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Warhammer hat eine sehr große Fangemeinde in Deutschland und gerade im Fantasy-LARP entstammen viele Charaktere diesem populären Hintergrund. Mindestens ebenso viele Fans hat aber auch die dystopische Zukunftsversion Warhammer 40.000. WeLarp hat sich davon inspirieren lassen und ein LARP an dieses lebensverachtende Setting angelehnt.

Knatternd schallen die Schüsse der Maschinengewehre links und rechts durch den notdürftig ausgehobenen Schützengraben. Das Mündungsfeuer des Feindes erhellt immer wieder die blassen Gesichter der Toten, deren Körper zum Schutz der Lebenden auf die Grabenwand gehievt wurden. Kugeln schlagen ein. Weder die schallenden Befehle des Hauptmanns, noch das vielversprechende Brüllen des Flammenwerfers irgendwo hinter der Stellung vertreiben die Kälte. Willkommen im Dreck. Willkommen bei 42k.

Von 23. bis 26. März fand auf dem alten Militärgelände in Wagenfeld im Norden Deutschlands das vierte Con der Reihe 42k statt. Ausgeschrieben war das Ganze als Militär-Gothic-Sci-Fi-Softair-Battle-LARP mit dem Ziel, unverwechselbare Atmosphäre und Ambiente für ein relativ neues und bisher selten bespieltes Setting zu schaffen. Bereits seit der letzten Con vor fast vier Jahren wartete eine begeisterte Fanbase auf eine Fortsetzung. Mehr als nur ein wenig von Warhammer 40k inspiriert, handelt es sich um ein Spiel rund um die Imperiale Armee der Menschen, mit besonderem Augenmerk auf eine ungeschönte und, soweit im Larp möglich, realistische Darstellung eines Kriegsszenarios. Hartgesottene Warhammer 40.000 Fans sollten schon von vornherein eine Ahnung gehabt haben, was sie in der Imperialen Armee erwartet. Im Gegensatz zu vielen Settings im LARP, geht es hier nicht um das Darstellen von Helden, sondern im Gegenteil,: Der Anreiz ist die Darstellung von Kanonenfutter in der unmenschlichen Militärmaschinerie eines gnadenlosen Imperiums.

Keine Space Marines, keine Helden, sondern nur Soldaten, Dreck und Tod.

Die Pflicht: Organisation der Con

Regeln und Darstellung

Da viele der Spieler durch frühere Cons dieser Reihe angelockt wurden, waren auch die Erwartungen dahingehend geprägt. Hartes Militärspiel, zahlreiche Tode, ans Lächerliche grenzender Imperator-Fanatismus und viel Realismus. Zahlreiche Schussgefechte waren zu erwarten, sowie der ein oder anderen Nahkampf. Wie nahe die Spieler dem Feind/Chaos kommen würden, war zu Beginn nicht vollkommen ersichtlich, es stellte sich aber während des Spiels bald heraus, dass Kontakt in den meisten Fällen nicht näher als Ruf- und vor allem Schussweite sein würde. Zumindest wenn der an der Silowand hochkletternde Kultist früh genug entdeckt wurde.

Waffen/Kampf

Das hier ist mein Gewehr! Es gibt viele andere, aber dies ist meins!

Was wäre ein Soldat ohne seine Waffe? Um das Militärsetting zu unterstützen nutzt 42k Softair Waffen mit nicht mehr als 0,5 Joule Schusskraft – diese werden gesetzlich in Deutschland als Spielzeug definiert.

Zu bemängeln an dieser Waffendarstellung ist die Brillenpflicht auf dem gesamten Gelände, außer der Green-Zone (Basis/Unterkunft), und die Möglichkeit auf kleine, kreisrunde blaue Flecken, sollte man tatsächlich mal versehentlich aus nächster Nähe beschossen werden (Meine Meinung: Wer von einer Con ohne blaue Flecken zurückkommt, war aber ohnehin entweder Heerführer, Küchendienst, oder ein Feigling). Durch die relativ schwachen 0,5 Joule und rücksichtsvolle NSCs, die ab einer gewissen Distanz mal eben BANG schreien, anstatt abzudrücken, war das aber kaum ein Problem. Besonders da es in den letzten Jahren einen Aufschwung an Softair-Cons gab, kann man nicht mehr leugnen, dass diese mehr zur einer realistischen Atmosphäre beitragen, als es beispielsweise Nerf-Waffen je könnten. Neben überzeugender Optik und Geräuschkulisse, bieten Modifikationen wie Sound Simulatoren, Muzzle Flash und Tracer Munition zusätzlich weiten Raum nach oben.

Nahkampf – mit zum Setting passenden Waffen wie Kettenschwertern, Messern oder auch kampftauglichen Spaten – wurde mit einem DKWD(D)K-System geregelt.

Spielphilosphie, Dkwd(d)k und G.A.R.S

„42k wird nach dem für diese Veranstaltung (Softair Kämpfe) angepassten G.A.R.S („Guided Action Roleplaying System“ oder zu Deutsch „Geleitetes Aktions Rollenspiel System“) gespielt. Das bedeutet ein freies Darstellungsspiel, ähnlich dem Dkwd(d)k allerdings mit zusätzlichen, Rahmen gebenden Grundsätzen und Spielhilfen.“ – Auszug aus dem Regelwerk

Das Regelwerk arbeitet ohne Punkte und Tabellen. Die Spielmechanik wird fast vollständig in die Hände der Spieler gegeben. Ein System, das Verantwortung und Vertrauen verlangt und in diesem Fall von den Anwesenden bestens umgesetzt wurde.

Der Charaktertod sollte und war nicht nur Randvorkommnis, sondern fester Bestandteil des Spiels. Ein bis zwei Ersatzrollen in petto zu haben, war hier keine übertriebene Vorbereitung und wurde von der Orga im Vorfeld auch so kommuniziert. Für den Imperator sterben Soldaten wie die Fliegen. Und das ist gut so. Ohne die zahlreichen Tode, die am Schützengraben aufgelegten Leichen, und die Kaltherzigkeit des Hauptmanns, der er seine Männer ohne Wimpernzucken in den sicheren Tod schickt, wären die Atmosphäre und das Erlebnis mit Sicherheit anderer Art und oft weniger stimmig. Leider litt für viele durch die hohe Todesrate auch Charakterspiel und Dramatik.

Realismus stand auch dieses Mal wieder an höherer Stelle, als man es oft vom Fantasy-LARP gewohnt ist.

„Realität und Fiktion ‚Bei 42k wird nur bespielt,was möglichst realistisch und gut darzustellen ist‘ Das Gilt für örtliche Gegebenheiten aber auch Ausrüstung und Ausstattung. Beispiel: Von innen mit Tüchern und Folien abgehängte Fenster eines Gebäudes sind keine undurchdringlichen Wände, sondern eben nur verdeckte Fenster. Ein kaputtes Funkgerät muss real funktionieren, Strom haben und ein Kanal eingestellt sein, bevor damit gefunkt werden kann. Entweder man erreicht nun wirklich jemanden mit dem Funkspruch oder eben nicht. Ein einfacher Papier-Staubschutz aus dem Baumarkt ist keine Gasmaske, sondern ein Staubschutz. Ein grünes LED an einem Helmvisier macht lediglich grünes Licht und ist noch lange kein Nachtsichtgerät.“ – Auszug aus dem Regelwerk

Der Realitätsanspruch an das Material vor Ort war sowohl nervenaufreibend als auch spielbereichernd („Was soll das heißen, jemand ist schon wieder über das Kabel des Feldtelefons gestolpert?“, „Hatte von den Grenzern nicht einer ein Nachtsichtgerät? Bringen Sie mir den Mann!“). Ähnlich hohe Ansprüche wurden auch an die Spieler gestellt.

Wem schlussendlich die Härte des Spiels zeitweise zu viel wurde, konnte sich durch ein Safeword System aus der Affäre ziehen. Das Einsetzen von Attestschein „A13“– eine intime Lösung für „das kann / will ich nicht machen“, war eine großartige Möglichkeit Grenzen zu kommunizieren, ohne den Spielfluss zu stören.

Location

Das Spiel fand auf einem alten Militärgelände statt, das teilweise als Paintballgelände genutzt wird. Die Location war auf den ersten Blick beeindruckend und durchaus passend. Es gab beispielsweise zahlreiche Silos, deren Dämme täglich erklommen werden mussten, um Stellungen zu errichten und das Quartier zu sichern. An Fallout erinnernde Achterbahnüberreste und ein im Verfallen inbegriffener Bunker, der, ausgestattet mit Feldbetten und Militärequipment, kaum mehr an eine im Kriegsgebiet notdürftig umfunktionierte Basis erinnern hätte können.

Das Gelände war für die zwischen 30 und 40 Spieler gerade groß genug und die etwa 15 NSC boten ein gutes SC-NSC-Verhältnis.

Die Silos boten besonders zu Beginn einen großen Spielanreiz, wurden aber mit der Zeit ein wenig eintönig. Das ständige Auf und Ab an den Silowänden war ausgiebiges Oberschenkeltraining. Die gelegentlichen Ausflüge in spontan erscheinende Dornen waren zu Anfang lästig und gegen Ende die Ursache zahlreicher an Häresie grenzender Flüche. Auch wenn besagte Erdwälle sich bis Samstagabend stellenweise in beeindruckende Stellungen verwandelt hatten, wäre etwas mehr Abwechslung im Terrain wünschenswert gewesen.

Unisex Toiletten waren in einem angrenzenden Gebäude zu finden und ausreichend funktionell. Dort aufzufinden war ebenfalls ein quietschgelber, hochmotivierter Gartenschlauch samt Duschvorhang, eine Installation die trotz allen Bemühens nicht wirklich Dusche genannt werden konnte.

Sehr störend war leider der hartnäckige Geländebesitzer, der sich offenbar nicht ausreden ließ, immer wieder mal mit seinem Golfcart mitten durchs Intime zu fahren und zu überprüfen, was da so passiert.

Die Kür: Setting und Plot

Setting/Ambiente

Optik und Flair wurden zu großen Teilen von der Spielerschaft getragen. Es wurde im Vorhinein ein Leitfaden für die Grundausrüstung versprochen, der aber nur ansatzweise realisiert wurde (welcher Sadist hat eigentlich die Gamaschen festgelegt?). Es gab in der Vorlaufzeit zwar immer wieder Hilfestellungen zu Optik und Ausrüstung, aber nicht alle versprochenen Pläne, wie beispielsweise Rüstungspakete, konnten bis zur Con realisiert werden.

Besonders bei den Waffen wurde Wert daraufgelegt, dass alles in geregelten, legalen Bahnen verläuft.

Im Sinne der Darstellung einer glaubhaften Militäreinheit wurde den Spielercharakteren nur wenig Raum zur Individualität gegeben. Alle Spieler gehörten derselben Militäreinheit, dem „13. Ordianischen Garderegiment“ an. Trotz der gewünschten Konformität gab die Orga die Möglichkeit mit ausgiebiger Vorabstimmung Ausnahmen zu gewähren, sollten diese mit Sicherheit eine Bereicherung des Spiels darstellen. Zur Erleichterung vieler wurde dies wohl kaum wahrgenommen.

Hintergrund

Alle Spielercharaktere stammen vom Planeten Ordia und aus einer der dort ansässigen Fraktionen:

Entweder aus dem von der K.uKk.-Monarchie inspirierten Kaiserreich, das der Armee Bürger als Soldaten, sowie die Traditionseinheit der Kaisergrenadiere stellt – oder der „demokratischen“ Republik, die sich während eines Bürgerkrieges vor vielen Jahren vom Kaiserreich abgespalten hatte.

Die auf diesem Hintergrund der Ordia XIII basierende Rivalität zwischen den Landsmännern beider Reiche innerhalb einer militärischen Einheit, gab reichlich Stoff für Charakterspiel: Sticheleien, Patriotismus und schamloses Ausschmücken der Realität des eigenen Landes („Hungernde Kinder auf den Straßen der Republik? Alternative Fakten!“) bereicherten den Soldatenalltag.

Der Hintergrund ist auf der Webseite frei zugänglich.

Zwei Spielergruppen dominierten die Con: Sturmpioniere und Kaisergrenadiere. Abseits der vorgeschriebenen Uniformen, gab es hier von den Spielern organisierte Gewandung, die dem Ganzen noch mehr Leben verlieh. Neben der teils vorgeschriebener Grundausrüstung zur Darstellung einheitlich uniformierter Einheiten, machten sich gesamte Spielergruppen die Mühe ihrem Hintergrund gemäße Ausrüstung anzufertigen. Besonders beeindruckend waren hierbei die 1.Weltkrieg-anmutenden Uniformen der Kaisergrenadiere und die von Wahrhammer Figuren inspirierten Cadia-Rüstungen der Sturmpioniere.

Auch über den Planet Ordia hinaus steckt das Setting voller Möglichkeiten und gerade Fans des Warhammer Universums können das Potential nicht nur sehen, sondern auch dazu beitragen. Reliquien, Inquisitoren, Priester und immer wieder kleine Referenzen für Leute mit tiefem Warhammer Wissen können dieses Setting bis in die dunkelsten Ecken beleben.

Funktionierende Feldfernsprecher („Ich habe keine Lust mehr da hinter zu gehen, wir legen da ein Feldtelefon hin. – Jawohl Herr Leutnant!“, „Einen Moment Sergeant, ich stelle sie zu Stellung 1 durch“), echte Nachtsichtgeräte, und am ersten Abend tatsächlich ohne Orientierung im Dunkeln ausgesetzt werden, um den sicheren Bunker erst zu entdecken trugen enorm zum Ambiente bei, weckten aber gleichzeitig den Wunsch nach noch mehr. Durch den Hintergrund einer Notfallstellung macht es natürlich mehr Sinn nicht in einem Bunker voller Deko zu schlafen und ständig mit imperialem Fluff bombardiert zu werden, aber ein wenig mehr wäre wünschenswert.

Plot

Auf dem Planeten Pherus Tri herrscht ein gnadenloser Krieg gegen einen Kult von Ketzern. Einige Soldaten sind schon seit Jahren hier stationiert, andere wurden erst vor kurzer Zeit hier abgesetzt. Nach einer Offensive des Feindes befinden sich zerstreute Truppen des XIII. Ordia plötzlich hinter feindlichen Linien. Irgendwo in der Nähe soll es noch einen Bunker in der Hand des Imperiums geben. Wo immer sich die letzten Soldaten versprengter Truppen zusammenfinden, ist dieses Quartier die letzte Hoffnung auf Überleben.

Das Anfangsszenario und der Einstieg ins Spiel waren vielversprechend. Die Spieler wurden in kleinen Truppen in einen geschlossenen Laster geladen und in tiefster Dunkelheit irgendwo auf dem für sie unbekannten Gelände ausgesetzt, mit dem Auftrag den sicheren Bunker zu finden. Passend zum Hintergrund wurden die Soldaten über Details, gerade was den Glauben und Motivation des Feindes betraf, eher im Unklaren gelassen.

Abgesehen von der Ausgangssituation war über den Plot vor Spielbeginn (und teilweise auch bis Spielende) nicht viel klar/bekannt. Wenn man mal von dem generellen Ziel eine Militäreinheit in einer improvisierten Basis darzustellen absieht, gab es für die Spielerschaft eher weniger offensichtlichen Plot. Man kann aber auch davon ausgehen, dass Plot, so vorhanden, sehr unaufdringlich war und Maßnahmen zum Überleben schlicht mehr im Vordergrund standen als eine in sich geschlossene Geschichte. Das Verlegen von realen Feldtelefonen, Errichten und Verteidigung von Stellungen, die Beschaffung von Promethium für den Tank des Flammenwerfers und ähnliche kleine Missionen belebten den Tagesablauf.

Fazit

Auch wenn die Organisation im Vorfeld immer wieder etwas holprig war, handelte es sich insgesamt um eine durchaus gelungene Con. Vor allem, wenn man bedenkt, dass das Setting noch ein wenig in den Kinderschuhen steckt. Die Location hatte Vor-und Nachteile und war für ein Wiederaufleben lassen der Con-Reihe gerade noch richtig, sollte aber für ein nächstes Mal gewechselt oder verbessert werden. Eine Orga mit viel Kreativität ist Gold wert, kann aber auch nur mit gut geregelter Organisation erfolgreich bleiben. Es gibt Verbesserungspotential an einigen Stellen.

Auf der anderen Seite bietet das Setting enorm viel Potential und WeLarp hat es geschafft eine Nische zu füllen, die bisher eher unbespielt blieb. Sowohl was den Warhammer Hintergrund, als auch was den Härtegrad dieses angenehm unheldenhaften Spielkonzeptes angeht.

Ein enormes Lob muss allerdings an alle beteiligten Spieler und NSC gehen. Mit viel Motivation, Einsatz und Zusammenarbeit wurde auf dieser Con eine Erlebnisatmosphäre geschaffen, die ihresgleichen sucht.

Artikelbild: ©Moritz Jendral Photography

Über die Autorin

Nina Neuwirth larpt nun schon seit 2006 und ist in der Zeit viel rumgekommen. Sie ist früher oder später in fast jedem Setting anzutreffen. Ausflüge in Larpszenen außerhalb Deutschlands, wie zum Beispiel nach Österreich, Frankreich, Irland, die Schweiz und Australien in den letzten Jahren, geben ihr einen internationalen Blickwinkel auf heimische Cons. 

 

 

 

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3 Kommentare

  1. Im Text, der sich gut liest, kommt ihr auf das Thema der Brillen zu sprechen.
    Ich kann dabei natürlich verstehen das sie eventuell etwas komisch und vielleicht auch störend wirken, aber wenn man darüber nachdenkt in was für einer Welt das ganze spielt und das die armen Schweine auf dem Feld eh schon mehr als nur am Arsch sind, finde ich Schutzbrillen jetzt nicht so untimmig.

    Wenn man sie dann noch etwas an die eigene Ausrüstung anpasst, sollte das gleich viel besser passen.

    Ja, die Miniaturen tragen auch keine Schutzbrillen, aber die ranghöchsten Space Marines tragen z.b. ja auch oft keine Helme…sind halt ALLE IRRE DA! ;)

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