im Lauf der Zeit geschehen. depositphotos © creatista
Führungswechsel können im Lauf der Zeit geschehen. depositphotos © creatista

Irgendwann im Laufe der Geschichte kann ein größeres Ereignis den internen Frieden der Bande massiv stören. Viel mehr würde den Fokus der Geschichte zu sehr auf die NSC legen, und schließlich sind immer noch die SC die Held*innen der Geschichte. Aber einmal kann auch die Bande, ganz egal, ob sie nun ein Alliierter oder Antagonist ist, in den Plot eingreifen und weitere Handlungsverläufe anstoßen. Vielleicht benötigt die neue Leitung der Bande die Hilfe der Charaktere, eventuell wollen sie gemeinsam mit den SC „ein großes Ding drehen“, oder es ergeben sich ganz intrinsisch gemeinsame größere Ziele.

Unsere Heimat

Je nach bespielter Epoche und Setting ergeben sich viele Möglichkeiten für die Heimstatt der Bande. Ein Speakeasy für eine Gruppe Alkoholschmuggler des Chicago Outfits bietet sich für Call of Cthulhu in den 1920ern an. Eine malerische Waldlichtung ist für unsere bestrumpften Bogenschütz*innen ideal, welche gegen den englischen Fiskus kämpfen.

Besonders viel kreative Energie lässt sich bei der Postapokalypse wie bei Fallout oder Mutant: Year Zero aufbringen. Hier lässt sich praktisch alles vom gestrandeten Flugzeugträger bis hin zu einem vorgeblich aufgegebenem Vergnügungspark, als Heimstatt für eine Bande Raider ausbauen. Simple Wohnhäuser, welche gerade wegen ihrer Unauffälligkeit benutzt werden, sind ebenfalls immer wieder für eine böse Überraschung gut.

Das Leben als Familienmensch ist nicht immer einfach. depositphotos © YAYImages
Das Leben als Familienmensch ist nicht immer einfach. depositphotos © YAYImages

Freund*in oder Feind*in?

Treffen die SC zum ersten Mal auf eine fremde Gruppe Bewaffneter, wird die Stimmung zumindest vorsichtig sein. Fordern die Fremden dann gar einen Wegzoll ein, benötigt man schon Fingerspitzengefühl, damit die Held*innen nicht gleich zum Kampf übergehen, denn sie werden ihre Schätze verteidigen wollen. Eine mögliche Variante wäre, ihnen zunächst eine Überzahl an Gesetzlosen entgegenzustellen und sie die abgeluchste Beute wieder zurückstehlen zu lassen. Dieser Ansatz erfordert allerdings Spieler*innen, welche mit einem temporären Verlust an Schätzen umgehen können und nicht gleich die Flinte ins Korn werfen.

Vielleicht sind die Held*innen auch gezielt auf der Suche nach eben jener Bande, weil sie von der Obrigkeit zur Jagd auf diese angeworben wurden. Hier wäre es besonders schön, den Spielenden zu zeigen, dass die Mitglieder der Bande gar nicht so schlecht sind, wie ihnen weiß gemacht wurde (oder zumindest nicht alle von ihnen, und dass es mehr als Schwarz und Weiß an Gesinnungen gibt). Je eher sich den SC ein diversifiziertes Bild an Charakteren, Motivationen, Vor- und Abneigungen sowie Herangehensweisen zeigt, desto leichter wird es ihnen fallen, mit den angebotenen NSC auf konstruktive Weise zu interagieren. Damit werden die Spieler*innen aktiv dazu beitragen, die Bande mit ganz eigenem Leben zu füllen. Ob sich dann im weiteren Lauf des Spiels eine Freundschaft oder Rivalität aufbaut, ist dann schon fast nebensächlich.

Fazit

Banden von Räuber*innen, Dieb*innen, Bandit*innen, Vigilant*innen. All diese bunten und illustren Gruppen haben es verdient, einen eigenen Charakter zu erhalten, an den man sich noch lange erinnern kann. Je weniger generisch die Begegnung mit diesen Leuten ist, desto besser. Begegnungen bleiben besonders dann in Erinnerung, wenn sie die Handlung vorangebracht haben. Darum ist es nie verkehrt, schon einen Plan für die NSC zu haben, bevor sie zum ersten Mal auf die SC treffen.

Denk daran, dass die Bande einen ganz eigenen Charakter und Geschichte haben kann. Die Banden haben ihre jeweils eigenen Herkünfte, Strukturen, Territorien, Charakteristika, Vorlieben und Abneigungen, ganz wie ihre Mitglieder. Und wie eben jene können sie sich im Laufe der andauernden Kampagne in gewissen Aspekten ändern. Führungsstreitigkeiten und -wechsel können geschehen. Und neu auftretende Probleme (bei denen die Bande dann die Hilfe der SC benötigt) oder andere unvorhergesehene Ereignisse machen diese Gruppen von NSC so viel spannender als eine simple Kampfbegegnung, die man eben über sich ergehen lässt, weil die Spieler*innen und ihre Charaktere Erfahrung und Beute sammeln wollen.

Die Bande von nebenan hat eben eine Seele. Wenn du ihr eine gibst.

Artikelbilder: depositphotos © wie gekennzeichnet
Titelbild: depositphotos © wie gekennzeichnet
Layout und Satz: Roger Lewin
Lektorat: Maximilian Düngen

1 Kommentar

  1. Sehr praktischer Artikel. Ich hatte das Problem damals, als ich einen der PCs von einer Räuberbande entführen ließ, und während die anderen nach Spuren suchten, freundete das Opfer sich mit der Bande an und ich musste mir auf die Schnelle Persönlichkeiten und Beweggründe für die Typen einfallen lassen.

Kommentieren Sie den Artikel

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein