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Halb Mensch, halb Wolf. Halb Bestien, halb ehrenhafte Krieger. Das sind Werwölfe. Nach der fünften Edition von Vampire und Hunter ist nun auch die 5. Edition für Werwolf: The Apocalypse erschienen. Ähnlich wie in den beiden anderen Büchern gibt es ein paar entscheidende Änderungen zu den älteren Editionen.

Die World of Darkness stellt in der Geschichte der Rollenspiele eine Zäsur dar. Erstmals konnten klassische Monster als vielfältige Protagonisten mit einer eigenen Kultur gespielt werden. Alles begann 1991 mit Vampire: The Masquerade. Ein Jahr später erschien dann die erste Version von Werwolf: The Apocalypse von Mark Rein-Hagen. Nun, circa 30 Jahre später, ist nach der fünften Edition von Vampire: The Masquerade und Hunter: The Reckoning auch die neue Edition von Werwolf erschienen. Alle diese Bücher wurden von Renegade Games Studios produziert, wobei Onyx Path Publishing immer noch die Lizenz hält.

Im Folgenden gibt es einen Überblick über die wichtigsten Änderungen und Neuerungen. Ulisses Spiele, die schon die aktuellen Editionen von Vampire und Hunter übersetzten, haben für Dezember diesen Jahres die deutsche Version angekündigt. Diese wird dann hier ausführlich rezensiert.

Triggerwarnungen

Body Horror, Gewalt, Tod

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Die Spielwelt

„The world ends not with a bang, but with a sonorous, doleful howl.“

Die World of Darkness ähnelt der unseren in sehr vielen Details, ist aber düsterer. Verbrechen, Umweltverschmutzung und Korruption sind fast überall deutlich zu erkennen. Des Weiteren sind paranormale Aktivitäten und Magie Teil der Welt, meist jedoch vor den Augen der Menschen verborgen. Während die World of Darkness in den 1990ern noch deutlich dem, damals modernen, Gothicpunk entsprach, wurde die Welt in der fünften Edition weiterentwickelt. Die Aspekte des Gothicpunk sind immer noch erkennbar, aber Mode, Technologie und Musik entsprechen den 2020ern.

Grundsätzlich ist der Hintergrund der Welt recht allgemein gehalten, wie es für ein Grundbuch angemessen ist. Eine wichtige Änderung zu älteren Editionen ist, dass die namensgebende Apokalypse nicht bevorsteht, sondern angebrochen ist. Allerdings gab es keine großen Schlachten, herabstürzenden Kometen oder Atomkriege. Krieg, Hunger, Pestilenz und Tod kamen schleichend und greifen weiter um sich. Die Welt und die Menschheit werden langsam in den Untergang gezogen.

Die Werwölfe oder Garou, wie sie sich selbst nennen, haben sich in sogenannten Stämmen organisiert. In der aktuellen Version gibt es nur noch elf spielbare Stämme, während es in den älteren Editionen noch 13 Stämme waren. Die Stargazer haben die Garou-Nationen verlassen und die überlebenden Get of Fenris haben sich zum Cult of Fenris zusammengeschlossen, um einen unbarmherzigen Feldzug gegen ihre Feinde zu führen.

Bei den spielbaren Stämmen wurden subtil einige Namen, als auch die Ausrichtung geändert. Wer die Stämme in den alten Versionen kennt, wird sie immer noch wiedererkennen, aber einige wurden erweitert, um sie vielfältiger und weniger ethnisch geschlossen zu machen.

Beispielweise sind jetzt männliche Black Furies, vermögende Bone Gnawers und menschliche Red Talon spielbar. Ebenso wurden bei Stämmen, die aus einer ethnischen Gruppe bestanden, der Name und die Zusammensetzung geändert. Somit gehören Namen wie Fianna, Wendigo und Uktena der Vergangenheit an, und sind durch die Hart Wardens, Galestalker und Ghost Council ersetzt worden. Generell werden die Stämme jetzt mehr durch gemeinsame Ideale und Politik zusammengehalten als durch Abstammungslinien. Alte und nicht mehr zeitgemäße Stereotype und Themen im Hintergrund wurden überarbeitet oder weggelassen, um Werwolf an den Zeitgeist anzupassen.

Wie auch die anderen Tribes haben die Hart Wardens eine große Bandbreite an Stereotype.
Wie auch die anderen Tribes haben die Hart Wardens eine große Bandbreite an Stereotype.

Die Geisterwelt spielt weiterhin eine große Rolle, auch wenn der Kontakt mit den Geistern nun schwieriger geworden ist. Diese Geisterwelt, das sogenannte Umbra, ist ein Spiegel der materiellen Welt. Beide Welten sind untrennbar miteinander verbunden und beeinflussen sich gegenseitig. Durch das Umbra üben auch die Triaden ihren Einfluss auf die materielle Welt aus. Diese Urkräfte sind Wyld als urtümliche Schöpfung, Weaver als ordnende Kraft und Wyrm als Zerstörer. Diesen Urkräften sind Myriaden von Geistern untergeordnet, die die Geisterwelt bevölkern und mehr oder weniger subtil auf die materielle Welt einwirken.

Die Riege der Antagonisten umfasst unzählige Gegner*innen. Zu dem Scharen des Wyrm gehören bekannte Gegner wie Wyrmgeister, Fomori, die Pentex Group und Black Spiral Dancers.

Andere Gegner*innen sind neu hinzugekommen. Der Cult of Fenris setzt sich aus Garou zusammen, die ihre Bindungen zu den Menschen abgelegt haben, um einen bedingungslosen Kampf gegen die Heerscharen von Weaver und Wyrm zu führen.

Ein Werwolf in Kriegsgestalt ist ein ernstzunehmender Gegner.
Ein Werwolf in Kriegsgestalt ist ein ernstzunehmender Gegner.

Gänzlich neu sind Antagonist*innen, die von den Garou Stolen Moon und Starving Remnant genannt werden. Als Stolen Moon werden Personen bezeichnet, die sich durch widerliche Rituale die Gestaltwandelfähigkeiten von Werwölfen angeeignet haben. Die Starving Remnant sind Geister von Garou, die durch die Verwandlung in den Wahnsinn getrieben wurden und nun als psychotische Monster die Geister- und die materielle Welt heimsuchen. Individuen aus beiden Gruppierung haben aber keine einheitlichen Zielen, sondern agieren meist als einzelgängerische Wesen mit eigenen Motivationen.

Weitere klassische Antagonist*innen sind Vampire, Werwolf Hunters und andere Tiergestaltwandler, die als Stranger Shifters zusammengefasst wurden.

Die Regeln

Proben werden immer noch mit einem Würfelpool aus Attribut plus Fähigkeit mit zehnseitigen Würfeln gewürfelt. Damit hören die Gemeinsamkeiten mit den älteren Editionen auch schon auf.

Ein Würfelergebnis von 6 und höher ist nun immer ein Erfolg. Dieser Wert wird nicht mehr modifiziert. Stattdessen muss jetzt die Anzahl der Würfelerfolge einen bestimmten Wert (Difficulty) erreichen oder übertreffen, damit die Probe bestanden ist. Die Difficulty wird von der Spielleitung modifiziert. Beispielweise haben Routineaufgaben eine Difficulty von eins und harte Aufgaben eine von fünf. Ähnlich wie bei Vampire stellen einige Würfel des Würfelpools die Wut (Rage) der Werwölfe dar. Ergebnisse dieser Würfel ändern auf drastische Weise den Erfolg oder Misserfolg einer Handlung. Die Regeln für Raserei wurden auf diese Weise deutlich vereinfacht.

Handlungen gegen die Handlungen anderer Charaktere oder NSCs werden genauso gewürfelt und die Differenz der Erfolge entscheidet über den Ausgang. Im Kampf bekommt die unterlegene Seite Schaden in Höhe der Differenz. Würfelproben werden damit einfach gehalten, damit die Handlung im Vordergrund steht. Im Vergleich zu älteren Editionen und anderen Systemen sind diese Regeln sehr einfach zu erlernen und anzuwenden.

Da Werewolf ausdrücklich ein Erzählspiel ist, erheben die Autor*innen die Goldene Regel über alle anderen Regeln. „The story belongs to you and your troupe.“ Anders ausgedrückt, wenn die Regeln den Spielspaß stören, sollten sie von der Spielgruppe geändert werden.

Würfelwürfe in Kämpfen sind kurz, um der Handlung mehr Raum zu geben.
Würfelwürfe in Kämpfen sind kurz, um der Handlung mehr Raum zu geben.

Die Grundregeln für Raserei, die verschiedenen Gestalten der Werwölfe und die Geisterwelt wurden beibehalten und vereinfacht. Einige der Regeln wurden so umgestaltet, dass sie besser zum Hintergrund der Welt passen. Beispielsweise können Garou in Menschen- und Wolfsgestalt nicht mehr regenerieren, sind dafür immun gegen Schaden durch Silber.

Charaktererschaffung

Genau wie die Regeln wurde die Charaktererschaffung vereinfacht. In der aktuellen Edition wählen die Spielenden nur noch Concept, Auspice, sowie Tribe aus und verteilen dann Punkte nach eigenen Wünschen. Ob der Charakter als Mensch, als Wolf oder welchen Stamm er angehören soll, spielt bei der Charaktererschaffung keine Rolle mehr. Wichtig ist nur noch die Geschichte des Charakters.

Attributes und Skills wurden so zusammengefasst, dass alles kurz und übersichtlich bleibt. Die Hintergründe und Vorteile wurden unter Advantage zusammengefasst. Dort können jetzt Punkte für Allies, Resources, Spirit Pact und andere ausgegeben werden.

Das Rufsystem mit Glory, Honor und Wisdom wurde beibehalten und stellt den sozialen Rang in der Garougesellschaft dar. Die Gifts und Rites, also die übernatürlichen Gaben der Werwölfe, wurden ebenso zusammengefasst.

Durch die Gestaltwandelfähigkeiten, die Regeneration und pure Kampfkraft der verschiedenen Gestalten sind Werwölfe schon bei der Charaktererschaffung relativ mächtig. Damit sind sie im Kampf Vampiren, Jäger*innen und Magi aus den anderen World of Darkness-Systemen überlegen. Startcharaktere sind einzeln ernstzunehmende Gegner und im Rudel auch gegen mächtigere Monster tödlich. Hier soll hervorgehoben werden, dass ein Ausbalancieren von Werwolfcharakteren im Vergleich zu Charakteren aus anderen World of Darkness-Systemen von den Autor*innen nie angestrebt wurde, sondern immer Teil des Hintergrunds war. Werwolfcharaktere waren und sind immer die kampfstärksten Charaktere der World of Darkness.

Erscheinungsbild

Das Buch selbst ist vollfarbig, und hervorgehobene Kästen markieren Zusammenfassungen und Einschübe. Der Fließtext ist durch unterschiedliche Schriftarten und -farben aufgelockert. Allerdings ist der Text teilweise kompliziert geschrieben und mit Schulenglisch schwer zu verstehen. Durch Schriftgröße und -abstand ist die Schrift grundsätzlich gut zu lesen.

Die Stereotype der Silver Fangs von Krzysztof Bieniawski.
Die Stereotype der Silver Fangs von Krzysztof Bieniawski.

Die szenischen Illustrationen sind im abstrakten, minimalistischen Stil gehalten, nur die Bilder zu den Stämmen sind wie die im Vampire– und Hunter-Buch wieder von Krzysztof Bieniawski gezeichnet. Sie passen hervorragend zum neuen Punk-Stil des Buches.

Es gibt ein umfangreiches Inhaltsverzeichnis am Anfang und einen Index am Ende.

Im Anhang des Buches sind das obligatorische Charakterblatt und sechs Instant Werewolves als Vorlagen für NSCs zu finden.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Renegade Games Studios
  • Autor*in(nen): Justin Achilli und andere
  • Erscheinungsjahr: 2023
  • Sprache: Englisch
  • Format: Druck/PDF
  • Seitenanzahl: 334
  • Preis: Druck 51,20 EUR, PDF 38,00 USD
  • Bezugsquelle: Fachhandel, Amazon

 

Fazit

Die fünfte Edition von Werwolf: The Apocalypse bringt sowohl Neuerungen als auch Überarbeitungen mit sich und verändert dabei Regeln, sowie Spielwelt auf die richtige Weise. Das Grundthema der Werwölfe als militante Umweltweltschützer und Social Warriors wurde beibehalten und an die heutige Zeit angepasst. Während die Garou in älteren Editionen wie Anachronisten wirkten, ist jetzt der Punkcharakter der neuen World of Darkness herauszulesen. Dadurch, dass ältere unpassende Themen herausgeschrieben wurden, ist das Thema von Werwolf für alle Spielenden gleichermaßen zugänglich. Regeln und Charaktererschaffung wurden vereinfacht, sind leicht zu erlernen, um den Fokus auf die Handlung zu legen. So gehen Würfelproben flüssig und leicht von der Hand, wie es bei einem Erzählspiel sein sollte. Der Preis des Buches ist ein stolzer Betrag, der aber der Qualität angemessen ist.

Mit der Rezension der deutschen Version wird auch ein Spieltest der neuen Regeln folgen.

 

  • Vereinfachte Regeln und Charaktererschaffung
  • Stimmige Illustrationen
  • Übersichtlicher Aufbau

 

  • Schreibstil mitunter kompliziert

 

Artikelbilder: © Renegade Games Studios, © Onyx Path Publishing
Layout und Satz: Mika Eisenstern
Lektorat: Sabrina Plote
Dieses Produkt wurde privat finanziert.

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2 Kommentare

    • Da muss ich doch mal offen fragen: Warum? Was ist schlecht dran, ein Setting, dessen ideologisch-kulturelle Ansätze stellenweise arg fragwürdig waren, auf eine moderne Sensitivität zu bringen? Die alte WoD war doch stellenweise sehr phänotypisch und hat eine Modernisierung auch fluffiger Natur in meinen Augen deutlich benötigt.

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