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Memes sind eine tragende Säule des Internets und haben auch im Pen-and-Paper-Bereich seit langem eine Daseinsberechtigung. Sie können für Spaß am Spieltisch sorgen – oder mit überspitztem Humor ganze Spielaspekte schmälern. Wieso das ein Problem sein kann und wie ihr damit umgehen könnt, erfahrt ihr hier.

Memes sind in Online-Unterhaltungen wie Gewürze: Sie verfeinern das Gespräch und müssen meist individuell abgestimmt werden, damit ihre volle Wirkung sich entfalten kann. Dabei sollten sie in Maßen eingesetzt werden, andernfalls droht eine Übersättigung. Auch in Pen-and-Paper-Runden sind Memes und Meta-Witze eine willkommene Abwechslung, die dort als comic relief benutzt werden kann. Dabei sollte darauf geachtet werden, welche Witze wie und in welcher Häufigkeit transportiert werden. Besonders im Bereich der sozialen Medien kann es passieren, dass ständig wiederholte Memes ganze Teile eines Systems in Verruf bringen. Bevor dieses Problem vorgestellt wird, sollten vorher der Kontext und Hintergrund geklärt werden.

Der Begriff Meme kurz definiert

Zu Beginn eine kurze Definition, was unter dem Begriff Meme im Kontext des Internets zu verstehen ist. Die Wikipedia beschreibt es folgendermaßen:

Ein Meme ist ein spezieller, kreativ geschaffener Bewusstseinsinhalt, der sich zwischen Menschen verbreitet. Meist handelt es sich dabei um einen kleinen Medieninhalt, der über das Internet verbreitet wird, wie ein Bild mit einer kurzen prägnanten Aussage. Diese ist in der Regel humoristisch und aufheiternd, manchmal auch satirisch und entsprechend gesellschaftskritisch. (…) [Memes] tauchen in Form bewegter und unbewegter Bilder, Text, Video oder auch Audio auf, sind also nicht an einen bestimmten Medientyp gebunden. Memes werden meist über Internetplattformen (…) weitergereicht. Dabei werden sie in einigen Fällen weitermodifiziert[sic] oder mit anderen Inhalten kombiniert.

Beispiel für ein Meme, das einen Wortwitz beinhaltet.© andrewgenn
Beispiel für ein Meme, das einen Wortwitz beinhaltet.© andrewgenn

Memes können dementsprechend in vielen Formen, Farben und Formaten auftreten. Wichtig ist nur, dass die Person, die das Meme sieht, über das entsprechende Kontextwissen verfügt, um den Inhalt verstehen zu können. Gemünzt auf Pen-and-Paper als Hobby, können das individuelle Erfahrungen sein, etwa die Erlebnisse der eigenen Gruppe im letzten Dungeon: Während die SC von einer gefährlichen Situation in die nächste stolpern, fallen coole Sprüche oder enden geplante Aktionen mit einem Patzer durch Würfelpech. Sogar Running Gags über mehrere Abende (manchmal Jahre) verteilt sind vorstellbar.

Hinzu kommen ähnliche Erfahrungen in öffentlichen Räumen des Internets, wenn sich Personen beispielsweise über bekannte NSC aus Kaufabenteuern lustig machen oder auf mechanische Eigenschaften des jeweiligen Systems eingehen. Alles, was zum Hobby Pen-and-Paper gehört, kann im Zweifel zum Meme werden. Vermutlich habt ihr beim Lesen selbst viele Ideen dafür im Kopf. Denn egal wie frei und unkonventionell die Situation ist, es gibt immer Punkte, an denen wir bekannte Versatzstücke und Erfahrungswerte aufgreifen, um sie anzupassen. Das beste Beispiel hierfür sind Archetypen.

Archetypen und Klischees im Pen-and-Paper

Viele Pen-and-Paper-Systeme leben von Archetypen und Klischees gewisser Rollen, die sich entweder mechanisch aus Vor- und Nachteilen ergeben oder historisch tradiert worden sind. Beispiele hierfür gibt es viele: schwächliche Zauberbegabte, die lieber Bücher statt Gewichten gestemmt haben und nach einem Treffer kampfunfähig sind; dümmliche Barbar*innen, die gerade schlau genug zum Atmen und Töten sind; überhebliche Schurk*innen, die selbst bei Personen innerhalb der eigenen Gruppe Geld und magische Artefakte stehlen. Die Liste kann vermutlich noch eine ganze Weile fortgesetzt werden.

Und das ist an sich nichts Verwerfliches, denn eben diese Klischees erlauben es, sich auch in neuen Systemen schnell in eine passende Rolle einzufinden. Seien wir ehrlich: Bei vielen war der erste Charakter kein Paradebeispiel für Kreativität und Diversität. Gerade für Neuzugänge im Hobby, oder wenn ein System unbekannte Aspekte beinhaltet, ist es schön, sich an bekannten Mustern festzuhalten und von dort die grenzenlose Freiheit, welche das Hobby bietet, auszuprobieren.

Problematisch wird es erst, wenn diese Archetypen von außen aufgezwungen werden und Abweichungen, auch in kleinen Bereichen, sofort als unpassend oder „nicht richtig“ abgetan werden. Womit wir wieder bei Memes und Internetkultur wären, wo gerne überspitzte Positionen wiedergegeben werden, um Zustimmung und Anerkennung zu bekommen. Was bei Kenner*innen für einen guten Lacher oder ein genervtes Augenrollen sorgen kann, ist für Unerfahrene jedoch nicht gut einzuschätzen. Und das kann im Zweifel schädlich für die Außenwirkung des Hobbys allgemein sein.

Die Situation am eigenen Beispiel

Um mein Problem mit der Außenwirkung zu verdeutlichen, möchte ich als eigenes Beispiel meine Erfahrung mit Memes in Bezug auf Dungeons and Dragons 5e teilen. Das soll nicht bedeuten, dass andere Systeme von solchen Effekten ausgenommen sind; bestimmt gibt es viele andere Beispiele bei bekannten Riesen wie DSA, Call of Cthulhu, Shadowrun oder diversen kleineren Regelwerken.

Tatsächlich wäre es spannend, wenn hier Expert*innen für Memes in den verschiedenen Systemen Rückmeldungen geben könnten, um mögliche Gemeinsamkeiten und Unterschiede in der Kommunikation von Spieler*innen festzustellen.

Wie für die meisten von uns fanden die Runden für mich seit dem Frühjahr 2020 hauptsächlich online statt, wo die jeweilige Gruppe sich neben den Sprachkanälen auch über Textkanäle unterhielt. Hier wurden regelmäßig Memes gepostet, meist mit einem direkten Bezug auf aktuelle Geschehnisse der laufenden oder vergangenen Sitzung. Viele davon waren nur mit dem richtigen Kontext witzig oder überhaupt verständlich, sorgten aber in unserer Gruppe für kurze Lacher oder anerkennende Emoticons – oder weitere Memes, teilweise mit Meta-Referenzen.

Als ein Spielleiter im Freundeskreis anbot, eine zusätzliche Dungeons and Dragons-Kampagne zu leiten, überlegte ich, was ich in diesem für mich neuen System gerne spielen wollte und begann mit der Suche nach Erfahrungswerten. Meine Suche nach interessanten Konzepten führte mich schließlich zur Subreddit-Seite /r/dndmemes, wo tagtäglich eine große Menge an Memes hochgeladen wird. Da hier nicht die heimische Gruppe, sondern generell alle Spieler*innen des Systems angesprochen werden sollen, sind die meisten Postings bewusst einfach gehalten. So entsteht eine Aufwärtsspirale: ein einfaches Meme – viele Upvotes – mehr Reichweite – mehr Upvotes – weitere Nachahmer*innen und so weiter.

Frage zwei Menschen im Internet und du wirst drei unterschiedliche Meinungen erhalten. © JRCasas
Frage zwei Menschen im Internet und du wirst drei unterschiedliche Meinungen erhalten. © JRCasas

Nach einiger Suche fand ich schließlich ein paar Ideen, anhand derer ich meinen Charakter aufbauen und gestalten wollte. Was mir ebenfalls auffiel: Es gab viele sehr negative Meinungen zu verschiedenen Kombinationen, die entweder als „zu langweilig“, „zu schwach“ oder „völlig overpowered“ bewertet wurden. Bei der Besprechung mit den anderen Mitspieler*innen, ebenfalls Neulinge im System, merkte ich, dass einige von ihnen bestehende Vorstellungen von Memes übernommen hatten, ohne es selbst wirklich erklären zu können, wieso sie diese Meinung für richtig hielten. Das brachte mich dazu, weitere Info-Videos anzusehen und natürlich die entsprechenden Seiten für frische Memes anzuschauen.

Wenn Memes dir den Charakter schlecht reden

Ein beständiges Thema in der D&D-Community ist die Bewertung und Relevanz der Charakterklassen und deren Subklassen, der sich viele Menschen mit mehr oder weniger objektiven Bewertungskriterien gewidmet haben. Bereits kleine Unterschiede können dazu führen, dass es zu Abwertungen im Vergleich mit anderen Spielmechaniken kommt – eine Charakterklasse wird als schwächer und unflexibler im Vergleich zum Rest gesehen. Das kann problematisch werden, wenn es den einzigen Erfahrungswert für Personen zu diesem Thema darstellt und das Kontextwissen entsprechend fehlt. Das Beispiel bei meiner eigenen Recherche war der Waldläufer: An vielen Stellen wurde die Phrase „Just play a fighter with a bow“ zitiert, obwohl Kämpfer und Waldläufer zwei völlig unterschiedliche Klassen darstellen, die sich durch andere Fertigkeiten auszeichnen. Es ist nicht einmal zwingend notwendig, eine der beiden Klassen mit einem Bogen als Hauptwaffe zu spielen. Wer sich intensiv mit dem Regelwerk beschäftigt hat, mag der Behauptung vielleicht zustimmen. Aber eine komplette Klasse wegen ein paar Mechaniken als unspielbar zu bewerten, wirkt sehr hart.

Wer sagt, dass Waldläufer*innen immer einen Bogen brauchen, um gut kämpfen zu können? © svedoliver
Wer sagt, dass Waldläufer*innen immer einen Bogen brauchen, um gut kämpfen zu können? © svedoliver

Ebenso werden Charakterhintergründe gerne als Basis für die eigenen Witze gewählt, sodass es mittlerweile eigene Unterkategorien für gewisse Arten von Memes gibt, etwa die ewige Einteilung von Dingen in Gesinnungstabellen oder Mehrfach-Klassen-Bebilderungen. Sogar Gegenkulturen können Meme-Potential entwickeln: Eine beliebte Grundlage für unzählige Witze geben notgeile Bard*innen ab, in der Mehrzahl männlich, die neben allen atmenden NSC vor allem Drachen verführen. Genervt von diesem sich ständig wiederholenden Klischee meldete sich /u/idownvotehornybards auf Reddit an, um seinem Namen Folge zu leisten. Schnell sammelten sich viele Unterstützer, um seine Kommentare hochzuvoten und ihm Präsenz zu geben. Als Gegenaktion zur Gegenaktion wurde von einer anderen Person /u/iupvotehornybards, quasi der Antagonist, als Account erstellt. Diese neue Meta-Ebene schaffte es, eigenständige Memes zu erzeugen – ein anhaltender Kreislauf, ganz im Sinne der Meme-Definition.

Natürlich kann an dieser Stelle die Kritik geäußert werden: „Es ist doch klar, dass die Beiträge offenbar ironisch sind, bewusst übertreiben und von der Realität abweichen. Wieso sich also damit beschäftigen?“ Außerdem muss bei der Bewertung von Massenkommunikation beachtet werden: Die Intention von Sender*in und Empfänger*in sind nicht zwingend gleich. Dennoch sind diese öffentlichen Bereiche oftmals die erste Anlaufstelle, an der Neulinge sich informieren oder ihre Erfahrungen austauschen wollen. Hier für den kurzen Lacher ganze Klassen in Klischees zu ertränken oder als viel zu schwach zu präsentieren, schadet letztlich deren allgemeiner Wahrnehmung.

Es gilt: Leben und leben lassen. Eine Person findet eine Klasse, ein Volk, eine gewisse Mechanik weniger spannend? Niemand hält sie auf, sich auf einen anderen Bereich zu konzentrieren. Eine Person wollte schon immer einen gewissen Charakter spielen und findet ein bestimmtes Volk/eine bestimmte Klasse dafür passend? Dann sollte sie nicht dafür heruntergemacht werden und sich frei ausleben können. Das ist nicht als „alles muss akzeptiert werden“ zu verstehen: Letztlich haben Spielleitung und andere Spieler*innen am Tisch die Möglichkeit, sich zu gewissen Dingen zu äußern. Wichtiger ist eher, dass eine Kommunikation stattfindet, auf Augenhöhe und mit konstruktiven Beiträgen.

Mit Klischees bei der Charaktererschaffung umgehen

Damit ihr bei der Erschaffung neuer Charaktere nicht nur auf Memes vertrauen müsst, finden sich hier einige Tipps, wie ihr bei der Charakterauswahl in neuen Systemen produktiv mit Einflüssen sowie Klischees von außen umgehen könnt. Wenn ihr dazu noch einen genaueren Einblick bekommen wollt, sei euch dieser Artikel über passende Charakterkonzepte empfohlen.

  1. Zuerst das Offensichtliche: Gründet eure Charakterauswahl nicht auf Memes und der überspitzten Meinung von fremden Leuten aus dem Internet! Am Ende entscheidet ihr (in Abstimmung mit anderen Spieler*innen und Spielleitung), was ihr am Tisch spielen und verkörpern wollt. Solltet ihr euch noch nicht näher mit dem System beschäftigt haben, können alle Memes unter- oder übertrieben sein. Seid entsprechend kritisch mit der gefundenen Aussage. Nur mit Erfahrung könnt ihr ein Urteil abgeben, was eher humorvoll gemeint war und was sich ernsthaft mit einem Aspekt des Spiels beschäftigt.
  2. Holt euch mehrere Meinungen ein, zum Beispiel von Personen, die bereits Erfahrungen haben und die euch und euren Spielstil einschätzen können. Vielleicht ist die Klasse, von der euch das Internet abrät, gerade richtig für das, was ihr spielen und verkörpern möchtet? Fragt außerdem nach, wieso eine Person euch von gewissen Dingen abrät. Entweder werdet ihr die Argumente gut nachvollziehen können – dann könnt ihr die Ratschläge befolgen. Oder ihr merkt, dass es sich um eine subjektive Wahrnehmung handelt – dann könnt ihr im Zweifel noch einmal für euch abwägen.
  3. Überlegt, inwiefern ihr bestehenden Klischees mit eurem Charakter folgen oder nicht folgen wollt und bindet das in eure Hintergrundgeschichte mit ein. Vielleicht ist euer*eure Bard*in verheiratet, würde nie im Leben daran denken, ihre*n Partner*in zu betrügen und ist entsprechend ziemlich genervt von Flirtversuchen anderer NSC? Oder ihr spielt ein*e Krieger*in mit einem Hang zu kultivierten Gesprächen anstatt Gemetzel, was dem Charakter einen guten Ruf als Leibwächter*in eingebracht hat?
  4. Klärt im Vorfeld für Szenen und Gespräche innerhalb der Runde, wie viel Humor und Metabezüge erlaubt sind oder ob innerhalb der Sitzungen darauf verzichtet werden soll. Vielleicht findet sich ein passender Kompromiss, mit dem alle Beteiligten einverstanden sind. Ansonsten kann es passieren, dass eine oder mehrere Personen die Gruppe verlassen wollen

Wenn ihr als Spielleitung mit stark überzeichneten Stereotypen von SC zu tun habt, könnt ihr trotzdem kreativ mit der Situation umgehen: Überlegt, wie andere NSC auf das „typische Verhalten“ reagieren würden. Sind die NSC vielleicht selbst mit solchen Klischees aufgewachsen und geben sie weiter? Oder wundern sie sich vielleicht darüber? Je nach Gruppe und Art der Kampagne ergeben sich hier viele Möglichkeiten: Anstatt vor der gewalttätigen Gruppe aus plündernden SC zu fliehen, könnte ein*e Antagonist*in sich dieses Verhalten zu Nutze machen und eine Negativ-Kampagne gegen diese „Störung des Friedens“ fahren. Die Charaktere werden überrascht sein, wenn die Leute sie plötzlich sehr gut zu kennen scheinen …

Keep calm and meme on

Das Motto lautet: Keep calm and meme on! © 4ziva
Das Motto lautet: Keep calm and meme on! © 4ziva

Abschließend bleibt nur zu wiederholen: Memes über das gemeinsame Hobby zu erstellen und zu teilen kann sehr unterhaltsam sein. Andernfalls würden die entsprechenden Internetseiten und Accounts deutlich weniger Zuspruch erhalten. Trotzdem sollten wir hinter all dem Humor erkennen, dass es sich nur um Meinungen handelt. Meinungen, die mal auf Schwächen oder Stärken verweisen wollen und mal nur für den einen stumpfen Witz produziert wurden. Gerade für Neulinge in Systemen sollten wir deshalb in Zukunft darauf achten, nicht ganze Teile eines Systems für eine simple Pointe zu opfern.

 

Artikelbilder: depositphotos © wie gekennzeichnet
Titelbild: depositphotos © iqoncept
Layout und Satz: Roger Lewin
Lektorat: Maximilian Düngen

1 Kommentar

  1. Autor: Mir werden unangenehme Archetypen von Außen aufgedrängt und madig gemacht.

    Ebenso Autor: Meine Suche nach interessanten Konzepten führte mich schließlich zur Subreddit-Seite /r/dndmemes, wo tagtäglich eine große Menge an Memes hochgeladen wird.

    Bruder hör einfach auf dir in falschen Kanälen Inspiration zu suchen. Und schließe nicht aus deinem Problem auf alle anderen. Du schätzt ein, dass Memes Neulinge damit verderben oder irgendwie von Archetypen und Klassen abschrecken. Ich behaupte eher, dass PnP dadurch eher mehr Aufmerksamkeit im Öffentlichkeit Raum bekommt und für mehr neusteinsteiger sorgt.

    Ps: Kenne selber keinen der auf einen Ranger verzichtet weil er ein abwertendes Meme gesehen hat. Eher verzichtet er auf ihn wenn er negative Erfahrung mit ihm gemacht hat, weil andere Klassen ihm die Show stehlen. Ist aber kein Meme Problem, sondern ein DnD balancing Problem.

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