Bluttrinker im Vollrausch – Über Weinausschank beim Vampire Live

Alkohol hat im Vampire Live nichts verloren. Oder doch? Ein strittiges Thema ohne endgültige Antwort. Denn hierbei muss mehr bedacht werden, als nur die Frage, ob die Spielleitung Alkohol erlaubt oder nicht. Denn ein betrunkener Spieler lässt seinen Charakter mitunter Dinge tun, die sehr nachteilig für ihn sein können.

Alkohol im LARP und damit auch im Vampire Live ist immer ein strittiges Thema, und es gibt für alle Standpunkte Befürworter, die sich dafür, dagegen oder für ein Mittelmaß aussprechen. Dementsprechend groß ist die Bandbreite von totaler Abstinenz über ein oder zwei Glas Wein am Abend bis hin zu Mengen von über einer Flasche Wein pro Person.

Neben persönlichen Vorlieben ist dabei auch das Spielerlebnis der anderen Teilnehmer nicht zu ignorieren. Denn die haben mitunter wenig Freude daran, wenn es bei einigen sehr feuchtfröhlich wird.

Wir sind doch alle über 18

Und damit in Deutschland berechtigt Alkohol zu trinken. Die Folgen vom Alkoholgenuss sollten jedem hinreichend bekannt sein, ebenso wie jeder seine eigenen Grenzen kennen sollte.

Schwieriger zu beantworten als die Frage, ob die Teilnehmer legal Alkohol trinken dürfen, ist die Frage, ob es wirklich notwendig ist dies zu tun. Alkohol verändert schnell die Fähigkeit, Risiken einzuschätzen oder sicheren LARP Kampf zu betreiben. Und ab einer gewissen Menge leidet das Rollenspiel darunter, was dann schnell anderen Teilnehmern den Spaß verdirbt.

Auf der anderen Seite bedeutet ein Glas Rotwein auch nicht gleich hemmungslose Selbstüberschätzung oder führt zu Verhalten, dass den Spielabend für alle anwesenden ruiniert. Solange das Rollenspiel keine Ausrede ist, gemeinsam zu trinken, oder in großen Mengen stärkere Alkoholika als Rotwein getrunken werden, sollte in den meisten Fällen nichts gegen Alkohol in Maßen sprechen.

Das Blut und die Vampire

Vampire trinken Blut. Das ist bekannt. Blut ist Lebenskraft, die einem anderen Wesen gestohlen wird, um (vorübergehend) den Hunger zu stillen, der dem Fehlen des eigenen Lebens entspringt. Ein Vampir ist, wenig poetisch ausgedrückt, in vielen Settings wie ein Eimer mit Loch, aus dem unaufhörlich die Lebenskraft herausrinnt. Es gibt keinen Stopfen; das Einzige was dem Vampir bleibt ist, den Eimer immer wieder aufzufüllen.

Blut ist ein zentrales Thema für Vampire, das an dieser Stelle nur kurz angerissen werden kann. Anders als Menschen haben sie keine gigantische Auswahl verschiedener Lebensmittel. Trinken sie nicht, schwächt es sie oder lässt sie sogar in einen todesgleichen Zustand fallen, in dem sie ihrer Umwelt hilflos ausgeliefert sind. In einigen Spielsettings muss ein Charakter Blut verbrauchen, um bestimmte Kräfte einsetzen zu können. Ein Vampir, der in einer grausamen Vampirgesellschaft lebt, stürzt sich in ein schweres und mitunter tödliches Schicksal, wenn er nicht ausreichend Blut zu sich nimmt.

Zugleich bedeutet Blut einen unvergleichlichen Rausch für die untoten Wesen, die vielen anderen Dingen aus ihrer sterblichen Zeit nichts mehr abgewinnen können. Wenn Nahrung nur noch nach Asche schmeckt und Sex keine Befriedigung mehr bedeutet, ist die Wonne frisches Blut zu trinken etwas Unvergleichbares.

Berauschendes Blut

Je nach Setting haben Vampire mitunter keine Möglichkeit, Rauschmittel zu konsumieren, außer sie sind im Blut des Menschen gelöst, dessen Blut sie trinken. Dargestellt wird dies oft durch alkoholhaltige Getränke, die auf den Spieler die bekannte berauschende Wirkung haben. Aber auch ab von Rauschmitteln im Blut hat dies eine größere Wirkung auf den Vampir als „nur“ Nahrung zu sein.

Allerdings muss eine im Spiel berauschende Wirkung nicht zwingend durch alkoholhaltige Getränke dargestellt werden. Überspitzt formuliert sollte schließlich jeder Rollenspieler, der sich in einen Vampir hineinversetzen kann, auch Saft statt Wein als köstliches Blut bespielen können. Zudem gibt es im Bereich der Säfte und Smoothies wesentlich überzeugendere Getränke, wenn es um die Darstellung von Blut geht. Rotwein ist, wie viele Säfte leider ebenfalls, nur bedingt überzeugend, wenn es um Blutdarstellung geht.

Alkohol und Rollenspiel

Eine wichtige Unterscheidung ist hierbei, ob der Spieler oder Charakter betrunken bzw. berauscht ist:

Ein nüchterner Spieler, der einen betrunkenen Charakter spielt, kann das Spiel sehr bereichern. Der berauschte Zustand schwächt den Charakter, lässt ihn unüberlegt handeln und sich kopflos in Risiken stürzen, die er falsch einschätzt. Gleichzeitig können die anderen Spieler offen mit ihm spielen und müssen keine Rücksicht auf jemanden nehmen, der auch außerhalb des Spiels betrunken ist und z. B. keinen sicheren LARP Kampf mehr bestreiten kann.

Ein wirklich betrunkener Spieler auf der anderen Seite nimmt seinen Mitspielern die Möglichkeit, normal mit ihm zu spielen. Denn sichere LARP Kämpfe sind ab einem gewissen Alkoholpegel nicht mehr möglich, und zu losgelöstes Verhalten bricht oft mit der Stimmung des Spiels. Oder als Worst Case ausgedrückt: Wenn ein jahrhundertealter Vampir wie ein gewöhnlicher Kneipenbesucher pöbelt, wird er schnell unglaubwürdig. Tut er das, weil der Spieler zu viel getrunken hat, ist das schlichtweg ärgerlich.

Notwendig ist der Konsum von Alkohol im Vampire Live absolut nicht. Anstelle von echtem Blut wird ein rotes Substitut getrunken, bei dem es egal ist, ob es alkoholisch ist oder nicht. Es ist der bewusste Wille der Spieler, Alkohol während des Rollenspiels zu trinken, kein regeltechnischer Zwang. Wenn es um die Frage nach Alkohol im Vampire Live geht, geht es also eigentlich um die Frage, weshalb einige Spieler auf Spielen unbedingt Alkohol konsumieren wollen. Die Gründe können von Gewohnheit und dem Geschmack reichen, den man mag, bis hin zum Versuch lockerer zu werden und sich mehr zu trauen.

Folgen im Spiel

Auch, wenn ein Glas Rotwein viele noch nicht betrunken macht, ändert es doch das Verhalten. Das Tückische am Alkohol ist, dass einem die kleinen Änderungen selbst gar nicht auffallen, aber man sich schon anders verhält, als man es nüchtern tun würde. In den meisten Fällen hat das keine dramatischen Konsequenzen, aber das ist nicht immer so.

Unschön kann es nämlich werden, wenn man es übertrieben hat und einen Konflikt heraufbeschwört, den das Gegenüber aber nicht führen kann, weil man selbst zu betrunken ist. Das führt zu Brüchen in der Spielrealität. Denn innerhalb des Spiels wäre es kein Problem, einen betrunkenen Charakter zur Not auch mit Gewalt ruhig zu stellen. Ist aber der Spieler betrunken, fallen physische Komponenten des Spiels teilweise oder komplett weg. Aber auch abseits von Kämpfen ist es meist nur anstrengend, mit einem Betrunkenen einen Konflikt zu führen. Der Spielspaß bleibt da leicht auf der Strecke.

Die logische Konsequenz eines betrunkenen Charakters wäre in einer harten Vampirgesellschaft, den geschwächten Zustand dieses Charakters gnadenlos für die eigenen Zwecke auszunutzen. Ist der angeschlagene Charakter ein Konkurrent, kann sein Ruf in den Staub getreten werden. Ist er ein Verbündeter, mit dem man assoziiert wird, sollte man verhindern, dass er sich vollkommen der Lächerlichkeit preisgibt, und sei es nur um den eigenen Ruf zu wahren.

Warum sollten Vampire sich überhaupt betrinken?

Neben allen Diskussionen darum, ob und wie viel Alkohol man im Vampire Live trinken dürfen sollte, wird eine wichtige Frage schnell vergessen: Warum will sich ein Vampir betrinken?

Berauschendes Blut verändert die Art und Weise, wie der Charakter auf seine Umwelt und andere Vampire reagiert. Geht man von der Vampirgesellschaft der World of Darkness aus, wäre es ein unglaublich dummer Fehler, sich wissentlich zu schwächen, wenn man sich mit anderen Vampiren abgibt. Denn jeder kleine Fauxpas, jedes unbedachte Wort wird gegen einen verwendet werden. Wozu also das Risiko erhöhen, solche Fehler zu begehen? Selbst, wenn der Charakter berauschendes Blut genießt, kann er das (relativ) gefahrlos in allen Nächten trinken, in denen er sich nicht mit anderen Vampiren trifft. Also in all den Nächten, die nicht ausgespielt werden.

Auf der anderen Seite sind auch Vampire keine perfekten Wesen. Es ist nicht undenkbar, dass ein Charakter überzeugt ist, sich trotz Rauschmittel perfekt im Griff zu haben und seine Grenzen genau zu kennen. Das menschliche Äquivalent wären Autofahrer, die eigentlich genau wissen, dass sie nicht betrunken fahren sollten, aber überzeugt sind, das Risiko gut abschätzen zu können. Vielleicht will der Vampir sich auch seine trostlose Existenz schöntrinken, oder er will sich Mut antrinken, um sich besser in der Gesellschaft zu behaupten.

Weitere Aspekte

Zwei weitere Punkte werden schnell außer Acht gelassen. Der Erste ist weniger dramatisch und betrifft das Ambiente der Spielsession: Rotweinflaschen sehen aus wie Rotweinflaschen. Das mag praktisch sein, wenn Menschen in der Nähe sind und ein Vampir seine Identität verbergen will. Aber auf Treffen, die nur von Vampiren besucht werden, fehlt die Begründung, weshalb jeder Anwesende sein Blut in eine nagelneue Weinflasche füllt. Mit wenig Vorbereitung kann man die Etiketten entfernen oder das Getränk in eine schöne Flasche umfüllen. Aber wer macht sich wirklich diese Mühe, statt einfach den Korken zu ziehen?

Der zweite Punkt sind trockene Alkoholiker. Die wenigsten gehen damit hausieren und müssen irgendwie damit zurechtkommen, wenn um sie herum viel Alkohol getrunken wird. Auch, wenn sie keines der alkoholischen Getränke zu sich nehmen, sind sie in ihrem Hobby damit konfrontiert, dass um sie herum getrunken wird. Das muss kein Grund sein, komplett auf Alkohol während der Spiele zu verzichten. Allerdings sollte man sich immer wieder einmal bewusst machen, dass nicht jeder so locker mit dem Thema umgehen kann wie man selbst.

Fazit

Eine endgültige Antwort auf die Frage, ob und wie viel Alkohol im LARP und Vampire Live getrunken werden darf, wird es wohl nie geben. Hier kommt es auf die Entscheidung der jeweiligen SL an, was auf ihren Treffen zulässig ist, und auf die gesunde Selbsteinschätzung.

Neben dem Erkennen der eigenen Grenze sollte sich jeder Spieler, der während des Spiels Alkohol trinken möchte, aber auch darüber Gedanken machen, weshalb sein Charakter sich in Gegenwart anderer Vampire durch einen Rauschzustand schwächen will. Auch die Akzeptanz mitunter negativer Folgen, wenn man sich beschwingt durch ein Glas Wein zu weit aus dem Fenster lehnt, müssen hinterher ohne Murren akzeptiert werden.

Und im Zweifelsfall gilt: Lieber ein Glas Rotwein weniger trinken.

Artikelbild: Elisanth | depositphotos