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Im Brettspielebereich gibt es klassischerweise mehrere Strömungen. Zwei der größeren, und gemeinhin als unvereinbar geltenden, sind Ameritrash und Eurogames. Spiele der Kategorie Ameritrash zeichnet dabei meist aus, dass sie extrem konfliktlastig sind, starken Themenbezug haben und wenig Wert auf eingängige Regeln und Mechanismen legen. Eurogames hingegen sind meist wenig thematisch, scheuen Konflikte, haben dafür aber sehr ausgefeilte und ausbalancierte Regelmechaniken.

Eine perfekte Fusion dieser beiden Spielweisen ist kaum möglich, da sie sich in vielen Bereichen einfach zu sehr widersprechen. Aber dennoch gibt es immer wieder Spiele, die diese Grenzen aufbrechen und gute Elemente aus beiden Lagern vereinen. Und nicht wenige dieser Spiele stammen aus dem Kopf beziehungsweise der Feder von Eric M. Lang.

Wie kaum ein Zweiter versteht Lang es schon seit Jahren, thematisch starke Spiele zu schaffen, deren Mechanismen sich kaum hinter klassischeren Eurogames zu verstecken brauchen. Auch schafft er es, meist gekonnt, Konflikte einzubinden, die aber bei Verlust der Konflikte nicht dafür sorgen, dass ein Spieler vorzeitig eliminiert wird und dann den Rest des Spiels untätig am Tisch sitzen muss.

Sein im Jahr 2015 erschienenes Spiel Blood Rage stellt eine Weiterentwicklung eines seiner Klassiker und eines meiner Lieblingsspiele von ihm dar: Midgard aus dem Jahr 2007. Wie schon in diesem Spiel steht Ragnarök bevor und die Wikingerstämme versuchen, für sich selbst noch möglichst viel Ruhm zu ernten, um nach Walhalla zu gelangen. Dazu werden Provinzen eingenommen, mystische Kreaturen rekrutiert und auch der Tod ist ein ständiger Begleiter. Denn im bevorstehenden Weltuntergang ist dieser ohnehin unausweichlich, also kann man damit wenigstens noch etwas Spaß haben.

Der Inhalt der Box zu Blood Rage
Der Inhalt der Box zu Blood Rage

 

Spielablauf

Gespielt wird Blood Rage in drei Runden, die jeweils aus einer variablen Anzahl von Spielzügen bestehen. Jeder Spieler steuert dabei einen Wikingerclan und versucht diesem dazu zu verhelfen, am Ende der Ruhmreichste zu sein (also am meisten Siegpunkte zu erlangen).

Jeder Clan startet mit der gleichen Anzahl an Wut pro Runde (die Aktionspunkte dieses Spiels), Äxten (Bestimmt, wie viel Ruhm ein Sieg einbringt) und Hörnern (Angabe, wie viele Einheiten zeitgleich auf dem Feld sein dürfen). Diese Werte verändern sich im Verlaufe des Spiels durch Karten und erfolgreiche Plünderungen.

Zu Beginn jeder der drei Runden werden Karten gezogen und per Draft an die Spieler verteilt. Das heißt, jeder Spieler wählt aus den zur Verfügung stehenden Karten immer eine aus und gibt die restlichen an seinen Nachbarn weiter, bis alle Karten verteilt sind.

Nachdem das passiert ist, sind die Spieler immer reihum am Zug und können eine Aktion ausführen. Die Aktionen sind:

  • Invasion – Man bezahlt eine von der aufzustellenden Figur abhängige Menge an Wut, um eine weitere Spielfigur ins Spiel zu bringen. Dabei muss man stets darauf achten, dass die Menge der eigenen Figuren im Spiel durch die Hörner des Clans begrenzt ist.
  • Marsch – Für einen Punkt Wut kann man beliebig viele eigene Figuren aus einer Region in eine andere Region bewegen. Dabei muss in der Zielregion ausreichend Platz sein.
  • Aufrüsten – Mittels Karten kann man diverse Aspekte seines eigenen Clans verbessern. Es können bestehende Einheiten verbessert werden, besondere Monster wie Dunkelelfen oder Riesen für den eigenen Clan rekrutiert werden oder auch völlig neue Möglichkeiten geschaffen werden, die das weitere Spiel nachhaltig beeinflussen können. Die Kosten in Wut hängen dabei von der gespielten Karte ab.
  • Aufgaben – Bei den Karten gibt es ebenfalls Aufgabenkarten, die bei Erfüllung von bestimmten Bedingungen zusätzlichen Ruhm verschaffen. Diese zu spielen kostet nichts außer der Aktion selbst. Aufgaben sind dabei verdeckt und es können beliebig viele Aufgaben vor einem Spieler liegen.
  • Plündern – Diese Aktion ist das Herzstück des Spiels, denn im Kampf ist es bekanntlich am einfachsten Ruhm zu erlangen. Der aktive Spieler wählt eine Region aus, in der er mindestens eine Figur stehen hat. Danach können reihum alle anderen Spieler Figuren aus benachbarten Regionen in die zu plündernde ziehen (so lange dort genug Platz ist). Jeder Spieler, der danach mit mindestens einer Figur an der Plünderung beteiligt ist, muss dann verdeckt eine Karte aus seiner Hand vor sich legen. Diese werden zeitgleich aufgedeckt und können sowohl Kampfstärke verleihen, als auch andere Effekte bewirken.

 

Wer nach Auswertung aller Karten über die größte Kampfkraft verfügt, gewinnt die Schlacht und muss seine gespielte Karte ablegen. Alle anderen Spieler (bei Gleichstand sind das alle!) verlieren die Schlacht und müssen die beteiligten Figuren nach Walhalla senden. Dafür dürfen sie aber die gespielte Karte wieder auf die Hand nehmen. Außerdem erhält der Gewinner noch Ruhm in Höhe der Äxte seines Clans.

War der Spieler, der die Plünderung angesagt hat, auch der Gewinner der Schlacht, so hat er die Region erfolgreich geplündert und erhält die der Region entsprechende Belohnung. Das dazu gehörige Plättchen wird umgedreht, um anzuzeigen, dass diese Region in dieser Runde nicht erneut geplündert werden kann.

Hat ein Spieler keine Wut mehr, so kann er auch keine weiteren Aktionen ausführen. Auch keine, die gar keine Wut kosten. Wohl aber kann er sich weiterhin an Plünderungen beteiligen, die von anderen Spielern initiiert wurden.

Eine Runde endet, sobald entweder alle Spieler ihre Wut ausgegeben haben oder alle Regionen erfolgreich geplündert wurden. Verbliebene Handkarten werden abgelegt, wobei jeder Spieler eine Karte behalten darf. Danach werden die Aufgaben aller Spieler ausgewertet und dann ebenfalls abgelegt. Darauf wird noch eine zuvor ausgeloste und den Spielern bekannte Region durch Ragnarök vernichtet, wodurch alle dort befindlichen Figuren auf direktem Weg nach Walhalla befördert werden, was dem jeweiligen Clan zu Ruhm verhilft. Zu guter Letzt kehren schließlich alle Figuren aus Walhalla in den Vorrat ihres Besitzers zurück, um in der nächsten Runde erneut aufgestellt werden zu können.

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Ausstattung

Blood Rage kommt in einer massigen und martialisch bemalten roten Pappkiste daher, die anstürmende Wikinger zeigt. Gefüllt ist die Schachtel mit einem Spielbrett, 102 Karten, 4 Clanbögen, insgesamt 49 Plastikminiaturen, 52 farbigen Figurenbasen sowie diversen Pappmarkern. Die Figuren sind alle unbemalt und einfarbig. Einzige Ausnahme sind vier Schiffe, die jeweils ein farbiges Segel haben. Spieler haben so die Möglichkeit, die Miniaturen individuell zu bemalen und sie, mit Hilfe der Basen, dennoch eindeutig den unterschiedlichen Clans zuzuordnen.

Die Spielkomponenten sind alle von hoher Qualität und das Artwork von Box und Regeln, sowie das Design der Figuren sind gelungen und stimmungsvoll. Für Spieler wie mich, die kein Interesse am Bemalen der Figuren haben, wären farbige Figuren jedoch eine bessere Lösung, als die farbigen Basen gewesen.

Die Regeln sind mit 24 Seiten nicht gerade kurz, aber diese Länge erreichen sie vor allem durch eine große Anzahl von Abbildungen zur Veranschaulichung. Außerdem findet sich auf der Rückseite des Regelheftes noch eine kurze Zusammenfassung, sowie auf den Clanbögen ebenfalls wichtige Erinnerungen an die Grundmechaniken des Spiels. Man braucht schon eine gewisse Zeit, bis man die Regeln durchgearbeitet hat, aber dafür sind sie umso klarer definiert und nach der ersten Runde hat man sie auch gut verstanden.

Neben dem Grundspiel gibt es auch noch eine ganze Reihe Erweiterungen zu kaufen. Außer der Erweiterung für fünf Spieler, sind diese aber meist nur kleinerer Natur und bringen dem Spiel wenig Neues.

BloodRage Box MockUp 3DDie harten Fakten:

  • Verlag: Cool Mini or Not / Vertrieb in Deutschland durch Asmodee
  • Autor(en): Eric M. Lang
  • Erscheinungsjahr: 2015
  • Sprache: Deutsch
  • Format: 11 x 31 x 31 cm
  • ISBN/EAN: CMONBR01DE-20161
  • Preis: ca. 75 EUR UVP
  • Bezugsquelle: zurzeit vergriffen, zweite Auflage ist angekündigt

 

Preis-/Leistungsverhältnis

75 EUR sind ein stolzer Preis für ein Brettspiel. Ja, man bekommt dafür eine Menge schmucker Miniaturen, für einen Brettspieler hätten es hier aber auch Pöppel wie beim Vorgänger Midgard getan. Aber bei einem Publisher, der die Miniatur schon im Namen trägt, war das kaum anders zu erwarten.

Neben den Miniaturen erhält man auch eine Menge anderes Material, sowie ein gut durchdachtes und ansprechend gestaltetes Spiel. Es ist allerdings fraglich, ob dieser hohe Preis nicht eine ganze Menge potenzieller Kunden aus dem reinen Brettspielemarkt abschreckt, denen das Spiel von den Mechaniken her sehr gefallen würde.

Bonus/Downloadcontent

Auf der offiziellen deutschen Produktseite von Asmodee, findet man die deutschen Regeln sowie ein Errata zum Herunterladen. Auf der englischen Seite von Cool Mini or Not gibt es selbige auch auf Englisch. Dazu auch noch ein paar Bilder des Spielmaterials sowie das Video, das für den Kickstarter, über den das Spiel finanziert wurde, aufgenommen wurde.

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Fazit

Wut, Äxte, Schädel, Karten, Figuren, Regionen. Wie man schon aus der Zusammenfassung der Regeln sehen kann, ist Blood Rage kein einfaches Spiel. Aber wer auf der Auswahlliste zum Kennerspiel des Jahres nach Spielen sucht, wird auch keine einfachen Spiele erwarten.

Spielerisch besticht Blood Rage durch eine enorme Spieltiefe und Vielfalt an Optionen bei der Kartenauswahl. Es gibt Karten mit denen man einen Kampf lieber verliert, um dadurch einen Bonus zu erhalten, andere Karten, um genau solche Tricks zu blocken, mystische Kreaturen, die ganze Regionen von lästigen Mitstreiten leerfegen können und vieles mehr. Optisch besticht das Spiel durch großartiges, stimmungsvolles Artwork sowie hübsche Miniaturen. Schade ist, dass das Spiel dadurch für einen reinen Brettspieler einen sehr stolzen Preis hat. Hier wäre vielleicht eine Aufteilung in Standard- und Deluxe-Version schön gewesen, um die beiden Lager gleichermaßen zu bedienen.

So haben wir ein Spiel mit Mechaniken und Spieltiefe, die einem Vollblutbrettspieler das Herz höherschlagen lassen, in Kombination mit Material, das einem Tabletop-Spieler gefallen dürfte. Leider ist die Schnittmenge dieser beiden Gruppen dabei kleiner, als jede der beiden Gruppen für sich, und es bleiben viele Brettspieler, die ein sehr teures Spiel sehen, sowie Tabletopspieler, denen das Spiel von den Mechaniken her nicht gefallen dürfte.

Aus der Sicht eines Brettspielers, ist der Preis jedoch der einzige echte Kritikpunkt, der anzubringen ist. Dieses Spiel hat seinen Platz auf der Auswahlliste zum Kennerspiel des Jahres redlich verdient!

Daumen5maennlichNeu

Artikelbilder: Cool Mini or Not, Asmodee

 

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