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Massen-Vorabfinanzierung, neudeutsch  Crowdfunding genannt, ist im englischen Sprachraum bereits seit zwei Jahren ein stetig wachsendes Phänomen.

Zuletzt wagten sich Vagrant Workshop für Fate2Go und der Uhrwerk Verlag für die englische Version von Space 1889 auf Basis der Ubiquity-Engine in diesen Bereich vor.  Nun zieht der Duisburger Verlag Prometheus Games nach. Nicht auf einer der etablierten Plattformen stattfindend (Kickstarter, Startnext, Indiegogo), sondern hausintern gesteuert, können Fans und Freunde des Savage Worlds-Systems Vorbestellungen für eine neue Version tätigen. Dabei erhalten sie die Chance, auch zusätzliche Goodies ihr Eigen nennen zu dürfen.

Wir trafen uns mit Christian Loewenthal, dem Inhaber und Geschäftsführer von Prometheus Games.  Christian ist studierter Rechtswissenschaftler und hat seine Universitätszeit in Hamburg an der Alster verbracht. Über Irrungen und Wirrungen kam er in die Position, den Verlag zu steuern. Er lebt heute wieder – als gebürtiges Pottkind – in Duisburg.  Um dem städtischen Schmutz zu entkommen, wohnt er mit Frau und Kind ein einem ländlichen Außenbezirk und genießt die wenige Freizeit bei ausgedehnten Waldspaziergängen. Prometheus Games ist kein personenzahlenmäßig großer Verlag, so befindet sich also die Zentrale ebenfalls im Arbeitszimmer des gemeinsam bewohnten Domizils.

Roger Lewin: Savage Worlds verfügt über einen treuen und großen Spielerstamm international betrachtet. Wie schätzt du den bisherigen Erfolg der deutschen Umsetzungen ein?

Christian Loewenthal: Savage Worlds ist auf dem deutschen Markt eines der erfolgreichsten Rollenspiele, egal ob wir nur das Regelwerk oder die Settingbände betrachten. Wir haben von jedem Settingband mehr verkauft als die meisten Rollenspiele von ihren Grundregelwerken verkaufen, und unser Grundregelwerk hat mittlerweile sogar manche größere, bekanntere Lizenz überrundet. Dennoch darf man nicht vergessen, dass wir von dem deutschen Markt sprechen. Wir reden also insgesamt immer noch von sehr kleinen Auflagen im Vergleich zu englischen Büchern. Es ist aber noch viel Luft nach oben. Gerade in den ersten Jahren haben wir manchen Fehler gemacht, der uns sicherlich in der Entwicklung zurückgeworfen hat. Anders als Brett-/Kartenspiele etc. haben Rollenspiele jedoch eine recht lange Lebensdauer. Die Zeit spielt also für uns.

Roger Lewin: Wohl wahr – Rollenspieler neigen dazu, ihre Lieblinge lange zu spielen. Besteht da nicht das Risiko, dass die potentielle Kundschaft auf ihren Büchern versumpft und nicht nachkauft?

Christian Loewenthal: Das könnte man meinen, entspricht aber nicht unserer Erfahrung. Fans, mit denen wir sprechen, besitzen in der Regel viele bis alle Savage Worlds-Bücher aus unserem Sortiment. Oft sogar noch die englischen Originalfassungen. Ich kann nur für mich sprechen, aber ich denke, als Rollenspieler sind wir mehr als  „nur“ Kunden. Wir sind Fans, und wenn wir ein System, manchmal auch einen Verlag, lieb gewonnen haben, dann kaufen wir selbst dann Bücher, wenn wir wissen, dass wir niemals dazu kommen sie zu bespielen. Es geht dabei mehr um Emotionen als um Notwendigkeiten. Das kann manchmal sehr anstrengend sein, ist aber auch genau das, was unsere Branche ausmacht und ihr das Überleben sichert.

Roger Lewin: Sind Rollenspieler dann in diesem Kontext Trademark-bewusst? Nicht nur für ein Spiel, sondern auch eine Regel-Engine oder einen Verlag als Trademark?

Christian Loewenthal: Ich glaube, die Sache geht ein wenig tiefer. Ich kann da nur aus meiner persönlichen Sicht urteilen, da es keine Marktbefragungen zu dem Thema gibt. Wäre vielleicht mal eine Idee für die Zukunft. Wenn man dem Hobby eine Weile treu bleibt, erlebt man eine Menge cooler Sachen. Tolle Spielabende voller Würfelglück, Würfelpech, intensiver Spielszenen, Heldentode, langjährige Freundschaften usw. Irgendwann verbinden wir diese starken Emotionen mit dem Hobby oder sogar mit einem bestimmten Spiel. Das ist zum Beispiel bei mir so und in meinen Augen einer der Gründe, warum objektiv schlechte Spiele immer noch erfolgreich sein können.

Roger Lewin: Im Fall von Savage Worlds kann man sicher von einem Markenbewusstsein für die Engine ausgehen. Die GERTA als schmales leichtes Regelwerk für die Jackentasche hat sicherlich für eine größere Verbreitung gesorgt, oder?

Christian Loewenthal: Davon gehe ich aus. Die Erstauflage der GERTA war nach weniger als einem Jahr ausverkauft und wurde sehr positiv aufgenommen.

Roger Lewin: Das bringt uns auf das neue große Projekt des Prometheus Games Verlages. Ihr arbeitet zurzeit an einer neuen Auflage der Gentlemans Revised Edition, sowohl als Hardcover wie auch als Taschenausgabe. Hier geht ihr, wie aktuell  sehr beliebt, den Weg des Crowdfundings. Was war der Grund, genau diesen Modus zu wählen?

Christian Loewenthal: Im Grunde betreiben wir kein echtes Crowdfunding, da unsere Kunden mehr als „nur“ Finanziers sind. Unsere Kunden kann man eher mit Vorbestellern vergleichen, da Teilnehmer der Aktion die Ware wirklich kaufen. Wird das Produkt nicht produziert, erhält der Kunde sein Geld zurück. Es gibt mehrere Gründe, warum wir gerade diesen Weg gehen. Zum einen werden derartige Aktionen im Vorfeld von den Fans intensiv diskutiert und sorgen so für Aufmerksamkeit. So eine Aktion ist also immer auch eine Werbemaßnahme für das Produkt. Zum anderen können wir das Interesse besser abschätzen und damit beispielsweise die Auflagenhöhe besser kalkulieren. Das „Crowdfunding“ hilft uns also dabei, wirtschaftlicher zu produzieren.

Schlussendlich ist es Teil unserer Philosophie, unsere Fans möglichst eng einzubinden. Wir haben damit in den letzten beiden Jahren fantastische Erfahrungen gemacht und möchten das nicht mehr missen. Ach ja, es hilft uns natürlich auch finanziell enorm weiter, weil es zu einem Teil den Druck aus den Projekten nimmt. Wir können mehr und schneller arbeiten, ohne uns finanziell zu sehr verausgaben zu müssen. Niemand von uns arbeitet hauptberuflich im Verlag, selbst ich nicht. Das ist auf dem deutschen Markt ohne eine der beiden Mainstream-Lizenzen auch gar nicht möglich.

Roger Lewin: Was wird die neuen Grundregelwerke von den bisherigen unterscheiden? Die „alte“ GERTA hatte bereits erratierte Regeln, weniger Illustrationen und war insgesamt ein schwarz/weiß-Druck. Was können wir also erwarten für die neue GERTA wie auch die GER?

Christian Loewenthal: Im Kern unterscheiden die neuen Bücher sich nicht von den alten. Es handelt sich ja nicht um eine neue Edition der Regeln. Es gibt jedoch einen aktuelleren Stand der Errata, der dann eingepflegt wird, und die Abenteuer in den Büchern werden durch neue ersetzt. Man erhält also das aktuellste, fehlerbereinigte Regelwerk inklusive neuem Spielmaterial. Das alles dann auch noch zu einem enorm günstigen Preis. Das Hardcover beispielsweise kostet während der Finanzierungsaktion nur 19,95 Euro und später nur noch 24,95 Euro,  gegenüber dem alten Preis von 34,95 Euro also ein echtes Schnäppchen.

Roger Lewin: 19,95 EUR scheint der Preis des Herbstes 2013 zu werden.  Auch wenn es kein Crowdfunding ist in seiner ureigenen Natur, ist der Liebling des Vorfinanzieres immer das Erreichen der Zusatz-Ziele. Wie sieht es bei diesem Projekt aus? Winken zusätzliche Goodies dem willigen Käufer?

Christian Loewenthal: Das ist einer der Punkte, die wir ebenfalls vom klassischen Crowdfunding übernommen haben. Je erfolgreicher das Projekt ist, desto mehr Zusatzprodukte werden „freigeschaltet“ und können umgesetzt werden. Beispielsweise neue Settings, Abenteuer, Genre-Supplements oder Zubehör wie Bennie-Sets oder der Universal-Spielleiterschirm. Wer das Addon-PDF-Bundle erwirbt, erhält zum Beispiel für 10 Euro die PDFs aller freigeschalteten Addons. Das ist im Moment bereits ein neues Setting – RunePunk von Reality Blurs.

Roger Lewin: Und werden diese PDFs nach Aktionsschluss auch einzeln zu erwerben sein? Oder gibt es eine Möglichkeit, mit bei der Finanzierung zu helfen, ohne die Grundregelwerke zu beziehen?

Christian Loewenthal:  Diese PDFs werden auch nach der Aktion zu erwerben sein, dann aber zum normalen Preis. Während der Aktion gibt es viele Wege, sich zu beteiligen. Die einzelnen Produkte sind in „Level“ und „Addons“ unterteilt und können frei kombiniert werden. Level 1 beispielsweise kostet nur einen Euro und als Gegenleistung wird der Name das Fans auf einer speziellen Dankes-Website genannt. Für 10 Euro kann man, wie erwähnt, auch nur die PDFs aller Addons erwerben. Oder man kann direkt in die Vollen gehen und eine Echtlederausgabe des Hardcovers erwerben. Je mehr Leute sich beteiligen, desto mehr Addons kommen dazu. Es lohnt sich also, regelmäßig reinzuschauen.

Roger Lewin: Wie ist der aktuelle Status des Projektes? Und ist die Aktion terminiert?

Christian Loewenthal: Wir stehen aktuell bei fast 50% der benötigten Gesamtsumme und die Aktion läuft noch bis zum 11.11.2013. Es ist also durchaus noch ein Weilchen Zeit.

Roger Lewin: Die große Menge an englischen SaWo-Settings machen es schwer, Favoriten auszuwählen, die man den deutschen Fans zur Wahl stellen möchte. Wie seid ihr da vorgegangen?

Christian Loewenthal:  Zum einen haben wir die verschiedenen Hintergründe der Settings berücksichtigt. Kann man das Setting mit nur einem Buch bespielen oder benötigt man ein Spielerhandbuch, Weltenband etc.? Was benötigen wir, um das Setting auf Deutsch umzusetzen? Mögen wir selbst das Setting auch? Wie gestaltet sich die Lizenzsituation? Am Ende haben wir dann noch die Fans gefragt, weitere Vorschläge gesammelt und dann mit einer großen Umfrageaktion über das erste Addon abgestimmt.

Roger Lewin: Im Rahmen der Finanzierung wird damit geworben, dass Teilnehmer als Verlagsleiter im Rahmen von Abstimmungen agieren können. Was hat es damit – abseits der kommenden Quellenbücher – auf sich?

Christian Loewenthal: Wir haben bereits früher immer mal wieder die Fans mittels Umfragen über bestimmte Produktentscheidungen abstimmen lassen. Beispielsweise haben die Fans 2011 aus drei möglichen Covern für das SW-Fantasy-Kompendium mit einer Umfrage eines ausgewählt.

Wir haben gemerkt, dass wir eine sehr aktive und interessierte Savage Worlds-Fangemeinde in Deutschland haben. Unsere Fans beteiligen sich gerne an der Entwicklung unserer Produkte und bringen häufig sogar eine große fachliche Kompetenz aus verschiedenen Bereichen mit. Durch das Internet ist es heute einfacher denn je, gemeinsam an verschiedenen Projekten zu arbeiten. Unser Ziel sind tolle Bücher, und dieses Ziel erreichen wir gemeinsam besser. Die Idee hinter dem „Werde Verlagsleiter“-Slogan ist es, dass wir gezielt bestimmte Fragen zur Diskussion stellen und schlussendlich gemeinsam darüber abstimmen. Das betrifft sowohl recht einfache Bereiche (Welches Artwork sagt euch mehr zu? Welche Abenteuer sollen als nächstes übersetzt werden?) als auch eher komplexe und weitreichende Fragen (Lizenzkäufe, Eigenentwicklungen, Produktreihenfolgen etc.).

Roger Lewin:  Löblich, wenn auch eine gewisse Gefahr in sich bergend. Sprechen wir über das, was abseits der neuen GER(TA) kommen wird. Woran arbeitet ihr aktuell sonst?

Christian Loewenthal:  Wir arbeiten derzeit an weiteren Hellfrost-Produkten. Das betrifft vor allem Übersetzungen verschiedener Abenteuer aber auch exklusiv deutsche Abenteuer.

Zudem arbeiten wir mit Hochdruck an den ersten deutschen SaWo-Settings. Da wäre beispielsweise Elyrion, dessen inhaltliche Überarbeitung bzw. Neufassung (es war doch sehr umfangreich) rasch voranschreitet und ein Urban-Fantasy-Setting, das bei uns noch unter dem Arbeitsnamen P14 läuft.

Da sind die beiden Setting für das kommende Jahr. Es gibt aber auch schon Ideen für 2015, allerdings sind wir da noch nicht soweit, dass man etwas dazu erzählen könnte. Klassische EDO-Fantasy steht aber nicht auf dem Programm. Soviel kann ich sagen.

Roger Lewin: Und magst Du uns auch sagen, welche Abenteuer das sind?

Christian Loewenthal:  Aktuell übersetzen wir Saga of the Frost Giants für Hellfrost. Die übrigen Abenteuer sind Eigenentwicklungen.

Wir planen aktuell, alle zwei Monate ein neues Abenteuer zu releasen.

Roger Lewin: Was dürfen wir von Euch zur SPIEL erwarten?

Christian Loewenthal:  Ich kann noch nicht genau sagen, ob wir eine reine SPIEL-Neuheit am Stand haben werden. Zum einen haben wir bereits ein Jahr daran gearbeitet von der Messe unabhängiger zu werden, wir produzieren also nicht mehr gezielt zu den Messen. Zum anderen gibt es eine Menge Gründe, die in diesem Jahr dagegen sprechen, beispielsweise die Neuanordnung der Hallen und die Menge der RPG-Neuheiten in diesem Jahr.

Wenn wir eine spezielle SPIEL-Neuheit haben, dann ist es eine Überraschung.

Roger Lewin:  Grund genug, also bei euch am Stand vorbeizuschauen! Wenn Du einen Wunsch an und für die deutsche Savage Worlds-Community äußern dürftest, was wäre dieser?

Christian Loewenthal: Auf Cons und Messen erzählen mir Fans immer von ihren Setting- oder Kampagnenideen, aber schlussendlich wagen sie dann doch nicht den Schritt der Veröffentlichung. Sei es aus Angst vor Kritik, Angst vor abstrusen Copyright-Gerüchten oder weil sie glauben, dass ihre Ideen niemanden interessieren. Seid nicht so zögerlich, traut euch! Spiele zu veröffentlichen, gehört zu den erfüllendsten Tätigkeiten, die es gibt und ich kann euch garantieren: Es gibt da draußen bestimmt eine Gruppe, die genau euer Zeug spielen will!

Roger Lewin: Vielen Dank für dieses interessante Gespräch.

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Artikelbild/Logo: Prometheus Games (mit freundlicher Genehmigung)

 

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