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Scarlet Witch war bisher nur selten Hauptfigur einer eigenen Reihe. Doch nun erschafft sie eine magische Tür und hilft Leuten in Not. Deadpool will derweil Teil eines Mörderclubs werden, Ms Marvel hat eine Reihe von Team-Ups und wir erfahren eine Geschichte über Peter Parker ohne Kräfte.

Kravens letzte Jagd ist eine der bekanntesten und beliebtesten Spider-Man-Geschichten. Mit Die Verlorene Jagd erscheint nun eine Fortsetzung, die zu der Zeit spielt, als Peter Parker nicht Spider-Man war. Während Kravens Gehilfe Gregor auf Rache sinnt, lebt Peter ohne Kräfte zusammen mit seiner schwangeren Frau Mary Jane. Scarlet Witch aka Wanda Maximoff ist vermutlich eine der mächtigsten Wesen im Marvel-Kosmos. Kann man eine Geschichte mit dieser Figur als Protagonistin schreiben? Die Serie WandaVision zeigte uns wie es geht, doch ihre erste auf Deutsch veröffentlichte Comic-Serie erinnert mehr an Charmed als an Doctor Strange. Dazu schauen wir uns in diesem Artikel noch das erste Heft der neuen Deadpool-Reihe an und blicken auf den neuen Einzelband, in dem Ms Marvel auf Wolverine, Moon Knight und Venom trifft.

Triggerwarnungen

Gedankenkontrolle, Gewalt

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Scarlet Witch #1 – Die magische Tür

Wanda hat in ihrem Leben viele Fehler gemacht und einige Traumata überwinden müssen. Es wird Zeit für einen Safe Space und so eröffnet sie einen Zauberladen. Dort baut sie eine magische Tür ein, die sich automatisch für denjenigen öffnet, der nirgendwo sonst hinkann. Und Wanda ist bereitwillig dabei jedem zu helfen, der ihre Hilfe benötigt.

Der Comic ist episodenhaft aufgebaut. In jedem Kapitel taucht eine neue Person auf, die eine Geschichte mitbringt. Unter anderem sind dies Storm und Viv Vision, die Tochter von Vision. Zusammen mit ihrer neuen Assistentin Darcy finden Wanda heraus, wie man das Problem lösen kann und löst es dann. Die Gefahren sind selten eine wirklich Herausforderung für unsere Heldin. Und hier mag auch die größte Schwäche, aber vielleicht auch die größte Stärke des Comics liegen.

In diesem Band geht es um einen Safe Space für Personen in Not. Es ist passend, dass sich der Comic selbst auch wie ein Safe Space verhält: Immer gibt es ein Happy End, die Scherben werden zur Seite gefegt und es steht außer Frage, wer auf der guten Seite steht. Dadurch hat dieser Band etwas seltsam heimeliges. Diese Gemütlichkeit wird aber auch mit einem Mangel an Spannung erkauft. Gleichzeitig zeigt der Band aber auch, wie man es anders machen kann.

Die letzten beiden Kapitel sind etwas anders aufgebaut als der Rest. Hier gibt es einen zusammenhängenden Handlungsbogen, der mit der neuen Figur Darcy in Verbindung steht. Hier zeigt sich, wie spannend es sein kann, wenn nicht gleich alles klar ist und die Heldin nicht jedes Problem sofort lösen kann. Hiervon würde ich mir in einem Folgeband sehr viel mehr wünschen.

Ein Comic, wie eine warme Tasse Kräutertee

Ein weiterer Kritikpunkt ist, dass die Figuren ziemlich einseitig geschrieben sind. Wanda ist fast schon zu nett und Darcy, die aus dem MCU ins Comic-Universum kam, ist nicht mehr als ein Sidekick und hat ihren Humor nicht mitgebracht. Spannend sind aber die Charaktere, die in Not geraten sind. Die originellste Episode ist die mit Mardj aus dem Tinyverse. Hier wird der größte Teil der Handlung zwischen den Panels erzählt. Die Welt und der Erzählstil ähneln hier dem klassischen Prinz Eisenherz Comic. Die meisten Seiten hier bestehen nur aus einem einzelnen großformatigen Panel.

Die Zeichnungen von Sara Pichelli und Russel Dautermann (der neben den Covern auch ein Kapitel beisteuert) zeichnen eine magische Welt mit Figuren voller Emotionen und guten Absichten. Leider gibt es auch ein paar Fehltritte. So sieht die italienische Stadt Amatrice im ersten Kapitel aus, wie eine typische Main Street nordamerikanischer Kleinstädte. Dabei wäre es sogar möglich gewesen, sich die real existierende Stadt bei Google Street View anzuschauen.

Trotz all der Kritik ist dieser Comic aber durchaus gelungen. Es mag kein Comic für jeden sein, aber gerade wer beispielsweise mit der Serie Charmed aus den 90ern etwas anfangen konnte, ist hier gut aufgehoben. Die Erzählung hüllt Lesende in ein warmes Gefühl und eine Welt in der Probleme einfach durch einen Zauber aus der Welt geschafft werden können. Wer so etwas sucht, sollte in Wandas kleinem Zauberladen vorbeischauen.

Die harten Fakten

  • Autor*in: Steve Orlando
  • Zeichner*in: Sara Pichelli
  • Seitenanzahl: 132
  • Preis: 16 EUR
  • Bezugsquelle: Fachhandel, Amazon, idealo, Panini Shop

 

 

Spider-Man – Die verlorene Jagd

In den 90ern gab es einmal eine Zeit, in der nicht Peter Parker, sondern sein Klon Ben Reilly Spider-Man war. Peter war derweil bei der schwangeren Mary Jane und hatte keine Kräfte. In jener Epoche spielt dieser Comic. Peter hat mit einer starken Belastungsstörung zu kämpfen, die ihn nachts wach hält. Er kann nicht verstehen, ob es die Erinnerung daran, die Spinne zu sein oder die Aussicht, in Zukunft ein Vater zu sein, belastet. Doch er wagt sich heimlich aus der Wohnung und springt von Dach zu Dach.

Kravens Diener Gregor hat sich gleichzeitig an Peters Fersen geheftet. Er weiß, dass es nicht der gegenwärtige Spider-Man ist, an dem er sich rächen will, sondern der werdende Vater aus Portland und so sendet er ihm zusätzliche Alpträume. Als weitere Figur kommt noch Tracy, eine attraktive Gastdozentin, ins Spiel, mit der sich Peter anfreundet. Zwischen Peter, MJ, Gregor und Tracy spinnt sich hier ein Beziehungsgeflecht auf, das wie ein Spinnennetz alles einfängt.

Der Traum von einer guten Geschichte

Der Comic ist von DeMatteis geschrieben, demselben Autor von dem auch Kravens letzte Jagd stammt. Und man merkt hier die Sorgfalt, die in das Seelenleben aller Figuren geflossen ist. Dazu enthüllt er auch die Anfänge von Kraven, der nur indirekt in diesem Comic vorkommt. Die Qualität des Vorgängers wird leider dennoch nicht erreicht. Das liegt vor allem daran, dass die Wendungen aus dem Nichts erscheinen und nicht aus der Handlung erwachsen.

Auch wirkt erstaunlicherweise gerade Peter als der Fremdkörper in der Geschichte. Man hätte viel stärker auf seine Probleme eingehen können und Gregors Wahnsinn gegenüberstellen können. Leider tritt eben das schnell in den Hintergrund. Besonders stark ist der Band, als er auf Gregors Vergangenheit eingeht.

Optisch erscheint der Comic recht klassisch und nutzt dazu einer großen Riege an eher unbekannten Künstler*innen, die es sehr gut schaffen den inneren und äußeren Horror darzustellen.

Dieser Comic macht vor allem Lust auf ein erneutes Lesen des Klassikers. Dabei ist er aber dennoch so gut, dass ich ihn uneingeschränkt für Spider-Man-Fans empfehlen kann, die sich für die Figuren abseits von Peter Parker interessieren.

Die harten Fakten

  • Autor*in: M. DeMatteis
  • Zeichner*innen: Belardino Brabo, Brent Peeples, Eder Messias, Kyle Hotz
  • Seitenanzahl: 124
  • Preis: 15 EUR
  • Bezugsquelle: Fachhandel, Amazon, idealo, Panini Shop

 

Ms. Marvel – Teamarbeit mal anders

Kamala besucht den Central Park in New York, in dem seit einiger Zeit die X-Men ihr Hauptquartier in Form eines riesigen Baumhauses haben. Sie bemerkt fliegende Insektenroboter, welche den Baum angreifen. Es dauert nicht lange, bis Wolverine, Rogue und andere Mutanten auftauchen und alle zusammen versuchen so viele Roboter wie möglich auszuschalten. Doch dies ist erst der Anfang, denn offensichtlich haben die Drohnen Proben gesammelt und ein Feind im Hintergrund hat es nicht nur auf Wolverine abgesehen.

Dieser Comic ist ein klassischer Crossover-Band indem Helden, die sonst selten zusammen zu sehen sind, ein gemeinsames Abenteuer erleben. Ms Marvel ist zufällig überall dabei und erlebt so auch ein Abenteuer mit Moon Knight und Hunter’s Moon, der zweiten Faust von Konshu. Dieses ist sehr viel düsterer und auch von den Zeichnungen erwachsener, fühlt sich daher aber gar nicht wie eine typische Ms Marvel-Geschichte an. Ähnliches gilt für das Finale mit Venom, bei dem sie es mit ekelerregenden Monstern zu tun bekommen.

Leider vollkommen überflüssig

Auch wenn alle drei Episoden mit einer übergeordneten Handlung verbunden sind, ist diese Verbindung nur ein Aufhänger, damit genau diese Crossover zu Stande kommen. Der Comic lebt ein wenig aus dem Spannungsfeld zwischen der jugendlichen Ms Marvel und den ernsten und erwachsenen Antihelden.

Hier wird vor allem Action präsentiert. Die Charaktere treten stark in den Hintergrund. Auch hier wird kein Mehrwert aus den Zusammensetzungen der Figuren gewonnen. Der Comic ist kurzweilig zu lesen, bleibt dabei aber nicht in Erinnerung. Dass dabei das Ende so offen ist, dass der Antagonist noch einmal aufgegriffen werden kann sorgt zusätzlich dafür, dass sich der Band nicht einmal wie ein abgeschlossenes Abenteuer anfühlt.

Wer die Figuren mag und gerne ein Crossover sehen möchte, mag vielleicht einen Gewinn aus diesem Comic ziehen. Allen anderen sind andere Superhelden-Comics ans Herz gelegt von denen es auch hierzulande mehr gibt, als Insekten in einem Schwarm.

Die harten Fakten

  • Autor*in: Jody Houser
  • Zeichner*innen: Dave Wachter, Ibraim Roberson, Ze Carlos
  • Seitenanzahl: 108
  • Preis: 13 EUR
  • Bezugsquelle: Fachhandel, Amazon, idealo, Panini Shop

 

Deadpool #1 – Prima Fleisch

Der Comic schmeißt uns direkt in die Handlung: Deadpool ist von Pflanzen und Wurzeln gefesselt, als Marvels Entsprechung für Poison Ivy Harriet Bromes Experimente an ihm durchführt. Dabei nutzt sie Proben des Carnage-Symbionten, die im Absolute Carnage-Event in ganz New York verteilt wurden. In einer Rückblende erfahren wird, dass Deadpool Mitglied im Atelier, einem exklusiven Club für die besten Auftragskiller, werden will. Dazu hat er den Auftrag bekommen Doctor Octopus umzubringen. Im Atelier selbst hat sich Deadpool in die Nicht-Binäre Valentine Vuong verliebt. Das Chaos ist also vorprogrammiert.

Der Comic ist trotz seiner Kürze erstaunlich abwechslungsreich und spannt eine Handlung auf, in denen Deadpool in ein paar Geschichten zu viel hineingeraten ist. Im Grundaufbau werden die inzwischen bekannten weißen Übersichtsseiten genutzt, die seit House of X & Powers of X alle Mutanten-Comics prägen, hier passenderweise mit Rotstift von Deadpool ergänzt und erweitert. Dadurch ist es möglich, ein wenig mehr Handlung zu erzählen, als es sonst in diesem Format möglich ist und noch ein paar zusätzliche Gags einzubauen. Natürlich ist der Comic hauptsächlich humoristisch angelegt. Dies wird aber nicht so aggressiv forciert wie in anderen Serien des Sölders.

Ein vielversprechender Anfang einer neuen Reihe

Optisch weiß dieser Comic zu gefallen. Die Actionszenen sind dynamisch, aber gleichzeitig übersichtlich genug, um zu verstehen, was hier gerade passiert. Wie schon in den Deadpool-Filmen wird mit den minimalistischen Möglichkeiten gearbeitet, welche die Maske des Antihelden bietet. Dazu sieht man bei jeder Figur, wie Deadpool sie wahrnimmt. Die Tatsache, dass Wades Love Interest gewisse Ähnlichkeiten mit der Autor*in aufweist, mag seltsam anmuten, aber auch zum typischen Meta-Humor der Figur passen.

Allgemein hat man schon länger das Gefühl, dass die Zeit des Söldners mit der großen Klappe vorbei ist und die Beliebtheit langsam schwindet. Dennoch ist dies einer der vielversprechendsten Neustarts einer Deadpool-Reihe seit langem. Hier ist das richtige Verhältnis von Humor, Action und Spannung gefunden, dass ich grundsätzlich Lust verspüre weiterzulesen. Besonders in Hinblick darauf, dass ich die Figur eigentlich nicht mag, ist das schon Lob genug.

Die harten Fakten

  • Autor*in: Alyssa Wong
  • Zeichner*in: Martin Coccolo
  • Seitenanzahl: 44
  • Preis: 4,99 EUR
  • Bezugsquelle: Fachhandel, Panini Shop

 

Artikelbilder: © Panini Comics, © Marvel Comics
Layout und Satz: Roger Lewin
Lektorat: Nina Horbelt
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