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Eine Pen-and-Paper-Convention, eine Buchmesse für Rollenspiele und Fantasy-Literatur und ein Mittelaltermarkt: Die Feencon 2023 in Bonn war alles drei. Nach Startschwierigkeiten an der neuen Location letztes Jahr hat dieses Mal fast – alles gestimmt. Ein Conbericht über Renaissancetänze, Lesungen, Nerd-Merch und Rollenspielrunden im Klassenzimmer.

Ein Satz vorweg: Die Flut von Eindrücken, die die Feencon 2023 als erste Convention nach der Pandemie bei der Autorin hinterlassen hat, ist schwer in Worte zu fassen. Es folgt der Versuch, ein magisches Wochenende halbwegs neutral zu bewerten.

Triggerwarnungen

Keine Triggerwarnungen

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Die Gruppe Khoni Foa genießt die Feencon unter dem eigenen Sonnensegel – für alle anderen war aber genug Platz unter den Bäumen
Die Gruppe Khoni Foa genießt die Feencon unter dem eigenen Sonnensegel – für alle anderen war aber genug Platz unter den Bäumen

Einmal mit allem bitte!

Phantastische Literatur, Mittelaltermarkt-Feeling, spontanes Rollenspiel in entspannter Atmosphäre, Workshops, Lesungen, Brettspiele, Cosplay und Tabletop: Die Feencon 2023 bot für fast alle Geschmäcker im Phantastik-Bereich etwas und das auch noch bei bestem Wetter. Am 17. und 18. Juni 2023 fand die Feencon zum zweiten Mal an der Integrierten Gesamtschule (IGS) Bonn-Beuel statt und wurde nicht nur von den Veranstaltenden als voller Erfolg gewertet. Ob im Schulgebäude, der zur Markthalle umfunktionierten Sporthalle oder im Außenbereich – die Sonne meinte es fast zu gut mit Besuchenden und Ausstellenden. Trotz der drückenden Hitze tummelten sich auf dem Gelände fröhliche Menschen jeden Alters, sei es in Cosplay oder Gewandung, Nerd-Shirt oder ganz „in Zivil“.

Nach einigen organisatorischen Schwierigkeiten im vergangenen Jahr hat sich die Feencon gemausert. Mit 30 Helfenden und einem weit größeren genutzten Areal erweckte die Veranstaltung nun den Eindruck von drei Cons in einer: Das Außenareal der Schule wurde zum Fantasy-Larp-Mittelaltermarkt, die Sporthalle diente als Ausstellungsraum für Händler*innen, Verlage und Vereine, außerdem konnte erstmals das Hauptgebäude der IGS genutzt werden. Dort liefen Rollenspielrunden in den Klassenräumen, während in der Aula Tabletop und Brettspiele gespielt wurden. In allen Arealen fanden zudem Workshops und Autor*innenlesungen aktueller Werke statt.

Alles für ein spontanes Feen-Cosplay stand bei Charming Treasure Chest in der Markthalle zum Verkauf
Alles für ein spontanes Feen-Cosplay stand bei Charming Treasure Chest in der Markthalle zum Verkauf

Spielspaß, wo andere lernen müssen: Die Schule

Erstmals durfte die Feencon dieses Jahr nicht nur Außenbereich und Sporthalle, sondern auch das Schulgebäude der IGS selbst nutzen, was sich besonders für den Pen-and-Paper-Bereich der Convention als massiver Standortvorteil erwies. Mehrere Klassenräume waren für Rollenspielrunden reserviert, sodass die Runden im Spiel ungestört blieben. Wer eine Runde anbieten wollte, holte sich dafür bei rechtzeitiger Anmeldung ein vorgefertigtes Blatt ab, das ausgehängt wurde, sodass Interessierte sich zum Spiel eintragen konnten. Angeboten wurden Runden von einer bis vier Stunden Länge, auf Deutsch und Englisch und aus vielen verschiedenen Systemen. Jeder Ankündigungszettel enthielt außerdem entsprechende Triggerwarnungen. Die ruhige Atmosphäre in den Klassenzimmern wurde von Teilnehmenden besonders positiv bemerkt, ebenso wie die unkomplizierte Organisation der Runden.

In der großzügigen Aula der Schule liefen derweil Brettspiele und Tabletoprunden, bei denen Passant*innen bisweilen auch zu Demos eingeladen wurden. Die Bühne der Aula wurde zudem für Tabletop-Livestreams über Twitch genutzt.

Ein Manko an dieser Stelle war die Barrierefreiheit: Das Schulgebäude besitzt viele Stufen und an dem Eingang, den die Feencon als ihren Haupteingang und Infostand nutzte, gab es keinen direkten Zugang zum Aufzug, und damit zu den Klassenräumen. Zudem musste am Infostand, an dem meist viel los war, erst nach dem Schlüssel für die Aufzüge gefragt werden, um diese dann von der anderen Seite der Schule her nutzen zu können. Dieser Umweg wäre in Kauf zu nehmen, so eine Besucherin im Rollstuhl, wenn die Wege deutlicher ausgeschildert wären. Dies gilt indes auch für die Behindertentoilette, die nicht gefunden wurde. Markus Pomorin, 1. Vorsitzender der die Feencon ausrichtenden Gilde der Fantasy-Rollespieler, merkt hierzu an, dass es durchaus eine barrierefreie Toilette gab, man hätte nur danach fragen müssen.

Eine bessere Ausschilderung der Toilettenräume hätte sich allerdings auch für die übrigen Besuchenden gelohnt und vielen das Fragen erspart. Da das Schulgebäude dieses Jahr zum ersten Mal genutzt wurde, steht zu hoffen, dass diese Probleme beim nächsten Mal – wie andernorts die Anfangsschwierigkeiten vom letzten Jahr  – auch überwunden sind.

Maria und Björn Söntgerath vom Obscuriat Walser verkaufen Rollenspiel-Zubehör und Deko der cthulhoiden Sorte, natürlich in angemessener Kleidung
Maria und Björn Söntgerath vom Obscuriat Walser verkaufen Rollenspiel-Zubehör und Deko der cthulhoiden Sorte, natürlich in angemessener Kleidung

Auf der Suche nach nerdigen Schätzen: Die Markthalle

„Und, wie findet ihr es hier?“ – „Warm!“ Dieser Dialog wurde so oder ähnlich etliche Male in der Markthalle, eigentlich der Sporthalle der IGS, geführt. Bei den hohen Temperaturen wurde es in der gut gefüllten Halle über den Tag ganz schön stickig. Das bekamen besonders die Ausstellenden zu spüren, denn ob des großen Andrangs konnte selten einmal jemand den Stand verlassen und nach draußen Luft schnappen gehen. Das tat jedoch der Stimmung kaum Abbruch – der Grundtenor an den Ständen lautete: Gute Organisation, nette, gut gelaunte Leute und der Umsatz stimmt. In der Tat war die Markthalle trotz der Hitze zu jedem Zeitpunkt gut gefüllt. Und das obwohl mehr Platz zur Verfügung stand. Dieses Jahr wurde die Halle erstmals nur zu Ausstellungs- und Verkaufszwecken genutzt, während hier letztes Jahr auch die Tabletop-Turniere und Rollenspielrunden stattfanden.

Das Angebot war groß und vielfältig: An den Ständen stellten Verlage ebenso aus wie Vereine für Rollenspiel und soloselbstständige Künstler*innen und Autor*innen. Neben aktuellen Romanserien und Rollenspielneuheiten verkauften sich auch alte Schätze aus Restbeständen früherer Editionen gut, nach denen an manchen Ständen gestöbert werden konnte.Viele der Stände verkauften mehr Schönes denn Nützliches, allerdings sehr zur Freude der vielen Interessierten. Flauschige Öhrchen, Feenflügel und andere Cosplay-Accessoires konnten ebenso erworben werden wie Schmuck aus dem Fantasy- und Rollespielbereich, kunstvoll gestaltete Würfel, cthulhoide Dekoobjekte und anderes Kunsthandwerk von etlichen Schöpfer*innen. Die Artists‘ Alley, in der Kunstschaffende grafische Werke als Kommission anfertigten, war größer als letztes Jahr und fand großen Zuspruch.

Trotz Hitze und Enge guter Dinge: Bonnerin Yve Falkenberg an ihrem Shop Nerd-Juwelen
Trotz Hitze und Enge guter Dinge: Bonnerin Yve Falkenberg an ihrem Shop Nerd-Juwelen

Autor*innen und Verlage nutzten außerdem den Container vor der Halle für Lesungen und Workshops, wie etwa Frank Bartsch und Daniel Neugebauer von System Matters, die unter dem Titel „Schlechte Filme – Gutes Rollenspiel“ wertvolle Tips dafür gaben, wie Spielleitende sich aus den B-Movies vergangener Zeiten für spontane Runden inspirieren lassen können. „Dracula erwacht im Jahr 3000, aber auf einem Raumschiff – das Abenteuer schreibt sich von selbst!“, so Neugebauer. Die ausgewählten Auszüge aus Perlen des Trash-Film-Genres wie Killerbots: Chopping Mall oder River of Death sprachen für sich selbst.

Schwertkunst, Spaß und endlich Schatten: Das Außenareal

Ebenfalls vergrößert hat sich die Nutzung des Außenbereiches. Dort reihten sich Mittelalterzelte und Verkaufsbuden locker aneinander, wobei dazwischen immer noch Platz für die Besuchenden blieb, ein wenig im Schatten der Bäume auszuruhen, bis es zum nächsten Programmpunkt weiterging. Zur Auswahl stand ein buntes Panorama an Aktivitäten: Die Bonner Larp-Gruppe Phönixklingen organisierte Einführungskurse im Larp-Schwertkampf sowie Specksteinschneiden und Bastelkurse für Kinder, während das Mittelalterfolk-Duo Spielmann Absolem bereits mittags Trinklieder zum Besten gab. Dazu wurde natürlich auch Met und Bier ausgeschenkt, es gab aber auch Alkoholfreies sowie Essen zu erwerben.

Tanzmeisterin Natalie Wolff lehrte historische Tänze
Tanzmeisterin Natalie Wolff lehrte historische Tänze

Eher aus dem Bereich Living History gab es den mittelalterlichen Kerzenziehkurs mit echtem Bienenwachs, den der Verein Anno Domini 1189 anbot, oder als Kontrastprogramm dazu, ein Mini-Zombie-Larp. Ebenfalls im Außenbereich angeboten wurden Schnupperkurse im Renaissancetanz für Larp und Mittelalterveranstaltungen, gegenüber stellte sich die Cosplay-Gruppe German Garrison der 501sten Imperialen Legion vor. Die wilde Genremischung störte am Platz niemanden und die Besuchenden fügten sich mit unterschiedlichen Cosplays und Gewandungen nahtlos ins Gesamtbild ein.

Da das genutzte Außenareal größer war als im vergangenen Jahr, waren einige der Händler*innen zum ersten Mal dabei. Sie zogen generell eine positive Bilanz, vor allem über die entspannte Atmosphäre und die großzügige Platzaufteilung. Viele stellten fest, dass der post-pandemische Hunger auf Events beim Publikum nach wie vor groß ist, wenn auch die Kauflust nicht mehr ganz so sehr wie im vergangenen Jahr.

Endlich Schatten! Besuchende der Feencon entspannen im Außenareal
Endlich Schatten! Besuchende der Feencon entspannen im Außenareal

Beim zweiten Mal ein Erfolg

„Es muss Eventcharakter haben“ formulierte Markus Pomorin, erster Vorsitzender der Gilde der Fantasy-Rollenspieler e.V., den Anspruch an die Feencon 2023. Auch unter diesem Aspekt kann die Veranstaltung ohne Übertreibung als voller Erfolg gewertet werden. Pomorin selbst zeigte sich glücklich und erleichtert darüber, wie die Organisation gelaufen ist. Die Orga hätte im Vorfeld „gezittert“, aber es sei viel strukturierter abgelaufen als beim letzten Mal. Auch bei den Händler*innen herrschte Begeisterung darüber, wie gut die Veranstaltung gelaufen ist. Der Erfolg beim Publikum spricht für sich: Am Samstagabend wurde auf dem Gelände noch bis nach 24 Uhr gefeiert.

Die Drachenmanufaktur Dragonfairy verkaufte süße Schulterdrachen
Die Drachenmanufaktur Dragonfairy verkaufte süße Schulterdrachen

Viele der organisatorischen Schwierigkeiten, die letztes Jahr noch unangenehm auffielen, konnten in diesem Jahr ausgeräumt werden. Händler*innen und Publikum schwärmten gleichermaßen von der entspannten Orga und den vielen freundlichen Helfer*innen im gelben T-Shirt. Einzig an der Barrierefreiheit im Schulgebäude selbst – genauer gesagt, an der Kommunikation derselben – hakt es noch etwas. Anders als in der Markthalle und im Außenbereich ergaben sich hier für gehbehinderte Menschen deutliche Umwege. Zudem herrschte bisweilen nicht nur bei Besuchenden mit Behinderungen, sondern auch bei anderen, Verwirrung, wo die Toiletten zu finden sind. Eine klarere und vor allem größere beziehungsweise auffälligere Beschilderung zur Orientierung wird sich im nächsten Jahr sicher lohnen, zumal wohl noch größerer Zulauf zu erwarten ist.

Das gilt auch für die Parkplatzsituation: Die IGS liegt ein wenig abseits der gut mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbaren Teile von Bonn und der Andrang war, wie letztes Jahr, größer als es die Parkplätze der Schule zuließen. Für Ausweichparkplätze war zwar gesorgt, jedoch schienen nicht alle Besuchenden diese gut zu finden und parkten stattdessen im angrenzenden Bonner Stadtteil Pützchen.

Das Imperium schickte seine Besten zur Feencon an der IGS Bonn-Beuel
Das Imperium schickte seine Besten zur Feencon an der IGS Bonn-Beuel

Ansonsten lässt sich nur feststellen, dass die Feencon bei Besuchenden, Ausstellenden und Veranstaltenden gleichermaßen Begeisterung auslöste: Als Dreifach-Convention, die Mittelaltermarkt, Fantasymesse und Spieleconvention zusammenbrachte, zog sie ein breit gefächertes Publikum an und wartete mit einer Vielzahl von Eindrücken auf. Zwischen Metständen und Renaissancetanz, Pen-and-Paper-Runden und einer Markthalle voll alter und neuer Schätze hat sich die harte Arbeit der Gilde der Fantasy-Rollenspieler auf jeden Fall gelohnt.

 

Titelbild : © Luise Loges, Gilde der Fantasy-Rollenspieler (GFR) e. V.
Layout und Satz: Roger Lewin
Lektorat: Maximilian Düngen
Fotografien: Luise Loges

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