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Das diesjährige DrachenFest wird so schnell nicht vergessen werden. Doch weniger aufgrund des Plots oder Spielgeschehens, als des sogenannten Schlammageddons, in das sich das Gelände nach zwei Tagen Dauerregen verwandelte. Ein Zusammenhalt ungeahnten Ausmaßes vereinte alle Anwesenden um den Widrigkeiten zu trotzen und das Event trotzdem wie geplant durchzuführen.

Wir befanden uns im Jahr der dritten Herrschaft des schwarzen Drachens (nach Aldradacher Zeitrechnung), als der Himmel nach zwei schönen (Spieler-)Aufbautagen beschloss, seine Schleusen zu öffnen und das Gelände am Quast, nahe Diemelstadt und Warburg in Hessen, in Ausnahmezustand zu versetzen. Zwei volle Tage regnete es ohne Unterlass und verwandelte die Wiesen in ein lehmig-schlammiges Niemandsland. Dies hatte nicht nur Auswirkungen auf die Gemüter der Anwesenden, sondern warf auch Zeitpläne völlig über den Haufen und verlangte vom Veranstalter Wyvern e.K. hohe Flexibilität in Logistik und Umplanung an allen Fronten. Eine Aufgabe, die jedoch in großer Gemeinschaftlichkeit gemeistert werden konnte.

Wer nicht schippt, vergeht

Die ersten Bauhelfer des DrachenFestes schlagen zumeist etwas über eine Woche vor Time In auf dem Quast auf. Sie ziehen Wasserleitungen und Stromkabel auf einem Gelände, das über das Jahr hinweg ganz den Kühen gehört. Aldradach ersteht erneut, sowie diverse weitere Bauten wie Ritualkreis, Limbus, Orga- und Stadtplex. Fünf Tage vor Time In bekommen die fleißigen Blaukappen Gesellschaft der Lagerbauteams, die jedes Jahr den Inhalt der großen Lagerscheune munter auf dem Gelände verteilen und das Grundgerüst und Gesicht ihrer Lager errichten. Diese Arbeit ist anstrengend und auf ehrenamtlicher Basis – doch gibt es jedes Jahr viele motivierte LARPer, die sich der Aufgabe stellen, für ein schönes Ambiente in den Drachenlanden zu sorgen. Neben den üblichen Widrigkeiten wie Materialknappheit, ignoranter Mitlageristen oder Pläne, die bei Kollision mit der Realität (oder Physik) zerplatzen, ist das Wetter immer die größte Variable. Auf dem Quast herrscht ein eigenes, bekanntes Mikroklima, welches es dieses Jahr mit uns jedoch nicht gut gemeint hat.

Und auf einmal fing es an zu regnen. Es regnete tagsüber und auch nachts. Mal war der Regen warm, mal kalt, mal regnete es viele kleine Tropfen, danach gab es langen Regen. Der Regen kam von links, er kam von oben, mal kam er auch von rechts und manchmal… ja, manchmal kam der Regen sogar von unten.“  

Forrest Gump

Nachdem der Regen in der Nacht zu Montag einsetzte, war zwar niemand begeistert, doch man kannte es ja fast nicht anders. Doch hörte es nicht auf. Nach und nach verwandelten sich die feuchten Wiesen in sumpfiges Marschland, kleine Pfützen wurden zu Teichen und die Pegel stiegen unaufhörlich. Gen Mittag dann die Ansage der Organisatoren, dass man Gräben ziehen möge, um sich davor zu retten, unterspült zu werden. Eine Ansage, die vernünftig erscheint, doch wissen Drachenfestbesucher, dass das Verletzen der Grasnarbe auf dem Quast normalerweise streng verboten ist. Beunruhigend. Die Bauern, welche sonst Baumaterial auf den Hängern zwischen Scheune und Lager pendelten, begannen, Stroh, Heu und Mulch zu verteilen und erste Autos vor einem schlammigen Schicksal zu bewahren.

Mittlerweile nutzen in etwa 80% der Spieler bereits die Frühanreise am Montag, was dieses Jahr verheerende Folgen hatte. Die Lagerzufahrten hatten sich bereits in Sumpflandschaften verwandelt, der designierte Parkplatz unterhalb des Quastes wurde am frühen Nachmittag gesperrt, da der Weg für normale Fahrzeuge nicht mehr passierbar war. Der resultierende Stau schaffte es bis ins Radio und auf Google Maps. Wyvern reagierte schnell und gab bald die Meldung heraus, dass die Anreise bis Mittwoch verlängert würde und alle Spieler so spät wie möglich anreisen sollten, um die Situation zu entschärfen. Stausteher wurden auf Ausweichparkplätze gebracht oder an Zwischenstationen geparkt, wie zum Beispiel der Diemelstädter Stadthalle oder Fast Food-Restaurants.

Schleppend quälten sich nach und nach Autos über den Rundweg, mussten an der Seite stehen bleiben, ausgeladen und direkt weggefahren werden. Dies funktionierte aufgrund der Bodenverhältnisse und des Augenmaßes mancher Fahrer leider mehr schlecht als recht. Es gab viel Frust und die Nerven lagen kollektiv blank. Doch packten überall viele Freiwillige mit an, halfen zu entladen, Zelte aufzustellen oder Gräben zu ziehen. Einige bereits aufgebaute Institutionen oder Lager mit großen Zelten boten ebenfalls trockenes Obdach an für diejenigen, die es nicht mehr schafften, ihre eigenen Behausungen aufzubauen. Als größte Kollektivaktion aller Beteiligten muss man hier den Notruf erwähnen, der an die Lager ausging, als in der Stadt eine der Sickergruben drohte überzulaufen. In der Händlergasse wurde daraufhin von einem Standinhaber eigenmächtig entschieden, diese zu öffnen, bevor der Ablauf durch das kupferne Lager fertig war. Eilig liefen viele Menschen herbei, die irgendetwas Schaufelartiges besaßen, um den reißenden Bach an zwei weiteren Lagern vorbei in den Wald abzuleiten. Dieser Kraftakt zeigte die riesige Solidarität. Man saß nicht nur im gleichen Boot, sondern ruderte auch gemeinsam in die gleiche Richtung.

Schlamm für den Schlammgott

Als der Regen am Dienstag versiegte, wichen die Wasserflächen lehmigem Schlamm, der alles bedeckte, was nicht von Zelten oder Bauten bedeckt oder frühzeitig abgesperrt worden war. Bagger wurden organisiert, um zumindest große Hauptwege, dort wo einmal eine der Kampfwiesen war, freizuschieben. Eröffnungsritual und Spielbeginn wurde aufgrund der Verzögerungen im Aufbau sowohl auf Lager- als auch Orgaseite offiziell einen Tag nach hinten verschoben, wodurch es das erste Mal in der Geschichte des Drachenfestes ein Eröffnungsritual im Hellen gab. Obwohl einige Spieler wieder abreisten oder sich gar nicht erst auf den Weg machten, nahmen die Anwesenden das sogenannte Schlammageddon bald mit Humor, schufen Skulpturen oder andere Kunstwerke aus Matsch oder gaben den neuen Bachläufen Namen. Gummistiefel und ähnliches Schuhwerk wurde ebenfalls für offiziell It-tauglich deklariert. Humor ist eben das, was man draus macht.

Die körperlichen und geistigen Anstrengungen hinterließen jedoch auch deutliche Spuren. Der klebrige Lehmbrei heftete sich an alles, was er erreichen konnte, machte Schuhe schwer wie Blei und forderte nicht wenige Opfer, die in Form von Besohlungen oder ganzer Schuhwerke verschiedenster Zustände nun vermutlich für immer in den Quast eingebacken worden sind. Gefühlt wurde weniger gefeiert, die Lager wurden des Nachts früher ruhig und es waren mehr kleinere Runden als große ausgelassene Feste zu beobachten. Die nächtlichen Kommandoaktionen waren weniger und mehr auf Hinterlist als Scharmützel ausgelegt. Generell wurde sich vorsichtig in Schlachten hineingetastet, da die Bodenverhältnisse vor jedem Lager verschieden geeignet waren, um dort aktiv Streit zu suchen. Zur großen Endschlacht am Samstag war die große Wiese, die tatsächlich noch mehr aus Gras denn roher Erde bestand, jedoch glücklicherweise trocken genug, um ordentliche Kämpfe durchführen zu können.

Zur Abreise musste Wyvern einen weiteren Ausweichplan aufstellen. So hatte sich das Wetter über die Tage nach Spielbeginn zwar merklich gebessert, doch war auch die vermehrt auftretende Lasersonne nicht fähig, sämtliche Lagerzufahrten wieder befahrbar zu machen. Es brauchte auch bei der Abreise viel Geduld ehe man die Segel gen Heimat setzen konnte. Allerdings musste dank der neugeschotterten Straße durch Aldradach, quer über das Spielgelände am Orgaplex vorbei, niemand ungewollt eine oder mehrere weitere Nächte auf dem Hügel verbringen, weil sein Auto nicht geländegängig genug war. Einige Spieler erhielten nach Absprache auch die Erlaubnis, erst am Montag mit den restlichen Lagerbauteams abzureisen, um den Abreisestau zu entzerren.

Unschlammig Organisatorisches

Im Vorfeld des Drachenfestes gab es eine Neuerung bezüglich der Platzvergabe in den einzelnen Lagern. Zur Anmeldung bei den Lagerplatzkoordinatoren der einzelnen Lager mussten dieses Jahr die Ticketnummern angegeben werden, um zu gewährleisten, dass der reale Platzbedarf sich mit dem vorhandenen Gelände deckt. So kam es dazu, dass Wyvern Anfang Juni den Ticketverkauf einstellen musste, da die vorhandenen Lagerflächen voll waren. Wer noch ein Ticket ergatterte, musste versuchen, in einem bereits angemeldeten Zelte bzw. Lager unterzukommen. Befürchtungen wurden laut, dass das Event dieses Jahr aus allen Nähten platzen würde. Ob es nun an einigen Nichtanreisen oder Abreisen aufgrund des Wetters lag, ist unklar, jedoch wirkte das Gelände nicht viel belegter als im Vorjahr. Auch könnten die vom Veranstalter durchgeführten Umstrukturierungen und Flurbereinigungen auf dem Gelände selbst dazu beigetragen haben, dass es mehr Freiflächen gab. Nach der recht späten und dadurch etwas holprigen Einführung wurden für das kommende Jahr Neuerungen im Ticketsystem (ein neuer Webshop ist bereits aktiv) und eine Lösung für den Lagerplatzprozess angekündigt.

Große Änderungen am Regelwerk des Drachenfestes gab es in diesem Jahr nicht. Durch die Einführung von Miniplots sollten vor allem Neuspieler und jüngere Teilnehmer angeregt werden, sich am Wettstreit zu beteiligen. Die Plots brachten nach Lösung einen Kristall, der in einen besonderen Sockel gesetzt wurde. Wurden fünf dieser Steine gesammelt, erhielt das Lager ein Drachenei. Ebenfalls zu erwähnen sei die große Anzahl an SL, die nach den letzten eher spärlichen Jahren sehr erfreulich war, da so jedes größere Lager auf ein Team von vier bis fünf LagerSL zurückgreifen konnte. Das Chaoslager wurde, angestoßen im letzten Jahr, nun in das Lager des Ewigen Wandels umgetauft. Ebenfalls änderten sich ein paar der Anrufungen für Avatare, aufgrund spielbasierender Veränderungen in der Ausrichtung des jeweiligen Drachenweges. Durch einen Personalwechsel bei der Naturschutzbehörde gab es dieses Jahr keine Spielfreigabe für den Wald um das Gelände, wodurch Kräuter und andere Gewächse, die man In Time finden kann, knapper waren als sonst. Der neue Verantwortliche wollte sich jedoch zum nächsten Drachenfest neu entscheiden, ob die Freigabe wieder erteilt wird oder nicht.

Am Stadtplex gab es ein paar kleine Reibereien bezüglich der sonst einwandfreien Hygienestationen. Die Klosituation war in ihrer Geschlechtertrennung anfangs recht unbalanciert, wurde jedoch durch Unisexschilder und extra Dixies angepasst. Die Duschen waren warm wie immer, in diesem Jahr jedoch um einiges dreckiger. Dies war jedoch großteils denjenigen geschuldet, die es für eine kluge Idee hielten, sich in komplett verschlammter Kleidung in die Kabinen zu stellen- sehr zum Unmut anderer Teilnehmer.

Siegel und seltsame Bündnispolitik

Durch den fehlenden Spieltag ist die Zeit knapper gewesen, alles zu tun, was es zu tun gab auf dem Fest der Drachen. Der Wettkampf war gefühlt schnelllebiger, Banner wechselten häufiger die Hand und oftmals wehte ein einsames, fremdes Banner über den Lagertoren an denen man vorbeiging, währen der eigene Wimpel eine andere Palisade zierte. Es waren wie immer einige Plots im Umlauf, doch wirkte die Balance in diesem Jahr nicht ganz ausgeglichen. Einige Lager kamen scheinbar nie zur Ruhe, während andere zwischendurch beinahe Langeweile zu haben schienen. Die erste Drachenwelt des Zeit der Legenden war wieder omnipräsent – sowohl in Gegenständen als auch Auswirkungen, doch schien es dieses Jahr nicht so stark wie im letzten Jahr. Es ist zu hoffen, dass sich die Spielangebote der beiden Cons bald harmonisch ohne große Interferenzen miteinander verweben.

Ein langer Plotstrang, bei dem es um die Stele am großen Ritualkreis ging, wurde dieses Drachenfest nach einigen Jahren beendet, indem die letzten drei Lager (Weiß, Blau und Wandel) ihre Siegelplatten mit einem Ritual dort einsetzten. Vorangegangen war die Vorbereitung der Platten selbst auf dem Zeit der Legenden, wo sie auf Reise geschickt wurden, um auf dem Drachenfest von den jeweiligen Lagern geholt und vollendet zu werden.

Nachdem Wyvern im letzten Jahr angekündigt hatte, die üblichen Großbündnisse zu erschweren und aufzulösen, war es überraschend, die Lagerplatzierungen in diesem Jahr fast unverändert zum Vorjahr zu sehen. Schnell schlossen sich die üblichen Kombinationen zusammen, obwohl die Diplomatie nicht ruhte und rastete. Auch bei der Aufstellung zur großen Endschlacht wurden diese Bündnisblöcke scheinbar favorisiert und in nächster Nähe platziert. Hier wäre es schön, wenn Wyvern ein wenig mehr durchmischen würde, um neue spannende Kombinationen zu ermutigen.

Einen großen Anteil üblicher Bündnispolitik hat ebenfalls das sogenannte Eiergeschiebe, also das Tauschen und Weitergeben erhaltener Dracheneier an Bündnispartner, um ihnen zum Sieg zu verhelfen. Eine Mechanik, die von den Regeln unterstützt wird, jedoch mehr und mehr Teilnehmern ein Dorn im Auge ist. Ein Versuch durch ein Ritual diese Tätigkeit zu unterbinden, hielt nur wenige Stunden an und sorgte dafür, dass die Konspiratoren sich laufend aus dem großen Ritualkreis retten mussten, als sämtliche Avatare auf sie losgingen. Man pfuscht eben nicht ungestraft im Spiel der Götter herum.

Ein seltsames Bündnis kam jedoch aus der Abneigung des fröhlichen Eiertauschens zu Stande: das Weiße und Silberne Lager taten sich wie schon zuvor einmal mit den Streitern des Kupfernen zusammen. Doch das ebenfalls das Blaue Lager dem Bund betrat, war nicht vorherzusehen. Außer internen Zwisten zwischen Lageristen und auch Avataren war es letztendlich jedoch nicht viel mehr als ein amüsantes Exempel für Außenstehende und spannende neue Spielansätze für Angehörige der betreffenden Lager.

Eine intensive Schlitterpartie

Das DrachenFest 2017 war kürzer, schnelllebiger und anstrengender als all die Jahre vorher. Das Wetter hat viel gefordert von Spielern wie Organisatoren und Helfern. Umso intensiver haben sich alle nach Time In ins Getümmel geworfen, um einen Ausgleich zu den Anstrengungen zu haben. Das hat nicht immer ganz funktioniert, jedoch kann man schlussendlich sagen – ob IT oder OT –  sind wir alle mehr zu einer Familie geworden und haben neue Geschichten, die wir noch Jahre erzählen werden. Und vermutlich Schlammflecken, die sich ebenso lange halten. Wir freuen uns auf das nächste DrachenFest 2018!

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19 Kommentare

  1. Toller Bericht. Aber silber war weder mit Weiß noch mit Kupfer verbündet. Lediglich mit blau war ein Bündnis angestrebt, nach dem verrat von Rot. Aber auch das Bündnis mit blau konnte nicht erreicht werden.

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