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Ein von der Abholzung bedrohter Wald? Ein gieriger Konzern? Zu allem bereite Aktivisten? Was kann die Situation da besser entschärfen, als ein Rudel Werwölfe? Dieses Kurzszenario für Werwolf: Die Apokalypse von Lukas Ester schickt die pelzigen Spielercharaktere in den Hambacher Forst. Wir haben es uns genauer angeschaut.

Wenige Ereignisse haben im vergangenen Jahr für so viel Aufsehen gesorgt, wie es die Proteste gegen die Abholzung des Hambacher Forsts getan haben. Der Konzern RWE baut in der Region seit Jahrzehnten Braunkohle ab, wodurch im Laufe der Zeit ganze Dorfgemeinschaften umgesiedelt werden mussten und sich ein kompletter Landstrich in einen gigantischen Krater verwandelte.

Um die Erhaltung des Hambacher Forsts am Rand des Tagebaus zu erreichen, kampieren schon länger mehrere Demonstranten im Wald. In diesem Kurzszenario für Werwolf begeben sich die Spielercharaktere ins Protestcamp, müssen aber im weiteren Verlauf erkennen, dass es auf beiden Seiten skrupellose Gestalten gibt.

Rettet den Hambacher Forst – egal um welchen Preis!

Das Szenario ist kurz und gliedert sich in zwei Kapitel. Als erstes stellt Autor Lukas Ester das allgemeine Setting vor, beschreibt Schauplätze und Nebenfiguren. Die Ausführungen sind knapp und die Nichtspielercharaktere etwas überzeichnet, was aufgrund der aktuellen Thematik zwar etwas befremdlich wirkt, für ein Rollenspiel-Szenario aber durchaus in Ordnung ist. Dennoch sind manche Darstellungen leicht überzogen. So wirkt der Hambacher Forst stellenweise wie ein endloses Schlachtfeld, auf dem kleinere „Gefechte“ mit mehreren Dutzend Teilnehmern auf beiden Seiten an der Tagesordnung zu sein scheinen.

Insgesamt glückt die Einbettung in die Mythologie von Werwolf nicht ganz. Zwar ist der Ansatzpunkt, über den die Verseuchung durch den Wyrm ihren Weg ins Szenario findet, durchaus interessant, wird aber nur sehr platt ausgearbeitet. Zudem verteilt sich die Beschreibung der Bedrohung über das gesamte erste Kapitel und wird an keiner Stelle zusammenfassend dargestellt.

Dabei wäre ein Verweis im eigentlichen Szenario, welches das zweite Kapitel darstellt, angebracht gewesen. In den dort vorhandenen Beschreibungen fehlt der Bezug zum Wyrm komplett, die zu verhindernde Katastrophe wirkt dadurch allzu menschlich. Das Szenario bietet den Spielern zwar die Möglichkeit, einzelne Bereiche frei zu erkunden, die tatsächliche Handlung ist allerdings völlig linear und führt die Charaktere von einer Szene zur nächsten.

Spoiler

Ein Aktivist ist vom Wyrm korrumpiert und legt es auf eine tödliche Auseinandersetzung zwischen Demonstranten und Polizei an, bei der mehrere hundert Menschen sterben.

Die Charaktere sollen das irgendwie verhindern. Die Zahlen an Toten und Verletzten, die im Szenario auftauchen, scheinen angesichts der Realität abstrus und überzogen, passen aber in die vorhergehende Beschreibung des Hambacher Forsts als Schlachtfeld.

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Erscheinungsbild

Die optische Gestaltung ist für ein selbst erstelltes Kurzszenario im Storytellers Vault solide, aber auch nicht überragend. Was besonders negativ auffällt, sind die massiven sprachlichen Fehler, die von einfachen Rechtschreibfehlern über Fehler bei der Groß- und Kleinschreibung bis hin zu irritierenden Grammatik- und Stilfehlern reichen.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Storytellers Vault
  • Autor: Lukas Ester
  • Erscheinungsjahr: 2018
  • Sprache: Deutsch
  • Format: PDF
  • Seitenanzahl: 10
  • ISBN: –
  • Preis: 0,50 EUR
  • Bezugsquelle: Storytellers Vault

 

Fazit

Unterm Strich bleibt das Kurzszenario weit hinter seinen Möglichkeiten zurück. Trotz des Bezugs zu einem aktuellen Thema aus der realen Welt ist es stellenweise völlig überzeichnet und wirkt dadurch fast schon surreal. Dies mag insofern Sinn ergeben, als dass ein Rollenspiel-Szenario ein bisschen mehr Pep bieten sollte als die reale Welt, was aber nicht bedeutet, dass alle Reißleinen zum eigentlichen Thema gekappt werden sollten. Der konkrete Bezug zum Hambacher Forst bleibt letztlich auf der Strecke, da sich das Szenario im Wesentlichen auf spektakuläre Massenmorde, beziehungsweise deren Verhinderung, konzentriert.

Leider ist auch die Anbindung an die Spielwelt von Werwolf nicht ganz rund gelungen. Zwar gibt es einige Querverweise auf den Spielhintergrund, das Szenario geht aber an keiner Stelle darauf ein, wie die Charaktere zum Beispiel mit ihren Fähigkeiten als Werwolf aktiv werden können. Eines der wesentlichen Merkmale dieses Regelsystems – die Außergewöhnlichkeit, die Eigenschaften eines Werwolfs zu besitzen – wird also nur unzulänglich thematisiert.

Wer die Ereignisse um den Hambacher Forst in einem Rollenspiel-Szenario (das nicht einmal unbedingt etwas mit Werwolf zu tun haben muss) einbauen und sich die Mühe nicht selber machen möchte, findet in diesem Szenario eine kompakte Beschreibung von Schauplätzen und möglichen Nichtspielercharakteren auf beiden Seiten. Die eigentliche Handlung ist jedoch platt und zeigt nur wenige Ansatzpunkte, wie die Spieler diese wesentlich beeinflussen können.

Es bleibt ein halbgarer Eindruck, der zudem von zahlreichen sprachlichen Fehlern und Unzulänglichkeiten überschattet wird. Letztlich ist es nur für Spielleiter zu empfehlen, die auf der Suche nach einer Setting-Beschreibung zum Hambacher Forst sind und mit den beschriebenen Überzeichnungen zurechtkommen.

 

Artikelbild: © Storytellers Vault, Bearbeitung: Melanie Maria Mazur
Dieses Produkt wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.

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