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Was soll ich spielen? Eine Frage, die systemübergreifend sowohl erfahrene als auch neue SpielerInnen betrifft; manche häufiger, andere seltener. Und oft stellt sich die Frage: Welche Möglichkeiten gibt es, um ein passendes Konzept für meinen Charakter zu erstellen?

Im Laufe der Karriere von TischrollenspielerInnen stellt sich immer einmal wieder die Frage, welchen Charakter man spielen möchte. Die Gründe hierfür können ganz unterschiedlich sein. Als Anfänger benötigt man natürlich zunächst erst einmal einen Charakter, um überhaupt spielen zu können. Im weiteren Verlauf kann ein neuer Charakter nötig werden, wenn der alte gestorben ist, sich zur Ruhe setzen soll oder man einfach etwas anderes ausprobieren möchte. Auch eine Inkompatibilität mit einem anderen Spielercharakter oder dem Szenario sind möglich. Wie findet man also nun ein passendes Charakterkonzept, also eine Grundvorstellung des Charakters?

Für Anfänger

Vor allem für Anfänger, die sich noch nicht gut in der Spielwelt auskennen, kann es eine große Hilfe sein, sich bei den Archetypen eines Rollenspielsystems zu bedienen, also Charakterkonzepte, die für ein Genre typisch sind. Bei DSA wären das zum Beispiel der halbelfische Kundschafter, der menschliche Krieger oder der zwergische Schmied. Diese Archetypen bieten den Vorteil, dass man sich besser vorstellen kann, wie sie handeln und welche Beweggründe sie haben. Dies kann man auch noch weiterführen und Klischees einsetzen. Um mit den zuvor genannten Beispielen zu arbeiten, könnte das folgendermaßen aussehen: der halbelfische Kundschafter, dem Tiere und Pflanzen näher sind als Menschen; der noble Krieger, dessen größter Traum es ist, eine holde Maid vor einem blutrünstigen Drachen zu retten, oder der zwergische Schmied, dessen Hauptnahrungsmittel Bier ist. Daran kann man aber auch schon erkennen, dass selbst diese Klischees dem Charakter mehr Tiefe verleihen und somit vor allem von einem Anfänger durchaus legitim eingesetzt werden können.

Der Archetyp des halbelfischen Kundschafters – ein Klassiker.

Wenn man bei einer Gruppe aus bereits erfahrenen Spielern einsteigt, kann es nicht schaden, wenn dem Neuling beim Finden und Erstellen eines Charakters geholfen wird, sodass er möglichst gut in die bestehende Gruppe eingegliedert werden kann, beispielsweise, indem er/sie einen der anderen Charaktere bereits kennt.

Des Weiteren kann es helfen, sich Anregungen aus einem anderen Bereich zu holen. Spielt man in einem Fantasy-Setting, dann bietet sich beispielsweise ein Charakter an, der an eine Figur aus Der Herr der Ringe angelehnt ist. Je nach Setting des Rollenspiels bieten sich viele verschiedene Figuren aus Filmen, Spielen oder Büchern an. Auf diese Weise hat man eine Vorstellung davon, wie der eigene Charakter handeln könnte und es ist vor allem hilfreich, wenn man noch nicht genau weiß, welche Möglichkeiten das System bietet.

Alles in Allem ist man als AnfängerIn in der Regel noch nicht sehr vertraut mit dem Spielsystem. Deshalb tastet man sich am besten langsam heran, was auch die Wahl der Charakterkonzepte betrifft. Wenn das Wissen über die Spielwelt und ihre Mechanismen steigt, dann können auch die Konzepte für neue Charaktere komplizierter werden. Natürlich kann man auch mit einem solchen Konzept beginnen, wenn man es unbedingt möchte, sollte dann aber nicht enttäuscht sein, wenn es nicht funktioniert oder nicht den Vorstellungen entspricht, weil man noch nicht genug Wissen mitbringt.

Für Erfahrene

Auch erfahrene SpielerInnen können sich natürlich von anderen Medien inspirieren lassen oder sich eines Archetyps bedienen. Aber ihnen stehen noch weit mehr Möglichkeiten offen. Sie kennen sich in der Regel mit der Spielwelt aus und wissen besser, wie sie das Repertoire an möglichen Charakterkonzepten ausschöpfen können. Und wenn sie zwar erfahrene RollenspielerInnen sind, aber mit einem neuen System beginnen, dann kann sich zwar auch herantasten, aber auch mal den Sprung ins kalte Wasser wagen und sofort ein anspruchsvolleres Charakterkonzept in Angriff nehmen.

Humoristisch angelegter Konzeptbruch: der Ritter, der eigentlich lieber Gärtner wäre.

Es bieten sich zum Beispiel Konzepte an, die man selbst oder sogar noch niemand in der eigenen Gruppe ausprobiert hat, sei es etwas Exotisches oder etwas, das den bisherigen Konzepten entgegengesetzt ist. Es ist auch möglich, etwas zu spielen, das man sich bisher nicht getraut hat, man nicht mochte oder sich nicht damit beschäftigt hat. Wer weiß? Vielleicht wird daraus der neue Lieblingscharakter.

Im Gegensatz zu dem für Anfänger empfohlenen Vorgehen können versiertere SpielerInnen auch mit bestimmten Klischees absichtlich brechen und daraus ein Konzept erstellen. So wird aus dem noblen und tapferen Krieger ein Feigling, der doch eigentlich lieber Gärtner wäre.

Viele erstellen sich ihren Charakter sicherlich anhand des Berufes, da dieser in den meisten Systemen von zentraler Bedeutung ist. Man kann aber auch mit den Charaktereigenschaften beginnen. Hierzu bieten sich Listen an, die von A bis Z diese Eigenschaften aufzählen. Hat man sich ein paar ausgesucht, kann man darum herum den restlichen Charakter bauen.

Wenn man keine speziellen Ideen hat und für alles offen ist, dann kann man auch den Zufall entscheiden lassen und den kompletten Charakter auswürfeln.

Weitere Ideen

Unabhängig davon, ob man erfahren oder unerfahren ist, gibt es noch andere Möglichkeiten, ein Charakterkonzept zu finden. Natürlich steht am Anfang immer der Gedanke, auf was man Lust hat oder was man gerne einmal ausprobieren möchte, und nach diesen Vorstellungen entsteht dann der Charakter. Man kann das Ganze auch deutlich pragmatischer angehen, indem man sich fragt: Was fehlt noch in unserer Gruppe? Diese Lücke fülle ich dann mit meinem Charakter aus. Fehlt der Gruppe also noch etwas Kampfkraft, dann wählt man einen Kämpfer. Diese Überlegungen sind natürlich nur von Belang, wenn man innerhalb der Gruppe möglichst viele Bereiche durch die Charaktere abdecken will.

Was zum nächsten Punkt führt: Alle aus der Gruppe können auch ein ähnliches Konzept haben, also beispielsweise eine Räuberbande oder eine Gruppe von Soldaten. Die Feinheiten kann dann jeder nach Belieben selbst festlegen. Im Kleineren kann die Grundlage eines Konzeptes auch sein, dass zwei der Charaktere in irgendeiner Form in einer Beziehung zueinander stehen.

Zu guter Letzt kann man sich auch von SpielerInnen außerhalb der eigenen Gruppe inspirieren lassen, indem man zum Beispiel auf Foren zurückgreift, in denen Ideen und Gedanken geteilt werden.

Ein Beispiel zur Veranschaulichung

Nach den ganzen theoretischen Überlegungen schauen wir uns einmal ein Beispiel an, wie die Konzeptionierung eines Charakters aussehen kann:

Der Beruf, in diesem Fall Söldner, ergibt sich aus den Charaktereigenschaften und wird nicht als Basis zur Charaktererstellung vorgewählt.

Angenommen, mein Charakter bei DSA hat viele Abenteuer erlebt und soll sich nun zur Ruhe setzen. Das hat natürlich zur Folge, dass ich mir Gedanken über einen neuen machen muss. Zuerst frage ich mich also, was ich gerne spielen würde. Da ich aber in der Vergangenheit schon sehr viel ausprobiert habe, kommt mir auch nach längerem Überlegen keine Idee. Auch die Gruppenkonstellation der anderen Charaktere weist keine Lücken in einem bestimmten Bereich wie Kampf, Wildnis oder Soziales auf, die ich ausfüllen könnte.

Ich habe also ziemlich freie Auswahl, und so entscheide ich mich dafür, nicht wie üblich mit Rasse, Kultur und Profession anzufangen, sondern mache mir Gedanken über die charakterlichen Eigenschaften. Wie soll der neue Charakter sich verhalten und agieren? Schließlich entscheide ich mich dafür, dass er sprunghaft, angriffslustig, aber auch altruistisch veranlagt ist. Für mich passen diese Eigenschaften zu einem Söldner. Durch die Sprunghaftigkeit blieb er in der Vergangenheit nie lange in einem Beruf hängen. Als Söldner kommt er jedoch viel herum und nimmt verschiedenste Aufgaben an. Auch kann er auf diese Weise kämpfen und andere beschützen. Somit steht das Grundgerüst für meinen Charakter und ich kann mit der Erstellung beginnen.

Trotz allem: Auch an die anderen denken

Bei den Überlegungen für ein Charakterkonzept sollte man auch eines nicht außer Acht lassen: die anderen SpielerInnen der Gruppe. Eine gewisse Harmonie zwischen den Charakteren ist für alle immer angenehmer und für den Fortschritt des Szenarios förderlicher. Natürlich kann es zwischen zwei oder auch mehreren Charakteren Unstimmigkeiten oder Reibereien geben. Aber wenn sich zwei vollkommen entgegengesetzte Meinungen und vor allem Moralvorstellungen entgegenstehen, dann kann es zu ungewünschten Konflikten kommen, die im schlimmsten Fall ein Auseinanderbrechen der Gruppe zur Folge haben können.

Natürlich kann genau das auch als rollenspielerische Herausforderung angesehen werden. Aber es sollte nur dann verwirklicht werden, wenn alle damit einverstanden sind. Man sollte sich also gut überlegen, ob ein bestimmtes Charakterkonzept es wert ist, dass dadurch Streit unter den SpielerInnen entsteht, nur weil man es unbedingt ausprobieren möchte – und das, obwohl es nicht kompatibel ist und die anderen ihre Charaktere dafür verbiegen müssten.

Artikelbilder: © creactivomx, BrianAJackson, mandygodbehear, 3dalia, PhotoWorks | depositphotos.com, Bearbeitung: Melanie Maria Mazur

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