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Abenteuer-Spielbücher von Klassikern bis zu neuen Werken sind seit Jahren ein fester Bestandteil im Verlagsprogramm des Mantikore-Verlags. Mit Das Feuer des Mondes veröffentlichte er Ende 2014 das Debüt der Brüder Christian und Florian Sußner.

Handlung

Bei seiner üblichen Patrouille wird ein junger Nachtwächter der Stadt Waldheim Zeuge, wie ein Passant von einer unheimlichen Monstrosität überfallen wird. Er versucht zu helfen – doch der mächtige Schattendiener wehrt ihn mit Leichtigkeit ab und versieht den Nachtwächter dabei mit dem Mal des Raben: einem Zeichen dunkler Magie, das seinen Träger ebenfalls in solch ein Ungeheuer verwandeln wird.

Zum Glück findet der Protagonist schnell Unterstützung durch die Gesellschaft der Weißen Eule. Ihr Anführer Samos deutet das Auftauchen des Schattendieners besorgt als Rückkehr des Geheimbundes der Karben, der langsam die Kontrolle über Waldheim und dessen Umgebung zu erlangen versucht. Doch ist wirklich jeder, der dem Pfad der Eule folgt, dem Nachtwächter wohlgesonnen?

Auf der Suche nach einem Weg, den Fluch zu brechen, erforscht der Held zunächst den geheimnisvollen Feiwald. Die Queste führt ihn schließlich weiter in den verfluchten Forst von Kalrir, um dort ein Mittel gegen das Feuer des Mondes zu finden, das dem Anführer der Karben seine Macht verleiht.

Das Solo-Spielbuch umfasst 600 Abschnitte, die in drei Kapitel zu je 200 aufgeteilt sind. Kapitel 1 treibt dabei die eigentliche Handlung voran, die anderen beiden beschreiben die Abenteuer des Helden in Fei- und Kalrirwald. So kehrt auch der Lauf der Geschichte nach diesen Erkundungen stets zu Kapitel 1 zurück.

Genau hier liegt für mich aber auch das größte Problem von Das Feuer des Mondes. Sobald das Buch in Kapitel 1 seine zentrale Erzählung fortsetzt, erhält der Leser so gut wie keine Möglichkeit, um deren Verlauf zu beeinflussen. Oft gaukeln die angebotenen Entscheidungen verschiedene Pfade vor, nur um dann direkt im Anschluss allesamt wieder am gleichen Abschnitt zusammenzufinden. Mitunter werden ganze Textblöcke in allen Abschnitten eines Auswahlbaumes wiederholt, damit die Geschichte auch ja ihren angedachten Verlauf einhält. Erst auf dem Weg zur finalen Konfrontation in der Zuflucht des Bösewichts bietet mir Kapitel 1 von Das Feuer des Mondes eine Vielzahl unterschiedlicher Wege, wie ich sie von einem Spielbuch auch erwarte.

Mit Kapitel 2 und 3 allerdings beweisen die beiden Autoren, dass sie auch anders können. Die freie Erkundung der beiden Wälder nördlich und südlich der Stadt Waldheim gerät spannend und abwechslungsreich. Immer wieder stößt man auf zusätzliche Aufgaben, bei denen die Bewohner des Forsts den Helden um einen kleinen Gefallen bitten, oder durchforscht die Umgebung nach dem fehlenden Hinweis für die Lösung eines Rätsels. Letztere bestehen zumeist aus Hinweisen in Form von Zahlen, die im richtigen Moment die Nummer des folgenden Abschnittes preisgeben. Ein besonderes Schmankerl: Mitunter wird man aufgefordert, eines der 6 mal 6 Zufallsereignisse im Anhang auszuwürfeln, die neben unerwarteten Funden auch dezente Andeutungen auf diverse Begegnungen und Rätsel beisteuern.

Um bei den zahlreichen Kämpfen zu bestehen, denen man sich im Verlauf von Das Feuer des Mondes stellen muss, kann sich der Spieler bei der Lektüre von Kapitel 1 für den Weg der Krallen als Krieger oder den Weg der Schwingen als Magier entscheiden. Die dabei nach und nach erworbenen Sonderfertigkeiten wie Doppelschuss, Schattenschild oder Flammenwaffe ermöglichen zusätzliche Strategien und erhöhen den Wiederspielwert. Zudem erhält man im Finale der Geschichte je nach gewählter Spezialisierung und den getroffenen moralischen Entscheidungen einen Titel, den man fürderhin in der Gesellschaft der Weißen Eule einnimmt. Und so darf man gespannt sein, welche Aufgaben diese Gemeinschaft in Zukunft für den Helden bereithält, denn im letzten Abschnitt von Das Feuer des Mondes wird unmissverständlich klar, dass der Kampf gegen die Karben gerade erst begonnen hat.

Regeln

Die wenigen Regeln von Das Feuer des Mondes werden schrittweise in einem separaten Anhang erklärt. Der Abenteurer kommt mit nur wenigen Attributen aus: So verfügt der Held zu Beginn der Handlung über 60 Lebenspunkte und einen Gewandtheitswert von 15. Im Laufe der Geschichte finden sich immer wieder Meilensteine – so etwa das Abschließen der Questen in den beiden Wäldern oder die Fortführung der Ausbildung als Kämpfer oder Magier – bei denen man diese beiden Attribute steigern darf. Am schönsten ist diese Erhöhung zu Beginn der Ausbildung gelöst: Hier muss der Spieler zwei Rätsel lösen, deren Lösung das Buch zum Glück mitliefert.

Für einen Angriff würfelt der Spieler 2W6, addiert seine Gewandtheit und vergleicht diese mit dem festen Wert Kampfkraft des Gegners. Der Kombattant mit dem höheren Ergebnis verursacht bei seinem Widersacher Schaden entsprechend dem Wert der geführten Waffe abzüglich der genutzten Rüstung, bei Gleichstand treffen beide. Der Kampf wird fortgeführt bis einer der Streiter keine Lebensenergie mehr besitzt. In einigen Gefechten hat der Spieler auch die Möglichkeit zu fliehen.

Die diversen Sonderfertigkeiten, die der Held bei seinem Werdegang als Krieger oder Magier erhält, offerieren zusätzliche Optionen wie einen Bogenschuss vor dem eigentlichen Gefecht, das Tragen zweier Waffen oder kurzzeitige Steigerung der eigenen Gewandtheit.

Das Feuer des Mondes empfiehlt Neulingen in Abenteuerspielbüchern mit dem einfacheren Pfad des Kriegers zu beginnen. Dieser erhält im Spielverlauf beispielsweise häufigere Steigerungen auf seine Gewandtheit, wodurch allein die Wahrscheinlichkeit eines Treffers schon zunimmt. Die in der Anwendung begrenzten Zauber des Magiers verlangen im Vergleich einen überlegteren Einsatz.

Besonders gefallen hat mir das Konzept der Menschlichkeit. Immer wieder wird der Spieler im Lauf der Handlung vor moralische Entscheidungen gestellt, die diesen bei 0 beginnenden Wert erhöhen oder senken. Gerade im späteren Verlauf der Geschichte kommt es vor, dass ein besonders hoher oder niedriger Wert den Helden zu einer entsprechend guten oder herzlosen Handlung zwingt. Und wenn man letzteren Pfad einschlägt, kann durchaus passieren, dass der Abenteurer dem Mal des Raben erliegt und sofort zu einem Schattendiener wird.

Die Erkundung von Fei- und Kalrirwald vereinfacht Das Feuer des Mondes durch die sogenannten Wegpunkte. Die einzelnen Orte in diesen Gegenden sind mit Nummern versehen, die zumeist dem Abschnitt entsprechen, an dem man sie betritt. Der Spieler hat die ausdrückliche Erlaubnis, jederzeit – vorausgesetzt, niemand ist anwesend – zu einem beliebigen bereits bereisten Wegpunkt zurückzukehren. Gerade die Erfüllung diverser Questen, die das Finden und Zurückbringen bestimmter Gegenstände erfordern, werden so erleichtert. Um sich in den Weiten der Wälder nicht zu verlaufen, finden sich im Anhang des Buches Vorlagen für das Anlegen einer Karte, in der man die Wegpunktnummern eintragen kann. Wegen des eindrucksvollen Umfangs dieser Gegenden kann ich dem Leser nur wärmstens empfehlen, diese Vorlage auch zu nutzen.

Schreibstil

Das Feuer des Mondes ist durchweg flüssig geschrieben. Während der Leser in Kapitel 1 diverse Höhen und Tiefen zwischen Kameradschaft, Verschwörungen und überraschendem Verrat durchlebt, vermitteln die anderen beiden Kapitel die spannende Ungewissheit bei der Erkundung der ausgedehnten Wälder. Allerdings finden diese beiden verschiedenen Erzählstile für mein Empfinden nicht gut zu einem einheitlichen Ganzen zusammen. Hier hätte ich mir eine engere Verzahnung gewünscht, sei es in Form von helfenden Hinweisen in der Stadt für die Bewältigung der Wälder, oder dass die eigentliche Handlung auch in den anderen Kapiteln weiterentwickelt wird. Zwar wird einmal eine Figur aus dem Handlungskapitel während der Walderforschung erneut aufgegriffen, ansonsten stehen Handlungs- und Erkundungskapitel aber gefühlt jeweils für sich nebeneinander.

Preis-/Leistungsverhältnis

Mit einem Preis 14,95 Euro liegt Das Feuer des Mondes auf gleichem Niveau wie andere Taschenbücher dieses Umfangs. Der Leser erhält für sein Geld ein umfangreiches Werk, das ihn etliche Tage nicht loslassen wird.

Erscheinungsbild

Sußner Das Feuer des Mondes CoverDas Taschenbuch liegt gut in der Hand und verkraftet das Spielbuch-typische Blättern sehr gut. Die einzelnen Abschnitte sind großzügig gesetzt und angenehm zu lesen. Kapitelüberschriften in der Kopfzeile erleichtern zwar die Orientierung, allerdings bin ich bei der Lektüre des Öfteren im falschen Abschnitt gelandet, da jedes Kapitel seine Nummerierung aufs Neue mit 1 beginnt.

Einleitung und Anhänge liefern dem Leser alles, was er zum Spielen braucht: Neben einer großen Übersichtskarte des Landes zu Beginn des Buches finden sich im Anhang auch der Abenteuerbogen sowie die dringend nötigen Karten der beiden zu erkundenden Wälder. Auch listen die Autoren hier ihre diversen Inspirationsquellen auf, ein für mich sehr spannender Blick hinter die Kulissen.

Dem sehr stimmungsvollen Titelbild stehen im Innenteil diverse Zierbilder und seitengroße Illustrationen in schwarz-weiß gegenüber, die für mein Empfinden aber eher amateurhaft wirken.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Mantikore-Verlag
  • Autor: Christian Sußner, Florian Sußner
  • Erscheinungsjahr: 2014
  • Sprache: deutsch
  • Format: broschiert
  • Seitenanzahl: 420
  • ISBN: 978-3-939212-63-8
  • Preis: 14,95 EUR (Taschenbuch), 4,99 EUR (Kindle)
  • Bezugsquelle: Amazon (Taschenbuch), Amazon (Kindle)

 

Bonus/Downloadcontent

In der Downloadsektion auf der Homepage zum Feuer des Mondes können der Abenteuerbogen sowie die Karten des Fei- und Kalrirwaldes heruntergeladen werden. Ich kann mich nur wiederholen: Das Kartographieren dieser offenen Umgebungen hilft ungemein bei der Orientierung.

Fazit

Mit der abschließenden Bewertung von Das Feuer des Mondes habe ich mich schwergetan. Sobald das Buch seine zentrale Handlung um den Konflikt zwischen der Gesellschaft der Weißen Eule und dem erstarkenden Geheimbund der bösen Karben verfolgt, lässt es mir keine wirklichen Einflussmöglichkeiten auf den Verlauf der Geschichte. Auch erscheint mir diese geradlinige Erzählung zu sehr abseits der offenen Erkundung der weitläufigen Wälder.

Dabei haben mir aber eben jene Kapitel in Umfang, Freiheit und Ideenreichtum ausgesprochen gut gefallen. Zahlreiche Rätsel harren ihrer Lösung, die Bewohner der Wälder schicken mich auf ihre eigenen Questen und verlassene Stätten wollen erforscht werden. Und über den pfiffigen Einsatz des Attributs Menschlichkeit sehe ich mich stets mit den Konsequenzen meiner Entscheidungen konfrontiert. Eine mittelmäßige Gesamtnote würde somit dem Spaß nicht gerecht, den ich bei der Lektüre dieser Kapitel gehabt habe.

So zeigt mein Daumen abschließend dann doch mit zugedrücktem Auge leicht nach oben. Vielleicht schafft es ja der unmissverständlich angedeutete Nachfolger von Das Feuer des Mondes, die monierten Schwächen dieses insgesamt gelungenen Spielbuch-Debüts zu umgehen.

Daumen4Maennlich

Artikelbilder: Mantikore Verlag

 

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