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13th Age habe ich mir persönlich 2013 zugelegt, und es bald darauf auch mal geleitet. Ich war auf der Suche nach einem d20-System, das mich ansprach. Was ich über D&D4 gelesen hatte, schreckte mich eher ab. Rollenspielurgestein Jonathan Tweet hatte bei D&D3 wesentlich die Finger im Spiel, Rob Heinsoo bei D&D4. Pelgrane Press schien hier definitiv ein Stück vom d20-Kuchen haben zu wollen, und aus reiner Neugier habe ich das Endprodukt dann auch gespielt.

13th Age brachte sicherlich Einiges an Abwechslung gegenüber anderen d20-Systemen. Ein Escalation Die wurde beständig während der Kämpfe hochgezählt und machte diese über Boni und Effekte spannender. Gerade, ungerade und besonders Würfe konnten Effekte und Spezialfertigkeiten triggern. Der verursachte Schaden und die Trefferpunkte skalierten über die gesamten zehn Stufen, über die man aufsteigen konnte. Jede Klasse war in Bezug auf ihre Mechaniken individuell gestaltet. Das Skillsystem war mit ein paar einfach zu verteilenden Punkten abgehakt, die Formulierung der eigentlichen Spezialisierung war hierbei sehr frei.

So innovativ 13th Age in mancher Hinsicht schien, wurde ich damit nicht warm. Die Charaktererstellung meiner Pregens dauerte sehr lang, weil ich viel Info auf den Bögen verdichten musste. Einfachen Skills und anderen das Spiel auflockernden Ideen standen haufenweise Spezial- und Klassenfertigkeiten gegenüber, und für jede Klasse war ein eigenes Einarbeiten vonnöten. Die Kämpfe aus dem Beispielabenteuer liefen eher mechanisch ab, auch die namensgebenden 13 Icons überzeugten mich nicht besonders.

Insgesamt war 13th Age für mich eine durchwachsene Erfahrung: Zu gut zum Einmotten, aber definitiv mit Macken. Aber beim 13th Age Bestiary hat dann letztlich die Neugier wieder obsiegt. Würden es die Autoren schaffen, eine innovative Monstersammlung hinzulegen? Was könnte man mit den Spielmechaniken in Bezug auf Monster anfangen?

Inhalt

Das Erste, was auffällt, ist, dass das Format der Monsterwerte gegenüber dem Grundregelwerk weiterentwickelt wurde. Die Unterschiede sind nicht groß; es fiel mir hauptsächlich deswegen auf, weil ich Details dort nachgeschlagen habe. Was mir hierbei wenig zusagte, war, dass die Beschreibungen reiner Monstereigenschaften wie der zugedachten Rolle eben nicht im Bestiary enthalten sind.

Diese Monster Role ist übrigens sehr hilfreich für den SL, sie fasst nämlich den typischen Verwendungszweck eines Monsters zusammen:

  • Archer sind Gegner mit Fernkampfangriffen
  • Blocker schützen andere Monster
  • Caster greifen über Sprüche in den Kampf ein
  • Leader verstärken die Fähigkeiten anderer Monster
  • Mooks sind Kanonenfutter und werden nur in großer Zahl gefährlich
  • Spoiler schwächen die SC mit Spezialeffekten
  • Troops sind Durchschnittsgegner
  • Wrecker sind Monster mit besonderer Durchschlagskraft

 

Es wird schon im Grundbuch beschrieben, wie man die Rollen sinnvoll mischt. Fernkämpfer und Zauberkundige sind kaum effektiv ohne Blocker, Mooks oder Troops, die sie decken. Genauso umgekehrt: Die Kobolde in der ersten Reihe mögen Kanonenfutter sein, aber die Hexe dahinter zieht einem das Fell über die Ohren. Wreckers können Kämpfe sehr schnell eskalieren, Spoilers sie in die Länge ziehen.

Die Mischung macht’s, und das Regelwerk und dieses Buch zusammen geben einem viel Handreiche, um die Spieler taktisch zu fordern. Für jedes Monster werden noch einmal individuell Tipps für ansprechende Kämpfe gegeben. Eine umfangreiche Lister aller Monster aus beiden Büchern, geordnet nach Stufe, findet sich im Anhang. Dort werden auch die Rolle, die Größe, die Art des Monster (Humanoid, Untoter, Drache usw.) und die Seitennummer im jeweiligen Werk gelistet.

Abenteuerlich

Besonders gefällt mir, dass jedem Monster mehrere Abenteuerideen zugeordnet sind. Darunter sind sehr viele gute, und eine so große Ideensammlung ist Gold wert. Ich habe nicht nachgezählt, aber eine ähnliche Größenordnung wie die der Monstervarianten im Buch (200) könnte es schon sein. Ein paar Missgriffe sind auch dabei … So glaube ich zum Beispiel kaum, dass eine Gruppe Bauern ein Monster der Stufe 5 für ein Rodeo fangen kann.

Generell gilt, dass die Autoren immer wieder mehrere Möglichkeiten anbieten, wie ein Monster in die eigene Kampagne passen kann. Es wurde darauf Wert gelegt, dass man die Story der Gesamtkampagne auf die Gruppe zuschneiden kann. Für jedes Monstrum wird auch dargeboten, wie es zu den 13 Icons passt, die die Welt im 13. Zeitalter maßgeblich beeinflussen. Hierbei fällt auf, dass den Systemschöpfern besonders viel zum Archmage und dem Lich King einfiel, andere Icons wie der Crusader oder der High Druid hingegen oft außen vor bleiben.

Über das Buch verteilt, tauchen zwar alle Icons auf, der Bezug zum Archmage ist aber fast immer gegeben. Da ist schon eine gewisse Unwucht drin, die die 13 Icons nicht als gleichwertig erscheinen lässt. Der Trend im Bestiary geht auch eher zu bösen Monstern, so dass ein Icon wie die Priestess wenig Bezug zu den Kreaturen zu haben scheint. Sie wird höchst selten und dann oft mit ablehnender Haltung erwähnt. Die Idee aus dem Grundbuch, ein Monster primär einem Icon zuzuordnen, wurde hingegen verworfen. Manche Bezüge zwischen Monstern und Icons wirken etwas an den Haaren herbeigezogen und zu gewollt.

Wie originell? Wie stark systembezogen?

Es sind 200 Varianten von 55 Monstern enthalten. Ich habe mal meine vier Bände des Pathfinder Bestiary dagegengehalten. Von den 55 Monstern finde ich im Inhaltsverzeichnis des ersten Bestiary 37 Äquivalente – fast alle mit identischen Namen, bei manchen kenne ich auch einfach das Äquivalent. Nehme ich alle vier Bestiary-Bände, verbleiben 10 Monster ohne direktes Äquivalent. Davon sind dann die Hälfte interessante Neuschöpfungen. Zum Vergleich: Paizo bewirbt das erste Pathfinder Bestiary mit über 350 enthaltenen Monstern, die Tome of Horrors hat über 400 Monster, Swords & Wizardry Monstrosities enthält grob 500 Monster auf ebensovielen Seiten.

Der Kobold ist ein klassisches D&D-Monster, ein zweibeiniger, verweichlichter Abkömmling korrupter Drachen. Klassisches Kanonenfutter für Charaktere der Stufe 1. Im Regelwerk werden sie als Gegner der Stufen 1 und 2 präsentiert: Kobold Warrior, Kobold Archer und Kobold Hero. Das Bestiary erweitert die Vielfalt deutlich, hinzu kommen folgende nicht immer ernst zu nehmende Varianten:

  • Kobold Grand-Wizard: Ein Mook der Stufe 0, der genau einen Zauber kann
  • Kobold Skyclaw: Ein Mook der Stufe 2, der mit einem instabilen Raketenantrieb über dem Schlachtfeld kreuzt und alchemische Tränke herabwirft
  • Kobold Engineer: Ein Leader der Stufe 3, der Fallen legt und Bomben wirft
  • Kobold Dog-Rider: Ein Troop der Stufe 3, auf einem gepanzerten Hund mit feuriger Lanze
  • Kobold Bravescale: Ein Blocker der Stufe 4, der mit Mitstreitern eine Art Phalanx bildet
  • Kobold Dungeon-Shaman: Ein Caster der Stufe 4, der magische Fallen legt und mit einer Bärenfalle um sich schlägt
  • Kobold Shadow-Warrior: Ein Mook der Stufe 4, eine Art Chamäleon und Koboldninja
  • Kobold Dragon-Soul: Ein Troop der Stufe 5, der tatsächlich fliegt und Feuer speit

 

Nochmals: Die Kobolde aus dem Bestiary sind definitiv nicht ganz ernst gemeint, zeigen aber deutlich, wie viel Arbeit und kreative Energie in einzelne Einträge gesteckt wurde.

Eine eigene Monstersammlung braucht das System hingegen unbedingt. Wie bereits eingangs erwähnt, skalieren Trefferpunkte und Schaden auf jeder Stufe hoch. Damit steigt die Fähigkeit der Spielfiguren, auszuteilen und einzustecken, sehr schnell an. Im Beispielabenteuer aus dem Grundbuch erscheint als Gegner ein 120-Trefferpunkte-Drache. Ich hatte die Pregens bereits auf Stufe 2 erstellt, und die haben das gute Stück ohne Mühe filetiert.

Berücksichtigt man weitere Systemeigenheiten wie fixen Monsterschaden oder verschiedene Rüstungsklassen gegen normale, Berührungs- und mentale Angriffe, sind die eigentlichen Werte der Kreaturen kaum auf andere d20-Varianten übertragbar.

Ein besonders schönes Beispiel bietet hier der Remorhaz, eine Art riesiger, feuerspeiender Tausendfüßler, der unter dem Eis lauert. Dieser durchwächst in seiner Entwicklung fünf Stufen, die separat mit Werten und Spezialfertigkeiten ausgestattet wurden. (Man beachte, dass das gewählte Format nicht dem eigentlichen Stat-Block des Spiels entspricht.)

Squib Swarm, Stufe 0 Mook, 5 HP, +5 Angriff, 3 Schaden.

Barbellite, Stufe 3 Troop, 36 HP, +11 Angriff, 7 Schaden.

Frost-Würm, Stufe 6 Troop (groß), 180 HP, +11 Angriff, 18 Schaden.

Adult, Stufe 8 Wrecker (groß), 280 HP, +16 Angriff, 50 Schaden, 20 Feuerschaden.

Queen, Stufe 11 Wrecker (groß), 580 HP, +17 Angriff, 80 Schaden, 40 Feuerschaden.

Man merkt, wie der Schaden, den Monster anrichten, mit den Trefferpunkten der Charaktere skaliert, ebenso die Trefferpunkte der Monster umgekehrt. Da die Rüstungsklasse der Charaktere hingegen nur durch höhere Attribute und bessere Ausrüstung wirklich wächst, steigen die Trefferboni der Monster hingegen langsamer.

Da das System nur darauf angelegt ist, über 10 Stufen Charakterentwicklung zu skalieren, ist auch die Monstersammlung an diese Rahmenbedingungen angepasst. Zusammen mit den Tabellen zum Generieren von passenden Kämpfen aus dem Grundbuch lässt sich schnell bestimmen, wie die Monster die Spieler fordern werden. Umgekehrt sind die Werteblöcke definitiv nur für 13th Age tauglich und können allerhöchstens als Inspiration für das Übertragen in andere D&D-ähnliche Systeme herhalten.

Preis-/Leistungsverhältnis

Legt man den Preis für das PDF zugrunde, liegt es unter 10 USD pro 100 Seiten, was definitiv meinen Preisvorstellungen entspricht. Mit 200 Monstervarianten kann man dem eigenen Spiel sicherlich einige Zeit Leben einhauchen.

Erscheinungsbild

13th Age Bestiary CoverJedes Monster wartet mit mindestens einer Illustration auf, und das Artwork ist generell gelungen. Wenn ein Gegnertyp besonders viele Varianten hat, wie zum Beispiel das War Banner, dann können auch einige Seiten ohne Bilder folgen. Das Format der Einträge ist aber abwechslungsreich genug, so dass das nicht allzu negativ ins Gewicht fällt. Text und Schriftart finde ich generell angenehm zu lesen.

Die Präsentation der Monstereigenschaften und -werte ist definitiv sehr übersichtlich. Ich tue mich hierbei einfacher im Überblick als neulich beim Nachschlagen in einem Bestiary für Pathfinder. Ich habe den Druck leider nicht zur Hand, aber die farbigen Leisten oben an den Seiten könnten in der Papierausgabe auch das Nachschlagen erleichtern, so auch die gelungene Monsterliste mit Seitenangabe. Einen Index gibt es hingegen nicht.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Pelgrane Press
  • Autor(en): Rob Heinsoo, Cal Moore, Kenneth Hite u.a.
  • Erscheinungsjahr: 2014
  • Sprache: Englisch
  • Format: Hardcover
  • Seitenanzahl: 240
  • Preis: 20,95 USD (PDF) | 34,95 EUR (Print + PDF)
  • Bezugsquelle: PDF bei DriveThruRPG | Print + PDF beim Sphärenmeister

 

Bonus/Downloadcontent

Wer sich mit 13th Age beschäftigen will, sollte sich generell mal die Downloads auf Pelgranes Seite hierzu ansehen. Man kann sich aber auch als Kostprobe den Eintrag über Orks herunterladen.

Fazit

Ich klammere einfach mal aus, dass 13th Age selbst mich nicht so wirklich überzeugt hat, und konzentriere mich darauf, wie gut das 13th Age Bestiary zum System passt.

Zum schnellen Nachschlagen eines Monsters inmitten einer Sitzung eignet sich die Sammlung eher weniger, da oft sehr viel beschreibender Text enthalten ist, der versucht, das Monster in die Welt von 13th Age einzuordnen. Werteblöcke und Zusatzfertigkeiten sind für alle Monster wohldurchdacht und sehr brauchbar. Wer sich in seiner eigenen Kampagne nicht allzu sehr um Treue zur vorgegebenen Settingwelt schert, hat sicher keine Probleme, schnell mal ein Monster aus dem Hut zu zaubern. Wer sich hingegen mit den system- und settingbezogenen Eigenheiten eines Monsters auseinandersetzen und konsistent bleiben will, braucht deutlich mehr Zeit.

Abenteuerideen und Bezüge zu den Icons helfen dem SL, aus der Monstersammlung Abenteuer zu generieren, die zu seinen Spielern passen. Da 13th Age bereits mit einer Struktur zum Generieren einer Settingwelt und vorgegebenen rivalisierenden Machtblöcken aufwartet, bietet dieses Buch auch viele Anregungen und Bausteine, um eine Kampagne zu gestalten.

Bekannte und weniger bekannte Monster sind gut gemischt, und Grundregelwerk und Monstersammlung zusammen decken die Bedürfnisse von d20-Spielern gut ab. Echte Fantasieklassiker wie das Rust Monster, die Chimera und der Basilisk sind genauso enthalten wie die deutlich mysteriöseren und originelleren Zorigami, eine Rasse basierend auf Zahnradtechnologie, die den Fortlauf jedes Zeitalters wiederspiegelt und die Zeit verzerrt.

Es verbleibt ein positiver Gesamteindruck über das gesamte Werk hinweg. Zwar ist die Auswahl an Monstervielfalt nicht gerade berauschend im Vergleich zum Gegnerreichtum von Bänden für andere Systeme, dafür wird jedes Monster mit Liebe zum Detail gehandhabt.

Daumen4Maennlich

Artikelbilder: Pelgrane Press

 

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