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Studentische Charaktere sind abenteuerlustig, neugierig und wollen ihren Horizont erweitern. Was liegt da näher, als einmal einen studentischen Charakter auf einer Reise zu spielen? Egal, welches Setting oder welche Epoche, wissbegierige Scholar*innen versprechen eine große Menge an Unterhaltung am Rollenspieltisch. In diesem Beitrag sehen wir uns diesen Charaktertyp näher an.

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Student*innen im Rollenspiel

Ein nicht geringer Anteil der hier Lesenden wird wohl auf die ein oder andere Weise schon mal Bekanntschaft mit einer Universität gemacht haben. Was läge also näher als eine*n Angehörige*n der studentischen Zunft auch im Rollenspiel darzustellen? Charakterkonzepte von akademisch orientierten Held*innen wie Magier*innen sind schließlich ein Fixpunkt der Fantasy. Aber auch in zukunftsorientierten Settings wie Mutant Year Zero oder Shadowrun lassen sich Student*innen auf der Suche nach verlorenem und neu zu gewinnendem Wissen in jede Gruppe toll einbinden.

Was bin ich? Student*innen als Charaktere

Die wohl grundlegende Definition eines studentischen Charakters ist seine Verbindung zu einer akademischen Einrichtung. Was ist diese Akademie? Handelt es sich um die staatliche Universität eines großen Landes, eine städtische Bildungseinrichtung oder gar eine*n private*n Lehrmeister*in? Ist diese Verbindung immer noch existent, und wenn ja, ist sie positiver oder negativer Natur? Gründe für das Verlassen der Alma Mater gibt es viele: man wurde durch ein Komplott ins Exil gezwungen, man hat aus Scham über die nicht geschaffte Abschlussprüfung seine Schule verlassen und ist auf Wanderschaft gegangen. Weitere Möglichkeiten sind auch Reiselust nach bestandenen Prüfungen oder die gezielte Suche nach einem Artefakt als Dankeschön für die Professor*innen (beim Ordo Dracul im Spiel Vampire ist es übrigens üblich für junge Vampire dieses Zirkels, nach mystischen Orten oder den Konsequenzen eines bestimmten Mordes zu forschen).

Beim Studium und der Charaktererschaffung kommt es auf die außercurricularen Tätigkeiten an. depositphotos ©wavebreakmedia

Neben dieser ersten Konstante stehen einem studentischen Charakter alle Wege zur Verfeinerung der Persönlichkeit offen. Soll es eher ein*e Stubenhocker*in oder ein geselliger Charakter sein? Ein Bücherwurm oder ein*e degenschwingende*r Draufgänger*in? Man muss als Student*in nicht unbedingt ein vergeistigter Charakter sein. Es macht viel mehr Freude, gewisse Klischees zu brechen (nicht umsonst ist Professor Thomeg Atherion, seines Zeichens vollendeter Schwarzmagier zu Fasar in Aventurien (Das Schwarze Auge), auch ein weltberühmter Kletterer. Und Doktor „Indiana“ Jones ist halbtags Grabräuber…). Die persönlichen (Studien-)Interessen, Hobbys und privaten Hoffnungen und Ängste machen den Charakter erst zu einer ausgereiften Persönlichkeit. Nutze die Möglichkeiten, die sich am Charakterblatt abseits der wichtigsten Fertigkeiten und Attribute bieten.

Netzwerke und Bekanntschaften

Als Student*in ist man Mitglied der akademischen Welt, und sei es als unterste*r Erstsemester*in. Die Räumlichkeiten der Universität(en) und das darin enthaltene Wissen stehen dem Charakter grundsätzlich offen (die Giftschränke und teure Lehreinheiten natürlich abgesehen). Das beinhaltet den Zugang zu Bibliotheken, Kommiliton*innen und akademischem Personal mit Spezialwissen, welches der Gruppe ansonsten vermutlich nicht zugänglich wäre. Als Spielleitung lassen sich solche Besonderheiten ab und an gut einbauen, um dem Hintergrund der gespielten Charaktere Rechnung zu tragen und die Spieler*innen spüren zu lassen, dass der gespielte Charakter etwas Besonderes ist.

Welche Netzwerke hat der Charakter auf dem Campus gezogen? Ist er einer Student*innenverbindung beigetreten (oder hat diese vielleicht wieder verlassen)? Wurden engere Bande an Mitarbeiter*innen der Akademie geknüpft? Oder gar an den Lehrkörper? Welche Freund- und welche Feindschaften wurden gepflegt? Das alles ist auch für reisende Student*innen relevant, da man sich im Leben und Unleben immer ein zweites Mal trifft. Schließlich werden wir durch unsere Kontakte geprägt und durch unsere Freund- wie Feindschaften definiert.

Zum vollständigen Bild deines studentischen Charakters gehört noch die Überlegung, ob er sich einen bestimmten Habitus zulegen sollte – historisch waren (fast immer männliche) Studenten eine eigene, abgeschlossene Welt für sich, organisiert in hierarchisch gegliederten Nationen und Bursen, mit eigenen Ritualen und bestimmten Lebensweisen (dem sogenannten Comment). Mitunter war Student*innen als besonderes Privileg (aufgrund ihrer Reisetätigkeit) als große rechtliche Ausnahme das Waffentragen erlaubt. Wie sehr Spielleitung und Spieler*innen solche besonderen Eigenheiten in das Spiel integrieren möchten, sollte man am besten vor dem Spiel besprechen. Interessant dürfte es auf alle Fälle werden.

Die Akademie – eine Welt für sich 

Dank der Abenteuer um einen gewissen Zauberlehrling mit markanter Narbe ist die (magische) Akademie mittlerweile zu einem Stereotyp in der Fantasy geworden. Was bedeutet, dass gewisse Erwartungen existieren und erfüllt (oder kreativ gebrochen) werden wollen. Dieser Mikrokosmos des akademischen Umfelds ist tatsächlich eine tief- und weitreichende Quelle an möglichen Quests, Abenteuern und Unterhaltung für die Spieler*innen.

Bei der Erstellung des studentischen Charakters ist es wichtig, welches Verhältnis er noch zur heimatlichen Alma Mater hat. Gibt es Freund*innen, Studienkolleg*innen, Feind*innen hinter den Mauern der Universität, die auf ihn warten? Geht dein Charakter ein und aus oder gibt es Gründe, warum die hehren Hallen des Wissens schon seit langer Zeit nicht mehr betreten wurden? Schon aus diesen Fragen entsteht ein ganzes Geflecht aus Beziehungen, die deinen Charakter zu etwas Besonderem machen. Und der Spielleitung, wenn die Akademie bespielt wird, zahlreiche Möglichkeiten zur Hand geben, um kreativ neue Handlungsstränge in euer Spiel einzuflechten.

Der Campus. Ort höchster Bildung und tiefster Qualen. depositphotos ©Seeker Stock Art

Für die Spielleitung bietet es sich an, die Akademie zumindest in groben Strichen auszumalen – wie steht der Lehrkörper zueinander, in welchem Verhältnis zu den Studierenden und diese untereinander? Was steht im Giftschrank der Bibliothek, und welche anderen Geschehnisse in der Vergangenheit dieser Universität lassen sich noch aufgreifen? Nicht alle vergangenen Geschehnisse müssen mit dem studentischen Charakter in direktem Zusammenhang stehen. Sie können auch bloßes Hintergrundrauschen sein, bis sie durch das Interesse der Spieler*innen zu aktivem Plot werden. Im besten Fall hat die Schule eine eigene Atmosphäre (das gilt besonders in Science-Fiction-Settings abseits der habitablen Sphäre), an die sich die Charaktere und die Spieler*innen noch lange erinnern werden.

Aber ich habe meine Bücher! Warum sollte ich hinaus?

Die initial gestellte Frage, wie man eine*n Studio*sa auf einer Reis darstellen kann, ist eng mit den bisher vorgestellten Aspekten des Student*innenlebens verknüpft. Basierend auf dem gespielten Charakter und dem Rest der Gruppe kann man sich fragen, warum der*die Studio*sa überhaupt auf Reisen gehen und Abenteuer erleben möchte. Ob gezwungen, freiwillig geschickt oder aus eigenem Antrieb, Student*innen können eine Vielzahl von Gründen haben, auf Reisen zu gehen.

Auf diesen Reisen profitiert so gut wie jede Gruppe von der Expertise der mitreisenden Scholar*innen. Je nachdem, was gerade gefragt ist – Sprachkenntnisse, historische oder mythologische Expertise, eine schnelle Zunge für freundliche Verhandlungen oder ein flinker Schwertarm für unfreundliche Begegnungen, die breite Ausbildung lässt Student*innen ein wertvolles Mitglied jeder Gruppe werden. Wenn der*die Student*in dann noch das ein oder andere Lied aus der heimischen Bude singen kann, ist auch für die Unterhaltung während einer Reise gesorgt.

Ein großer Punkt bei den Reisen des Charakters werden die mitgenommenen Folianten, Handschriften und Schreibutensilien sein, die man zweifelsohne nicht missen möchte. Zu diesem Zweck bietet sich ein (Hand)karren, oder, etwas geräumiger, ein Planwagen für eine längere Reise an. Diesem Problem stehen alle Charaktere gegenüber, die eine kleine (oder größere) Reisebibliothek ihr Eigen nennen. Ein Wagen kann ein schönes Zentrum einer reisenden Gruppe werden, das gepflegt und beschützt werden muss, dafür aber auch Unterkunft und Kochgelegenheit sowie Stauraum für Bücher und andere Schätze bietet.

Wenn der studentische Charakter schließlich das Ziel der selbstgesteckten Queste erreicht hat, wurden mit dem Rest der Gruppe hoffentlich enge Bande geknüpft, auf dass die Charaktere weiterhin zusammen reisen möchten. Oder man ist zufrieden damit, dass der Charakter wieder zurück zur Akademie geht.

Student*innen als Gruppenkonzept

Eine besonders interessante Variante für eine kürzere Kampagne wäre, die gesamte Gruppe als eine Reise von Student*innen anzulegen, eventuell mit der Spielleitung als Professor*in, welche*r die Reise begleitet. Ich persönlich möchte schon seit Jahren eine Minikampagne in Aventurien leiten, in welcher die Spieler*innen, Jungnekromant*innen der Universität Brabak (die Nekromanten Aventuriens), eine Reise zu einem größeren Schlachtfeld unternehmen. Für… Studienzwecke. Und unterwegs selbstverständlich alle möglichen Probleme, von wütenden Bauernmobs mit Mistgabeln und Fackeln bis hin zu Liebeskummer, ertragen müssen. Ein Gruppenkonzept mit mehreren reisenden Student*innen erlaubt eine ganze Reihe an unkonventionellen, aber spezifisch auf die Gruppe zugeschnittenen Problemen und Lösungen, sprich Abenteuer. Jedenfalls eine schöne Abwechslung zur normalen Spielrunde.

„Nein, es hieß ganz eindeutig „Ph’nglui mglw’nafh Cthulhu R’lyeh wgah’nagl fthagn!“, depositphotos ©mppriv

Fazit – der Student, das bekannte Wesen

Student*innen sind ein sehr „menschliches“, also vielen Spieler*innen gut vertrautes Charakterkonzept. Etwas so Alltägliches in einer fantastischen, dystopischen oder anderweitigen Welt zu spielen, ist eine spannende Erfahrung, die gewohnte Wege neu beschreiten und die Zunft der Studierenden vielleicht in einem neuen Licht sehen lässt. Oder, wenn sich ein neuer Blickpunkt nicht einstellen will, man zumindest mit ein paar liebgewonnenen Klischees Spaß am Rollenspiel hat. In jedem Fall ist ein*e Student*in eine Bereicherung für jede Spielrunde.

Viel Spaß mit deiner*m Held*in!

 

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Titelbild: depositphotos ©olly18
Layout und Satz: Annika Lewin
Lektorat: Rick Davids

 

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