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Die Trailer waren vielversprechend, und tatsächlich konnte Tomb Raider seine Produktionskosten schon am Startwochenende einspielen. Doch wie gut ist der neueste Anlauf einer Verfilmung wirklich? Henning hat sich den Film angesehen.

Die Tatsache, dass Square Enix als Mitproduzenten im Vorspann auftauchen, lies hoffen. Doch leider scheint es, als hätten die Autoren eine typische Kino-Geschichte als Ausgangsbasis genommen, markante Elemente aus den Spielen Tomb Raider (2013) und Rise Of The Tomb Raider (2015) in einen Lostopf geworfen, ein paar davon wieder herausgezogen und dann versucht, diese in die Geschichte zu integrieren. Dadurch wird zwar eine gewisse Nähe zu den Spielen erreicht, aber die Story an sich passt weder zu den alten, noch zu den neuen Tomb-Raider-Spielen. Das fängt schon damit an, dass die Mitglieder der Familie Croft keine Archäologen sind.

Story

Spoiler

 Lara Croft möchte nicht akzeptieren, dass ihr seit sieben Jahren vermisster Vater tot ist, und weigert sich dementsprechend, ihr Erbe anzutreten und die Croft Holding zu übernehmen. Sie arbeitet als Fahrradkurier in London, um über die Runden zu kommen. Bei einem Fahrradrennen rammt sie einen Streifenwagen und wird verhaftet. Ana Miller, Geschäftsführerin der Croft Holding, holt sie von der Wache ab und drängt erneut, die Papiere zu unterzeichnen.

Diesmal willigt sie ein und erhält bei der Unterzeichnung vom Notar ein Rätselkästchen, welches den Schlüssel zu einem geheimen Raum in Croft Manor enthält. Hier findet sie Aufzeichnungen ihres Vaters, der nach dem Tod ihrer Mutter über Wiederbelebungsmythen geforscht hat und auf die die japanische Todeskönigin Himiko gestoßen ist, die auf die geheime Insel Yamatai verbannt wurde und dort begraben worden sein soll. Angeblich konnte Himiko mit ihren Händen über Leben und Tod entscheiden. Lara findet auch eine Videobotschaft von ihrem Vater, in der er sie auffordert, die Aufzeichnungen zu vernichten.

Sie entschließt sich, dem Wunsch nicht zu entsprechen, sondern folgt seinen Spuren nach Hongkong. Dort trifft sie Lu Ren, den Kapitän der Endurance, dessen Schiff ihr Vater damals auf der Suche nach Yamatai gechartert hatte. Die beiden folgen den Spuren ihrer Väter weiter, geraten aber nahe der gesuchten Position in einen schweren Sturm und erleiden Schiffbruch. Lara schafft es an Land, wird dort aber aufgegriffen und bewusstlos geschlagen.

Als sie zu sich kommt, ist sie in der Gewalt von Matthias Vogel. Dieser erzählt ihr, dass er für einen nicht genannten Auftraggeber auf der Suche nach Himikos Grabmal wäre. Außerdem hätte er ihren Vater getötet. Dadurch, dass Lara die Aufzeichnungen ihres Vaters mitgebracht hat, ist er seinem Ziel jetzt näher als je zuvor.

Lara und Lu gelingt die Flucht, auf der sie einiges einstecken muss und nur knapp überlebt. Am Ende muss sie einen Handlanger Matthias‘ töten. Sie entdeckt kurz darauf einen seltsamen Mann, der die Flucht ergreift. Lara folgt ihm bis zu einer Höhle an der Küste. Hier stellt sie fest, dass der Mann ihr verschwundener Vater Richard Croft ist. Er berichtet, dass er schon lange wisse, wo das Grab sei, sich aber vor Matthias verstecke und die Expedition mit falschen Spuren in die Irre leite. Da Lara die Aufzeichnungen vernichtet hätte, hätten sie keine Chance, das Grab zu finden. Lara gesteht ihm, dass Matthias jetzt sein Notizbuch hat. Sie begibt sich zurück zur Expedition, um die Aufzeichnungen zurück zu erlangen.

Matthias ist es inzwischen gelungen, den genauen Ort des Grabes zu finden, aber er kann den Eingang nicht öffnen. Lara befreit Lu Ren und die anderen Gefangenen. In dem Tumult kommt auch Richard zum Grabmal und wird von Matthias gefangengenommen. Mit Richard als Geisel zwingt Matthias Lara, das Grabmal für ihn zu öffnen, was ihr auch gelingt. Gemeinsam steigen Lara, Richard, Matthias und seine Handlanger in das Grabmal. Lara umgeht einige Fallen, die allerdings das Leben mancher Handlanger kosten, und die Gruppe erreicht Himikos Sarkophag.

Beim Versuch, Himikos Leichnam zu bergen, werden zwei der Handlanger mit einer schnell tötenden Krankheit infiziert, deren Überträgerin anscheinend Himiko war. Wandbilder erzählen, dass sie sich freiwillig hier zur Ruhe gelegt hat, um die Krankheit von der Menschheit fernzuhalten. Vogel erkennt, dass er gar nicht den ganzen Leichnam braucht, um seinen Auftrag zu erfüllen, und schneidet Himiko einen Finger ab.

Ein Kampf bricht aus, bei dem Richard und Lara die verbleibenden Handlanger erledigen. Richard wird ebenfalls infiziert und beschließt, in der kurzen Zeit, die ihm noch bleibt, den Leichnam und damit den Erreger durch Sprengstoff zu vernichten. Lara soll Matthias aufhalten und nimmt Abschied von ihrem Vater.

Lara stellt Matthias und tötet ihn mit Hilfe des Fingers, den dieser bei sich trägt. Danach entkommt sie knapp aus dem Grab, während die Sprengung alles zum Einsturz bringt. Sie und die anderen Überlebenden kapern einen Transporthubschrauber, den Matthias angefordert hatte, und fliehen damit von der Insel.

Da Richard jetzt wirklich tot ist, tritt Lara ihr Erbe an. Sie überträgt die Geschäftsführung auf Ana Miller. Im Geheimraum in Croft Manor findet sie jedoch Hinweise, dass Trinity hinter der Expedition steckte und dass Ana anscheinend die mysteriöse Auftraggeberin war. Lara beschließt, Trinity zu bekämpfen.

Das Schlimmste an der Story sind einige Logiklücken. Die prominenteste: Wer den ersten Teil von Tomb Raider kennt, weiß, dass die Stürme um die Insel, die jegliches Entkommen unmöglich machen, mit der Spiel-Version von Himiko zu tun haben und es deshalb eine Erklärung gibt, warum diese am Ende der Spielhandlung aufhören. Im Film werden die Stürme ebenfalls anfangs thematisiert, sogar mit Himiko in Verbindung gebracht, sind dann aber am Ende einfach verschwunden, ohne dass die Filmhandlung dafür eine vernünftige Erklärung liefert.

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Darsteller

Alicia Vikander ist Lara Croft. Die schwedische Schauspielerin und Tänzerin (Ex Machina, Jason Bourne, Anna Karenina, Seventh Son) bringt neben einer überzeugenden schauspielerischen Leistung auch die nötige Beweglichkeit und Kraft für die Darstellung der Videospielheldin mit. So ist es kaum verwunderlich, dass sie nicht nur die normalen Szenen meistert, sondern auch die meisten Action-Szenen selbst spielt. Sie ist genau die Action-Heldin, die ein Tomb-Raider-Film braucht.

Leider lässt die Handlung die Einzelkämpferin Lara Croft die meiste Zeit über nicht von der Kette, sondern mit einer Gruppe von Personen umherziehen. Sowohl Lara als auch Vikander wirken hier wie ein Tiger im Käfig. In den wenigen Momenten, wo sie tatsächlich mal alleine unterwegs ist, kann sie ihre Rolle voll ausspielen.

Walter Goggins (Django Unchained, The Hateful Eight, Maze Runner – Die Auserwählten in der Todeszone) spielt Matthias Vogel, angelehnt an Pater Matthias aus dem ersten Videospiel. Allerdings hat Matthias nahezu nichts mit der Videospiel-Figur gemeinsam, er ist lediglich der eiskalte Chef einer Gruppe von Leuten, die einen Auftrag auf der Insel zu erfüllen haben und fungiert als ständiger Widersacher von Lara Croft. Goggins füllt diese Rolle hervorragend aus, und bringt dabei noch ein wenig die Entrücktheit des „echten“ Pater Matthias mit in die Rolle ein.

Dominic West (300, Hanibal Rising, Centurion) als dritter Hauptdarsteller liefert ebenfalls eine gute Leistung ab, auch wenn seine Rolle nicht so recht in den Film passt. An dieser Stelle möchte ich nicht verraten, wen er spielt, dies steht im Spoiler-Teil des Story-Abschnittes.

Inszenierung

Die Autoren hätten auf Basis des Spiels Tomb Raider eine schöne Origin-Story erzählen können. Stattdessen gibt es abgedroschenes Popcorn-Kino in der Liga etwa der National-Treasure-Filme (Deutsch: Das Geheimnis der Tempelritter und andere). Das wiederum aber in vernünftiger Qualität, was Schauspiel, Action und Effekte angeht.

Der Film legt quasi den Grundstein für ein „Tomb Raider Cinematic Universe“, welches sich unabhängig von den Spielen entwickeln kann. Eine mögliche Entwicklungsrichtung und mögliche Bedrohungen für die nächsten Teile werden in diesem Film schon angedeutet.

Der Film porträtiert Lara Croft als willensstarken Freigeist. Sie schlägt sich lieber als Fahrradkurier durchs Leben, anstatt den vermuteten Tod ihres Vaters zu akzeptieren und das Erbe anzutreten. Sie ist keine Superheldin, die alle Herausforderungen im Handumdrehen meistert, sondern bringt lediglich die richtigen Voraussetzungen mit, um sich an die neue Umgebung anzupassen. Die Film-Lara ist von vornherein weniger unbedarft als die Spiel-Lara und entwickelt sich auch wesentlich schneller weiter. Dies ist natürlich der Kürze des Filmes geschuldet, die Spiel-Lara hat für die gleiche Entwicklung mehr als zehnmal soviel Zeit. Trotzdem wirkt die Entwicklung etwas gehetzt — zwischen dem Schock nach dem ersten Kampf, als sie zum ersten Mal einen Menschen töten musste, bis zu der Abgebrühtheit, mit der sie den Endkampf meistert, liegt gefühlt zu wenig Zeit.

Die Film-Lara ist trotzdem eine glaubhafte Person, der man sowohl ihr altes als auch ihr neues Leben abnimmt, und deren Motive und Verhaltensweisen nachvollziehbar sind.

Losgelöst von den Spielen betrachtet sind auch die Teile der Story, die im Spiel-Universum keinen Sinn ergeben würden, gut umgesetzt und glaubhaft inszeniert. Wenn man die Spiele nicht kennt, kann man den Film sogar fast noch besser gucken, als wenn man sie kennt. So gibt es ganz am Ende des Filmes eine Wendung, die einen schon am Anfang eingeführten Charakter betrifft. Diese Wendung ist für Kenner der Spiele zu erwarten gewesen, da der bloße Name des Charakters schon ausreicht, um die Wendung vorauszusehen. Ohne dieses Wissen ist diese Wendung gelungen und überraschend.

Die Kameraarbeit ist hervorragend. Zusätzlich kommt der Film weitgehend ohne deutlich sichtbare Spezialeffekte aus. Das Making Of zeigt, wie viele Szenen tatsächlich einfach real gedreht wurden, statt CGI zu verwenden. Lediglich an einer Stelle fragt man sich, warum die uralten Schlüsselsteine so künstlich aussehen müssen wie gefrorene Gummibärchen.

Die Musik von Tom Holkenborg alias Junkie XL (300: Rise of an Empire, Mad Max: Fury Road, Deadpool) trägt die Szenen hervorragend. Der Soundtrack könnte auch für Pen&Paper-Spielrunden interessant sein.

Erzählstil

Die Erzählung folgt hauptsächlich der Protagonistin. Szenen ohne Lara Croft werden nur gezeigt, wenn es absolut nötig ist, um die weitere Handlung zu verstehen.

Schlüsselszenen aus der Vergangenheit werden in Form von sepia-gefärbten Flashbacks präsentiert. Einige Flashback-Szenen kommen mehrfach vor, wobei sie beim erneuten Auftreten länger sind und mehr von der damaligen Szene zeigen.

Erscheinungsbild/Umfang

Die harten Fakten:

  • Regie: Roar Uthaug
  • Darsteller: Alicia Vikander, Walton Goggins, Dominic West
  • Erscheinungsjahr: 2018

 

Lohnt sich 3D im Kino?

Leider lohnt sich 3D wie so oft nicht. Ausgehend von den Spielen hätte man erwarten können, einige schöne 3D-Sequenzen zu erleben. Die 3D-Umsetzung in den wenigen Action-Sequenzen ist allerdings maximal durchschnittlich, und im Dialog-Teil fällt sie kaum auf. Dankenswerterweise wird der Film in den Kinos auch in 2D angeboten.

Fazit

Der Film ist nicht schlecht. Er ist lediglich kein guter Tomb-Raider-Film. Wenn man den Hintergrund außer Acht lässt, ist der Film solide gemachtes, unterhaltsames Popcorn-Kino, zwar mit vorhersehbaren Wendungen und mit Logiklöchern versehen, aber dennoch unterhaltsam.

Er hinterlässt bei Fans der Spiele leider den faden Nachgeschmack einer lieblosen Computerspiel-Verfilmung. Schade, dass der Film sich nicht näher an eines der beiden letzten Spiele gehalten oder aber eine völlig eigene Geschichte im Tomb-Raider-Stil erzählt hat, statt nur Klischee-Kino mit Spiel-Anleihen abzuliefern. Dass dabei auch wieder einmal der komplette Hintergrund der Protagonistin umgeschrieben wird, macht es nicht besser, wäre bei einer guten darauf aufbauenden Geschichte aber völlig in Ordnung gewesen.

Die Leistungen von Alicia Vikander und Walton Goggins retten den Film, wobei gerade Vikander für die tatsächliche Handlung in weiten Teilen überqualifiziert ist. Lara Croft ist eine Einzelkämpferin, die in den meisten Szenen dank der umherziehenden Gruppe wie ein Hund an der Leine wirkt. Nur, wenn sie tatsächlich mal alleine unterwegs ist, kann Vikander zeigen, was in ihrer Version der Figur steckt. 

Auch die restlichen Schauspieler stellen ihre Rollen gut und glaubhaft dar.

Der Film legt den Grundstein für ein von den Spielen unabhängiges „Tomb Raider Cinematic Universe“ und macht Hoffnung auf einen besseren zweiten Teil, auch wenn es bislang noch keine offiziellen Aussagen zu einer Fortsetzung gibt – außer von Vikander, die die Rolle der Lara Croft gerne noch öfter spielen würde.

Ein Hinweis an die Eltern: Der Film hat die FSK12-Freigabe, enthält aber einige Szenen, bei denen wir uns gefragt haben, was diese in einen Film ab 12 zu suchen haben.

Artikelbilder: Warner Bros. Studios
Diese Kinokarte wurde privat finanziert.

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