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Trudvang Chronicles ist ein Rollenspielsystem, das in eine Welt entführt, die von alten nordischen und keltischen Sagen inspiriert ist. Heldenhafte Abenteuer und eine märchenhafte Stimmung werden bereits vom Cover des Grundregelwerks versprochen. Die Teilzeithelden haben, gewappnet mit Streitaxt und Runensteinen, die Reise gewagt. 

Trudvang Chronicles begann vor einigen Jahren als Ableger des schwedischen Rollenspielsystems Drakar och Demoner. 2016 wurde es als eigene Edition auf Englisch veröffentlicht. Zwei Jahre später erfolgte bei Truant Spiele die deutschsprachige Veröffentlichung. Das Regelwerk verteilt sich auf drei Bände: Die hier besprochenen Grundregeln, das Spielerhandbuch und den Band Zauberweber. Diese Aufteilung wird weiter unten im Text thematisiert, zunächst soll ein Blick in die Spielwelt geworfen werden.

Die Spielwelt

In der nordischen Mythologie ist Trudvang der Name der Heimstatt des Donnergottes Thor. Dieser Begriff wird in Trudvang Chronicles auf die gesamte Spielwelt übertragen. Trudvang ist eine Welt, die von alten nordischen und keltischen Sagen inspiriert wird. Urtümliche Königreiche, die inmitten rauer Landschaften erblühen und vergehen. Wanderer, die auf Trolle im Dickicht stoßen, oder in alten Hügelgräbern vergessene Schätze bergen.

Die Beschreibung der Spielwelt zeichnet kein friedvolles Bild von Trudvang. Die Landstriche werden häufig als wild und ungezähmt beschrieben, ihre Bewohner entsprechend kämpferisch dargestellt. Die barbarischen Wildlinge von Nhoordland, die traditionsbewussten Krieger der Sturmlande, die ehrenhafte Ritter der Westmark – überall in Trudvang gibt es Kämpfer, welche die wenigen lebenswerten Orte verteidige und bisweilen übereinander herfallen.

Trotz des Fokus auf die nordische Sagenwelt gelingt es, eine abwechslungsreiche Spielwelt darzustellen. Elfen und Zwerge bringen ein paar Farbtupfer ins Spiel. Unterschiedliche Religionen, Bräuche und Gesellschaftsstrukturen sorgen für Unterschiede zwischen den Völkern von Trudvang. Die Darstellung der Spielwelt konzentriert sich jedoch auf Kämpfe, fantasievolle Kreaturen und Wildnisreisen. Eine städtische Kultur scheint es kaum zu geben und somit weniger Raum für gesellschaftlich oder sozial geprägte Abenteuer. Beziehungsweise konzentrieren sich diese auf kleine Ansiedlungen und adlige Höfe. Wer etwas Arbeit nicht scheut, kann die auf der Weltkarte genannten, nur wenig thematisierten Städte, natürlich zu diesem Zweck ausarbeiten.

Die im Band enthaltenen Kreaturen geben einen guten Eindruck über das mythisch geprägte Setting. Trolle und Lindwürmer lauern in der Wildnis, ebenso wie räuberische Wolflinge. Zusätzlich stehen den Spielfiguren Untote und vielgestaltige, dämonische Finsterwesen gegenüber. Trudvang Chronicles glänzt in diesem Punkt eher mit Klasse, denn mit Masse. Die Schar der Gegenspieler ist überschaubar, wirkt aber fein ausgearbeitet und fügt sich perfekt in die Spielwelt ein.

Die Regeln

Kommen wir nun zur oben angesprochenen Aufteilung der Regeln. In diesem als Grundregeln bezeichneten Band findet sich nur eine Auswahl der Regeln. Diese sind bei weitem nicht so grundlegend, wie es der Titel des Bandes suggeriert. Immerhin befindet sich im ersten Kapitel eine Übersicht der Regeln, welche die wesentlichen Spielmechaniken grob vermittelt, ohne ins Detail zu gehen.

Zum Spielen werden sechsseitige (W6), zehnseitige (W10) und zwanzigseitige (W20) Würfel benötigt. Der W20 ist dabei maßgeblich für Fertigkeits- und Situationswürfe. Ein Fertigkeitswurf wird also mit einem W20 durchgeführt, bei dem das Ergebnis unter dem Fertigkeitswert eines Charakters liegen muss, um erfolgreich zu sein. Da ein Fertigkeitswert höchstens bei 10 liegen kann, ist es wichtig, die eigenen Erfolgschancen durch Modifikationen zu verbessern. Ähnlich verhält es sich mit Situationswürfen, die ebenfalls mit dem W20 durchgeführt werden und gegen einen Situationswert gehen, der von der Spielleitung festgelegt wird. Dieser Wurf wird durch die Charaktereigenschaften beeinflusst. Diese Eigenschaften kann man sich wie bei Dungeons and Dragons vorstellen, bestehen bei Trudvang Chronicles aber nur aus den abgeleiteten Modifikatoren, die sich im niedrigen einstelligen Bereich um den Wert 0 herumbewegen.

Viel weiter ins Detail gehen die Grundregeln an dieser Stelle nicht. Zudem bleiben die Regeln in vielen Aspekten nur abstrakt beschrieben. So fehlt es an Regeln zur Charaktererschaffung, die sich im Spielerhandbuch befinden. Zwar gibt es am Ende der Grundregeln einige Beispielcharaktere, aber ohne genaue Erläuterung der Fertigkeiten und Eigenschaften bleiben diese nutzlos.

Der Band widmet sich stattdessen den Regeln zum Leiten einer Kampagne und geht dabei insbesondere auf Reisen durch die Wildnis ein. Diese werden durch Situationswürfe abgehandelt, für die es mehrere Modifikatoren gibt, wie zum Beispiel das Wetter oder die Ausrüstung. Außerdem werden diese Wildnisreisen als fordernde Kraftakte dargestellt, die mit laufender Dauer immer schwerer zu bewältigen sind. Naturereignisse wie Stürme und Lawinen, sowie die Suche nach Nahrung stellen dabei eine zusätzliche Herausforderung dar.

Ebenso finden sich in den Grundregeln die Kampfregeln von Trudvang Chronicles. Diese, das sei vorab gesagt, wirken nicht sehr zugänglich, machen jedoch den Eindruck, schnell verinnerlicht werden zu können und ausgewogen zu sein. Auch hier sind Situationswerte maßgebend, wobei diese nicht konkurrierend zueinander stehen. Es ist so, dass für Attacke und Parade die Kampffähigkeit einer Spielfigur anhand ihrer Kampffertigkeiten ermittelt und in Kampfpunkte umgerechnet wird. Diese Kampfpunkte können verwendet werden, um zum Beispiel eine Attacke oder eine Parade zu erleichtern. Hinzu kommen Modifikationen, die sich aus besonderen Kampfumständen, wie dem Fernkampf, Kampf mit zwei Waffen und dem berittenen Kampf ergeben.

Anders als bei anderen Systemen können diese bei Trudvang Chronicles nicht durch etwaige Sonderfertigkeiten oder ähnliches ausgeglichen werden. Die Modifikationen bleiben immer gleich und können nur durch eine Steigerung der Kampffertigkeiten ausgeglichen werden. Zudem besteht immer die Möglichkeit, durch sogenannte Offene Würfe, bei denen Würfelergebnisse explodieren – also noch einmal geworfen und addiert werden können, wenn der Maximalwert gewürfelt wurde – deutlich höhere Ergebnisse zu würfeln. Abgerundet wird der Band durch die oben bereits erwähnten Spielwerte für Kreaturen und durch ein Ausrüstungskapitel, das aber ohne die Regeln zur Charaktererschaffung etwas abstrakt bleibt.

Insgesamt machen die in diesem Band enthaltenen Regeln einen ausgewogenen Eindruck. Die Grundlagen erscheinen leicht zugänglich, sind im Detail aber komplex genug, um eine entspannte Lernkurve zu erwarten.

Erscheinungsbild

Die Optik des Bandes hinterlässt einen zwiespältigen Eindruck. Zum einen sind die wunderschönen Illustrationen, welche die Stimmung der Spielwelt perfekt einfangen und sogar besser transportieren, als es den Texten gelingt. Diese sind solide gelayoutet, aufgrund weniger Absätze aber nicht immer angenehm lesbar. Vor allem das Kapitel der Weltbeschreibung könnte deutlichere Absätze vertragen. Es folgt zudem nicht konsequent einer nachvollziehbaren Gliederung, wodurch es stellenweise unübersichtlich ist.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Truant Spiele
  • Autoren: Theodore Bergqvist, Magnus Malmberg et al.
  • Erscheinungsjahr: 2018
  • Sprache: Deutsch
  • Format: Softcover, PDF
  • Seitenanzahl: 128
  • ISBN: 978-3-934282-86-5
  • Preis: 29,95 Euro
  • Bezugsquelle: Fachhandel, idealo, Amazon, DriveThruRPG, Sphärenmeister

 

Fazit

Trudvang Chronicles ist ein Rollenspiel, das in eine Welt entführt, die alten Sagen nachempfunden ist. Diese Stimmung einzufangen, gelingt den Grundregeln gut, aber ohne die Regeln, die im Spielerhandbuch zu finden sind, fühlt sich die Welt fern und etwas leblos an. Daran ändert auch die enthaltene Beschreibung der Spielwelt nichts, die ansonsten gut gelungen ist. Was irritiert, ist die Benennung dieses Bands als Grundregeln. Denn abgesehen von einer groben Beschreibung grundlegender Spielmechaniken, fehlen Inhalte, die für das Spielen unabdingbar sind.

Im englischsprachigen Original wird dieser Band als Game Master’s Guide bezeichnet, was etwas mehr Sinn ergibt, wobei die Kampfregeln auch für SpielerInnen interessant sein dürften. Es bleibt ein etwas zwiespältiger Eindruck. Zwar ist die Aufteilung eines Regelsystems in verschiedene Bände nicht unüblich, wirkt in diesem Fall aber nicht ganz durchdacht. Dass die deutsche Ausgabe dieses Bandes als Grundregeln bezeichnet wird, mag für Irritationen sorgen, was sich in seiner Wertung widerspiegelt. In ihrer Gesamtheit betrachtet, mag die Wertung für die Trudvang Chronicles einen Punkt höher ausfallen, ohne Lektüre des Spielerhandbuchs bleibt dies allerdings eine Vermutung.

 

 

Artikelbild: Truant Spiele, Bearbeitet von Verena Bach
Dieses Produkt wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.

 

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