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Ein neuer Spieler betrat bereits 2016 das Schlachtfeld des Zeit der Legenden und setzte den Spielern physisch und psychisch zu. Über seine Motive konnte man nur spekulieren, doch bei einem waren sich alle sicher: Der Hexenmeister würde wiederkehren. Und das tat er auch. Fulminant und noch bedrohlicher als je zuvor.

Das Zeit der Legenden 2016 knüpfte an alte Erfolge an und machte Lust auf mehr. Mit einer neuen Location, liebevoll gestaltetem Plot und tollen NSC gab es kaum Kritik von Teilnehmern. Eine hohe Messlatte also für kommende Cons von Wyvern e.K. Entsprechend hoch waren also die Erwartungen der Teilnehmer.

Dennoch begann die Con mit einem kleinen Skandal: Der allseits beliebte Bäcker würde diesmal nicht kommen. Mit seinen stets frischen Brötchen, Schokokringeln und Leberkäswecken oder einem Becher heißem Kaffee war der Bäcker wohl seit vielen Jahren eine Institution der Con. Nicht wenige Spieler stützten daher einen großen Teil oder gar ihre ganze Versorgung auf eben jenen und wurden nun von der Ankündigung überrascht, obwohl sich sein Fernbleiben schon länger ankündigte. Auf Nachfrage erfuhr man, dass die Stromversorgung außerhalb des Schlosses nicht optimal für den Bäcker war und man leider auch keine weitere Starkstromleitung legen konnte, die er jedoch benötigt hätte, um wirklich produktiv zu arbeiten. Bereits letztes Jahr habe er nur mit halber Kraft gearbeitet, was den Umsatz beeinträchtigt hatte. So entschied er sich diesmal vergleichsweise kurzfristig, nicht den weiten Weg Richtung Norden auf sich zu nehmen.

Verhungern musste jedoch zum Glück niemand, zumindest nicht, dass wir wüssten. Kurzfristig kompensierte die Taverne Slaughtered Lamb, ebenfalls eine Institution und dieses Jahr unter neuer Führung, den Wegfall durch ein Angebot fester Mahlzeiten, die jedoch, aus logistischen Gründen, einen Tag vorher bestellt werden mussten.

Nach diesem ersten kurzen Schreck konnte man sich jedoch voll und ganz der Con und ihren Abenteuern widmen.

Die Pflicht – Veranstaltungsorganisation

Die Zeltplatzorganisation läuft seit vielen Jahren bereits im Vorfeld im Forum des DrachenFestes und klappte auch in diesem Jahr dank engagierter Teammitglieder wieder problemlos. Bereits hier zeichnete sich jedoch ab, dass man wohl mit mehr Teilnehmern als im letzten Jahr rechnete. Die Platzbeschränkung wurde vehementer kontrolliert, und man bat eindringlich, beim Entladen nicht zu sehr zu trödeln.

Vor Ort gab es zwei Entladezonen, eine für Spieler und eine für NSC. Und obwohl diese recht knapp bemessen waren, lief die An- und Abreise absolut reibungslos. Die Teilnehmer reisten über den Tag an und ab, sodass es keine so krassen Stoßzeiten gab, wie man es von anderen Cons kennt. Auch war der Parkplatzdienst ausgesprochen kulant, wenn der Platz es zuließ. Wer erst spät in der Nacht anreisen konnte, bekam immer noch die Möglichkeit, möglichst nah am Spielerlager auszuladen. Bedenkt man, dass die Teilnehmerzahl im Vergleich zum Vorjahr stieg, ist dies eine sehr gute Leistung der Orga.

Dass tatsächlich mehr Spieler als letztes Jahr da waren, merkte man auch vor Ort. Es war deutlich enger gestellt und voller. Mehr Spieler dürften das Gelände an seine Grenzen bringen. So war es absolut in Ordnung und unterstrich die Wirkung eines Flüchtlingscamps, was dem Setting zuträglich war.

Die Location

Das Schloss Walbeck bei Geldern zählt wohl zu den derzeit schönsten LARP-Locations und bietet eine optimale Kulisse für Abenteuer-, aber auch Ambientecons. Nicht umsonst ist auch das Broken Crown hier bereits Stammgast. Das Zeit der Legenden gastierte hier nun zum zweiten Mal, um die Tempelstadt Elitwana zu simulieren.

Erfreulicherweise wurde auch Kritik aus dem letzten Jahr aufgegriffen. Die Toiletten- und Duschcontainer bekamen einen neuen Platz und störten so kaum bis gar nicht die Immersion. Am alten Platz wurde dafür eine Sanitätsstation der Malteser eingerichtet, die gut getarnt, aber dennoch sehr schnell zu finden war.

Bemängelt wurde erneut die Verfügbarkeit von Duschen und Toiletten. Es stellte sich jedoch heraus, dass vielen Spielern nicht bewusst war, dass es beides auch im Schloss gab. Wer um diese wusste, hat nicht selten Warteschlangen vermieden. Ärgerlich war jedoch, dass besonders die Herrentoiletten regelmäßig Funktionsstörungen hatten. Offensichtlich übertrieb es der ein oder andere mit Klopapier und betätigte die Spülung dann nur kurz.

Hervorzuheben ist jedoch die Sauberkeit der WCs, es fehlte nie an Klopapier (trotz einiger „Großverbraucher“) und auch Seife war fast immer frisch aufgefüllt.

Vermisst wurden jedoch einige Händler, denn neben Wyvern schlugen nur noch Luzy’s Pirate Leather und ein echter Schmied, mit der Dohlen Schmiede,  ihre Zelte auf.

Die Kür – Regelwerk, Plot und Co.

Im Schloss selbst wurde erneut der Tempel bespielt. Dort herrschte deshalb, vielleicht noch mehr als im letzten Jahr, stets rege Betriebsamkeit. Egal zu welcher Tageszeit, es war immer etwas los, und man fand Spieler und Spiel. Dabei wurden viele Räume aus dem letzten Jahr noch einmal aufgewertet, und besonders im Hof gab es viel zu tun.

Auch der allseits beliebte Wald wurde dieses Jahr nochmal intensiver genutzt. Mehrere Kulissen und Plotlocations luden zu schwerbewaffneten Waldspaziergängen ein. Ein kleines Highlight war dabei das Räuberlager tief im Wald. Besonders in der Nacht versprühte dieses einen ganz besonderen Charme und war sehr liebevoll gestaltet. Wer nachts übrigens, ganz Meta, dachte, die NSC schlafen im NSC-Lager, wurde überrascht: Die Räuber lagerten wirklich dort.

Für reichliche Spekulationen sorgte ein Ritualkreis mit Statuen. Dieser führte dann am Ende der Con zu emotionalen Ausbrüchen, wie man sie nicht oft auf Con erlebt. Dazu später mehr.

Zugfahrt nach Elitwana

Wenn man eine Kampagne mit Metastory bespielt, ist es schwer, alle Plots offen zu gestalten. Auf der anderen Seite wünschen sich Spieler und Orga, zumindest die meisten, aber eine möglichst dynamische Con. In diesem Spannungsfeld bewegte sich auch das Zeit der Legenden.

Dass dieses Spannungsfeld nicht immer leicht zu lösen ist, zeigten auch einige Reviews der Veranstaltung auf Facebook und im Forum. Während viele Plots ganz offensichtlich den Weg zur Lösung als auch die Lösung selbst offenließen, gab es ein paar Aufgaben, bei denen das nicht ganz so klar war, und so erntete die Plot-Orga den Vorwurf des Railroadings, also eines festgelegten Plotverlaufes, auf den der Spieler wenig bis keinen Einfluss hat.

Bereits auf der Con, aber auch im Nachgang hat sich das Plotteam jedoch sehr viel Zeit genommen, um sich dieser Kritik zu stellen. Dabei wurde es durchaus auch mal emotional, doch es gelang schnell, wieder eine gemeinsame Ebene zu finden. Dabei wurde von der Orga zugesichert, diesen Eindruck einiger Spieler genau zu analysieren und daran zu arbeiten.

[…]Vollkommen Recht gebe ich euch damit, dass ein Con, auf dem viele Dinge frei zu entscheiden und Ausgänge offen sind, mehr Eigendynamik hat und in vielen Facetten einfach spannender zu bespielen ist.  Genau dies versuchen wir, uns zu Herzen zu nehmen.
Das bedeutet, dass viele Plots einen völlig variablen Verlauf nehmen können und auch deren Ausgang nicht festgelegt ist. Das bedeutet umgekehrt aber auch, dass Aufgaben scheitern können und ich glaube, dass man dieses Risiko auch bewusst mit seiner Rolle eingehen sollte.[…] Dann zählt zu Plots und Aufgaben natürlich das Setting.
Hier gab es häufiger das Problem mit der Annahme, dass ein „Nein“ von einem NSC gleichbedeutend ist mit einem „Nein“ der Orga. Hier sehe ich einerseits Verbesserungspotential auf meiner Seite, was das Briefen der NSCs angeht, damit jede Gruppe für sich besser und individueller reagieren und sich im Zweifelsfall auch umstimmen lassen kann.
Darum werde ich mich also kümmern und mehr Gewicht auf Briefing und NSC-Schulung im Plot-Verlauf legen. -Constanze Spengler, Head-PlotOrga

Aufgaben gab es dabei reichlich zu lösen, von den ganz großen Dingen, um die Welt zu retten, bis hin zu kleinen Problemen des Alltags. Nicht alles brauchte ein Ritual, und nicht alles brauchte Gewalt. So fand eigentlich jeder etwas zu tun, der Lust hatte, etwas zu tun. Dass ein paar Spieler sich von so einem detaillierten Setting abgeschreckt fühlten, liegt wohl in der Natur der Sache. Schnell entsteht der Eindruck, dass man es schwer hätte, sich Aufgaben anzunehmen, wenn man sich, wie gefühlt die meisten anderen Spieler, in der Welt nicht so gut auskennt. Hier gilt es jedoch, sich auf die Welt einzulassen. Ambiente- und Plotrollen gab es rund 80, und jeder konnte einem etwas über die Welt und seine Sicht der Dinge erzählen.

Was jedoch viel Energie raubte, war zweifelsohne die „Lasersonne“, die körperlich einiges abverlangte und den einen oder anderen Streiter hart ausbremste. Doch besser Sonnenschein als Dauerregen, wie man es oft von der alten Location in Westernohe kannte.

Helmpflicht!

Seit einigen Jahren gelten für Kämpfe nun schon die Vinland-Regeln auf dem Zeit der Legenden. Dabei gilt nicht nur DKWDDK, sondern vor allem auch eine Kampfart, die zu realistischeren und sichereren Kämpfen führen soll. Tatsächlich beweist Wyvern damit seit Jahren, dass auch auf größeren Cons mit diesem System erfolgreich gespielt werden kann.

Dieses Mal schaukelten sich aber manche Kämpfe, vermutlich aufgrund der Hitze, deutlich stärker hoch als die Jahre zuvor. Hier griff jedoch die SL beherzt ein und verordnete in einer Schlacht auch mal ein Abkühlen der Gemüter.

So hielten sich Verletzungen stark in Grenzen und waren nicht häufiger oder schlimmer als auf Cons ohne Vinland-Regeln. Gefühlt werden Helme auch immer öfter Bestandteil von Rüstung. Eine begrüßenswerte Entwicklung für jede Con, egal mit welchen Kampfregeln.

Hexer, Helden und falsche Götter

Eine liebe Tradition des Zeit der Legenden ist eine Art Eröffnungsritual. In musikalisch untermalten Theater-Szenen bekommen die Teilnehmer einen Hinweis auf das, was sie erwartet. Manchmal in der Form eines „Was bisher geschah“ und manchmal in einer düsteren Zukunftsvision. Diesmal verblüffte der Auftakt die Spieler besonders. Am Ende der Vision schloss der Hexer, in dem viele Spieler bereits den neuen Antagonisten der Kampagne vermuteten, mit den Worten, die jeder DrachenFest-Besucher kennt „Ich rufe in diesen Kreis …“

Damit war das wilde und teils panische Spekulieren über dessen Zeile eröffnet. Und tatsächlich zeichnete sich während der Con ab, dass der Hexer, Ushar’Nash, einen eigenen Ritualkreis im Wald schaffen wollte. Panisch errichteten die zeitreisenden Spieler und die Einwohner der Tempelstadt ebenfalls einen Ritualkreis der Drachen, um ihrerseits die Macht dieser metaphysischen Wesen zu festigen. So begann ein Wettlauf gegen die Zeit. Apropos Zeit, die Stimme der Zeit, ihres Zeichens Hohepriesterin aller Drachen, hatte die ihre eigentlich schon überschritten, und es wurde Zeit für ihre Nachfolgerin. Diese hatte jedoch eine ganz ungesunde Zuneigung zum Hexer entwickelt, die die Spieler auf Trab hielt.

Währenddessen musste die fragile Allianz der Völker der ersten Welt gerettet, Sklaven aus ihrer Unterdrückung befreit und Herrschern auf ihren Thron verholfen werden.

Am Ende gelang davon einiges nur zum Teil. Zwar wurde die Allianz gerettet, eine Königin auf ihren Thron gebracht und die Drachen wieder fest in der Welt verankert, aber es gelangt dem Hexer ebenfalls, seinen Kreis fertigzustellen und die neue Stimme der Zeit nach dem Tod der Vorgängerin (deren körperlicher und geistiger Abbau innerhalb von Tagen wurde dabei gruselig überzeugend gespielt) auf seine Seite zu ziehen. Eine Achterbahn der Gefühle löste jedoch das Ende der letzten Schlacht aus. Nach der Fertigstellung des Ritualkreises von Ushar’Nash rief dieser seine eigene Version der Avatare in den Kreis. Gänsehaut und Tränen inklusive. Welche Auswirkungen das auf das DrachenFest und das kommende Zeit der Legenden hat, bleibt abermals reine Spekulation. Aber der Hexer wird die Teilnehmer noch lange und intensiv beschäftigen, soviel ist sicher.

Fazit

Dank eines fulminanten Zeit der Legenden 2016 waren die Erwartungen an die Fortsetzung in diesem Jahr enorm hoch. Vielleicht an manchen Stellen zu hoch, sodass Frust bei den Plots schneller zutage trat. In den meisten Teilnehmer-Feedbacks wurden jedoch die Erwartungen voll und ganz erfüllt und nicht selten sogar übertroffen.

Nach vier Jahren die Bedrohung der Welt durch einen neuen, sehr charismatischen, Antagonisten zu ersetzen, der zudem auch noch wirklich undurchsichtig und schwer fassbar ist, dürfte der Kampagne guttun und die Motivation der Spieler weiter befeuern.

So gelang es erneut, eine unglaublich lebendige Welt zu schaffen, die sich „echt“ anfühlt und dazu auffordert, sie zu erkunden. Was kann man sich als Orga mehr Wünschen?

Artikelbilder: ©Andreas Dude/Wyvern e.K.

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