Geschätzte Lesezeit: 9 Minuten

Die am vergangenem Wochenende erstmals stattgefundene Phantastika in Oberhausen nennt sich selbst „Das Festival der Phantastik“. Stargast sollte diese Phantastik selbst sein, in all ihren Facetten, ein „Fest für die ganze Familie“. Ob das auch abseits phantastischer Literatur gelungen ist?

Was wollte man nicht alles bieten an diesem Wochenende. Das „Beste beider Welten“ – sowohl das „Bunte und Anziehende“ großer Veranstaltungen mit Hallen, Verkaufsständen und Schauspielern als auch das diesen Veranstaltungen angeblich abgehende „Herzblut und Passion zum Genre“. Auf der Webseite liest es sich dann so:

Eine bunte, professionell organisierte Veranstaltung, die als Stargast die Phantastik bietet – und all die wunderbaren Dinge, zu der sie Millionen von Menschen in den letzten Jahren inspiriert hat. Mit einem Angebot an Kostümierten mit atemberaubend schönen selbstgeschneiderten Kostümen, einigen der erfolgreichsten deutschen Phantastik-Autoren, technischen Entwicklungen, deren Erfinder und Ingenieure von der Phantastik inspiriert wurden, Schauspielern und Spielen, die in der Phantastik zuhause sind. Eingerahmt von Musik, Workshops, Seminaren, Lesungen und interaktiven Attraktionen, die jeder Altersklasse und jedem Interesse etwas bietet, wird die Phantastika auf aufregende und begeisternde Art und Weise zeigen, dass Phantastik die Liebe zu ihr mehr als wert ist.

Klingt toll und verdeutlicht, dass es sich offensichtlich nicht um eine Convention für phantastische Literatur handelt, sondern um ein Event für alle Arten der Phantastik und Formen, diese als Hobby auszuleben. Abseits der phantastischen Literatur musste man dann jedoch feststellen, dass andere Aspekte weit weniger Gewicht erhielten.

Phantastische Literatur war der eindeutige Schwerpunkt der Veranstaltung, ganz gleich was die Ausrichter selbst schreiben. Einen eigenen Artikel mit diesem Schwerpunkt hat Teilzeitheldin Julia bereits veröffentlicht.

Location

Das CongressCentrum Oberhausen ist innerhalb weniger Minuten Fußweg vom Oberhausener Hauptbahnhof erreicht und damit hervorragend gelegen. Dank eigenem Parkhaus sollten auch Autofahrer keinen Grund zur Klage haben. Das Haus selbst macht einen modernen, sehr hellen Eindruck – große Fenster auf den Gängen gefallen ebenso wie die vielen kleinen und großen Tagungsräume und Säle, die zudem fast keinerlei Geräusche von außerhalb nach innen lassen. Auch die Technik lieferte keinen Grund zur Klage: Beamer, Leinwände, gedimmtes Licht, klare Durchsagen – alles kein Problem. Für den kleinen Hunger war ein Besuch im hauseigenen Restaurant möglich, wobei es dort kaum mehr als kleine Snacks zu Messepreisen gab – diese gab es ebenso auch am Rande des großen Saals.

Positiv darf man zudem erwähnen, dass dank lebensgroßer Figuren und weiterer Deko auch in Bereichen mit weniger Ausstellern passende Atmosphäre erzeugt wurde – hier hat man sich Mühe gegeben, ein schönes Gesamtbild abzuliefern. Auch wenn man bei einer Veranstaltung „für die ganze Familie“ vielleicht die kiffenden Aliens nicht unbedingt an der sichtbarsten Stelle – Hauptbühne – hätte aufstellen müssen.

 

Bernd das Brot war an beiden tagen zu Gast
Bernd das Brot war an beiden tagen zu Gast

Insgesamt also ein wirklich schöner Veranstaltungsort. Allerdings muss man wirklich festhalten, dass einige Stände wirklich mies gelegen waren. Vom Einlass im Foyer geht es in das CongressCentrum, die Treppe hoch, dort nach links in den Gang – dort waren die meisten Aussteller. Dort nochmal eine Treppe runter zu einem Verkaufsstand, von da weiter in einen kleinen Gang beziehungsweise Vorraum zu Tagungsräumen – und selbst dort sind Aussteller zu finden. Hätte ich nicht einen Vortrag in einem der dortigen Räume angesehen, ich hätte die Stände dort verpasst. Selbst vom Verkaufsstand davor waren diese nicht zu sehen. Man muss aber auch zugeben: Es ist eben keine gleichförmige Messehalle.

Aussteller und Gäste

Wie bereits erwähnt, lag der Fokus klar auf der phantastischen Literatur. Nicht nur, dass gut zwei Drittel der Gäste dem Literatur-Bereich zuzuordnen waren, auch bei den Ausstellern dominierte dieser. Dennoch gab es auch abseits davon einiges zu sehen und entdecken.

Visueller Höhepunkt war dabei die prominent angekündigte Doctor-Who-Ausstellung von Rockin Robin. Neben einer Tardis gab es dort auch zwei Daleks, verschiedene Figuren und jede Menge Masken zu bestaunen – allesamt in Lebensgröße. Insgesamt der größte Ausstellungsbereich und tatsächlich etwas, was man so auf anderen Veranstaltungen nicht zu sehen bekommt.

Leider waren die anderen Spielarten der Phantastik weit weniger beeindruckend und mehr wie ein Rahmenangebot. Dies begann mit einem einzelnen Händler für Anime-Merchandise und Cosplay, der am äußersten Rand des Foyers platziert war, quasi kein Laufpublikum hatte und am Sonntag bereits ab später Mittagsstunde abbaute, betraf aber beispielsweise auch das Angebot an phantastischem Spiel. Vier einzelne Asmodee-Supporter mit ein paar wenigen Familienspielen ohne erkennbaren Stand sowie ein Spieltisch für das Game-of-Thrones-Rollenspiel beim Mantikore-Verlag – nicht mehr als ein vager Teaser für das Spektrum.

Sie treffen sich mit ihren Freunden regelmäßig zum Spieleabend? Oder ist der Pizzabote der Mensch, der sie als einziger vor dem Game-PC oder der Spielekonsole stören darf? Vielleicht verkleiden sie sich auch gerne und schwingen in Live Rollenspielen regelmäßig Schwert oder Pistole? Wie auch immer: In unserer Welt Phantastisches Spielen sind Sie genau richtig!

Hier wird ein Besucher zu einem Borg
Hier wird ein Besucher zu einem Borg

Vergleicht man das Gebotene mit der zitierten Werbung auf der Veranstaltungsseite, muss man eine ziemliche Diskrepanz feststellen. PC-/Videospiele waren gar nicht vorhanden, auch LARP war eher indirekt vertreten. Ja, es waren einige Kostümierte und Gewandete anwesend – als Gäste. Weit weniger als auf anderen Cons, aber sie waren da und sichtbar. Von den Angeboten ließe sich dem Thema am ehesten das Fan-Schminken von Amalia und Peter vom Klingonen-Fanclub Khemorex Klinzhai zuordnen. Dort konnte man sich gegen freiwillige Spende für das Myelin-Projekt mit Make-Up und Airbrush gekonnt phantastisch herrichten lassen – ein großer Spaß für Jung und Alt. Dank Latexmasken von Enrico Lein, die wohl nicht zufällig an Borg-Implantate oder eine Klingonenstirn erinnerten, konnte man dabei sogar noch einen Schritt weitergehen und sein Gesicht damit veredeln lassen – zu einem Preis von 20 EUR sehr fair angesichts der Wiederverwertbarkeit.

Gefallen hat zudem der kleine Steampunk-Bereich der Steamtropolis, der optisch hervorragend und mit Musik, Gewandeten und gelegentlichen Leierkasten-Aufritten auf dem Gang besonders atmosphärisch war. Aber auch die an einem Stand zu besichtigenden Requisiten aus Filmen und Serien oder der Stand von Saberproject dürfte dem einen oder anderen in Erinnerung geblieben sein. Letztere zeigten viele wirklich tolle Lichtschwerter – konnten aber vor allem mit ihrem Programmangebot überzeugen.

Programm

Satte sechs Lichtschwert-Kurse bot das Saberproject an – eine vorherige Anmeldung wurde jedoch empfohlen. Nach jedem Kurs durften die Teilnehmer die große Bühne des Hauptsaals betreten, nacheinander ein paar Moves gegen Darth Vader zeigen, und ihn am Ende gemeinsam besiegen. Wirklich toll. Zusätzlich führten die Teammitglieder am Sonntag eine rund 30-minütige Show dort auf – neben spektakulärer, akrobatischer Lichtschwert-Action gab es dabei auch eine Erzählung, sodass eine gut unterhaltende Bühnenschau geboten wurde.

Lieven L. Litaer auf der Bühne
Lieven L. Litaer auf der Bühne

Auch sonst fanden sich auf der Hauptbühne einige spannende Programmpunkte. Beispielsweise eine Vorführung des deutschen Fantasy-Films Mara und der Feuerbringer, zu der Autor und Regisseur Tommy Krappweis etwas erzählte und es zudem herausgeschnittene Szenen im Nachgang zu sehen gab. Trekkies konnten ebenfalls zwei interessante Programmpunkte finden: zum einen einen Vortrag von Dr. Hubert Zitt über die Technik von Star Trek, von dem ich bereits auf der 24. Fedcon ziemlich angetan war – zum anderen ein Panel von Klingon Teacher Lieben L. Litaer über die klingonische Sprache, welches sowohl witzig als auch überaus informativ und mit Hintergrundwissen gespickt war.

Da es neben der Hauptbühne, vor der satte 1.400 Besucher Platz gefunden hätten (die jedoch nie ansatzweise so gefüllt war), noch neun weitere Räume und Veranstaltungsorte gab, konnte man auch im restlichen Programm einiges finden – wenn auch die Mehrheit für Lesungen, Programmvorstellungen und ähnliches draufging. Von Vorträgen zu wissenschaftlichen Themen wie Astrobiologie oder einem Panel des Deutschen Luft- und Raumfahrtzentrums über solche mit Ehrengästen wie Ian Beattie (Game of Thrones), Autogrammstunden oder einem Vortrag gegen Rechtsextremismus vom Bundesamt für magische Wesen: Vielfalt war gegeben. Den Eindruck, abseits der Literatur nur recht mager Programm und Inhalt zu bieten, konnte man damit jedoch nicht entkräften.

Christian Humberg und Anika Klüver beim gemeinsamen Vortrag
Christian Humberg und Anika Klüver beim gemeinsamen Vortrag

Fairerweise muss man sagen, dass einige Programmpunkte zur Literatur durchaus auch für andere interessant sein konnten – beispielsweise der Vortrag über das Übersetzen phantastischer Literatur von Christian Humberg und Anika Klüver, welcher vor allem witzig war, oder der „Weltenschöpfer“-Kurs von Robert Corvus, der zwar augenscheinlich an angehende Schreiber von Geschichten gedacht war, aber dessen Inhalte sicher auch zu großen Teilen für die Verfasser von neuen Rollenspielen und -abenteuern interessant war.

Apropos Workshops: Hiervon gab es noch einige mehr. Dazu zählten das Basteln einer Miniatur-Tardis oder von Zauberstäben und Monsterbüchern, Schwertkampf mit Ian Beattie oder das Drehen eines Kurzfilms. Für einige dieser Angebote war jedoch das vorherige Buchen eines entsprechenden Tickets vonnöten, was zum Teil zusätzlich kostete – in der Regel war dies auch dem im Gegenzug gestellten Material geschuldet.

 

Fazit

Die Phantastika lässt mich etwas enttäuscht zurück. Ja, es wirkte gut organisiert (abgesehen davon, dass man am Samstagmorgen zunächst keine Lebensmittel in die Halle nehmen durfte, was später revidiert wurde), es gab viele Helfer, alles war pünktlich, die Location toll und liebevoll gestaltet. Und wäre ich begeisterter Fan von phantastischer Literatur und deren deutschen Autoren – ich wäre wohl irre glücklich gewesen. Aber davor stehen bei mir andere Formen der Phantastik, und da wurde teils einfach enttäuschend wenig geboten.

Während für (filmische) Science-Fiction mit Lichtschwert-Action, Klingonisch, Star-Trek-Technik oder der Doctor-Who-Ausstellung noch einiges geboten wurde, gab es für Bereiche wie Anime/Manga, Comics, LARP, Cosplay, Brett- und Rollenspiel oder Fantasy-Film nur wenig bis nahezu nichts. Oder auch gar nichts, wie zu Videospielen. Da hat man zuvor einfach zu viel versprochen beziehungsweise etwas anderes suggeriert. Zugegebenermaßen hätte man das vorab anhand des Programms wissen können.

Den Untertitel „Festival der Phantastik“ hat man meiner Meinung nach dennoch nicht ausreichend mit Leben gefüllt – da ist noch einige Luft nach oben. Zumal andere Events in ähnlichen Preiskategorien (18 EUR Tageskarte / 27 EUR Wochenendkarte) mehr Programm, Aussteller und Abwechslung bieten, wenn auch in weit weniger angenehmen Hallen.

Fotografien: Michael Fuchs

Kommentieren Sie den Artikel

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein