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Nach ihrem fingierten Tod befindet sich Doktor Chelli Lona Aphra in einer heiklen Lage. Ihre Rettung brachte ihr ebenso Schulden ein wie der Aufbau einer neuen Identität. Zu allem Überfluss sorgt ihr Vater nun für die Aberkennung ihres Doktortitels, um sie zu einer Zusammenarbeit zu bewegen.

Mit dem Sonderband Doktor Aphra greift Marvel die Figur einer sympathisch gewordenen Antiheldin auf, die ihren ersten Auftritt in Star Wars 5 – Darth Vader 2 Im Dienste Darth Vaders war sie maßgeblich daran beteiligt, dass dieser das Vertrauen seines Meisters zurückgewinnen konnte. Sie war es, die exklusiv für den Lord der Sith in den Schatten operierte, ihrem kurzzeitigen Meister eine Droidenarmee schenkte und Luke Skywalker selbst nachjagte.

Aus Sorge vor dem Tod durch ihren gnadenlosen Arbeitgeber wandte sie sich letztendlich an Imperator Palpatine selbst, um die Machenschaften Darth Vaders zu offenbaren. Dies führte allerdings nicht dazu, dass Vader in Ungnade fiel: Vielmehr belohnte der Imperator seinen Schüler für dessen Ehrgeiz und erlaubte ihm, mit Doktor Aphra zu verfahren, wie er es wünschte. So warf dieser sie in eine Luftschleuse und überantwortete ihren Leib dem tödlichen Vakuum des Alls.

Doch wäre Doktor Aphra nicht Doktor Aphra, wenn sie das nicht vorhergesehen und eingeplant hätte. Ihr kurzer Ausflug in das kalte All endete versteckt im Schiff des Wookie-Kopfgeldjägers Black Krrsantan, mit dem sie ihren fingierten Tod geplant hatte. Nun, da die Befehle Darth Vaders und das drohende Ableben durch seine Hand sie nicht mehr halten, sucht sie den Weg zurück in ihr altes Leben.

Handlung

Die Handlung dieses Comic-Sonderbandes beginnt einige Wochen nach der Flucht Aphras vom neuen Flaggschiff Darth Vaders, der Executor. Sie befindet sich auf der Cosmatanischen Steppe im Äußeren Rand. Bei der Steppe handelt es sich um eine Hülle über einem Gasriesen, die seit Jahren als Zentrum für archäologische Ausgrabungen und Plünderungen dient. An ihrer Seite finden sich die Attentäterdroiden Tripel-Zero und BT-1, sowie der Wookie-Kopfgeldjäger Black Krrsantan. Letzterem schuldet sie Credits und einen großen Gefallen für die erfolgreich durchgeführte Rettungsaktion. In Ermangelung eines eigenen Schiffs hatte Doktor Aphra Schulden bei einer namenlosen Verbrecherorganisation aufgenommen. Um die erste Rate dieser Schulden bezahlen zu können, hatte sie sich mit einem Partner, Ulbik Tan, aufgemacht, um Artefakte in einer Ruine zu bergen und zu Credits machen zu können.

Tan hatte Aphra jedoch verraten und geglaubt, sie getötet zu haben. Nachdem er erfolgreich das geborgen hatte, was beide gesucht hatten, war er dann seinerseits von Aphra hinterrücks niedergeschossen worden. Hier beginnen die Handlung des Comics und Doktor Aphras Probleme. Als sie versucht, das geborgene Artefakt in Archaeo Prime zu verkaufen, wird ihr mitgeteilt, dass ihr der Doktortitel entzogen wurde. Damit ist ihr der gewinnbringende Verkauf von archäologischen Artefakten jenseits des Schwarzmarkts nicht mehr möglich.

Schnell stellt sich heraus, dass ihr Vater für den Entzug ihres Doktortitels verantwortlich ist. Chelli hatte sich den Doktortitel nur durch Betrug verdient, was ihr Vater nun an ihre Universität durchgestochen hat. Ihr ohnehin großer Ärger auf ihren Vater wird dadurch nur noch weiter angefeuert. Der Mann hatte Chelli und ihre Mutter einst verlassen, um den Legenden über einen mysteriösen Jedi-Kult, den Ordu Aspectu, obsessiv nachzujagen. Nun fordert er von seiner Tochter Hilfe bei seiner Suche, die, so hofft er, das Licht in die Galaxis zurückbringen könnte. Widerstrebend und gereizt muss Aphra, die nun mit Nachdruck auf die korrekte Anrede als Doktor pocht, zustimmen – und sei es nur, um ihrem Vater zu beweisen, dass er sein Leben mit dieser Suche verschwendet.

Die Handlung des Comics gleicht einem archäologischen Abenteuer, das von einem Schauplatz zum nächsten wechselt, ohne hektisch zu werden.
Die Handlung des Comics gleicht einem archäologischen Abenteuer, das von einem Schauplatz zum nächsten wechselt, ohne hektisch zu werden.

Die Handlung des Comics gleicht einem archäologischen Abenteuer, das von einem Schauplatz zum nächsten wechselt, ohne hektisch zu werden. Dabei wird mehr von der Vergangenheit der Doktorin, wie etwa das Zerwürfnis ihrer Eltern, offenbart. Ihre Mutter zog mit Chelli während der Klonkriege fort und verließ ihren Vater aufgrund seiner Obsession bei der Erforschung des Ordu Aspectu. Doch statt Frieden zu finden, wurde ihr Haus von Plünderern überfallen, die ihre Mutter töteten. Chelli kehrte kurz nach dem Ende des Klonkrieges mithilfe des frisch etablierten Galaktischen Imperiums zu ihrem Vater zurück, um schwere Vorwürfe gegen diesen zu erheben. Die Geschichte lässt solche Rückblenden immer wieder zu passenden Zeiten in die Geschichte einfließen. So werden auch Ausschnitte aus dem Universitätsleben Doktor Aphras dargestellt.

Wer eine klassische Heldengeschichte erwartet, wird in diesem Comic-Sonderband enttäuscht. Doktor Aphra bezeichnet sich selbst als bissig und passiv-aggressiv. Ihre temperamentvolle Art zieht sich durch die gesamte, durchweg runde Handlung. Doktor Aphra möchte die Welt nicht retten, sie möchte lediglich auf eigenen Füßen stehend überleben. So hilft sie ihrem Vater nicht, weil sie an dessen Vision einer strahlenden Zukunft durch die Rückkehr einer Jedi-Splittergruppe glaubt, sondern nur, um ihren eigenen Doktortitel wiederzuerlangen.

Ist dies eine typische Star Wars-Geschichte? Nein. Ist sie interessant? Auf jeden Fall!

Charaktere

Doktor, und darauf besteht sie, Chelli Lona Aphra ist Archäologin. Schon das ist mehr an Hintergrundinformationen, als es über sie in all den bisherigen Comics gab. Kannte man diesen Charakter bisher nur als bissige, fast wahnsinnig erscheinende, moralisch nicht besonders gefestigte Handlangerin Darth Vaders, wird ihm hier weit mehr Tiefe gegeben. Die passiv-aggressive Ader, der Hang zu Betrügereien und ihre Skrupellosigkeit werden durch die Beleuchtung ihrer Vergangenheit nachvollziehbar dargestellt. Der Charakter bleibt über den gesamten Handlungsbogen konsistent in seinen Motiven, ohne dabei eindimensional zu erscheinen. Als Antiheldin macht Chelli Lona Aphra eine gute Figur und hätte sogar das Potenzial, Han Solo auf der Kinoleinwand weibliche Konkurrenz zu bescheren.

Der Name von Aphras Vater wird nicht erwähnt. Er selbst tritt als idealistisches Gegengewicht zu seiner Tochter auf. Er mag von dem Ordu Aspectu und dessen Anführer, dem unsterblichen Rur, geradezu besessen sein, doch offenbart er im Laufe der Geschichte den Grund dafür: Er hoffte seit dem Erstarken des Galaktischen Imperiums, dass diese Jedi-Splittergruppe zurückkehren und der Galaxis Hoffnung geben würde. Seine augenscheinliche Besessenheit von diesem uralten Orden ist nur der Ausdruck eines geradezu naiven Zukunftsoptimismus. So wollte er seiner Tochter nicht schaden, als er dafür sorgte, dass sie ihren Doktortitel verlor: Er hoffte, mit ihr die Galaxis vor dem Imperium retten zu können, indem sie gemeinsam die Jedi zurückbrächten.

Tripel-Zero und BT-1, die Attentäterdroiden im Dienste Doktor Aphras, bleiben mordlüstern und tödlich. Doch auch sie verlieren sich nicht in dieser Grausamkeit als Selbstzweck. Beide sind gern bei Doktor Aphra und töten auch ohne Anweisung ihrer Herrin im Geheimen, um diesen Zustand beizubehalten. Der Wookie Black Krrsantan, der auch schon in früheren Comics auftauchte und schon Obi-Wan Kenobi auf Tatooine begegnete, bleibt der blasseste Charakter in diesem Handlungsbogen. Er ist dabei und er kann kämpfen. Er kann sich auf Yavin 4 sogar mit einer ganzen Gruppe von imperialen Sturmtruppen auseinandersetzen – viel zu sagen hat er jedoch nicht. Es wird nur kurz angedeutet, warum er, abgesehen von ihren Schulden, bei Doktor Aphra bleibt: Sie hat ihm versprochen, diejenigen zu finden, die ihn gegen seinen Willen einst zum Gladiator ausbildeten.

Covervariante der Hardcover-Ausgabe
Covervariante der Hardcover-Ausgabe

Captain Magna Tolvan wird als neuer Charakter vorgestellt. Während der Geschehnisse von Rogue One war sie unter General Cassio Tagge für die Sicherheit der imperialen Forschungsanlage auf Eadu zuständig, eben jener Anlage, in der Galen Erso am Todesstern forschte. Nach dem erfolgreichen Rebellenangriff auf die Anlage Eadus, und nach der folgenden Schlacht von Yavin, wurde Captain Tolvan nach Yavin 4 strafversetzt, um die eingenommene Rebellenbasis vor Ort zu sichern. Doktor Aphra und ihre Begleiter verwechselt sie mit einem Trupp Rebellen und jagt sie quer durch die Galaxis, der Hoffnung folgend, ihren Ruf und Rang wiederherstellen zu können.

Zeichenstil

Verantwortlich für die Zeichnung dieses Comic-Sonderbands war Kev Walker. Vergleiche zu früheren Comics aus dem Star Wars-Universum lassen sich schwerlich ziehen, tritt Walker doch erst das zweite Mal als Zeichner in diesem in Erscheinung. 2003 zeichnete er lediglich das Cover von Republic 55: The Battle of Jabiim 1, damals noch für Dark Horse Comics.

Die bekannten Charaktere werden von ihm gut getroffen, auch wenn die Protagonistin, die Edgar Delgado das erste Mal in Star Wars 5 – Darth Vader 2 zeichnete, weicher und kompakter wirkt als bei ihrem ersten Auftritt. Delgado selbst übernahm in diesem Sonderband lediglich die Zeichnung des Epilogs.

Insgesamt tut der weichere und farbenfrohere Stil Walkers dem Comic gut, grenzt er sich damit doch stark von dem Thema in der Darth Vader-Reihe ab und verschafft Doktor Aphra eine eigene, zum namensgebenden Charakter passende, Atmosphäre.

Erscheinungsbild

Die für Panini Comics typische Qualität wird hier wie gewohnt beibehalten. Die Farbsättigung ist ausgezeichnet. Der Comic liegt gut in der Hand und verknickt nicht. Die Papierverarbeitung ist hochwertig. Wer Panini kennt, wird hier nicht enttäuscht.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Panini Comics
  • Autor(en): Kieron Gillen
  • Zeichner(in): Kev Walker, Edgar Delgado (Epilog)
  • Erscheinungsjahr: 2017
  • Sprache: Deutsch
  • Format: Softcover, broschiert
  • Seitenanzahl: 136
  • Preis: 16,99 EUR
  • Bezugsquelle: Panini Comics, Amazon

 

Bonus/Downloadcontent

Mit Ausnahme einer typischen Covervariant-Galerie ist kein Bonusmaterial enthalten.

Fazit

Doktor Aphra ist die auf merkwürdige Weise sympathische, böse, weibliche Version eines Han Solo, ohne eine bloße Charakterkopie zu sein. Sie ist eine Betrügerin, die über Leichen geht, deren Handlungsmotive dennoch nachvollziehbar und konsistent bleiben. Damit ist sie ein Ausdruck der neuen Graufärbung innerhalb des Star Wars-Kanons, bei dem es mehr gibt als klassische Helden und klassische Bösewichte. Letztendlich ist Doktor Aphra vor allem eines: menschlich. Das hat sie mit den Charakteren in diesem Comic gemeinsam, dessen Handlung von menschlichen Abgründen und unerreichbaren Hoffnungen durchzogen ist.

Endlich weiß der Leser auch, worin Doktor Aphra ihren Doktortitel besitzt. Sie ist Archäologin. Als solche nimmt sie uns mit auf eine Reise, um den Mythos einer vergangenen Jedi-Splittergruppe aufzudecken. Es macht Spaß zu sehen, wie sich Geheimnis um Geheimnis lüftet. Beinahe fühlt man sich als Leser an die alten Indiana Jones-Filme erinnert. Verfolgt vom Galaktischen Imperium wird ein Puzzleteil nach dem anderen zusammengesetzt, ehe sich die Nebel lichten, die die Geschichte des Ordu Aspectu verhüllten.

Die Referenzen zu Rogue One, den Geschehnissen auf Eadu und Jedha, bilden hierbei angenehme Querverweise, die zeigen, wie klein das Star Wars-Universum manchmal sein kann.

Wer Spaß an Abenteuergeschichten hat, wer Spaß an den Grautönen des Star Wars-Universum finden kann und wem der Charakter Doktor Aphra bisher schon gefiel, der wird Spaß mit diesem Band haben. Aber auch alle anderen Comic- und Star Wars-Fans sollten nicht zurückschrecken. Auch wenn es Verweise zu vergangenen Comicbänden gibt, so ist das Lesen dieser keine zwingende Voraussetzung, um Doktor Aphra folgen zu können.

 

 

Artikelbilder: Panini Comics, Marvel Disney Lucasfilm Ltd., Bearbeitung: Melanie Maria Mazur

 

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