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Anlässlich der Berichterstattung des Christchurch-Attentates in Neuseeland wurde einmal mehr der Begriff LARP im Zusammenhang mit dem Täter gebracht. Szenefremden Lesern erschließt sich leider nicht sofort, dass diese Verwendung von LARP, nichts mit dem tatsächlich Begriff LARP zu tun hat. Zwar mag man darüber streiten, was LARP eigentlich genau ist, aber Attentate sind es zweifelsfrei nicht. Daher hat der Deutsche Liverollenspiel-Verband, gemeinsam mit der Gesellschaft für Live-Rollenspiel, eine Stellungnahme veröffentlicht.

Stellungnahme des DLRV und der GfLR im Wortlaut

Wir sind der Überzeugung, dass das in der folgenden Stellungnahme angesprochene Thema und die mit ihm verbundenen Sachverhalte zu komplex sind, um sie in Form von Facebook-Kommentaren adäquat zu diskutieren. Leider zeigt sich immer wieder, dass Diskussionen in dieser Form aus dem Ruder laufen und sehr oft unsachlich geführt werden. Dies dient weder der Sache, noch finden wir es hilfreich, um eine Haltung zu diesem Thema zu gewinnen. Aus diesem Grund bitten wir euch, unter diesem Post keine Kommentare zu hinterlassen. Wir werden jegliche Form des Kommentars unter diesem Post löschen. Wer sich zu unserer Stellungnahme äußern möchte oder Fragen dazu hat, ist eingeladen, uns per Mail unter stellungnahme@gflr.de anzuschreiben.

Zur Ausgangssituation:
Im Rahmen der Berichterstattung um das Attentat in Christchurch, Neuseeland, wird in den letzten Tagen auch immer wieder der Begriff „LARPing“ in Zusammenhang mit dem Täter gebracht. So z.B. durch einen Artikel auf Spiegel Online vom 22. März 2019 Online mit Namen „Die braune Verschwörung“: „.. – „Wir werden eine Amokalypse starten Brüder!!!!“ Manche verherrlichen das Attentat von Christchurch als besonders aufregendes „Larping“. In der Spielerszene steht das für „Live Action Role Playing“ also ein lebensechtes Rollenspiel. Es gibt sogar Seiten, die Rankings rassistischer Attentäter veröffentlichen. Tarrant belegt dort die Nummer vier, Nummer eins ist Breivik. Natürlich wird nicht jeder, der wie Sonboly mehr als 4000 Stunden den Ego-Shooter „Counter-Strike“ gespielt hat zum Killer. Andererseits wirkt das Netz oft wie ein Katalysator für toxische Ideen.“ (Vgl. https://www.spiegel.de/…/globales-netzwerk-rechtsextremer-t…).

Dies steht auch im Kontext mit dem scheinbar in den USA immer stärker aufkommenden Trend, den Begriff „LARPing“ als Deckmäntelchen oder Rechtfertigung für Handlungen extremistischer Gruppen und Individuen zu benutzen. Ein Problem, dem sich besonders die „Society for Creative Anachronism“ und die HEMA (Historical European Medieval Arts)-Community gegenüber sehen (vgl. https://www.thedailybeast.com/the-alt-right-is-taking-over-…) und dessen Ausmaß lange nicht bekannt war bzw. unterschätzt wurde.

Zur Verbreitung dieses Phänomens im deutschsprachigen Raum berichteten bereits im Februar 2018 die Teilzeithelden und verfassten eine Stellungnahme dazu (vgl. https://www.teilzeithelden.de/…/rechtsradikale-trollgruppe…/).

In all diesen Fällen wird der Begriff des LARPs als Deckmantel verwendet, um extremistische, menschenverachtende und verfassungsfeindliche Aussagen und Handlungen zu verharmlosen oder zu tarnen. Manchmal werden auch Strategien aus dem an historischen Kampf angelehnten LARP-Kampf (wie z.B. ein Schildwall aus selbst gebauten Plastikschilden) in Situationen des realen Lebens verwendet und zweckentfremdet. So geschehen im Fall der Proteste in Charlottesville, um gegnerische Demonstranten zu bedrängen und deren Reihen gewaltsam zu durchbrechen.

Unsere Stellungnahme:
Wir erklären, dass wir uns entschieden gegen eine Verwendung des Begriffes „LARP“ in diesem Zusammenhang verwehren. Wir distanzieren uns von und stellen uns gegen die Besetzung des Hobbys Live-Rollenspiel und die Verwendung der Begrifflichkeit „LARP“ durch extremistische Gruppen oder Einzelne.

Live-Rollenspiel ist eine soziale und inklusive Tätigkeit, die von Vielseitigkeit und Toleranz lebt. LARP ermöglicht es jedem Individuum im Rahmen geltenden Rechts und in gegenseitigem Einverständnis seine Persönlichkeit zu entwickeln und ihr in diesem Rahmen Ausdruck zu verleihen. Hier gibt es keinen Platz für realen religiösen und politischen Extremismus, der sich mit Verachtung, Hass oder Gewalt Ausdruck verschafft.

Live-Rollenspiel in Zusammenhang mit den Ereignissen in Charlottesville und Christchurch zu bringen ist nicht nur sachlich falsch. Denn was dort geschehen ist, ist kein LARP und sollte auch von niemandem so bezeichnet werden. Die Verwendung des Begriffs LARP in diesem Kontext diffamiert auch die ehrenamtliche Arbeit tausender LARPer*innen auf der ganzen Welt, die unzählige Stunden ihrer freien Zeit damit verbringen, fantastische Live-Rollenspiele zu erschaffen und damit Empathie, Vielseitigkeit, Toleranz und Demokratie zu fördern.

Die LARP-Szene und die in dieser Community agierenden Menschen sind in ihrer Vorstellung von LARP sicherlich sehr unterschiedlich. In einem sollten wir uns jedoch alle einig sein:

LARP ist und darf kein Deckmantel für extremistisches, verfassungs- und menschenfeindliches Gedankengut und entsprechende Handlungen sein!

Für alle LARPer*innen, Veranstalter*innen und Vereine in diesem Bereich sollte es selbstverständlich und wichtig sein, sich aktiv zu diesem Thema und gegen die Abwertung von Religion, Geschlecht, Herkunft, sexueller Ausrichtung oder anderer Attribute zu positionieren.

Denn wenn wir als LARPer*innen den Begriff nicht proaktiv definieren, ihn mit positivem Inhalt füllen und uns von extremistischen Strömungen abgrenzen, wird diese Definition von jemand anderem übernommen – mit einem Ergebnis, das uns nicht gefallen wird.

Deutscher Liverollenspiel Verband e.V. & Gesellschaft für Live-Rollenspiel e.V.

Ihr könnt diese Stellungnahme unterstützen und euch positionieren, indem ihr sie teilt oder sie anderen Personen auf andere Weise zugänglich macht.

Artikelbild: ©DLRV & GfLR

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