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Während die große Familientragödie rund um den Krieg der Sterne an den Kinokassen alle Rekorde bricht, schickt sich eine nicht weniger stille Geschichte des Marvel-Universums an, in ein neues Kapitel einzutreten.

Ultron – der bei Comics nicht bewanderten Menge nun auch hinlänglich durch den recht erfolgreichen Kinofilm Age of Ultron bekannt – ist eine künstliche Intelligenz, die einst in der Realität der Comics von Hank Pym (aka Ant-Man) in Gestalt eines humanoiden Roboters geschaffen wurde. Deren Auftrag war es, die Menschheit und den Planeten zu schützen. Durch logische Deduktion und unweigerlich vorhandenen Wahnsinn kam Ultron zu dem Schluss, dass nur die Vernichtung der Menschheit diese vor sich selbst schützen würde.

Rick Remender, der auch für die Axis-Saga das Storyboard entworfen hat, erzählt nun eine neue Geschichte, die behandelt, was mit Ultron passierte, nachdem er ins Weltall geschossen wurde. Dazu springt die Geschichte zuerst in die Vergangenheit und erzählt diesen wichtigen Handlungspunkt noch einmal – um danach in die Gegenwart zu wandern und neue Probleme, neue kataklysmische Verwicklungen und neue Vater-Sohn-Geschichten zu spinnen.

Dieser Band ist die Übersetzung von Avengers: Rage of Ultron.

Handlung

Vor Jahren bekämpften die damaligen Avengers Ultron, der versuchte, an ein nukleares Waffenarsenal zu kommen, um die Menschheit im Namen seines Erschaffers (auch von ihm Vater genannt) Hank Pym zu vernichten. In diesen Panels geht es schon heiß her, überall krachen Explosionen, Ultron-Kopien erscheinen und werden zerstört, Iron Man und Thor gehen zu Boden und selbst Vision schafft es nicht, seinen eigenen Erschaffer Ultron zu stoppen. Doch dann stürzt sogar der Quinjet ab, was aber Hank und Wasp gelegen kommt. Sie täuschen den Tod von Hank vor und bewegen so Ultron, seinen Vater zu retten. Dabei tappt er in eine Falle und wird ins All geschossen. Die Erde scheint gerettet.

Jahre später …

Vater und Sohn prallen mehr als einmal aufeinander
Vater und Sohn prallen mehr als einmal aufeinander

Ultron verschwand nicht im All, sondern machte auf dem Saturn-Mond Titan eine Bruchlandung und verbrachte dort Jahre in der Isolation. In dieser Zeit wurde nur ein Gefühl stärker und immer dominanter: seine Wut. Er infizierte die KI des Mondes I.S.A.A.C und verwandelte alle Eternals, die Einwohner des Titans, in Drohnen. Nur Starfox entkommt und kann schwer verletzt die Avengers warnen. Diese rüsten sich zum Gefecht.

Doch in der Zwischenzeit hat sich der Erschaffer von Ultron verändert. Die Avengers stoppen die Descendants rund um Father, Ideal und Origin in der Nähe einer A.I.M-Basis, als jene sich einen Sentinel zu eigen machen wollen. Der geneigte Leser muss hier nun wissen, dass es sich bei jenen Descendants um künstliche Wesen handelt. Es kommt zum Eklat, als Ant-Man einen neuralen Inhibitor nutzt, um sie auszuschalten, was deren Tötung gleichkommt. Avengers töten nicht, sie nehmen gefangen – und so entbrennt Streit im Team.

Als Starfox später dann dazukommt, schlagen die Wellen immer höher, aber weder Avengers noch er haben Zeit, sich die Köpfe einzuschlagen, denn plötzlich taucht der Mond Titan, umgeformt nach Ultrons Ebenbild, über der Erde auf.

Der Kampf entbrennt erneut und hat dabei oft philosophische, sehr intensive, Momente, die die Lektüre anfordernd mache. Über allem steht die Frage nach väterlicher Liebe, nach Verantwortung und danach, wie groß ein Opfer sein kann.

Charaktere

Wie zu erwarten war, steht Hank Pym im absoluten Vordergrund. Sein Fehler war es, Ultron zu erschaffen. Und seine väterliche Liebe ist es, die ihn zu Taten treibt, die gegen die Grundsätze der Avengers verstoßen. Seine Liebe und seine Angst sind es, die das Undenkbare am Ende wahr machen.

Dabei erweitert sich die Familie auch auf Janet van Dyne (Wasp, Hanks Frau) und Vision (Ultrons „Sohn“). Durch dieses Geflecht und der stets gestellten Frage „Welche Verantwortung haben Eltern für ihre Kinder?“ entsteht ein komplexes und eingängiges Geflecht an Interaktionen, das sich beim Lesen nicht leichtgängig auf die Schnelle erfassen lässt. Die Tiefe der Beleuchtung erfordert Konzentration und mehr als einmal musste ich über die Szenen in den Panels nachdenken und die grafische Novelle beiseitelegen.

Zeichenstil

Jerome Opeña, der sich bereits in der Infinity-Saga austoben durfte, bringt auch hier wieder seinen energischen und zugleich hochfiligranen Federstrich zur Geltung. Damals war ich bereits begeistert, heute bin ich es wieder. Obgleich farbliche Kontraste stark genutzt werden, wirkt kein Panel poppig-übertrieben-bunt. Die feinen Nuancen der Mimik weiß er gekonnt in Szene zu setzen. Hier ist die Mitarbeit von Pepe Larraz stark zu spüren, denn eben diese Technik beherrscht er auch zu gut.

Besonders hervorheben möchte ich Momentstudien, in denen ein Charakter ikonisch hervortritt, der Rest zwar scharf und deutlich gezeichnet ist, aber doch im Hintergrund steht. Diese Panels wirken ohne zusätzliche Erklärung für sich.

Preis-/Leistungsverhältnis

Lediglich 12,99 EUR kostet der 166 Seiten starke Band, der im verstärkten Softcover geliefert wird. Dass er kein Comic ist, den man „auf die Schnelle“ durchlesen kann, bringt Punkte auf das Hat-mich-amüsiert-und-beschäftigt-Konto. Und besonders das Ende, wo es zu einer permanenten Veränderung eines wichtigen Charakters kommt, macht diesen Comic zu einem lesenswerten Ereignis.

Erscheinungsbild

AVENGERSULTRONSZORNSOFTCOVER_Softcover_197Gewohnte Panini-Qualität in allen Belangen. Der Druck ist gut, die Farben satt, das Cover widerstandsfähig. Das Front-Artwork ziert die Roboterfratze Ultrons, in dessen Schatten die Avengers stehen. Nur die Augen seines Erschaffers Hank Pym sind vor geistigem Schmerz geschlossen.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Panini Comics
  • Autor(en): Rick Remender
  • Zeichner(in): Jerome Opeña, Pepe Larraz
  • Erscheinungsjahr:
  • Sprache: Deutsch
  • Format: Softcover
  • Seitenanzahl: 166
  • Preis: 12,99 EUR
  • Bezugsquelle: Amazon

 

Bonus/Downloadcontent

Panini Comics erläutert Teile der Handlung, Nebeninformationen zu den Akteuren und Wissenswertes zu den Zeichnern und dem Storyboard-Designer in Textboxen zu Anfang und Ende des Comics. Das schafft guten Mehrwert.

Fazit

Harter Tobak, möchte ich meinen. Der ewige Zwist zwischen dem Familiengespann Pym-Ultron-Vision geht in eine neue Runde, und dieses Mal soll es endgültig entschieden werden. Dass Pym im Verlauf der Handlung den Grundsatz der Avengers, nicht zu töten, über den Haufen wirft, hat mich nachhaltig beeindruckt. Zugleich zeigt es auch, welche emotionale Last auf dem Erbauer der lebendigen Maschine Ultron liegt und wie sehr er darunter leidet, was alles in den Jahren passiert ist.

Trotz aller philosophischen Fragen nach Sinn und Verantwortung geht es brachial her, wenn Avengers und die Ultron-Drohnen aufeinanderprallen und dabei auch Gegner treffen, die ihnen fast ebenbürtig sind.

Am Ende, wenn die letzte Entscheidung ansteht, drosselt Storyschreiber Rick Remender das Tempo und gibt dem Leser Zeit, zu verstehen, was geschah.

Zeichnerisch brillieren Opeña und Larraz ein weiteres Mal und erschaffen mit eindrucksvollen und filigran inszenierten Panels erinnerungswerte Momente.

Ich habe mich vom Gesamtwerk sehr gut unterhalten gefühlt, eben deswegen, weil ich nachdenken musste. Die Handlung trieb mich dazu, die „unanzweifelbaren“ Avengers zu hinterfragen – ob ihrer Menschlichkeit, ihrer Fehlbarkeit und ihrer Entschiedenheit. Philosophie, Avengers, Ultron, das Pym‘sche Familiengespann und eine Menge Action – Höchstnote!

Daumen5maennlich

Artikelbild: Panini Comics
Dieses Produkt wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.

 

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