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Drei Storylines, zweieinhalb pixelige Dimensionen, ein Spiel: Alterium Shift ist ein JRPG von Drattzy Games. Das Spiel lockt mit Pixelgrafik und einer vielschichtigen Welt mit vielen Pfaden und Parallelwelten. Ob das Spiel auch im Early Access bereits seine Versprechen halten kann, erfahrt ihr hier.

Es ist ein schöner Tag in Alteria – die Sonne scheint, die Vögel zwitschern und Atlas, Pyra und Sage bereiten sich auf ihre Prüfung vor, um waschechte Held*innen zu werden. Gleich zu Beginn können wir uns für einen der Charaktere entscheiden und damit auch für eine der drei Storylines. Für den Test haben wir als Atlas, der Bogenschütze, gespielt.

Triggerwarnungen

Keine üblichen Trigger

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Willkommen in Alteria

Wie es sich für ein JRPG gehört, beginnt die Geschichte klein und unscheinbar: Atlas muss sich einer Kampfprüfung gegen seinen Mentor Dolion stellen. Allerdings scheitert er, während seine Freunde Pyra und Sage bestehen, sodass die beiden ohne ihn auf eine wichtige Mission aufbrechen. In der Zwischenzeit stellt uns Dolion Aufträge, um stärker zu werden. Also brechen wir auf, um gefährlichen Monstern den Garaus zu machen.

Auf dem Weg in den südlichen Wald schließt sich Dolion uns jedoch an – und keine Minute zu früh, denn wenig später sehen wir uns einem riesigen Baumwesen gegenüber, das wir nur mit seiner Hilfe besiegen können. Kurz darauf stoßen wir auf ein magisches Portal. Dolion klärt uns darüber auf, dass er mithilfe eines magischen Artefakts die Portale geschlossen hält, doch dass er das Artefakt aufgrund seines Alters nicht mehr wirksam einsetzen kann. Darum bittet er uns, das Portal zu versiegeln.

In der Welt von Alteria sind Durchgänge zu anderen Welten verstreut.

Doch gerade als Atlas das Artefakt benutzen will, taucht eine schattenhafte Gestalt auf und versucht es zu stehlen. Während der Auseinandersetzung wird Atlas von dem Portal verschlungen und landet in der Welt der Dunkelelfen. Nun muss er seinen Weg zurück zu seinem Mentor finden, und der unbekannten Gestalt das Handwerk legen.

Auf in die große weite Welt

Dazu navigieren wir uns durch große, verzweigte Maps auf der Suche nach einem Weg zurück. An vielen Orten sind Schätze versteckt, also lohnt es sich, alle Ecken der Welt zu erkunden. Abhängig davon, welchen Charakter wir zu Beginn gewählt haben, steht uns außerdem eine andere Fähigkeit zur Verfügung. Atlas kann beispielsweise mit seinem Bogen Pfeile abschießen und damit Schalter aktivieren, die Wege freilegen, während Pyra ihren Speer benutzen kann, um Hindernisse wie Steinbrocken zu zerstören.

Atlas schießt den Schalter ab, um den Weg freizumachen.

Darüber hinaus gibt es noch weitere Elemente der Spielwelt, die Potenzial bergen. So könnten die Portale zwischen den Welten Möglichkeiten bieten, uns selbstbestimmter durch die Spielwelt zu bewegen. Aktuell sind die Portale jedoch rar gesät und trotz der scheinbaren Offenheit der Welt, ist der Weg vorwärts immer sehr linear.

Darüber hinaus gibt es sogenannte Echo-Tore und Echo-Kisten unterschiedlicher Farben. An bestimmten magischen Kristallen können wir uns auf eine der Farben einstimmen, sodass Tore und Kisten dieser Art geöffnet sind. Die Einführung dieser Mechanik im Spiel ist noch etwas abrupt und ihre Erklärung dürftig. Gezielt eingesetzt, könnte sich aber auch hier die Möglichkeit ergeben den Spieler*innen mehr Eigenverantwortung in der Navigation durch die Welt zu ermöglichen.

Abhängig davon, auf welche Farbe wir uns eingestimmt haben, verändert sich die Spielwelt.

Aktuell sind diese Elemente jedoch noch nicht ausgereift. Um schon im Early Access einen anständigen Eindruck der Spielvision zu vermitteln, wäre es womöglich sinnvoller gewesen, eine kürzere Version des Spiels zu veröffentlichen, in der diese Mechaniken vollständig in die Spielwelt integriert sind.

Wo sind wir und wenn ja, wie viele?

Ein Nachteil der großen verwinkelten Maps ist, dass die Orientierung schwerfällt. Zwar gibt es eine Weltkarte, allerdings ist diese nur bedingt hilfreich, da wir keine Vorstellung davon haben, wie die einzelnen Bereiche der Welt zusammenpassen. Darüber hinaus sind die Übergänge zwischen den Bereichen mitten in der Landschaft verstreut. Aus anderen JRPGs sind wir es gewohnt, einen Bereich dann zu verlassen, wenn wir an den Rand des Bildschirms laufen – in Alterium Shift hingegen erhalten wir keine Hinweise darauf, wo ein Bereich aufhört und ein anderer anfängt. Hier wäre es wünschenswert, dass es entweder eine große Map für den gesamten Bereich gibt oder aber die Abschnitte besser voneinander isoliert sind.

Auch mit einer Weltkarte fällt die Orientierung mitunter schwer.

Generell sind Orientierungslosigkeit und Verwirrung eine große Schwäche des Spiels – nicht nur in der Welt, sondern auch in der Geschichte. Wir verbringen einen relevanten Teil der Spielzeit damit, von Ort zu Ort zu stolpern, ohne ein genaues Ziel zu haben. Obwohl die Größe und Weitläufigkeit der Welt eine gewisse Offenheit vermitteln, ist die Story jedoch linear und geht immer nur an einer Stelle weiter. Daher sind wir oft auf der Suche nach dem nächsten Ort, ohne genau zu wissen, wo wir überhaupt hinmüssen, und was unser ultimatives Ziel ist. Statt entschlossen in die Welt aufzubrechen, irren wir umher und dadurch entsteht der Eindruck, dass die Story uns eher passiert, als dass wir sie spielen.

Die Verwirrung wird zusätzlich dadurch verstärkt, dass die Geschichte etwas beliebig wirkt, und dabei halbherzig und hektisch inszeniert ist. Gerade noch haben wir uns held*innenhaft einem Bossmonster gestellt, im nächsten Moment erwacht es wieder zum Leben und greift erneut an – einer unserer Charaktere hält es lang genug auf, dass wir fliehen können, allerdings stürzt der Höhleneingang ein. Innerhalb weniger Sekunden haben wir so den Ort gewechselt und einen Charakter aus unserem Team verloren – und schon geht das Spiel weiter.

JRPG-Kampfsystem zwischen klassisch und veraltet

Bei unserer Bewegung durchs Spiel stoßen wir unweigerlich auf Monster, denen wir uns in einem klassischen rundenbasierten JRPG-Kampfsystem stellen können. Dabei gibt es glücklicherweise keine Zufallsbegegnungen: Wir können die Monster sehen, bevor wir in einen Kampf stolpern, es sei denn, sie sind gut versteckt.

Kämpfe erinnern an SNES-RPGs wie Chrono Trigger.

Im Kampf ist jeder Charakter einmal pro Runde am Zug und kann eine der klassischen Aktionen ausführen: angreifen, Fähigkeiten einsetzen, Gegenstände benutzen und fliehen. Jeder Charakter hat dabei eigene Spezialfertigkeiten, die er einsetzen kann, um die Gruppe zu unterstützen oder Schaden zu machen. Das kostet jedoch Alterium Essenz, die magische Energie im Spiel. Darüber hinaus haben die Charaktere abhängig von ihrer Klasse noch eine zusätzliche defensive Aktion: Atlas kann sich beispielsweise auf kommende Angriffe vorbereiten, und ihnen damit besser ausweichen.

Auf seinem aktuellen Stand lässt das Kampfsystem leider noch eine Menge zu wünschen übrig. Die Monster stellen keine echte Herausforderung dar, sodass wir selten taktische Überlegungen anstellen müssen, die über „möglichst viel Schaden machen“ hinausgehen. Auch die Burst Moves, die später im Spiel eingeführt werden, sind nichts weiter als starke Angriffe, die wir erst mit anderen Aktionen aufladen müssen. Die einzige Abwägung, die wir treffen müssen, ist, wie viele Spezialmanöver wir benutzen, weil diese Alterium Essenz kosten – allerdings können wir diese mit Leichtigkeit wieder beschaffen, indem wir Tränke benutzen. Darüber hinaus werden Charaktere komplett geheilt, wenn sie ein Level aufsteigen. Zu Beginn ist das noch willkommen, damit wir nicht allzu oft rasten müssen, später sorgt das hingegen nur dafür, dass die ohnehin bereits leichten Kämpfe noch einfacher zu bestreiten sind.

Kleine Ablenkungen

Wie in RPGs üblich gibt es auch in Alterium Shift abseits von der Hauptstory etwas zu tun. So gibt es in einigen der Dörfer schwarze Bretter, an denen wir uns Aufträge unterschiedlicher Art abholen können. Im Startort Summiton etwa können wir entlaufene Hühner einsammeln und eine Katze retten. In einem Wüstendorf später im Spiel werden wir darum gebeten, eine Karawane zu finden und einen Geist zu besänftigen, der den Friedhof heimsucht. Leider gibt es kein Questlog, das wir konsultieren können, um einen Überblick über unsere Aufträge zu behalten, und müssen immer wieder zum schwarzen Brett zurück, wenn wir nachsehen wollen, was es zu tun gibt.

Beim Fischen müssen wir den Fisch einziehen, aber aufpassen, dass die Schnur nicht reißt.

Außerdem gibt es die Möglichkeit – wie könnte es auch anders sein – zu angeln. In der aktuellen Version des Spiels gibt es jedoch nicht viele Angelteiche und nur wenige Möglichkeiten, an Köder zu gelangen, sodass wir kaum genügend Gebrauch von dem Feature machen konnten, um die Minispielmechanik zu erlernen.

Technische Aufmachung

Grafisch hat sich Alterium Shift einiges vorgenommen: Das Spiel ist in einer isometrischen zweieinhalb-dimensionalen Pixelgrafik gehalten. Charaktere, Monster und Pflanzen sind dabei zweidimensional, während Gebäude und die Landschaft dreidimensional entworfen sind. Bewegen wir uns, gibt es einen Parallax-Effekt und wir können teilweise hinter Gebäude oder Bäume sehen. Darüber hinaus gibt es einen coolen Effekt beim Beginn mancher Kämpfe, bei dem die Ansicht sich seitlich dreht und dann zum Kampfbildschirm übergeht.

Die Charakterdesigns sind anständig und besonders die Monsterdesigns sind gut gelungen. Bossmonster sind darüber hinaus dreidimensional designt, und machen im Gegensatz zu den Kleineren fließende Bewegungen.

Außerhalb von Kämpfen ist alles etwas zu groß und zu nah.

Dennoch benötigt die Grafik noch ein bisschen Aufmerksamkeit. Wir sind große Fans der Pixelgrafik, sei sie schön und atmosphärisch wie bei Triangle Strategy oder reduziert und niedlich wie bei Littlewood. Doch die Grafik von Alterium Shift wirkt an vielen Stellen klobig und deplatziert: Die willkürliche Kombination zwei- und dreidimensionaler Elemente lässt das Spiel mitunter amateurhaft zusammengebastelt wirken und manche Sprites sehen einfach nur merkwürdig aus. Außerdem ist die Auflösung viel zu gering: Spielen wir auf einem großen Bildschirm, ist jeder Pixel mehrere Millimeter groß und alles wirkt riesig und zu nah. Ein bisschen mehr Abstand zum Geschehen würde nicht nur besser aussehen, sondern auch bei der Orientierungslosigkeit Abhilfe schaffen, da wir mehr von der Umgebung sehen könnten.

Der Soundtrack pendelt zwischen eingängig und nervtötend. Die Kampfmusik verbindet schöne Klänge mit einem spaßigen Beat und macht damit richtig Laune, während beispielsweise die Hintergrundmusik außerhalb von Summiton für ein friedliches Grasland viel zu pompös und dudelig ist – und dabei auch im Verhältnis viel zu laut abgemischt.

Die Steuerung funktioniert derweil sowohl mit Tastatur als auch mit einem Controller anständig. Auch die Performanz kann sich sehen lassen: Ladezeiten sind praktisch nicht existent. Bei unserem Test auf einem Macbook mit M1-Chip gab es jedoch zwischendurch grafische Fehler, und manchmal konnten wir mit dem Controller das Spielmenü nicht aufrufen (mit der Tastatur hat es allerdings weiterhin funktioniert).

Die harten Fakten:

  • Entwicklerstudio: Drattzy Games LLC
  • Publisher: Gravity Game Arise
  • Plattform: PC, Mac (Konsolen folgen später)
  • Sprache: Englisch
  • Mindestanforderungen: Windows 7, Intel Pentium G4400, Radeon RX 470
  • Genre: JRPG
  • Releasedatum: 06.06.2023
  • Spielstunden: 7 pro Charakter
  • Spieler*innen-Anzahl: 1
  • Altersfreigabe: k. A.
  • Preis: 19,50 EUR
  • Bezugsquelle: Fachhandel, idealo

 

Fazit

Alterium Shift ist ein klassisches JRPG in Pixelgrafik von dem Entwicklerduo Drattzy Games. Es ist noch im Early Access, daher kann sich bis zum tatsächlichen Release noch eine Menge ändern – unsere Bewertung ist daher mit einer Prise Alterium-Essenz zu genießen.

In seiner aktuellen Version schafft es das Spiel leider nicht, uns zu überzeugen. Die Story ist bisher nicht besonders spannend, und es mangelt an packender Inszenierung, die uns ins Spielgeschehen zieht. Die Orientierungslosigkeit in der Welt und in der Story schadet dem Spielvergnügen deutlich, da wir oft nicht genau wissen, was wir eigentlich gerade tun und wo wir hinmüssen.

Kämpfe sind mit einem sehr klassischen JRPG-Kampfsystem umgesetzt, das keiner taktischen Überlegung bedarf – strategische Crowd-Control und gezielte Manipulation von Initiativen suchen wir vergeblich. Auch die charakterspezifischen Burst-Moves sind leider nichts weiter als starke Angriffe.

Dennoch lässt Alterium Shift hoffen: Die drei Storylines, die weitläufig und offen gestaltete Welt und die mehreren Parallelwelten bergen Potenzial für großartiges Gameplay. Dafür ist jedoch unerlässlich, dass Spieler*innen sich besser in der Welt zurechtfinden können, um eigene Entscheidungen treffen und damit das Spielgeschehen bewusst beeinflussen zu können. Wir wollen nicht von einem Ort zum nächsten stolpern, sondern bewusst und gezielt voranschreiten, und zwischen den Welten springen, um so Wege zu gehen, die uns anderswo verwehrt sind – wir wollen unser Schicksal in der Hand halten und nicht Spielball der Story sein.

Wir hoffen, dass spätere Versionen des Spiels nicht nur etwas hübscher aussehen, und einen besser abgemischten Soundtrack haben, sondern auch in Sachen Kampfsystem ein paar Level-Ups durchleben. In seinem aktuellen Stand erhält Alterium Shift von uns drei von fünf überdimensionierte Pixel.

  • Spielmechaniken haben Potenzial
  • Größtenteils guter Soundtrack

 

  • Schwierige Orientierung in der Spielwelt
  • Story halbherzig inszeniert
  • Sehr klassisches JRPG

 

Artikelbilder: © Drattzy Games, Gravity Game Arise
Layout und Satz: Melanie Maria Mazur
Dieses Produkt wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.

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